MRP-2-0-01-1-18690526-P-0048.xml

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Gemeinsamer Ministerrat, 26. 5. 1869

I. Verfügung über den Immobilienbesitz der gemeinsamen Militärverwaltung

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z48.pdf.

270 Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll II

          Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. Mai 1869 -
                                        Protokoll II

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf
Andrässy (2. 6.)1, der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (5. 6.), der Reichsfinanzminister
Freiherr v. Becke (30. 5.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (o. D.), der kgl.
ung. Finanzminister v. Lönyay (2. 6.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Festetics,
der k. k. Finanzminister Brestei (8. 6.)`.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Verfügung über den Immobilienbesitz der gemeinsamen Militärverwaltung.
II. Militärbudget für das Jahr 1870.

   KZ. 1926-RMRZ. 48
   Protokoll des zu Wien am 26. Mai 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬
sers.

   I. Seine Majestät der Kaiser geruhte die Beratung mit
der Bemerkung zu eröffnen, daß Allerhöchstderselbe für nötig erachte, zur
Berichtigung etwaiger irriger Anschauungen über die Tragweite der beab¬
sichtigten Vereinbarung über den auf der Tagesordnung stehenden ersten
Gegenstand ausdrücklich zu konstatieren, wienach es sich hier lediglich um
solche im Besitze der Militärverwaltung befindliche Immobilien handle,
welche vor dem Jahre 1868 aus gemeinsamen Staatsmitteln hergestellt wur¬
den, keineswegs aber auch um Objekte, welche aus Kommunal-, Munizi¬
pal- oder Landesmitteln errichtet wurden und rücksichtlich welcher das
Eigentumsrecht der betreffenden Körperschaft von keiner Seite angezwei-
felt worden sei.

   Anlaß zu dieser Bemerkung gebe Seiner Majestät die in der gemeinsa¬
men Ministerratssitzung vom 23. Mai von seiten des ungarischen Finanzmi¬
nisters Lönyay laut Sitzungsprotokoll gemachte Hinweisung auf den Ur¬
sprung mancher militärischer Gebäude in Ungarn, speziell der Üllöer Ka¬
serne in Pest, wie nicht minder dessen Erwähnung der Tatsache, daß die
ungarische Geistlichkeit vor dem Jahre 1848 für Festungsbauten eigene

       Bemerkung Bresteis vide die unter ,,c-c " beigefögte Bemerkung.

       Das ist der erste Fall, daß auch die Landesminister das Protokoll vidimierten. Der
       Protokollführer führte allerdings auf dem Mantelbogen nur die gemeinsamen Minister
       an, die Landesminister schrieben ihre Namen nachträglich ein. Dagegen stehen aufder
       Teilnehmerliste die Ministerpräsidenten beider Staaten vor dem gemeinsamen Kriegs¬
       und Finanzminister, wasfrüher nicht üblich war. Zu dieser Frage Somogyi, Der gemein¬
       same Ministerrat der österreichisch-ungarischen Monarchie 1867-1906 135-136.
<pb/>Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll II  271

Abgaben entrichtet habe.2 Es sei notorisch, daß die fragliche Kaserne von

der Stadt Pest erbaut wurde, und sie gehöre derselben ebenso unbestreitbar
wie die Kavalleriekaserne in Wels dem dieselbe erbauenden Lande. Was
dagegen die Festungen Ungarns betreffe, so könne aus der vom Finanzmini¬
ster Lonyay erwähnten Tatsache ein Eigentumsrecht des Landes wohl nicht
gefolgert werden, denn die fraglichen Abgaben seien in die gemeinsame
Steuerkasse geflossen, aus diesen seien die Festungskosten bestritten wor¬
den, und die Beiträge der Geistlichkeit hätten davon gewiß nur den klein¬

sten Anteil gebildet
   Reichskanzler Graf Beust erbat sich darauf das Wort,

um das Ergebnis der bisherigen Besprechungen über den in Rede stehenden

Gegenstand zusammenzufassen.
   Schon in der am 30. April d. J. unter Ah. Vorsitze abgehaltenen Konfe¬

renz des gemeinsamen Ministeriums habe Seine Majestät anläßlich der Fra¬
ge wegen Verkauf des Josefstädter Exerzierplatzes die Behandlung der im
Besitze der gemeinsamen Militärverwaltung befindlichen Immobilien und
im Zusammenhänge damit das zwischen den Finanzministem der beiden
Reichshälften geschlossene Übereinkommen, womit die Teilung dieser Ob¬
jekte nach dem Territorialbesitz vereinbart wurde, zur Sprache gebracht,
und habe sich damals der gemeinsame Ministerrat gegen dieses Überein¬
kommen und für das Prinzip des gemeinsamen Besitzes mit der Rechtsfolge
ausgesprochen, daß im Falle, als ein solches Objekt als entbehrlich zur
Veräußerung gelangen sollte, der erzielte Erlös den gemeinsamen Finanzen
zustatten zu kommen habe.3 Den Widerstreit zwischen diesen beiden Auf¬
fassungen auszugleichen, sei der Zweck der letzten Besprechungen gewe¬
sen, bei welchen Finanzminister Brestei geneigt gewesen sei, das Prinzip
des gemeinsamen Besitzes anzuerkennen, Finanzminister Lönyay aber, um
dem in Ungarn tief eingewurzelten Rechtsbegriffe vom Eigentum der unga¬
rischen Krone Rechnung zu tragen, auf der Anerkennung des Territorial¬
prinzips in dem Sinne beharrt sei, daß nur die Benützung gewisser Immobi¬
lien der Militärverwaltung, das Eigentumsrecht aber dem Lande, wo sie

sich befinden, zustehe.
    Man habe schließlich aus Rücksicht für Ungarn den letzteren Standpunkt

akzeptiert, aber da habe sich eine neue Differenz zwischen der diesseitigen
Finanzverwaltung und dem Kriegsminister ergeben, indem ersterer, an dem
vollen Eigentumsrechte des Territoriums festhaltend, für den Fall der Ablö¬
 sung des militärischen Benützungsrechtes beanspruche, daß das Territo-

2 GMR. v. 23. 5. 1869, RMRZ. 44.
3 GMR. v. 30. 4. 1869, RMRZ. 42. Dieselbe Frage behandeln GMR. v. 23. 5. 1869,

       RMRZ. 44; GMR. v. 24. 5. 1869, RMRZ. 45; GMR. v. 25. 5. 1869, RMRZ. 46; GMR. v.

       26. 5. 1869, RMRZ. 47.
<pb/>272 Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 -- Protokoll II

rium resp. das betreffende Finanzärar der Militärverwaltung nur den Ge¬
brauchswert, sei es in Barem, sei es durch Beistellung eines gleichbrauch¬
baren Objektes, zu vergüten habe, während der Kriegsminister auch die
eventuelle Vergütung des Spekulationswertes beanspruchte.

   In letzterer Beziehung sei man wiederum ungarischerseits kulanter und
unter Voraussetzung der Anerkennung des Eigentumsrechtes der ungari¬
schen Krone bereit gewesen, der Kriegsverwaltung auch gewisse Vorteile
zu gönnen. Um diese Differenzen auszugleichen, habe man gewisse Punk¬
tationen über die Behandlung des mehrerwähnten Immobilienbesitzes ent¬
worfen, über deren definitive Annahme die Ah. Entscheidung Seiner Maje¬
stät erbeten werde.

   Seine Majestät geruhte sofort die Verlesung dieser Punktation
zu gestatten, wobei sich rücksichtlich der §§ 1 und 2 keine Bemerkung er¬
gab. Zu der im § 3 enthaltenen Bestimmung jedoch, daß ein etwaiges
Baräquivalent für von seiten des Kriegsministers der Zivilverwaltung abge¬
tretene Objekte wieder zu militärischen Investitionen in dem betreffenden
Territorium verwendet werden müsse, geruhten Seine Majestät zu bemer¬
ken, daß die Einstellung des Erlöses in die eigenen Einnnahmen der Militär¬
verwaltung zweckentsprechender und sachgemäßer sein würde als die not¬
gedrungene Verwendung zu Investitionen, nach denen vielleicht das Be¬
dürfnis gar nicht vorhanden sein könne. Man werde bei einem solchen Vor¬
gang möglicherweise auch mit den Landesvertretungen in Kollision kom¬
men, deren Ingerenz verfassungsmäßig nicht umgangen werden könne;
auch werde dabei das Band der Gemeinsamkeit noch mehr gelockert und
die Einflußnahme der Delegationen schrittweise eliminiert, und es werde
schließlich dahin kommen, daß die beiden Rejchshälften abgesondert für
die Bedürfnisse ihres Armeekontingentes sorgen. Es ergebe sich von selbst
die Frage, was mit einem solchen Erlöse zu geschehen habe, wenn, was
immerhin denkbar wäre, die Landesvertretungen die beabsichtigte Investi¬
tion nicht bewilligen.

   Über diesen Punkt entspann sich nunmehr eine neuerliche Diskussion, in
deren Verlauf die einzelnen Votanten Gelegenheit hatten, ihre in den bishe¬
rigen Beratungen entwickelten Standpunkte nochmals zu vertreten.

   Finanzminister v. Lönyay setzte auseinander, wie die
von Seiner Majestät beanstandete Bestimmung den Zweck habe, bdaß der

b&quot;b Korrektur Lönyays aus dem Grundsätze Rechnung zu tragen, daß der Wert von derglei¬
        chen Objekten dem Lande verbleiben und wie das momentane Bedürfnis in konkreten
        Fällen über prinzipielle Diffikultäten hinweghelfen werde. Praktisch denke er sich den
        Vorgang so, daß wenn ein für militärische Zwecke benötigter Neubau in dem Verkaufe
         sonstiger Objekte seine teilweise Deckung finde, die Delegationen nur das Plus zu be¬
        willigen hätten und das im Falle, als die Bewilligung des Neubaues von den Delegatio¬

         nen nicht erteilt werden sollte.
<pb/>Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll 11  273

Wert der Realitäten, die aus den Mitteln der Militärverwaltung hergestellt
wurden und gegenwärtig in der Benützung derselben sich befinden, auch
weiterhin zu deren Vorteile verbleiben. Es wurde jedoch von seiner Seite
der Wunsch ausgesprochen, daß wenn eine solche Realität vom Kriegs¬
ministerium zediert oder veräußert würde, der Erlös demjenigen Teile der
Monarchie für militärische Zwecke zugute kommen soll, wo die Realität
gelegen ist, weil auf diese Art ohne Nachteil der Militärverwaltung die
prinzipiellen Diffikultäten hinweggeräumt wären. Praktisch denke er sich
den Vorgang so: daß wenn statt einer Realität eine andere, dem Zwecke
entsprechende hergestellt wird und dadurch eine Mehrauslage sich nicht
herausstellt, dies keinen Gegenstand der Delegationsverhandlung bildet, da
keine Dotation verlangt wird, daß aber das Recht der Bewilligung einer
Mehrausgabe den Delegationen zusteht. Wird aber eine Realität von der
Militärverwaltung überhaupt nicht benötigt, dann hätteb der betreffende Fi¬
nanzminister den aus dem Verkaufe erzielten Erlös in den eigenen Einnah¬
men der Finanzverwaltung zu verrechnen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy betonte die der
Kriegsverwaltung durch diese Vereinbarung gewährleistete unbeschränkte
Sicherheit des Benützungsrechtes, welches - von keiner Seite angefochten
- der Kriegsverwaltung die Mittel an die Hand gebe, sich gegebenen Falles
ihre Schadloshaltung zu sichern. Man möge also die Bestimmung über die
Verwendung des Äquivalentes ganz weglassen und nur soviel sagen, daß
ein solches unter Umständen von der Kriegsverwaltung überhaupt bean¬
sprucht werden könne. Letztere werde infolge der Entwicklung mancher
Städte, auch in Ungarn wiederholt in die Lage kommen, daß die Abtretung
gewisser Objekte von ihr gewünscht wird, und wisse Vortragender, daß dies
demnächst in Szegedin der Fall sein werde, wo man die Überlassung des
Kastells für Zwecke der Stadterweiterung wünsche.

    Finanzminister Brestei machte auch diesesmal auf die Not¬

wendigkeit aufmerksam, ein Prinzip, möge es welches immer sein, nicht
nur bedingt, sondern mit all seinen Konsequenzen zu akzeptieren, wenn
Verwickelungen wie die von Seiner Majestät dem Kaiser angedeuteten ver¬
mieden werden wollen. Die Schwierigkeit der Frage liege darin, daß man

einerseits das Eigentum des Landes anerkenne und anderseits dennoch die
Verwendung eines solchen territorialen Grundwertes für Rechnung der Ge¬
meinsamkeit anstrebe, was zu einem circulus vitiosus führe, aus dem man

nie herauskommen werde.
    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn sprach sich

nochmals für das Prinzip der Gemeinsamkeit des Besitzes aus, während
Reichs finanzminister Freiherr v. Becke mit Bezug¬

nahme auf die ungarischerseits vertretene Auffassung zu deren Gunsten die
 Bemerkung machte, daß das Bedürfnis nach Investitionen zu Zwecken der
 Militärverwaltung, wie die Erfahrung lehre, wohl nie aufhören werde. Die
 Kollisionen mit den Landesvertretungen könnten vermieden werden, wenn
<pb/>274 Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll II

letztere durch den betreffenden Landesfinanzminister nur zur Entscheidung
der Frage, ob das Benützungsrecht eines in Händen der Militärverwaltung
befindlichen Objektes überhaupt und unter welchen Bedingungen abgelöst
werden solle, herbeigezogen würden, ohne ihnen über die weitere Frage der
Investition etwaiger Baräquivalente eine Ingerenz einzuräumen. Diese ge¬
höre vor die Delegationen, und werde es sodann Sache des Kriegsministers
sein, seine Anträge vor der letzteren zu vertreten.

   Ministerpräsident Graf Taaffe: Alles zusammen ge¬
nommen, so drehe sich eigentlich die ganze Verhandlung darum, die beiden
bereits zur Anerkennung gebrachten Prinzipien des Eigentumsrechtes des
Territoriums und des freien Benützungsrechtes der gemeinsamen Militär¬
verwaltung miteinander in praktischen Einklang zu bringen. Dies sei bezüg¬
lich der für die Militärverwaltung absolut entbehrlichen, weil unbrauchba¬
ren Objekte bereits durch den Beschluß geschehen, daß dieselben an die
Finanzverwaltung des betreffenden Territoriums ohne weitere Abrechnung
zurückzufallen hätten, wodurch den ungarischen Anschauungen in genü¬
gender Weise Rechnung getragen worden sei.

   Es handle sich also nun mehr nur noch um die der Militärverwaltung
bedingt entbehrlichen Immobilien, rücksichtlich welcher von einer oder der
anderen Seite irgendwelche Disposition gewünscht werde, und da gebe es,
wenn man auf einen grünen Zweig kommen wolle, nur den einzigen Aus¬
weg, solche Angelegenheiten vor die Delegationen zu weisen, wo es allein
möglich sei, die Wahrung des gemeinsamen Standpunktes mit der Berück¬
sichtigung territorialer Interessen zu vereinen.

   Bringe man solche Fragen aus den Delegationen heraus und bemäch¬
tigten sich derselben die Reichsvertretungen, so gelange man zu einer unab¬
sehbaren Reihe sachlicher und formeller Schwierigkeiten. Er beantrage da¬
her eine Stipulierung in dem Sinne, daß: a) bezüglich der von seiten der
Kriegsverwaltung für absolut entbehrlich erkannte Objekte die einfache
Rückstellung an die betreffende Finanzverwaltung aufrechtzubleiben, b)
bezüglich jener Objekte aber, welche der Militärverwaltung nur bedingt
entbehrlich erscheinen und rücksichtlich welcher von was immer für einer
Seite eine anderweitige Verwendung gewünscht wird, die Bewilligung der
Delegationen einzutreten habe.

   Nachdem schließlich sämtliche Konferenzmitglieder diesen Ausweg ak¬
zeptierten, cFinanzminister Brestei mit der Bemerkung, man könnte ja je¬
denfalls den Versuch machen, ob die Delegationen darauf eingehen
würden,&#39; so hatte Seine Majestät der Kaiser die Gnade,
den Antrag des Grafen Taaffe zum Beschlüsse zu erheben, zugleich mit
dem vom Reichsfinanzminister Freiherm v. Becke beantragten formellen

c-c Einfügung Bresteis (die bei Vidimierung erwähnt war).
<pb/>Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll 11  275

Zusatze, daß zur hinkünftigen Damachachtung der Regierung die pro¬
tokollarische Konstatiemng dieses Beschlusses ohne förmliche Punkta¬
tion der in Rede stehenden, nur für den internen Amtsgebrauch und nicht
zur Promulgierung im Wege der Gesetzgebung bestimmten Vereinbarung
genüge.

   Über Anfrage des Reichskriegsministers Freiherm v. Kuhn geruhten Sei¬
ne Majestät ferner, speziell auch die Frage des Exerzierplatzes auf dem
Josefstädter Glacis vor die Delegationen zu verweisen, und geruhten end¬
lich mit Bezugnahme auf die Bestimmung des § 4 der vorgelesenen Punk¬
tation sich auch darüber erläuternd auszusprechen, daß die nach dem prag¬
matischen Quotenverhältnisse einzutretende eventuelle Verteilung des Er¬
löses für solche in der heutigen Vereinbarung nicht mit inbegriffene Objek¬
te, welche nach dem 1. Jänner 1868 aus den Matrikularbeiträgen beider
Reichshälften hergestellt wurden, praktisch wohl nur im Wege der ,,Zugut-
Rechnung&quot; erfolgen könne.4

   II. Bei der von Seiner Majestät dem Kaiser sofort auf die Tagesordnung
gesetzten Besprechung des Militärbudgets für das Jahr 1870 gab
Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn folgendes Expose:
Das Ordinarium betrage einschlüssig der von Seiner Majestät im Prinzip
bereits genehmigten Gagen- und Gebührenerhöhung, welche zusammen
2 790 000 fl. ausmache, 78 000 000 fl. Würden hievon die allgemeinen
eigenen Einnahmen, welche außerhalb der Militärgrenze einfließen, mit
3 114 000 fl. in Abzug gebracht, so verbleibe ein Erfordernis von
74 886 000 fl. Das Extraordinarium sei mit 7 904 677 fl. veranschlagt worden.

   An diese Darstellung knüpfte Freiherr v. Kuhn einen Vergleich zwischen
den Detailansätzen des heurigen und des nächstjährigen Budgets der
Reichsverwaltung, aus welchem hervorging, daß zwar in den neuen Ansät-

Entsprechend dieses Ministerratsbeschlussesfordert die Präsidialsektion des Ministeri¬
ums des Äußern die beiden Ministerpräsidenten auf, daß ihre Finanzminister im Interes¬
se der Durchführung des Beschlusses in Verbindung miteinander treten sollen.
Präsidialsektion an beide Ministerpräsidenten v. 21. 6. 1869, HHStA., PA. I, Karton
560, Nr 456/1869. Dem cisleithanischen Finanzminister Brestei kommen jedoch erneut
Bedenken bezüglich der Durchführung des Ministerratsbeschlusses. Vgl. Präsidal-
sektion an Andrässy v. 16. 7. 1869 ebd. Nr. 507/1869. (Brestei ist der Ansicht, die beiden
Finanzminister dürften nicht miteinander verhandeln, solange die beiden Delegationen
nicht beschlossen hätten, ob sie sich tatsächlich hinsichtlich der ihnen nach dem
Ministerratsbeschluß zufallenden Angelegenheit für befugt halten.) Andrässy jedoch
reagiert nicht auf Bresteis Standpunkt (vgl. au. Vortrag v. Beust v. 11. 2. 1870 ebd.
Nr. 46/18707, weshalb Beust die ungarische Regierung erneut zur Stellungnahme auf¬
fordert. Daraufhin antwortet Lönyay v. 17. 2. 1870, ebd. Nr. 54/1870. Also war es im
Februar 1870 noch nicht gelungen, dem Ministerratsbeschluß Geltung zu verschaffen.
<pb/>276 Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll 11

zen in mehreren Rubriken Ersparungen von zusammen mehr als 2 Millionen
erzielt worden seien, daß sich aber gleichwohl - abgesehen von dem Mehr¬
erfordernis für die Gagenerhöhung - das Erfordernis für das Jahr 1870 des¬
halb höher gestellt hätte, weil nach den heutigen Preisverhältnissen, die
nach der zehnjährigen Durchschnittsziffer bemessenen Ansätze des 1869er
Budgets für Mannschaftskost und Naturalverpflegung als ungenügend er¬
schienen, worauf Finanzminister Brestei die Andeutung
machte, daß die schon in den letzten Delegationssitzungen angeregte Extra¬
verrechnung der Verpflegstitel im Militärbudget jedenfalls eingehalten wer¬
den möge.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte bezüglich der von
den beiden Landesministem angeregten Frage, ob die Gagenerhöhung auf
einmal oder nur sukzessive angebahnt werden solle, Ag. zu befehlen, daß
dieselbe ohne Rücksicht auf etwaige Abstriche in den Delegationen, in ihrer
ganzen Ausdehnung in das Budget eingestellt werde, weil man sonst im
umgekehrten Falle in die Lage kommen könne, von den Delegationen an
Munifizenz überboten zu werden, was für die Regiemng jedenfalls unange¬
nehmer wäre als der Abstrich an den gemachten Ansätzen. In formeller Be¬
ziehung geruhten Seine Majestät eine Umarbeitung der die Gagenerhöhung
betreffenden Partie des Kriegsbudget in der Weise anzuordnen, daß der Be¬
trag für die Gagenerhöhung nicht abgesondert, sondern entsprechend dem
Vorgänge bei der Budgetbehandlung der seinerzeitigen Bezugserhöhung für
einige Zivilbeamtenkategorien zugleich mit dem faktischen Gagen-
erfordemisse ins Budget eingestellt und sohin die Differenz nur in dem
Finanzexpose begründet werde.

    Seine Majestät der Kaiser geruhten weiters die Frage zur Sprache zu
bringen, ob die Ansätze des Ordinariums als Basis für die Vertretung gegen¬
über den Delegationen geeignet befunden würden und ob es bezüglich des
Extraordinariums nicht empfehlenswert sei, schon im vorhinein die Ansätze
nur auf das absolut erforderliche Maß zu stellen? Gegen die Ziffer des
Ordinariums wurde im allgemeinen keine Einwendung erhoben, doch be¬
hielten sich beide Landesfinanzminister noch eine nä¬
here Durchsicht vor. Bezüglich des Extraordinariums wurde die Notwen¬
digkeit betont, die Zifferansätze vor der Einbringung in die Delegationen
noch herabzumindem und zu diesem Behufe das Extraordinarium noch ei¬
ner weiteren punktweisen Besprechung zu unterziehen, in welch letzteren
Beziehung Seine Majestät der Kaiser zu bemerken ge¬
ruhte, daß die daselbst eingestellten außergewöhnlichen Erfordernisse für
 Grenzwache, Volkszählung und Wegbauten in der Militärgrenze aus dem
Extraordinarium auszuscheiden und aus den eigenen Einnahmen der Gren¬
 ze zu bestreiten seien, während Finanzminister Brestei ei¬
 nen höheren als den mit 3 % angenommenen Abgang im Stande der
 Supemumerären der Wirklichkeit entsprechend hielt.
<pb/>Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 5. 1869 - Protokoll III    277

   Schließlich hatten Seine Majestät der Kaiser die Gna¬
de, die Entwerfung einer eigenen Delegationsvorlage samt Amortisa¬
tionsplan über die Rückzahlung des dem Stellvertreterfond entnommenen
Vorschusses von 2 700 000 fl. anzubefehlen, womit die Sitzung geschlossen
wurde.

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 13. Juni 1869. Franz Joseph.

         Nr. 49 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. Mai 1869 -
                                       Protokoll III

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf
Andrässy, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke, der Reichskriegsminister [FML.] Frei¬
herr v. Kuhn, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay, der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager
Graf Festetics, Referent für Grenzangelegenheiten im Kriegsministerium Oberst König.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Waldverkauf in der Militärgrenze.

   KZ. fehlt - RMRZ. 49
   Protokoll des zu Wien am 26. Mai 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬
sers.

   Seine Majestät der Kaiser geruhten der Protestnote Er¬
wähnung zu machen, welche infolge der im kroatischen Landtag einge-
brachten Interpellation, betreffend den beabsichtigten Waldverkauf in der
Militärgrenze, von letzterem an den ungarischen Landtag gerichtet worden
sei und welche nunmehr die ungarische Regierung nötige, in der fraglichen
Angelegenheit Stellung zu nehmen.1

   Man rpüsse sich vor allem darüber klar werden, ob diesen beiden Landta¬
gen eine Einmischung staatsrechtlich zustehe, und wenn ja, was für konsti¬
tutionelle Folgen ihre diesfalls eingenommene Haltung haben könne. Seine
Majestät glaube, daß dem ungarischen Landtage nur eine informative Er¬
kundigung gestattet und ihm gegenüber keineswegs eine Verantwortlichkeit

1 Vgl. GMR. v. 7. 5. 1869, RMRZ. 43 und Anm. 4 zu jenem Protokoll; weiter Gesuch der
       Brooder Regimentsgemeinden um die Einstellung des Waldverkaufes im Brooder und
       Peterwardeiner Regiment, Vortrag des Reichskriegsministers v. 18. 5. 1869 KA.,
       MKSM. 49-5/3/1869.
<pb/>