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Gemeinsamer Ministerrat, 2. 8. 1869

I. Bemängelung der ungarischen Delegation bezüglich der Armeerechnungen für das Jahr 1868

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z57.pdf.

II. Besprechung der vom Budgetausschusse der Reichsratsdelegationen [sic!] beschlossenen Abstriche am Voranschlag der Landarmee für das Jahr 1870

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z57.pdf#page=3.

III. Verwaltung des militärischen Stellvertreterfondes

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z57.pdf#page=8.

Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869                     313

zwecke heuer höhere Beträge votieren zu müssen als im Vorjahr, daher auch
von der Opposition, selbst wenn diese von den Delegationen ausgeschlos¬
sen werde, keine Verdächtigung in dieser Beziehung zu fürchten habe - ein
Versprechen, das sich nach dem faktischen Erfordemisansatze allerdings
nicht bestätige.

   An die vom Reichsfinanzminister Freiherrn v.
Becke aufgeworfene Frage, welcher praktischer Erfolg diesem Dissens
beizumessen sei, knüpfte sich noch eine kurze Diskussion, in deren Verlauf
Ministerpräsident Graf Taaffe bemerkte, wie es sich für
die Zukunft empfehlen werde, das gemeinsame Budget, speziell jenes des
Kriegsministeriums, den beiderseitigen Finanzministem stets rechtzeitig
und vor den Besprechungen im Ministerrate zur Kenntnis zu bringen, wor¬
auf schließlich Ministerpräsident Graf Andrässy das Er¬
gebnis der heutigen Verhandlung dahin konstatierte: 1. daß eine mala fides
auf keiner Seite vorliege und bloß ein Mißverständnis darin obwalte, daß
der eine Teil das seinerzeit im Ministerrate verhandelte Ordinarium der
Landarmee unbedingt und ziffermäßig akzeptiert wähnte, während der an¬
dere die Genehmigung nur unter der eingangs erwähnten Voraussetzung
erteilt erachtete, 2. daß ferner in der Folge der Vorgang zu beobachten sei,
daß der Reichskriegsminister sein Budget stets rechtzeitig im Wege des
Reichsfinanzministers den beiden Landesfinanzministem mitteilen und
letztere dadurch in die Lage setze, dasselbe gehörig und nach allen Rich¬
tungen in Erwägung ziehen zu können, womit die Sitzung geschlossen
wurde.

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 29. Juli 1869. Franz Joseph.

         Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. August 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe
(9. 8.), der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (4. 8.), der Reichskriegsminister [FML.]
Freiherr v. Kuhn (o. D.), der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay (7. 8.), der k. k. Handels¬
minister v. Plener, der k. k. Minister des Innern Giskra (10. 8.), k. k. Generalmajor Benedek.
    Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Bemängelung der ungarischen Delegation bezüglich der Armeerechnungen
für das Jahr 1868. II. Besprechung der vom Budgetausschusse der Reichsratsdelegationen
[sic!] beschlossenen Abstriche am Voranschlag der Landarmee für das Jahr 1870. III. Verwal¬
tung des militärischen Stellvertreterfondes.
<pb/>314 Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869

   KZ. 2579 - RMRZ. 57
   Protokoll des zu Wien am 2. August 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬

sers.

   I. Der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay erbat
sich das Wort, um jene Anstände zur Sprache zu bringen, welche von
Seite der ungarischen Delegation gegen die das Armeebudget betreffen¬
den Rechnungen für das Jahr 1868, beziehungsweise gegen das von der
Kriegsverwaltung unter Berufung auf erhöhte Alimentationsauslagen mit
2 700 000 fl. bezifferte Defizit erhoben worden sein sollen. Aus Anlaß des
vom Kriegsminister beanspruchten Nachtragskredites pro 1868 habe näm¬
lich die ungarische Delegation, behufs Konstatierung des eigentlichen
Defizites eine Kommission zur Prüfung der Rechnungen und Ermittelung
jener Titel, in welchen ein Defizit vorhanden sei, eingesetzt, und diese sei
zu einem von den Angaben der Kriegsverwaltung abweichenden Ergebnisse
gelangt, welches in der Wahrnehmung liege, daß die Überschreitung bei den
Alimentationskosten nur 600 000 fl. und nicht 2 700 000 betrage, was zu
der Folgerung berechtige, daß der Grund des Defizits in anderen als den Ver-
pflegstiteln liegen müsse. Andererseits habe sich nach Angabe ungarischer
Delegierter bei der Rechnungsprüfung auch herausgestellt, daß sich zwi¬
schen dem faktisch erzielten und dem präliminarmäßigen Betrage der eige¬
nen Einnahmen ein erheblicher Unterschied ergebe, wie nicht minder, daß
in einzelnen Titeln das Präliminar nicht eingehalten worden sei, indem bei
mehreren Ausgaben beträchtliche Überschreitungen ersichtlich seien. So
sei dies namentlich bei den Pensionen und Invalidenversorgungen, dann in
der Rubrik ,,Bauten&quot; der Fall, in welch letzterer sich gegenüber dem Voran¬
schläge von 2 600 000 fl. eine tatsächliche Verausgabung von 3 581 000 fl.
zeige. Zu allem hätten die ungarischen Delegierten eine Mehrausgabe von
4 379 000 herausgebracht, und es bestehe die Meinung, daß das Defizit bei
vollständiger Rechnungsabwicklung den Betrag von 5 000 000 fl. erreichen
werde, was unter den Delegierten großes Befremden hervorgerufen habe
und eine Aufklärung um so mehr erheische, als die Buchung nach anderen
Titeln erfolgte als das Präliminar.

    Seine Majestät der Kaiser geruhte die Verwunderung
über so namhafte Überschreitungen auszusprechen, zugleich aber auf das
gestattet gewesene Virement hinzuweisen, wodurch sich das Finalergebnis
 denn doch günstiger gestalten werde.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe
 seinerzeit bei der Budgetberatung nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu
 machen, daß sich bei einzelnen Ausgabetiteln Budgetüberschreitungen er¬
 geben würden, und es sei diese seine Erklärung in der Reichsratsdelegation
 auch zu Protokoll genommen worden. Wenn Virements stattgefunden hät¬
 ten, so habe er nur von dem ihm durch das betreffende Finanzgesetz einge-
<pb/>Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869    315

räumten Rechte Gebrauch gemacht. Übrigens lasse sich durch willkürliches
Ausscheiden und Analysieren einzelner Ziffern ein genaues Bild der
Gebarung nicht gewinnen, und es sei in dieser Beziehung zu bedauern, daß
die zur Detailrechnungseinsicht im Kriegsministerium erschienenen
Delegierten Ungarns, die, wie ihm mitgeteilt wurde, über die unerwartet
Vorgefundene Ordnung überrascht gewesen sein, aber die Sache ziemlich
eilig abgemacht haben sollen, sich nicht genauer informierten.

   Was speziell die wahrgenommenen Mehrausgaben gegenüber der Ziffer
des Voranschlages betreffe, so müsse er zunächst bemerken, daß es sich bei
den vorliegenden Rechnungen noch um keinen förmlichen Rechnungsab¬
schluß, welcher zur Beurteilung der Gebarung unerläßlich sei, sondern nur
um die faktischen Verausgabungen handele und daß die scheinbaren
Überschreitungen darin ihren Grund haben, daß in manchen Rubriken be¬
trächtliche Ausgaben figurieren, die wie z. B. Kriegsprästationen und Bau¬
kosten aus nachträglichen Collaudierungen dem Dienst der Vorjahre zur
Last fallen und aus den betreffenden Dotationsresten bestritten werden. So
sei es auch mit dem Ofner Militärspital der Fall, wofür ein Teil der bereits
votierten Kosten erst später zur Auszahlung gelangen werde. Schließlich
könne er nur seine Bereitwilligkeit erklären, den Delegierten jede ge¬
wünschte Aufklärung zu geben.

   Die Notwendigkeit der Schlußrechnungen zur Beurteilung der
Armeegebarung in den einzelnen Titeln betonten auch Handels-
minister v. Plener und der Minister des Innern
G i s k r a . Letzterer wies insbesondere daraufhin, wie die Rechnungsab¬
schlüsse wegen der Verfügung über die Dotationsreste jedesmal nur im
zweiten auf das Gegenstandsjahr folgenden Jahre, also die Rechnungen pro
1868 erst im Jahre 1870 geliefert werden könnten, und bemerkte bezüglich
der ungarischerseits gerügten Pensionsverausgabung, daß der Pensionsetat
allerdings nie richtig geführt worden sei und sich stets Überschreitungen bis
zu 500 000 fl. herausgestellt hätten. Was die sonst noch beanstandeten
Mehrausgaben betreffe, so werde es die ungarischen Delegierten beruhigen,
wenn Sektionschef v. Früh ihnen die mündliche Aufklärung gebe,1 daß sich
darunter auch Posten, die aus dem Vorjahre herrühren, befinden.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Er könne be¬
stätigen, daß er faktisch nicht mehr angewiesen habe, als die von den Dele¬
gationen bewilligte Dotation. Wenn also in einzelnen Titeln mehr ausgege¬
ben worden sei, so hätte dies nur aus Kassaresten, die vom Dienst der Vor¬
jahre herrühren, geschehen können. Übrigens handle es sich heute noch nicht
um eine Klarstellung des Defizits für das Jahr 1868, sondern nur um die
vom Kriegsminister verlangte Idemnität für den dem Stellvertreterfonde zur
Bestreitung des Defizits entnommenen Vorschuß von 2 700 000 fl. Die Über-

1 August v. Früh, im GMR. v. 4. 6. 1869, RMRZ. 51.
<pb/>316 Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869

zeugung von der Redlichkeit der Gebarung könne den Delegationen erst mit
der Vorlage des Rechnungsabschlusses pro 1868 geliefert werden. Bis dahin
könnten sie nur im Wege mündlicher Aufklärung beruhigt werden.

   Seine Majestät der Kaiser: Heute handle es sich auch
nicht um eine Entscheidung, sondern nur um die Erwägung, ob die un-
garischerseits erhobenen Zweifel aufklärbar seien oder nicht, und wie man
sich im letzteren Falle verantworten könne. Nach der vom Reichsfinanz¬
minister abgegebenen Erklärung und den sonstigen Bemerkungen der
Votanten werde es nicht schwer, die gewünschte Beruhigung zu geben. Es
soll also Finanzminister v. Lonyay die Bemängelungen der ungarischen
Delegierten dem Reichskriegsminister zur Aufklärung vertraulich mitteilen
und in der den Delegierten noch vor der öffentlichen Diskussion zu erteilen¬
den mündlichen Antwort darauf hingewiesen werden, daß die Schlu߬
rechnungen pro 1868 erst im Jahre 1870 vorgelegt werden können.

   II. Sofort nahm Reichskanzler Graf Beust Anlaß, auf
die bisher bekannt gewordenen Abstriche des Budgetausschusses der
Reichsratsdelegationen an dem Voranschläge des Kriegsministeriums hin¬
zudeuten. Im allgemeinen sei dies zwar eine Angelegenheit, die zunächst
nur den Reichskriegsminister, welchem die Vertretung seines Budgets ge¬
genüber den Delegationen obliege, &quot;und in zweiter Reihe die anderen ge¬
meinsamen Minister&quot; angehe. Der umfassende Pauschalabstrich jedoch,
welchen der Budgetausschuß in seiner am 30. Juli abgehaltenen Sitzung an
den Titeln 4, 20, 21 und 22 für allgemeine Truppenauslagen, Naturalien¬
verpflegung, Mannschaftskost und Monturwesen beschlossen habe, sei von
weitergehender Bedeutung. Er involviere die Notwendigkeit einer noch
weiteren Verminderung des Präsenzstandes und berühre daher auch andere
den Bestand der gegenwärtigen Heeresorganisation ebenso wie unsere da¬
durch bedingte politische Stellung nach Außen bund Sicherheit nach Innenb
betreffenden Fragen, so daß angesichts dieses Beschlusses auch das Mini¬
sterium in seiner Gesamtheit nicht indifferent bleiben könne. Es käme also
darauf an, sich Rechenschaft zu geben, inwieweit eine den Beschlüssen des
Budgetausschusses konforme Abstimmung im Plenum nachteilig und was
zu tun sei, um einer solchen Abstimmung vorzubeugen?

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe
infolge der erwähnten Beschlüsse am 1. August eine kommissionelle Bera¬
tung abgehalten, um die äußerste Grenze der Budgetreduktion festzustellen,
welche eingehalten werden müsse, wenn der Präsenzstand nicht noch mehr
vermindert werden solle. Aufgrund dieser Beratung könne er folgendes
mitteilen: Bei dem Titel ,,Zentralleitung&quot; habe der Ausschuß von dem An-

        Einfiigung Beusts
b-b Einfügung Beusts
<pb/>Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869           317

satze der Regierung per 3 027 414 fl. einen Abstrich von 177 414 fl. vorge-

nommen. Vortragender könne höchstens einem Abstrich von 50 000 fl. zu¬
stimmen. Eine weitere Reduktion und Anspannung des täglich zehn Stun¬
den arbeitenden Personales sei unmöglich. Einem gleichen Nachlasse von
50 000 fl. wolle er angesichts des vom Ausschüsse beschlossenen Ab¬
striches von 280 000 fl. auch bei den höheren Kommanden und Stäben zu¬
stimmen. Bei den vom Reichskanzler erwähnten vier Titeln habe der Aus¬
schuß einen Abstrich von 2 150 000 fl. beschlossen. Dies gehe absolut nicht
an. Der Präsenzstand und die Präsenszeit seien jetzt schon auf das Mindeste
berechnet. Vor allem aber müsse er sich gegen den dem Ausschüsse belieb¬
ten Modus eines Pauschalabstriches, welcher eine neue Organisation erfor¬
dere, aussprechen. Höchstens könnten durch Unterlassung der Ernennung
von 80 Majors für die fünften Bataillons 150 000 fl. und durch Annahme
eines Interkalares von 1 % weitere 200 000 fl. in Wegfall gebracht werden.
Ferner sei bei Montur und Bettwesen ein Abstrich von 300 000 fl. möglich,
was bei diesen vier Titeln einen Gesamtnachlaß von 650 000 fl. gegenüber
dem Kommissionsabstrich von 2 150 000 fl. repräsentieren würde. Den Ab¬
strich von 23 726 fl. bei Titel 5 (Militärfuhrwesen) halte Vortragender nicht
für tunlich, weil sonst bei einem Kriegsausbruch für die Kanonenbe¬
spannung gar keine eingeübten Pferde vorhanden sein würden. Gegen den
bei Titel 7 (Verpflegsmagazine) gemachten Abstrich von 44 626 fl. wolle er
nichts einwenden, ebensowenig gegen das Fallenlassen der geheimen Aus¬
lagen von 20 000 fl. Rechne man noch dazu einen freiwillig konzedierten
Abstrich von 25 000 fl. bei dem noch nicht verhandelten Titel 9 (Monturs¬
depot), so belaufe sich sein Zugeständnis ausschließlich des möglichen
Mindererfordernisses für Artilleriezeugwesen durch billigere Gestaltung
der Patronenerzeugung auf zusammen 839 000 fl.

   Soviel vom Ordinarium! Ziehe man noch das Extraordinarium in Er¬
wägung, so ließe sich durch Streichung der für den Feldtrain eingestellten
116 000 fl., dann der vom Finanzminister Brestei schon bei der ersten
Budgetbesprechung im Ministerrat beanstandeten 100 000 fl. für Reserve¬
werkzeuge,2 ferner einiger Ansätze für Bauten in Krakau, für das Material¬
depot in Lemberg und für das Fuhrwesendepot in Graz noch ein weiteres
Mindererfordemis von 325 000 fl. erzielen und könne, wenn man auch noch
bei der Anschaffung der Hinterladerkanonen eine Beschränkung eintreten
lassen wolle, die er nebenbei bemerkt bei den Mitrailleusen nicht befürwor¬
ten könne, der Nachlaß alles in allem auf die Maximalhöhe von 1 !4 Millio¬
nen gebracht werden. Hiermit sei aber das Maß seiner Nachgiebigkeit er¬

schöpft.
   Diese Darlegung des Reichskriegsministers gab zu mehrfachen Zwi¬

schendiskussionen Anlaß und zwar a) machte Reichsfinanzmi-

2 Finanzminister Brestei im GMR. v. 4. 6. 1869, RMRZ. 51.
<pb/>318 Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869

nister Freiherr v. Becke die Andeutung, ob es nicht mög¬
lich wäre, auch bei den Bauten etwas mehr in Abschlag zu bringen, worauf
Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn mit dem Hin¬
weis darauf antwortete, daß sich die, die Zahl von 5000 fl. übersteigenden
Militärgebäude zum Teile in skandalösem Zustande befinden und dringende
Reparaturen erfordern, b) Die vom Freiherrn v. Becke ange¬
regte Frage über die Verpflegung der Freiwilligen geruhten Seine
Majestät der Kaiser dahin zu beantworten, daß die sich selbst
beköstigenden Freiwilligen über den Stand, die ab ärario verpflegten Ärme¬
ren aber im Sinne des Gesetzes auf den Stand geführt werden, c) Fi¬
nanzminister v. Lonyay wünscht die Annahme eines 2 an¬
statt eines 1 %igen Interkalars, wodurch sich der Nachlaß im Ordinarium
auf 1 039 000 fl. stellen würde. Freiherr v. Kuhn sprach sich
aber gegen diesen Modus aus, obschon Minister Giskra beton¬
te, daß auch bei der Zivilverwaltung ein höheres Interkalar angenommen
werde, und daß die Annahme eines größeren Interkalars bei den Truppen
auch auf die Verpflegung zurückwirke, so wie sich andererseits durch das
eingeführte halbjährige Avancement auch bei den Offiziersgagen eine
Ersparung erzielen lasse.

   d) Seine Majestät der Kaiser geruhte zu bemerken,
daß dies alljährliche Herumfeilschen um die Budgetsansätze das Zustande¬
kommen eines Normalbudgets, wie es doch heuer beabsichtigt werde, sehr
erschwere und daß wenn heuer ein Interkalar eingestellt werde und nächstes
Jahr nicht, dann wieder die Einwendung erfolgen werde, daß die Anforde¬
rungen stets im Steigen seien. Es gleiche einer Komödie, wenn man seitens
der Regierung bis an die äußerste Grenze des zulässigen Erspamisses ge¬
gangen zu sein erkläre und sich dann doch wieder zu Nachlässen herbei¬
lassen müsse, worauf sich Minister Giskra die Entgegnung er¬
laubte, daß ein Normalbudget so lange unerreichbar sei, bis man sich nicht
zur Aufstellung einer Enquetekommission aus Mitgliedern der Delegierten
entschließen wolle, deren Aufgabe es sei, bei Veröffentlichung ihres Ope-
rates sämtliche Positionen des Militärbudgets nicht nur quoad calculum,
sondern auch quoad meritum zu prüfen. Vortragender sucht bei diesem An¬
lasse zugleich die Motive, welche den Budgetausschuß bei den heurigen
Abstrichen leiteten, zu erklären und erblickte dieselben einerseits in der
vorwaltenden Meinung, daß sich unnötig viel höhergestellte Militärs in lei¬
tenden Stellungen, die auch von rangniederen Offizieren versehen werden
könnten, befänden, andererseits in der vom Abgeordneten Skene3 verbreite¬
ten Ansicht, daß aus seinem Lieferungsvertrage mit dem Kriegsministerium
für letzteres eine Ersparung von 3-4 Millionen resultiere, was für viele
Delegierte um so mehr Anlaß sei, sozusagen ins Blaue zu streichen, als der
Vortrag selbst unter ihnen manche Gegner habe. Könne der Kriegsminister

 3 Über den Abgeordneten Skene siehe GMRProt. v. 7. 5. 1869, RMRZ. 43. Anm 2.
<pb/>Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869  319

dieses Vorurteil zerstreuen, so werde man im Plenum gewiß Anstand neh¬
men, so weitgehende Abstriche zu machen.

   Ministerpräsident Graf Taaffe ergänzte diese Be¬
trachtung mit der Andeutung, daß bei dem Verbote von Virements in den
Verpflegstiteln die Richtigkeit der Angabe Skenes schon in der nächsten
Folge ersichtlich werden würde.

   e) Es kam über Anregung des Freiherm v. Becke auch die Frage des
Bronzeverkaufes aus alten Kanonen zur Sprache. Reichskriegs¬
minister Freiherr v. Kuhn vertrat die Ansicht, daß dies
eine Sache der ihm selbständig obliegenden internen Manipulation sei, wel¬
che so wie die etwa aus dem Erlöse gemachte Neuanschaffung lediglich in
den Rechnungen ersichtlich zu machen sei, während die Minister
Freiherr v. Becke, v. Lönyay und G i s k r a , und zwar
letzterer mit Berufung auf den seinerzeitigen Vorgang mit dem Erlös aus
dem Verkaufe der alten Zündschloßgewehre, der Meinung waren, daß auch
der Erlös aus dem Bronzeverkaufe budgetmäßig unter die eigenen Einnah¬
men einzustellen und zu den dafür beabsichtigten Neuanschaffungen die
verfassungsmäßige Bewilligung einzuholen sei. Dieser Ansicht konfor-
mierte sich auch schließlich Freiherr v. Kuhn und wurde dieselbe mit Ge¬
nehmigung Seiner Majestät zum Beschluß erhoben.

   Seine Majestät der Kaiser hatte hierauf die Gnade, die
Diskussion auf ihren Ausgangspunkt zurückzuführen, mit der Andeutung,
daß es notwendig sei, die Übereinstimmung der Konferenzmitglieder mit
dem heute entwickelten Anträge des Kriegsministers zu konstatieren, und
daß wenn man sich geeinigt habe, bei den Delegierten beider Legislativen
mit allen Mitteln dahin gewirkt werden möge, damit die Abstriche des
Budgetausschusses der Reichsratsdelegation im Plenum nach den Andeu¬
tungen des Kriegsministers korrigiert werden. Man soll darauf Gewicht le¬
gen, daß der Wehrstand von 800 000 Mann ein Gesetz sei, welches auch
seine unabweisbaren finanziellen Konsequenzen habe, und daß ein ange¬
messener Präsenzstand schon im Interesse der Aufrechterhaltung der inne¬
ren Ordnung unerläßlich sei, wie denn auch tatsächlich die Erfahrung lehre,
daß nicht nur in Ungarn die Landtagswahlen nur mittels Militärassistenz
vor sich gehen konnten,4 sondern auch in der diesseitigen Reichshälfte von
allen Seiten Gesuche um militärische Unterstützung eingebracht werden,
denen man wegen Mangel disponibler Mannschaft nicht willfahren könne.

   Minister Giskra gab sofort die Erklärung ab, daß er gerne
die Aufgabe übernehme, im Privatverkehr mit den Delegierten des Reichs¬
rates (denn zu einer öffentlichen Vertretung sei er verfassungsmäßig nicht
berufen) für die Annahme des heute restringierten Budgets zu wirken, und

Im Zusammenhang mit den 1869er Wahlen kam es am 26. Februar zu einer derartigen
Prügelei, daß Militär eingesetzt werden mußte. Schulthess, Europäischer Geschichts¬
kalender, Bd. 10 (1869) 226.
<pb/>320 Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869

was speziell den Stand der Armee betreffe, so glaube er auch für den Erfolg
eintreten zu können. Weniger sicher sei er bezüglich der Zentralleitung, wo
man, wie schon erwähnt, zuviel höhere Offiziere beschäftigt glaube.

   Auf die sofort von dem Reichsfinanzminister Frei¬
herrn v. Becke gemachte Andeutung, daß viel darauf ankomme,
wie der Reichskriegsminister von seinen Kollegen unterstützt werde, und
daß diese Unterstützung auch in der zu Abstrichen ebenfalls stark hin¬
neigenden ungarischen Delegation geboten sei, in welcher Beziehung auch
Ministerpräsident Graf Taaffe darauf Gewicht legte,
daß beide Delegationen möglichst Hand in Hand gehen und gleichmäßig
votieren, was sich am ehesten durch gegenseitigen Privatverkehr herbeifüh¬
ren lasse, erklärte auch Finanzminister v. Lönyay seine
Bereitwilligkeit, im obigen Sinne zu wirken, jedoch mit dem Bemerken,
daß in beiden Delegationen der Wunsch bestehe, daß die Quote nicht mehr
als im Vorjahre betrage. Lasse nun auch das gemeinsame Zollgefälle ein
höheres Erträgnis erwarten, so könne er sich doch nicht verhehlen, daß un¬
geachtet der heutigen Beschlüsse das Budget des Kriegsministers infolge
der Gagenerhöhung sich um 1 700 000 fl. höher belaufe als im Vorjahre,
ganz abgesehen von den beiden Nachtragskrediten. Übrigens sei auch er für
eine privative Verabredung der beiderseitigen Delegationen und werde die¬
selbe fördern, sobald ihm die Namen der hiezu auserkorenen Reichsrats¬
delegierten bekanntgegeben werden.

   Im Verlaufe der Diskussion machte Reichskanzler Graf
B e u s t speziell auch darauf aufmerksam, daß um den auf Abstriche ge¬
richteten Beschluß des Budgetausschusses im Plenum zum Falle zu brin¬
gen, der Hinweis auf die inneren und äußeren Verhältnisse, welche den ge¬
genwärtigen Präsenzstand gleichmäßig fordern, wohl das wirksamste Mit¬
tel sei. Dies könne aber öffentlich nicht gesagt, sondern den Delegierten nur
im vertraulichen Gespräche oder im Wege der Presse vorgehalten werden.
Sein Gedanke sei also, in den der Regierung nahestehenden Blättern gründ¬
liche Aufklärungen von Fachmännern erscheinen zu lassen, woraus sich
eine Polemik entspinnen werde, die nur dazu dienen könne, die Ansichten
zu berichtigen und die Intentionen der Regierung zu befördern.

   III. Als letzten Gegenstand der Beratung brachte Reichs-
finanzminister Freiherr v. Becke den in der ungari¬
schen Delegation zur Sprache gekommenen Antrag vor, daß der Militär¬
stellvertreterfond aus der bisherigen Verwaltung des Kriegsministeriums
ausgeschieden und dann dem Reichsfinanzministerium übergeben werden
solle. Dieser Antrag knüpfe an die Lombardierung des Fondes im Jahre
1868 an und liege demselben die Absicht zugrunde, dem Kriegsministerium
die Möglichkeit zu verschließen, eventuell über einen Fond ä part für seine
Zwecke disponieren zu können. Es scheine Vortragendem nötig, gegenüber
der wahrscheinlichen Einbringung dieses Antrages Stellung zu nehmen. Er
<pb/>Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869                     321

wünsche die Zuweisung in sein Ressort keineswegs, allein man müsse sich

doch darüber klar werden, ob man sich gegen den Antrag ablehnend oder

gleichgültig verhalten soll. Einen konstitutionellen Einwand gegen den An¬

trag vermöge er allerdings nicht zu erblicken.

Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: An

der Gebarung des Stellvertreterfondes liege ihm nichts, und sei es für ihm

ganz gleichgültig, ob dieselbe in seinem Ressort bleibe oder nicht. Nur da¬

gegen müßte er sich sträuben, daß der Fond eine andere Bestimmung erhal¬

te oder inkameriert werde, und daß sich die Delegationen daraus ein

Bewilligungsrecht vindizieren. Der Fond gehöre faktisch der gemeinsamen

Armee und sei zur Gewinnung und Erhaltung tüchtiger Unteroffiziere be¬

stimmt, worauf er bei der heutigen kurzen Präsenzzeit ganz besonderes Ge¬

wicht legen müsse.

Minister Giskra: Diese Frage sei eine gemeinsame, gehe ihn

also zunächst unmittelbar nicht an, dennoch müsse er im Interesse der Ge¬

meinsamkeit gegen einen solchen Antrag sprechen. Die Bestimmung des

Fondes stehe fest, und ebenso sicher sei es, daß der Kriegsminister damit

nicht selbständig verfügen könne, aber anderseits stehe auch fest, daß

Fonde stets unter die Verwaltung jenes Ministeriums gehören, dessen Res¬

sort sie berühren, dies sei hier das Kriegsministerium. Ein gegenteiliger

Vorgang verstoße gegen das angedeutete Grundprinzip der bisherigen

Administration in Österreich und erscheine ebenso als Widerspruch, wie

wenn der Stadterweiterungsfond in Wien dem cisleithanischen Finanzmini¬

ster übergeben werden wollte, was niemandem einfalle. Das Motiv der un¬

garischen Delegation sei nicht durchschlagend.

Seine Majestät der Kaiser geruhte die Frage zu stellen,

in welcher Form die ungarische Delegation sich die Verwirklichung ihres

Antrages denke, worauf Finanzminister v. Lönyay die Auf¬

klärung gab, die Meinung der ungarischen Delegation sei die, daß die

Fondsrevenuen als Einnahmen und Ausgaben im gemeinsamen Budget zu

manipulieren sei. Seine Majestät der Kaiser hatte hier¬

auf die Gnade, als Hauptsache hinzustellen, daß der fragliche Antrag nicht

die Wirkung eines maskierten Drängens auf Teilung des Fondes erhalte, und

daß der Fond seine Bestimmung erhalten werde. Nachdem noch

Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke erwähnt

hatte, wie der Fond sich mit der Zeit durch die das Einkommen übersteigen¬

den Ausgaben absorbieren und wachsende Staatszuschüsse erheischen wer¬

de, geruhten Seine Majestät die Sitzung zu schließen.5              Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 12. August 1869. Franz Joseph.

5 Die weitere Behandlung der Frage: GMR. v. 15. 3. 1870, RMRZ. 64.
<pb/>