Gemeinsamer Ministerrat, 1. 7. 1869
I. Waldverkauf in der Militärgrenze
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z53.pdf.
296 Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 daß er als Äußerstes ein passives Verhalten zugestehen könne, und nachdem Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke noch her¬ vorgehoben, daß es sich heute durchaus nicht um die Statuierung irgend¬ welchen Prinzips, sondern bloß um die Opportunitätsfrage handle, ob es empfehlenswerter sei, das Extraordinarium der Marine schon im Schoße der Regierung auf einen gewissen Minimalbetrag zu reduzieren, für die Durchbringung desselben in den Vertretungskörpem aber mit Entschieden¬ heit einzustehen, oder ob man es darauf ankommen lassen solle, ob und bis zu welchem Betrage die Delegationen diese Abstriche vornehmen wollen, geruhte Seine Majestät der Kaiser den Beschluß dahin zu fassen, daß man es bei der verfassungsmäßigen Budgetbehandlung mit der ungeschmälerten Einbringung der Anträge der Marineverwaltung ver¬ suchen solle. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 10 Juni 1869. Franz Joseph. Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. Juli 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (o. D.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsi¬ dent Graf Andrässy, der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Festetics. Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Waldverkauf in der Militärgrenze. KZ. 1937-RMRZ. 53 Protokoll des zu Wien am 1. Juli 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬ sers. Seine Majestät der Kaiser geruhte die Sitzung mit der Hindeutung auf die Wahrscheinlichkeit zu eröffnen, daß der bereits in dem ungarischen und kroatischen Landtage zum Gegenstände von Verhandlun¬ gen gemachte Waldverkauf in der Militärgrenze auch in den nächstens zusammentretenden Delegationen zur Sprache kommen werde, in welchem Falle es notwendig sei, daß die Vertreter der Regierung vor allem unter sich selbst über den modus procedendi einig werden, um sofort auch gegenüber den benannten Vertretungskörpem einheitlich vergehen zu können.1 Die mit dem Waldverkauf befaßten früheren Ministerräte: GMR. v. 30. 6. 1868, RMRZ. 18; GMR. v. 11. 7. 1868, RMRZ. 19; GMR. v. 9. 2. 1869, RMRZ. 34; GMR. v. <pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 297 Ministerpräsident Graf Andrässy: Er fühle sich Seiner Majestät fixr die dargebotene Gelegenheit zur Herstellung einer Eini¬ gung in der Richtung, daß das ungarische Ministerium in die Lage gesetzt werde, den Waldverkauf in der Militärgrenze den Vertretungskörpem an¬ nehmbar machen zu können, zu um so größerem Danke verpflichtet, als die Delegation des ungarischen Reichstages, von welcher heuer alle oppositio¬ nellen Elemente ferne gehalten wurden, diesmal streng nur die Regierungs¬ partei repräsentiere, und es daher doppelt traurig wäre, wenn man bei dieser auf eine Opposition in der angeregten Frage stoßen würde. Der bisherige Widerspruch Ungarns gegen das Projekt des Kriegsministers habe in zwei Umständen seinen Grund: Einmal in dem bekannten Beschlüsse des kroati¬ schen Landtages, der sich auf einen bestimmten § des Ausgleichsgesetzes mit Ungarn stütze, rücksichtlich dessen Vortragender allerdings bemerken müsse, daß gerade bezüglich der Waldungen infolge eines unaufgeklärten Versehens zwischen dem vom Abgeordneten Zuvic redigierten kroatischen Texte und dem vom Deputierten Csengery redigierten ungarischen Wort¬ laute, in welch letzterem das Wort ,,Waldungen" ausgelassen wurde, eine Ungleichheit bestehe;2 zweitens in dem Streben des ungarischen Opposi¬ tionsführers Ghyczy,3 durch seinen Annullierungsantrag Zwietracht zwi¬ schen dem ungarischen Ministerium und dem Reichskriegsministerium zu säen und die Kroaten dadurch, daß sich die Linke mit den Interessen Kroatiens identifiziert, zu sich hinüberzuziehen. Müsse nun auch zugegeben werden, daß Waldungen nach juridischen Begriffen einen Immobilienbesitz, daher die Substanz eines Landes bilden, und könne auch nicht in Abrede gestellt werden, daß aus der Waldfrage in 18. 2. 1869, RMRZ. 36; GMR. v. 27. 2. 1869, RMRZ. 37; GMR. v. 7. 5. 1869, RMRZ. 43; GMR. v. 26. 5. 1869, RMRZ. 49. Die Sache des Waldverkaufs im ungarischen Reichs¬ und im kroatischen Landtag: GMRProt. v. 7. 5. 1869, RMRZ. 43. Anm. 4. Die Note des kroatischen Landtages wird am 22. 6. 1869 im ungarischen Abgeordnetenhaus verlesen. Hier handelt es sich in Wirklichkeit darum, daß Kriegsminister Kuhn den § 8 des kroati¬ schen Ausgleichs (GA. XXX/1868) außer acht ließ, welcher besagt: ... in bezug auf den Verkauf der kroatisch-slavonischen Staatsgüter gilt dies mit der Einschränkung, daß hierüber auch der Landtag von Kroatien, Slavonien und Dalmatien zu hören ist und ohne Zustimmung ein solcher Verkauf nicht stattfmden darf. Siehe Bernatzik, Die österrei¬ chischen Verfassungsgesetze 719-720. Der kroatische Abgeordnete JosefZuviö, der zur Agramer Banaltafel eingeteilte Oberstaatsanwalt, war einer der Schöpfer des kroatisch¬ ungarischen Ausgleichs. Siehe Csengery, Hätrahagyott iratai 6s feljegyzösei 185. Dei oben zitierte § 8 kam nach langer Diskussion zustande, siehe ebd. 237-238, aber der ausgesprochene Hinweis aufdie Staatswaldungen steht nicht im zitierten Paragraphen, sondern erst in GA. XXXIV/1873 § 2. Bernatzik, ebd. Antal Csengery war ein aktiver Teilnehmer bei der Schaffung der erwähnten Gesetze. Kaiman Ghyczy (1808-1888), Abgeordneter der linken Mitte. <pb/>298 Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 Ungarn durch die Linke politisches Kapital geschlagen wird, so habe Vor¬ tragender dennoch durch seine Auseinandersetzungen, bei welchen er streng im Sinne der ihm bei der letzten Ministerberatung über diesen Ge¬ genstand zuteil gewordenen Instruktion vorging, nicht nur die Opposition zum Schweigen gebracht, sondern auch die selbst im Schoße der Deäk-Par- tei aufgetauchten Bedenken momentan behoben.4 Heute sei dadurch das Terrain insoweit geebnet, daß gegen eine verhält¬ nismäßige Ausbeutung des Holzreichtums der Militärgrenze zu administra¬ tiven Zwecken ein prinzipieller Einwand nicht zu erwarten sei und auch das Kriegsministerium als faktischer Verwalter in der Grenze anerkannt werde. Vortragender müsse aber betonen, daß die Maßregel des Waldverkaufes, so wie sie beabsichtigt wird, weit über das administrative Gebiet hinausreiche, und daß es daher schwer sein werde, dieselbe der Beurteilung des Land¬ tages zu entziehen. Wenn also die beabsichtigten Dimensionen des Verkau¬ fes beibehalten werden wollen, so müsse derselbe so motiviert werden, daß die ungarische Regierung ihn gegenüber den Delegationen vertreten könne, wozu jedoch die Motivierung, wie sie in dem vom Kriegsministerium ver¬ faßten Expose vorliege, nicht genüge.5 Fürs erste sei die dem Expose zu¬ grunde liegende Supposition, daß der Kriegsminister in der Militärgrenze unumschränkt verfügen könne, staatsrechtlich nicht haltbar, zweitens sei nicht erwiesen, bis zu welchem Maße der Waldverkauf volkswirtschaftlich geboten erscheine. Drittens lasse sich auch der finanzielle Teil des Me¬ morandums anfechten, denn es könne gegen denselben mit Grund einge¬ wendet werden, daß sich die Grenzverwaltung durch einen auf zwanzig Jah- Siehe Beschluß GMR. v. 26. 5. 1869, RMRZ. 49. Andrässy äußert sich im ungarischen Abgeordnetenhaus entsprechend diesem Ministerratsbeschluß: Gemäß dem Wunsch des kroatischen Landtages hat er vom Kriegsminister Aufklärung erbeten und die Antwort erhalten, daß ein Plan in Sachen größeren Waldverkaufs erarbeitet wird, den der Zu¬ stand eines Teils der Wälder in der Militärgrenze erforderlich gemacht hat, und die aus dem Waldgeschäft eingegangene Summe beabsichtige das Kriegsministerium für Zwek- ke der Militärgrenze zu verwenden. Der Kriegsminister habe ihn - sagte Andrässy - bevollmächtigt zu erklären, ein Vertrag sei noch nicht geschlossen, und bevor es dazu käme, werde der Kriegsminister die Angaben und Pläne der ungarischen Regierung mit- teilen. Andrässys Erklärung am 22. Juni im Abgeordnetenhaus veröffentlicht Lederer, Grof Andrässy Gyula beszedei, Bd. 2 88. Expose des Reichskriegsministers über die Holzverwertung der Militärgrenze KA., MKSM. 49-5/6/1869 steht nur im Index, die Akte selbst ist nicht auffindbar. Vgl. aber den au. Vortrag des Reichskriegsministers v. 18. 5. 1869 über das Gesuch der Brooder Regimentsgemeinde um Einstellung des Waldverkaufes im Brooder und Peterwardeiner Regiment, ebd. 49-5/3/1869, welcher detailliert die wirtschaftlichen und staats¬ rechtlichen Bezüge der Frage analysiert. Der Herrscher genehmigt zwar den Vortrag des Reichskriegsministers, erbittet und erwartet aber einen weiteren Vorschlag in Sa¬ chen des Waldverkaufes: Ah. Entschließung v. 28. 5. 1869 ebd. <pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 299 re geltenden Vertrag der günstigen Chance der unausbleiblichen Steigerung der Holzpreise nutzlos begebe, während der Kriegsminister sich bei den nur auf fünf Jahre abgeschlossenen Armeemonturlieferungen das Recht variabler Preisbestimmung Vorbehalten habe. Man möge daher unbeschadet der Invorhineinbestimmung eines jährlichen Abstockungsquantum sich be¬ züglich und der Käufer und des Preises nicht binden. Endlich sei auch das Argument, daß man zur Freimachung der Militär¬ grenze und Anbahnung der Zivilverwaltung Geld benötige, nicht stichhal¬ tig. Man müsse also dem Ganzen eine solche Basis geben, daß die Delega¬ tionen darin eine Beruhigung finden, und dies lasse sich nach Ansicht des Vortragenden nur auf die Weise erreichen, daß zunächst eine gemischte Kommission zur Prüfung des Waldgeschäftes nach allen Richtungen ent¬ sendet werde, und aufgrund ihres Operates der Waldverkauf im Zusam¬ menhänge mit der sukzessiven Grenzauflösung erfolge, mit welcher, um den Emst der Absicht zu betätigen, bei Sissek und Zengg sogleich der An¬ fang gemacht werden könne. Würde sodann der Waldverkauf damit moti¬ viert, daß bei fortschreitender Grenzauflösung auch die ärmeren Regi¬ mentsbezirke an die Reihe kommen werden, denen aber, um unter den ver¬ änderten Verhältnissen existenzfähig zu sein, hilfreich unter die Arme ge¬ griffen werden müsse, und würde die Rücksicht geltend gemacht, daß für diesen Zweck Geldmittel aus den Revenüen der von der Natur mehr geseg¬ neten Regimentsbezirke gesammelt werden müssen, so werde gewiß jeder Widerspruch auch in Kroatien verstummen. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Er wolle nicht in eine Deduktion eingehen, sondern nur bezüglich etlicher Be¬ merkungen des Vorredners einiges präzisieren. Was vorerst die juridische Seite des Verkaufes betreffe, so müsse der Standpunkt festgehalten werden, daß es sich nicht um die Deteriorierung der Substanz, sondern nur um die Ausnützung der Früchte derselben oder höchstens um eine Veränderung der Kulturgattung handle. Möge daher der ungarisch-kroatische Ausgleich was immer für Bestimmungen über die Waldung enthalten, so könne doch der Kauf juridisch von dieser Seite nicht angefochten werden, was auch das Unterhaus des ungarischen Reichstages anerkannt zu haben scheine, indem es in der Motivierung, womit es in der Sitzung vom 23. Juni zur Tagesord¬ nung überging, bloß darauf Gewicht legte, daß die Waldabstockung ökono¬ misch gerechtfertigt sei.6 Die staatsrechtliche Frage, innerhalb welcher Grenzen der Verkauf als administrative Maßregel gelte und wann er vor die Legislative gehöre, komme hiebei nicht in Betracht. Wichtiger sei das finanzielle Bedenken 6 Der Beschluß der Sitzung des ungarischen Abgeordnetenhauses vom 23. Juni nimmt die oben zitierte Erklärung von Ministerpräsident Andrässy zur Kenntnis. Az 1869-dik fivi Aprilis 20-dikAra hirdetett orszAggyül£s k£pviselöhAzAnak naplöja, Bd. 2 52-54. <pb/>300 Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 gegen die Fixierung eines Holzpreises für eine längere Reihe von Jahren, wenn die steigende Tendenz des Preises für das Werkholz und die Möglich¬ keit einer weiteren Entwertung der Valuta in Betracht gezogen werde. Eine solche Fixierung sei aber nirgends ausgesprochen, vielmehr sei eine Ver¬ tragsklausel in dem Sinne keineswegs ausgeschlossen, daß der Holzpreis je nach den Verhältnissen des Marktes ebenso variabel sein solle, wie bei dem Verkaufe des Quecksilbers aus Idria der jeweilige Marktpreis in London als Maßstab der Vergütung diene. Weiters gehe es nicht an, mit den Unterneh¬ mern nur auf kurze Zeit abzuschließen, sondern man müsse sich, ohne die Konkurrenz bei der Vertragsabschließung auszuschließen, an eine Kom¬ pagnie halten, da dieselbe nur bei längerem Geschäftsbetriebe allfällige Verluste in den ersten Jahren und die Kosten für die durch den Betrieb be¬ dingten Herstellungen einbringen könne. Im übrigen stimme er dem Grafen Andrässy darin, daß die Frage nach allen Seiten klargelegt werden müsse, um allen möglichen Einwendungen begegnen zu können, vollkommen bei. Reichskanzler Graf Beust: Die Ausführungen des Grafen Andrässy brächten die ganze Frage ihrer Lösung näher. Es sei be¬ reits bei der letzten Besprechung festgestellt worden, daß nur im Einver¬ nehmen mit dem ungarischen Ministerium in der Sache vorgegangen wer¬ den solle; dem sei dann auch entsprochen worden, nur sei jetzt in einem Punkte noch größere Klarheit in die Verhältnisse zu bringen. Die Grenz¬ linie, auf die Graf Andrässy Wert lege, nämlich die der administrativen Ver¬ fügung, im Gegensatz zu Maßregeln, welche über die Substanz dispo¬ nierten, lasse sich im Prinzip leicht aufstellen, sei aber in der Praxis schwer ausführbar. Das Verhältnis sei doch im Grunde folgendes: Ungarn und beziehendlich Kroatien erheben Ansprüche auf die Militärgrenze, dies erfolge aber nicht wie z. B. im Verhältnisse eines Prozesses, wo der prätendierende Teil einen Stillstand in der Verwaltung des strittigen Objektes beanspruche, sondern im Gegenteile gehe aus allem, was er vernommen habe, hervor, daß man im gegenwärtigen Falle das Objekt in den Händen des gegenwärtigen Verwal¬ ters belassen zu sehen wünsche. Daraus fließe jedoch höchstens das Ver¬ hältnis der Kontrolle, aber nicht das einer doppelten Verwaltung. Es frage sich sofort hiebei nur, wer der kontrollierende Faktor sein solle? Vortragen¬ der könne diese Befugnis nur dem ungarischen Ministerium, nicht aber, was ganz ungerechtfertigt wäre, den Legislativen in Pest und Agram zuerken¬ nen, welche überdies die Verhältnisse bei den verschiedenen Interessen, die sich daselbst kreuzten, nur erschweren würden. Er sei daher der Meinung, daß, wenn mit dem ungarischen Ministerium eine Einigung erzielt worden sei, die Frage auch meritorisch erledigt wäre und letzteres sofort bloß die Vertretung gegenüber etwaigen Interpellationen im Landtage zu überneh¬ men hätte. Minister Graf Festetics: Er habe nicht unterlassen, sich mit dem projektierten Verkaufsgeschäfte eingehend zu beschäftigen, und <pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 301 hiebei namentlich die ökonomische Seite desselben ins Auge gefaßt, zu de¬ ren Beurteilung er sich wohl einige Kompetenz vindizieren dürfte. In dem Expose des Kriegsministers könne er eine vollkommene Beruhigung schon deshalb nicht finden, weil dadurch der Durchführungsplan nicht gehö¬ rig detailliert sei und überhaupt die angeführten Argumente nicht unan¬ fechtbar dastehen. Das Expose enthalte einen Widerspruch, wenn es eines¬ teils den Verkauf als eine Maßregel zur Abstockung des überständigen Alt¬ holzes darstelle und andererseits einen Erlös aus dem Werkholze, wozu sich nur gutes Holz eignet, in Aussicht nehme. An einer anderen Stelle des Expose werde als Zweck der Abstockung die Urbarmachung eines ge¬ wissen Terrains hingestellt, von der Abstockung bis zur Urbarmachung sei aber ein weiter Schritt, der sich in Wirklichkeit schwerer machen lasse, als er bei der Konzipierung einer Idee ausgedacht werde. Das Fazit sei, daß es sich hier um ein großes Geschäft handle, bei welchem Devastationen nicht zu vermeiden seien und wobei der vom Reichsfinanzminister ange¬ deuteten variablen Preisbestimmung für das Holz das Bedenken entgegen¬ stehe, daß die Gesellschaft gleich anfangs das beste Holz herausschlagen werde. Bezüglich der Haltung der Landtage möge man sich keinen Illusionen hingeben, es würden die mannigfachsten, obschon - wie er zugeben wolle - oft in Nebenrücksichten wurzelnden Einsprachen erhoben und jedenfalls auch die Frage der Waldsegregation zur Sprache gebracht werden, wobei das Präzedenz aus dem Jahre 1830, wo mehrere, während der französischen Okkupation und auch später erfolgte Verkäufe durch den Landtag nachträg¬ lich annulliert und das betreffende Gesetz vom Kaiser Franz sanktioniert wurde, den Opponenten wesentlich zustatten komme. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe gegen die Zusammensetzung der vom Grafen Andrässy proponierten Immediatkommission nichts einzuwenden und werde deren Tätigkeit gerne fördern; aber anderseits stimme er auch mit dem Grafen Beust darin über¬ ein, daß den Legislativen eine meritorische Ingerenz nicht einzuräumen sei, weil dies zu Konsequenzen führe, die sich konsequenterweise auch auf andere Verwaltungszweige, z. B. das Schulwesen, erstrecken und die noch zu Recht bestehende Verwaltung des Kriegsministeriums eliminieren könnten. Den Waldverkauf betreffend, so liege der Beschluß des ungarischen Landtages vom 23. Juni vor, welcher für den Verkauf gewisse Vorausset¬ zungen ausspreche, nämlich die Unaufschiebbarkeit der Maßregel, ihre forstwirtschaftlich zweckmäßige Durchführung und die Schonung der An¬ sprüche der eingeforsteten Grenzer. Es sei leicht zu beweisen, daß man all diesen Bedingungen Rechnung getragen habe, sowie man auch anderseits bemüht sei, die Grenze dem modernen Staatsleben entgegenzuführen und den Übergang zur Zivilverwaltung vorzubereiten, deren überstürzte Einfüh¬ rung aber Ungarn selbst nur Verlegenheiten bereiten würde. <pb/>302 Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 Seine Majestät der Kaiser hatte hierauf die Gnade zu bemerken, wie der erwähnte Landtagsbeschluß in der Tat Anhaltspunkte biete, um den Waldverkauf zu einem praktischen Resultate zu führen, es frage sich also nur, in welcher Form der Landtag weiterhin eine Ingerenz in der Sache üben könne. Heute seien die Verhältnisse anders als die vom Jah¬ re 1830. Ein legales Zustimmungsrecht könne dem Landtage nicht einge¬ räumt werden, weil dies in ein ganz unrichtiges Fahrwasser führen würde. Es bliebe für denselben also nur der Weg von Resolutionen, die aber für die Regierung nicht bindend seien, oder der Weg der Interpellation, den er auch tatsächlich eingeschlagen habe, übrig. Allerhöchstderselbe halte es daher für den richtigsten Vorgang, wenn an den letzten Landtagsbeschluß an¬ geknüpft und der Vertretung die Maßregel des Waldverkaufes seinerzeit als gerechtfertigt dargestellt werde, womit dieselbe sich sodann begnügen müsse. Ministerpräsident Graf Andrässy: Es werfe im¬ mer ein schlechtes Licht auf ein großes Geschäft, wie es das im Zuge be¬ findliche ist, wenn die Regierung ihre Absichten der Öffentlichkeit vorent¬ halte. Man solle also der landtäglichen Diskussion nicht aus dem Wege ge¬ hen, die sich bei den zahlreichen Einwendungen gegen das Verkaufsge¬ schäft doch nicht vermeiden lasse, sondern lieber die Sache so hinzustellen bestrebt sein, daß sie nicht angegriffen werden könne. Die einzusetzende Immediatkommission werde hiefür mannigfache Anhaltspunkte bieten; er empfehle also, daß deren Operat in Form einer Vorlage vor den Landtag gebracht werde, die ohne berufen zu sein, die Basis eines Gesetzes zu bil¬ den, doch als Antwort auf die dem ungarischen Ministerium von seiten des Landtages erteilte Instruktion zu dienen habe. Man möge sich ferner die schwierige Lage des ungarischen Ministeriums gegenwärtig halten, wel¬ ches darauf Bedacht nehmen müsse, daß, ohne dem Waldverkaufe ent¬ gegenzutreten, doch auch die Kroaten nicht vor den Kopf gestoßen werden, und da komme es zumeist auf eine beruhigende Form der Antwort an. In dieser Beziehung wiederhole er aber, daß die Hinweisung auf die Grenzauflösung das wirksamste Beruhigungsmittel sei, und müsse daher - so fern ihm auch die Absicht liege, die fragliche Kommission zugleich auch mit dem Studium der Grenzauflösungsfrage betrauen zu wollen - doch Gewicht darauf legen, daß wenigstens im Rate der Krone Klarheit darüber herrsche, was man jetzt schon auch in bezug auf die Grenzfrage sagen könne. Der letzteren könne man länger nicht ausweichen, und er er¬ blicke in der Tat auch kein Argument dafür, dieselbe noch weiterhin als ein noli me tangere zu behandeln, vielmehr spreche gerade die staatsrecht¬ liche Notwendigkeit, den Dualismus, in welchem die Grenze eine Lücke bilde, gegenüber den föderativen Bestrebungen der Slaven zu kräftigen, dafür, daß von oben herab erklärt werde, daß die Grenzauflösung, wenn auch nicht mit einem Male, so doch sukzessive angestrebt werde, für wel¬ chen Übergangszustand er die Einführung von Verhältnissen, wie sie sei- <pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 7. 1869 303 nerzeit in der siebenbürgischen Szeklergrenze bestanden, empfehlen zu sol¬ len glaube.7 Seine Majestät der Kaiser: Der Wunsch nach Auf¬ lösung der Grenze sei kein allgemeiner und bestehe nur in gewissen Krei¬ sen. Überdies werde die Auflösung zum Nachteile Ungarns ausfallen. Ministerpräsident Graf Andrässy: Der Wunsch nach Inkorporierung der Grenze nehme von Tag zu Tag überhand. Er habe in den Adreßverhandlungen bereits Ausdruck gefunden und werde in der Folge noch schärfer hervortreten. Er stütze sich auf zwei positive Tatsachen und leite aus diesen seine Berechtigung ab - nämlich auf die wiederholten Erklärungen vom Throne, daß die Grenze zum Gebiete der Stephanskrone gehöre, und auf den ungarisch-kroatischen Ausgleich. Diese Tatsachen zö¬ gen Konsequenzen nach sich, denen man jetzt - nachdem die Tatsachen einmal vorliegen - nicht mehr entgegentreten könne, und man täte daher besser, jetzt schon aus eigener Initiative in der Sache etwas zu tun, als spä¬ ter einer Pression unter möglichen Konflagrationen nachgeben zu müssen, die nicht außer Kombination gelassen werden sollten. Die Militärgrenze sei heute zwecklos und die Grenzregimenter, was auch Baron Kuhn bestätigen werde, im Felde unbrauchbar; sie diene daher, weil sie die Idee des südslavischen Volkes in Waffen repräsentiere, nur mehr dazu, die südslavischen Agitationen zu kräftigen. Auf die sofort gemachte Bemerkung des Reichsfinanzmi¬ nisters Freiherrn v. Becke, ob es tunlich sei, bezüglich der Städte Zengg und Sissek jetzt schon etwas zu tun, geruhten Seine Majestät der Kaiser zu erwidern, daß deren Übergabe in die Zivilverwaltung wohl ohne große Schwierigkeiten durchführbar sei, daß dies aber in Sissek eine Vereinigung von Zivil- und Militärsissek bedinge, wogegen ein negatives Votum der Bevölkerung vorliege. Ministerpräsident Graf Andrässy: Ein solches Votum liege allerdings vor, es sei aber von einer Minorität künstlich zustan¬ de gebracht. Faktisch und notorisch sei es, daß die Vereinigung und Ziviladministration von der großen Mehrheit gewünscht werde. Seine Majestät der Kaiser hatten hierauf die Gnade, die Diskussion auf ihren Ausgangspunkt zurückzufuhren und den Beschluß dahin zu fassen, daß es nach dem Ergebnisse der heutigen Beratung nun mehr Aufgabe des gemeinsamen Ministeriums sei, in einem au. Vorträge, dessen Erstattung füglich dem Reichskanzler überlassen werden könne, die Ah. Bewilligung zur Einsetzung der vom Grafen Andrässy beantragten Kommission zum detaillierten Studium des Waldverkaufes in der Militär¬ grenze einzuholen, welche unter Zuziehung von Fachmännern, wie speziell 7 Vgl. Gürtler, Die Auflösung der siebenbürgischen Militärgrenze. <pb/>304 Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 7. 1869 Oberst König und Direktor Wessely, aus ungarischen und kroatischen Re¬ präsentanten zu bestehen und einvemehmlich mit dem Reichskriegsmi¬ nisterium ein Operat auszuarbeiten habe, welches genügen werde, um dem ungarischen Ministerium den Anhalt zu geben, damit dasselbe, anknüpfend an den bekannten Beschluß des ungarischen Landtages, der Legislative eine beruhigende Erklärung gebe, in welcher Beziehung Seine Majestät anzu¬ deuten geruhte, daß es wünschenswert sei, sich in dieser zwischen Ungarn und Kroatien gemeinsam dargestellten Angelegenheit auf den Verkehr mit dem ungarischen Landtag zu beschränken.8 Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 12. Juli 1869. Franz Joseph. Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. Juli 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (7. 7.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (7. 7.), Sektionschef Ritter v. Früh. Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Formeller Vorgang bei Eröffnung der Delegationen. II. Nachtragskredit des Kriegsministeriums für das laufende Jahr. III. Verwendung österreichischer Generalstabs¬ offiziere bei den Vorarbeiten für die türkische Bahn. KZ. 1935 - RMRZ. 54 Protokoll des zu Wien am 4. Juli 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬ fen Beust. I. Reichskanzler Graf v. Beust eröffnete die Besprechung mit der Mitteilung: Seine Majestät der Kaiser hätte die Gnade gehabt, ihm gegenüber die Festsetzung eines Programmes für die Eröffnung der in Kür- Au. Vortrag v. Beust v. 15. 7. 1869 HHStA., PA. I, Karton 560, Nr. 527/RK. Und das gleiche Schriftstück Kab.Kanzlei, KZ. 2523/1869 au. Vortrag v. Beust wegen Einbe¬ rufung einer Kommission zur Prüfung des Waldverkaufes der Militärgrenze. Ah. Entschließung über die sofortige Einberufung der Kommission zur Prüfung des Waldverkaufes in der Militärgrenze v. 17. 7. 1869 ebd. Die Ah. Entschließung v. 17. 7. 1869 sendet Beust an Kuhn mit der Aufforderung, die notwendigen Maßnahmen zur Entsendung der Kommission tun zu wollen: Beust an Kuhn v. 19. 7. 1869 KA., KM., Präs. 35-13/1/1869. Über den Beamten im Kriegsministerium Oberst Gustav König und den Waldexperten Joseph Wessely GMRProt. v. 11. 7. 1868, RMRZ. 19. Anm. 5 und GMRProt. v. 7. 5. 1869, RMRZ. 43. Anm. 8. <pb/>