MRP-2-0-01-1-18690710-P-0055.xml

|

Gemeinsamer Ministerrat, 10. 7. 1869

I. Besprechung über die in den Delegationen zu befolgende Taktik

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z55.pdf.

II. Petition der Stadtgemeinde Olmütz um Stadterweiterung

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z55.pdf#page=3.

308 Nr. 55 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 7. 1869

Nachdem noch Reichsfinanzminister Freiherr v.

Becke hinzugefugt, daß der Grund des Widerspruches der türkischen

Regierung in ihrer Absicht zu suchen sei, die eigenen Offiziere, die aber

Direktor Pressei nicht brauchen könne, zu beschäftigen, wurde die Sitzung

geschlossen.

                                 Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 12. Juli 1869. Franz Joseph.

          Nr. 55 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. Juli 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe, der Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke, der Reichskriegsminister FML. Freiherr v. Kuhn, Sektionschef v. Hofmann.
    Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Besprechung über die in den Delegationen zu befolgende Taktik. II. Petition
der Stadtgemeinde Olmütz um Stadterweiterung.

   KZ. [fehlt] - RMRZ. 55
   Protokoll des zu Wien am 10. Juli 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen Beust.

   [I.] Reichskanzler Graf Beust eröffnete die Bespre¬
chung, indem er mit Hindeutung auf die morgen stattfmdende Eröffnung
der Delegationen die bereits in der Sitzung des gemeinsamen Ministerrates
vom 4. Juli1 zur Sprache gebrachte Notwendigkeit betonte, den Einfluß der
Regierung bei den ihr ergebenen Delegierten nunmehr in der Richtung gel¬
tend zu machen, daß die aus der Mitte der Delegationen zu erwählenden
Subkomitees zur Vorberatung der einzelnen Partien des gemeinsamen Bud¬
gets in einer der glatten Geschäftsabwickelung fördersamen Weise zusam¬
mengesetzt und dadurch der Wiederholung des im November vorigen Jah¬
res speziell bei der Delegation des Reichsrates eingetretenen Falles vorge¬
beugt werde, daß das oppositionelle Element in einzelnen Subkomitees die
Oberhand gewinne, wo es sodann schwer sei, im Plenum die Ansätze der
Regierung gegen die Anträge der Berichterstatter durchzubringen.

    Da die eigentliche Beratung der Delegationen füglich nicht vor dem Em¬
pfange bei Seiner Majestät dem Kaiser beginnen, letzterer aber aus Rück¬
sicht für die ungarischen Delegierten, welche sich morgen bloß auf die

1 GMR. v. 4. 7. 1869, RMRZ. 54.
<pb/>Nr. 55 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 7. 1869  309

Konstituierung der Delegation beschränken, dann aber zur Beendigung ge¬
wisser Landtagsverhandlungen auf ganz kurze Zeit nach Pest zurückreisen
würden, erst nächsten Donnerstag stattfinden könne, so habe die Regierung
genügende Zeit, um wenigstens, was die in Budgetfragen weniger kulante
Delegation des Reichsrates betrifft, im vertraulichen Verkehr mit einzelnen
Delegierten für die Erreichung des gewünschten Resultates tätig zu sein. In
dieser Absicht müsse zunächst dahin gewirkt werden, daß die Delegation
des Reichsrates sich morgen gleichfalls nur aufdie Konstituierung beschrän¬
ke und die Wahl der Ausschüsse nicht, wie bei der zweiten Delegation des
Vorjahres, sofort, sondern wenn möglich nur nächsten Dienstag vornehme.2

   Sektionschef v. Hofmann3 bezeichnete sofort jene Persön¬
lichkeiten aus der Reihe der Reichsratsdelegierten, auf deren willfähriges
Entgegenkommen man rechnen könne, und unter diesen speziell den Abge¬
ordneten Banhans, welcher sich nach seiner gegenwärtigen Stellung und sei¬
nen parlamentarischen Antezedenzien am besten dazu eignen würde, als
Vermittlungsorgan zwischen der Regierung und den Delegierten einzutre¬
ten.4

   Zugleich bemerkte er, wie es wünschenswert sei, daß von der bisherigen
Gepflogenheit, wonach die Delegation des Reichsrates zuerst einen großen
Ausschuß und dieser dann die Subkomitees wählte, im Interesse der Ge¬
schäftsvereinfachung abgegangen und daß die Komitees unmittelbar aus
dem Plenum gewählt werden mögen, welchem sie auch unmittelbar zu refe¬
rieren haben. Solcher Komitee wären nach Ansicht des Vortragenden vier
zu wählen, nämlich für das Budget des Ministeriums des Äußern, dann je
eines für das Budget der Landarmee und der Marine und endlich für das
Budget des gemeinsamen Finanzministeriums und das Kontrollwesen. Das
Komitee für das Budget der Landarmee hätte bei dem Umfange der ihm
obliegenden Arbeit aus neun, die übrigen Komitees aus sieben Mitgliedern
zu bestehen, und sei bei deren Zusammensetzung darauf Rücksicht zu neh¬
men, daß neben den Delegierten aus der Mitte der Abgeordneten auch Mit¬
glieder des Herrenhauses und unter den ersteren auch oppositionelle Ele¬
mente, diese aber in einer solchen Verteilung Berücksichtigung finden, daß
sie in keinem Komitee die Majorität erlangen. Letzteres sei ein Hauptmo-

Über den Ablauf der Delegationssession und die Delegationsausschüsse Somogyi, A
delegäciö 480-482, 485-486.
Es ist eigentümlich, daß SektionschefHofmann wie ein vollberechtigtes Mitglied am ge¬
meinsamen Ministerrat teilnimmt, bei dem er augenscheinlich seine guten persönlichen
Beziehungen im österreichischen politischen Leben nutzbar machen soll. Uber seine
Rolle Somogyi, Der gemeinsame Ministerrat der österreichisch-ungarischen Monarchie
1867-1906 62-64.
Anton Banhans, deutscher liberaler Abgeordneter, wird 1867 als Sektionschef ins Mini¬
sterium des Inneren berufen.
<pb/>310 Nr, 55 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 7. 1869

ment der zu befolgenden Taktik, und darauf müsse in erster Linie hinge¬
wirkt werden.

   Diese Bemerkungen und Anträge fanden bei den Konferenzmitgliedern
allseitige Billigung, worauf jene Delegierten des Reichsrates, welche der
Regierung als Komiteemitglieder erwünscht wären, namhaft gemacht und
schließlich Ministerpräsident Graf Taaffe mit der Aufgabe betraut wurde,
im Wege einer privativen Besprechung mit einigen dem Ministerium näher¬
stehenden Delegierten denselben die Wünsche der Regierung bekanntzuge¬
ben und sie für deren Förderung in dem oben angedeuteten Sinne zu gewin¬
nen.

   Reichskanzler Graf Beust macht die Konferenz sofort
mit den Eröffnungen und geschäftlichen Mitteilungen bekannt, die er der
Delegation morgen zu machen beabsichtigt und die sich neben der üblichen
Begrüßung und Aufforderung zur Präsidentenwahl einerseits auf den Emp¬
fang bei Seiner Majestät dem Kaiser, anderseits auf die kumulativ einzu¬
bringenden Beratungsvorlagen, unter welchen nur das Rotbuch nachgetra¬
gen werden soll, beziehen werden.

   [II.] Ebenso eröffnete Vorsitzender, daß ihm eine Petition der Stadtge¬
meinde Olmütz an das k. u. k. Gesamtministerium um Stadterweiterung und
Aufhebung der Baureverse zugekommen sei. Heute sei es noch nicht an der
Zeit, über dieselbe meritorisch zu beraten, er werde sie daher vorläufig an
den Reichskriegsminister leiten und erbitte sich bei der Wichtigkeit des
Gegenstandes eine eindringliche Begutachtung.5

   Nachdem Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn
auf die strategische Notwendigkeit, daß Olmütz als befestigter Platz zum
Schutze gegen einen aus Preußen oder Rußland vordringenden Feind
Vorbehalten werde, und Ministerpräsident Graf Taaffe
auf die von der bittstellenden Gemeinde angeführten volkswirtschaftlichen
Gründe hingedeutet, während Reichsfinanzminister Frei¬
herr v. Becke wenigstens die Frage, ob die Festungsmauern nicht
etwa fallen könnten, der Erwägung wert bezeichnete, wurde die Sitzung
geschlossen.6

                                                                                         Beust

[Ah. E. fehlt.]

       Bürgermeister der Stadt Olmütz an das Gesamtministerium v. 24. 5. 1869 HHStA.,
       PA. I, Karton 560, Nr. 810/PS. Beust sendet am 16. 7. 1869 entsprechend dieses Mi¬
       nisterratsbeschlusses das Memoire des Olmützer Bürgermeisters an den Reichskriegs¬
       minister ebd. Karton 554, Nr. 523/PS.
       Reichskriegsminister Kuhn an Beust v. 21. 10. 1869 ebd. Karton 560, Nr. 810/PS: er
       weist das Begehren der Stadt zurück. Die Note des Reichskriegsministers kommt ,,bis zur
       Reassumierung [erneute Vorlage, Behandlung] im Ministerrat&quot; ad acta. Ebd.
<pb/>