Gemeinsamer Ministerrat, 3. 1. 1869
I. Beratung über den Vorgang bei Abänderung der gegenwärtig für das Strafverfahren bei den Militärgerichten bestehenden Gesetze
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Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. I. 1869 149 Edelmut sei aber sehr schlecht belohnt worden, denn man habe ihr in die Schuhe schieben wollen, als übe sie selbst Konnivenz in der Sache und be¬ günstige also indirekt die fraglichen Sendungen. Die Sache müsse jedoch ein Ende haben, und Vortragender könne sich demnach nur für Ablehnung des Gesuches aussprechen. Ministerpräsident Graf Andrässy: Es scheine zwar gegenwärtig in der Walachei schon ein wahrer Überfluß an Waffen zu sein, da von dort aus gute Gewehre um sechs Gulden nach dem Banate und nach Siebenbürgen verkauft würden, aber auch Vortragender sehe in einem Verbote keine Gefahr. Unleugbar waffne die Regierung der Fürstentümer, alle Mächte finden dieses Vorgehen unverantwortlich, es könne sonach ein solches Verbot keine nachteiligen Folgen haben. Reichskanzler Freiherr v. Beust: Er werde sonach die Anfrage des Grafen Taaffe in dem Sinne beantworten, daß er sich vom Standpunkte des Ministeriums des Äußern gegen die Durchfuhr erkläre. Hiemit wurde die Sitzung geschlossen. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 5. Dezember 1868. Franz Joseph. Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. Jänner 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (5. 1.), der Reichskriegsminister FML. Freiherr v. Kuhn (6. 1.), der k. k. Ministerpräsidentenstellvertreter Graf Taaffe, der k. k. Justizminister Herbst, Oberstauditor v. Leutzendorf. Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Beratung über den Vorgang bei Abänderung der gegenwärtig für das Straf¬ verfahren bei den Militärgerichten bestehenden Gesetze. KZ. 64 - RMRZ. 28 Protokoll des zu Wien am 3. Jänner 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬ fen Beust. Reichskanzler Graf v. Beust leitete die Beratung mit der Darlegung der Notwendigkeit ein, daß in weiterer Konsequenz der neuesten strafrechtlichen Umgestaltungen1 auch an die Regelung der 1 Die neuesten strafrechtlichen Umgestaltungen: Gesetz v. 15. 11. 1867, RGBl. Nr. 131/ 1867. Aber die neue Strafprozeßordnung wird erst 1873 geschaffen: Gesetz v. 23. 5. 1873, RGBl. Nr. 119/1873. Vgl. Ogris, Die Rechtsentwicklung in Cisleithanien 1848-1918 559-566. <pb/>150 Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 1. 1869 Militärstrafgerichtsbarkeit gegangen werde, hiebei trete in erster Linie die Frage heran, ob die neue Militärstrafprozeßordnung mit Zustimmung der beiden Vertretungskörper der österreichisch-ungarischen Monarchie oder im Verordnungswege ins Leben treten könne und solle, und im letzteren Fall, wie dies möglich sei? Zwei Betrachtungen stünden sich hier gegenüber: Nach der einen sei es ein feststehendes, nicht zu verkümmerndes Recht jedes Staatsbürgers, daß er bei strafgerichtlichen Behandlung nur nach den verfassungsmäßig erlas¬ senen Gesetzen gerichtet werde, während nach der anderen Seite es sich als eine Folge der Einheit der Armee ergebe, daß auch die strafgerichtliche Behandlung des Militärs eine einheitliche sei. "Seiner Ansicht nach werde es daher drauf ankommen bei der Anerken¬ nung des verfassungsmäßigen Prinzips die praktische Verschiedenheit ei¬ ner Abweichung zur Geltung zu bringen." Nach den ihm von dem Grafen Andrässy gemachten Eröffnungen sei die Frage einer Militärstrafproze߬ ordnung auch in ungarischen Kreisen bereits besprochen worden, und es handle sich nunmehr darum, über diesen Gegenstand schlüssig zu werden. Ministerpräsidentenste 11vertreter Graf Taaffe glaubt sich dahin aussprechen zu sollen, daß die Gleichförmigkeit der Straf¬ prozeßordnung in beiden Armeen allerdings ein Gebot der Notwendigkeit sei, obwohl er sich die Schwierigkeiten nicht verhehlt, welchen diese Gleichförmigkeit unterworfen ist, wenn die Militärprozeßordnung zur ab¬ gesonderten Beratung vor die beiden Legislativen gebracht wird. Justizminister Herbst wiederholt seine bereits in dem anverwahrten schriftlichen Gutachten umständlich begründete Meinung,2 daß, sofeme eine Änderung der gegenwärtig für das Strafverfahren bei den Militärgerichten bestehenden Gesetze notwendig sei, dies nach vorher ein¬ geholter Bewilligung Seiner Majestät nur im Wege verfassungsmäßiger Behandlung der hiezu berufenen Vertretungskörper, nämlich des Reichs¬ rates und des ungarischen Reichstages, geschehen könne. Hiebei komme es nun wohl darauf an, sich zu vergewissern, daß der diesfalls zwischen den beteiligten Ministerien zu vereinbarende Gesetzentwurf in beiden Legisla¬ tiven angenommen werde, was ihm im Reichsrate, nach dem Geiste, wel¬ cher aus der vom Abgeordneten Skene und Genossen in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 10. Dezember v. J. eingebrachten Interpellation spreche, nicht zweifelhaft erscheine.3 Anders verhält es sich mit dem unga¬ rischen Abgeordnetenhause, welches nach der jüngsten Erfahrung, die der dortige Justizminister mit einem diesfalligen Gesetzentwürfe gemacht Einfügung Beusts. Gedruckt als Beilage Nr. 28a. 3 Skene hatte im Abgeordnetenhaus am 10. 12. 1868 die Vorlage einer Militärstrafproze߬ ordnung verlangt. Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich, Bd. 1 388. <pb/>Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 1. 1869 151 habe, sich nicht immer fügsam zeige.4 Ihm scheine übrigens die Militär¬ strafprozeßordnung weniger wichtig als das weit mehr ins Leben eingrei¬ fende materielle Recht, und ebenso halte er das Bedürfnis der Gleichför¬ migkeit in Prozeß und Gesetz bei der Armee nur bezüglich der eigentlichen Militärverbrechen wie z. B. Meuterei für unbedingt geboten. In dieser Be¬ ziehung sei im Gesetzgebungswege auszusprechen, daß die Regelung des Strafverfahrens dem obersten Kriegsherrn Vorbehalten bleibt, während be¬ züglich des Verfahrens über gemeine Delikte den Legislativen immerhin einiger Spielraum gegönnt werden könne. Reichskriegsminister FML. Freiherr v. Kuhn teilt die strafbaren Handlungen der Soldaten ebenfalls in eigentliche Militär- und in gemeine Delikte ein, und ist hinsichtlich der ersteren mit Justizmini¬ ster Herbst vollkommen damit einverstanden, daß das Verfahren darüber, wie es selbst in England der Fall ist, nach vom obersten Kriegsherrn fixier¬ ten Normen ausschließlich dem Militär anheim gestellt werde, aber auch bezüglich der gemeinen Delikte glaubt er die Notwendigkeit der Gleichför¬ migkeit betonen zu sollen, nachdem eine je nach den Ergänzungsbezirken der Mannschaft sich richtende Verschiedenheit in der Strafbehandlung nicht nur eine besonders in Kriegszeiten verderbliche Komplizierung des Verfah¬ rens zur Folge haben, sondern auch dahin führen würde, daß die ungari¬ schen Regimenter in ihre Heimat verlegt werden müßten und dadurch die Teilung der Armee faktisch werden würde, was eben im Widerspruche mit dem Wehrgesetze stehe. Weit weniger gefährlich sei es, wenn wie von einer Seite angeregt wurde, die Aburteilung über gemeine Verbrechen ganz den Zivilgerichten anheim gegeben würde.5 Ministerpräsidentenstellvertreter Graf Taaffe konstatiert auch seinerseits die vom Reichskriegsminister hervorgehobenen Schwierigkeiten, welche sich durch die Auflassung der Regimentsgerichte und Kreierung der Brigadegerichte, wobei sich leicht ein deutsches und ein ungarisches Regiment in einer Brigade vereint finden kann, noch vermehrt werden. Übergehend auf das vom Justizminister angedeutete Zustandekommen der Militärstrafprozeßordnung im Wege legislativer Beratung macht Graf Taaffe noch darauf aufmerksam, daß dasselbe im Reichsrate, wenn man sachgemäß vergehen will, nur mit Anlehnung an die neue Zivilstrafproze߬ ordnung erfolgen könne. Diese existiere nun aber bekanntlich noch nicht, Boldizsär Horvät (1822-1898), 20. 2. 1867 - 5. 6. 1871 Inhaber des Amtes des kgl. ung. Justizministers. Kuhn erörterte auf Befehl des Herrschers v. 13. 12. 1868 in seinem au. Vortrag am 14. 12. 1868 seine Ansichten zur Strafprozeßordnung bzw. zur aufdie Interpellation von Reichsratsabgeordnetem Skene vom 10. 12. 1868 zu gebenden Antwort. Siehe Beilage Nr. 28b. <pb/>152 Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 1. 1869 und so erscheine auch die erstere eigentlich verfrüht.6 Wenn man sich die¬ sen Stand der Sache vergegenwärtige, so liege also die Frage nahe, ob es überhaupt notwendig sei, jetzt schon ein Gesetz in der angedeuteten Rich¬ tung zu bringen, und ob es sich nicht mehr empfehle, vorläufig das Militär¬ strafverfahren im Status quo zu belassen und nur das Allemotwendigste nach vorherigem Einvernehmen mit den beiden Justizministem im Verordnungs¬ wege zu regeln, worauf Justizminister Herbst erwidert, daß er ein Definitivum in dieser Richtung auch seinerseits für verfrüht halte. In diesem Anbetrachte erscheine ihm denn auch die materielle Beantwortung der oben erwähnten Interpellation von Skene und Genossen im vorhinein gegeben, welche mit Hinweisung auf die vom Grafen Taaffe bemerkte Kohärenz der Militär- mit der Zivilstrafprozeßordnung nach seiner Ansicht verneinend zu beantworten wäre. Wenn übrigens Graf Andrässy einzelne Abänderungen des dermaligen Verfahrens im Verordnungsweg für möglich halte, so würde dies die Sache allerdings bedeutend vereinfachen, beson¬ ders, wenn der Grundsatz zum Durchbruche gelange, daß das Verfahren über Militärdelikte durch den obersten Kriegsherrn bestimmt werden sollte. Oberstauditor Ritter v. Leutzendorf gibt nach¬ stehendes Expose: Als im Jahre 1855 das Militärstrafgesetzbuch erschien, sei im Kundmachungspatente ausdrücklich gesagt worden, daß die Militär¬ strafprozeßordnung demnächst nachfolgen werde.7 Dies sei aber infolge der Verhältnisse bis heute noch nicht geschehen, obwohl schon der frühere Kriegsminister die diesfalls leitenden Gmndsätze Seiner Majestät vorgelegt und letztere auch die Ah. Sanktion erlangt hätten. Wenn daher heute die im Entwürfe bereits fertige Militärstrafprozeßordnung eingeführt werde, so geschehe dies nur infolge des im Jahre 1855 erschienenen Kundmachungs¬ patentes, wobei man von dem Grundsätze ausgegangen sei, daß die Normierung des Militärstrafverfahrens ein Ausfluß der Gewalt des obersten Kriegsherrn sei. Er glaube, daß sich die Auffassung verteidigen lasse, es sei im Begriffe der Leitung, Führung und inneren Organisation der Armee das Recht der Disziplinaufrechterhaltung mitenthalten; wenn also auch nur als Provisorium bis zu der gewiß Jahre erheischenden Regelung durch die Le¬ gislative - wofür er angesichts der eingeführten allgemeinen Wehrpflicht selbst stimme - so solle man doch endlich eine Verfügung bezüglich des Militärgerichtsverfahrens treffen und vor allem trachten, daß die veraltete und heute ganz ungenügende ,,Theresiana" abgeschafft werde.8 Siehe Anm. 1. Vgl. Wagner, Die k. (u.) k. Armee - Gliederung und Aufgabenstellung 539. Constitutio criminalis Theresiana, die österreichische Halsgerichtsordnung von 1768, die von der strafrechtlichen Reform der Aufklärung noch nicht beeinflußt war, aber we¬ gen der Vereinheitlichung des Strafrechts als die große politische Tat der Kaiserin Ma¬ ria Theresia bezeichnet wurde. <pb/>Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 1. 1869 153 Das meritum der Sache betreffend müsse er sich gegen eine Scheidung des Verfahrens nach Militär- und gemeinen Verbrechen ebenfalls ausspre¬ chen, was besonders zu Kriegszeiten und bei etwa vorkommender gemisch¬ ter Bevölkerung in einem Truppenkörper absolut undurchführbar erscheine. Hierauf macht der R e i c h s k a n z 1 e r die Andeutung, daß, wenn die Legislative zur Mitwirkung beim Zustandekommen einer Militärstraf¬ prozeßordnung verfassungsmäßig berufen sei, folgerichtig auch ihre Er¬ mächtigung zu einem Provisorium, wie es Vorredner vor Augen habe, ein¬ geholt werden müsse. Was Ungarn betreffe, so müsse im gegebenen Falle Graf Andrässy dafür gewonnen werden, daß er es übernehme, diese Er¬ mächtigung vom Reichstage einzuholen. Justizminister Herbst stimmt der eben geäußerten Auf¬ fassung des Reichskanzlers zu und bemerkt in Erwiderung auf die Bemer¬ kung des Ritters v. Leutzendorf, daß die Bedenken nicht in der eventuellen Nötigung der Militärgerichte zur Handhabung verschiedener Gesetze, son¬ dern in den Schwierigkeiten liegen, welche sich aus dem forum delicti erge¬ ben. Sobald ein gesetzlicher Ausspruch vorliege, daß die Regelung der Ge¬ richtsbarkeit über ein Militärvergehen Sache des obersten Kriegsherrn sei, so sei es ein Leichtes, alle diese Schwierigkeiten zu ebnen. Ministerpräsidentenste 11vertreter Graf Taaffe hält einen solchen Ausspruch nicht für nötig, es lasse sich dieses aus dem Gesetze beweisen. Er müsse Gewicht darauf legen, daß das Recht des ober¬ sten Kriegsherrn, die Kriegsartikel zu statuieren, in den Vordergrund ge¬ stellt und gegenüber von etwaigen Ansichten, welche von Journalen oder einzelnen Deputierten geltend gemacht werden könnten, betont werde. Der Reichsfinanzminister deutet darauf hin, daß man sich im Falle einer Ungleichförmigkeit des Militärstrafverfahrens in ähnli¬ cher mißlicher Lage befinden werde wie gegenwärtig bei der Konsulargerichtsbarkeit, und daß hier wie dort eine Gemeinsamkeit des Verfahrens angestrebt werden müsse. So wie auf anderen Gebieten, so wer¬ de sich auch im vorliegenden Falle ein gemeinsames Gesetz mit der jenseitigen Reichshälfte erzielen lassen, und die Schwierigkeit liege nur in der durch mögliche Amendements sich in die Länge ziehenden Ausführung. Der Reichskriegsminister leitet nunmehr die Diskussion auf ihren Ausgangspunkt durch die Bemerkung zurück, daß er schon im vorigen Sommer teils aus Ersparungsrücksichten, teils infolge der Auflassung der Inhaberrechte die Auditoriate umgestaltet hatte.9 Dies involviere eine Änderung des bisherigen Verfahrens. Seine Majestät der Kaiser hätten seine diesfälligen Anträge zu genehmigen geruht, und es 9 Au. Vortrag des Reichskriegsministers über die Militärstrafprozeßordnung v. 12. 6. 1868, KA,, KM., Präs. 31-9/1/1868. <pb/>154 Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 1. 1869 handle sich nunmehr um die Einführung dieses Ah. sanktionierten Be¬ schlusses in der ganzen Armee. Das Wie? sei aber die Frage, und hierüber erbitte er sich einen Beschluß der Konferenz. Ministerpräsidentenstellvertreter Graf Taaffe: Wenn er das heute Gesprochene rekapituliere, so glaube er es im folgenden zusammenfassen zu können: Man sei darüber einig, daß die Erlassung einer Militärstrafgesetzordnung nach dem bestehenden Staatsrechte nicht ledig¬ lich eine Emanation der obersten Kriegsgewalt sei, sondern zugleich auch einen Teil des verfassungsmäßigen Wirkungskreises der Vertretungskörper bilde, als welche nicht die Delegationen, sondern der Reichsrat und der un¬ garische Reichstag zu betrachten seien. Hierunter gehören aber nicht die Bestimmungen über die eigentlich militärischen Delikte (Kriegsartikel), deren Fixierung, sowohl was die Form als den Inhalt betrifft, als Attribut der obersten Kriegsgewalt Seiner Majestät Vorbehalten werden müsse und nur eine einheitliche sein könne. Ebenso sei die Gleichförmigkeit und Ein¬ heit der Bestimmungen über gemeine Verbrechen anzustreben und vor den Legislativen zu vertreten. Einen vollständigen Gesetzentwurf in dieser Be¬ ziehung einzubringen, sei dermalen noch verfrüht und immöglich, es werde aber die Notwendigkeit anerkannt, bis zum Zustandekommen einer neuen Militärstrafprozeßordnung die gebotenen Änderungen der neuen in einer Novelle zusammenzufassen, hierüber zunächst die Vereinbarung mit dem ungarischen Ministerium zu erzielen und dieselbe sodann mit dem Streben der en bloc Durchbringung den verfassungsmäßigen Vertretungskörpem vorzulegen. Diesem Ideengange traten sämtliche Mitglieder der Konferenz bei und wurde derselbe schließlich zum Beschluß erhoben, bezüglich dessen weite¬ rer Ausführung man sich noch dahin einigte, daß der Reichskriegsminister seinen bereits fertigen Entwurf mutatis mutandis vorläufig den beiden Landesjustizministem mitteilen und daß sodann die definitive Vereinba- rung in mit Zuziehung von Vertretern des ungarischen Ministeriums statt¬ findenden Konferenzen erfolgen solle.10 Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 15. Jänner 1869. Franz Joseph. 10 Vgl. GMR. v. 4. 1. 1869, RMRZ. 29. <pb/>Nr. 28a Gutachten des k. k. Justizministers, o. O., o. D. 155 Nr. 28a Gutachten des k. k. Justizministers Herbst, o. O., o. D. Beilage zum GMRProt. v. 3. 1. 1869, RMRZ. 28 Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Erlassung einer Strafproze߬ ordnung ihrer Natur nach ein Akt der Gesetzgebung sei, woran eben des¬ halb der Umstand nichts ändern kann, für welche Kategorien von Personen (des Zivil- oder Militärstandes) dieselbe Gattung zu erlangen bestimmt ist. Hiernach ist zum Zustandekommen einer solchen Strafprozeßordnung die Mitwirkung der betreffenden Vertretungskörper erforderlich. Daß dies auch nach dem in Österreich bestehenden Staatsrechte gelte, kann wohl kaum bestritten werden, denn die Gesetzgebung über das Strafverfahren gehört nicht zu den Anordnungen in betreff der Leitung, Führung und inneren Or¬ ganisation der gesamten Armee, welche Seiner Majestät ausschließlich Vorbehalten ist (§ 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 1867 RGBl. Nr. 146). Als jene Vertretungskörper, deren Mitwirkung zum Zustandekommen der Strafprozeßordnung erforderlich ist, können aber die Delegationen selbstverständlich nicht angesehen werden - nicht bloß, weil ihnen ein Gesetzgebungsrecht überhaupt nicht zusteht, sondern auch, weil sich ihre Wirksamkeit auf die als gemeinsam erklärten Angelegenheiten beschränkt, welche das Gesetz taxative aufzählt. Unter diesen kommt aber die Gesetz¬ gebung über das Strafverfahren nicht nur nicht vor, sie betrifft vielmehr die Regelung der bürgerlichen Verhältnisse und der sich nicht auf den Militär¬ dienst beziehenden Rechte und Verpflichtungen der Mitglieder des Heeres, welche von den als gemeinsam erklärten Angelegenheiten ausdrücklich ausgenommen ist (a. a. § 1 lit. b). Als die zu jener Mitwirkung berufenen Vertretungskörper erscheinen da¬ her für die diesseitigen Länder die beiden Häuser des Reichsrates, was durch das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 RGBl. Nr. 141 im § 11 lit. k auch positiv anerkannt ist, da es sich je hier um einen Art der Strafjustizgesetzgebung handelt. Die Gesetzgebung über das Strafverfahren bei den Militärgerichten ge¬ hört aber nicht nur nicht zu den als gemeinsam erklärten, sie gehört auch nicht zu jenen Angelegenheiten, welche nach § 2 des früher zitierten Geset¬ zes zwar nicht gemeinsam verwaltet, jedoch nach gleichen von Zeit zu Zeit zu vereinbarenden Grundsätzen behandelt werden sollen. Denn zu diesen wird unter Z. 5. nur die ,,Feststellung des Wehrsystems" gerechnet.1 So ge¬ wiß daher eine Übereinstimmung der diesfalligen Gesetzgebung notwendig und von den beiderseitigen Ministerien anzustreben ist, so wenig würde sich behaupten lassen, daß solche Übereinstimmung eine staatsgrundge- 1 Es handelt sich hier um RGBl. Nr. 146/1867 § 2 Z. 5. <pb/>156 Nr. 28b Au. Vortrag des Reichskriegsministers, Wien, 14. 12. 1869 setzliche Notwendigkeit, und daß bei nicht kongruenten Beschlüssen des Reichsrates und Reichstages das im § 36 jenes Gesetzes vorgezeichnete Verfahren anwendbar sei. Nach meiner Ansicht müssen daher, sofern eine Änderung der derzeit für das Strafverfahren bei den Militärgerichten bestehenden Gesetze notwendig ist, was wohl nicht bestritten werden kann, die beiderseitigen Ministerien sich über möglichst übereinstimmende Entwürfe einigen, wie dies auch in dem ganz analogen Falle bezüglich der Gerichtsbarkeit der Militärgerichte geschehen ist, und diese Entwürfe sohin den Vertretungskörpem zur verfas¬ sungsmäßigen Behandlung nach hiezu eingeholter Bewilligung Seiner Ma¬ jestät dem Reichsrate und Reichstage vorlegen. Hieran kann dadurch nichts geändert werden, daß die beabsichtigte neue Gesetzgebung nur als eine pro¬ visorische bezeichnet wird, denn die Beschränkung des Zeitraumes, für welchen ein Gesetz gelten soll, vermag die Natur der Anordnung als eines Gesetzes nicht zu ändern, so wie ja an sich kein Gesetz als für immer unver¬ änderlich erlassen wird. Unser Staatsgrundgesetz kennt zwar provisorische Gesetze, allein dies sind solche, welche unter den Voraussetzungen des § 14 wegen der Dringlichkeit bei nicht versammeltem Reichsrate erlassen wer¬ den, und diese sind provisorische Gesetze, nicht weil sie bloß für einen be¬ stimmten Zeitraum Geltung haben sollen, sondern weil ihre Geltung als Gesetz nur so lange dauert, als sich die Reichsvertretung in bezug auf die¬ selben nicht ablehnend ausgesprochen hat. Herbst Nr. 28b Au. Vortrag des Reichskriegsministers FML. Freiherr v. Kuhn, Wien, 14. Dezember 1868 Beilage zum GMRProt. v. 3. 1. 1869, RMRZ. 28 KA,, KM., Präs. 28-1/1/1869 Allergnädigster Herr! In Gemäßheit des Ah. Befehles vom 13. d. M. erlaube ich mir in tiefster Ehrfurcht Euer Majestät rücksichtlich der Interpellation des Reichsratsab¬ geordneten Skene betreffend die Vorlage der Militärstrafprozeßordnung zur gesetzmäßigen Behandlung an das Abgeordnetenhaus des Reichsrates das Gutachten nachstehend ganz gehorsamst zu erstatten. In dem Gesetze betreffend die alle Länder der Monarchie gemeinsamen Angelegenheiten vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 146 § 1 lit. b, wird als gemeinsame Angelegenheit erklärt: ,,Das Kriegswesen mit Ausschluß der Rekrutenbewilligung, ferner der bürgerlichen Verhältnisse und der sich nicht auf den Militärdienst beziehenden Rechte und Verpflichtungen des Heeres." Im § 5, Alinea 2 ebenda heißt es weiter: ,,Die Anordnungen in <pb/>Nr. 28b Au. Vortrag des Reichskriegsministers, Wien, 14. 12. 1868 157 betreff der Leitung, Führung und inneren Organisation der Armee steht aus¬ schließlich dem Kaiser zu." Vom Standpunkte der Einheit der Armee, welche selbst nach dem Gesetzartikel XII vom Jahre 1867 § 11 rücksichtlich des ungarischen Hee¬ res anerkannt wird, kann die Frage, wohin ein Gesetz über die Militärstraf¬ prozeßordnung gehöre, mit Hinblick auf die eigentümlichen Verhältnisse eben der einheitlichen Armee wohl nur dahin beantwortet werden, daß nachdem hiernach die Einheitlichkeit des fraglichen Gesetzes eine unbe¬ dingte Notwendigkeit ist, dessen Erlassung in der nach § 5, Alinea 2 von Euer Majestät Ah. Sich vorbehaltenen Leitung und Organisation des Heeres mitbegriffen ist, indem ja letztere durch ein solches Gesetz wesentlich be¬ rührt ist. Dies geht nach meinem ehrfurchtsvollsten Erachten um so mehr daraus hervor, als der im § 1 lit. b, des bezogenen Gesetzes über die gemein¬ samen Angelegenheiten vorkommende Ausdruck: ,,bürgerliche Verhältnis¬ se" erkennen läßt, daß hierunter nur die Gesetze in bürgerlichen Rechtsan¬ gelegenheiten in und außer Streitsachen gemein sein können, da unter bür¬ gerlichen Verhältnissen wenigstens der gesetzlichen Terminologie nach nur die Privatrechte verstanden werden. Wenigstens muß dies hinsichtlich des im § 14 des ungarischen Aus¬ gleichgesetzes Artikel XII vorkommenden Ausdruckes ,,ungarische Zivil¬ verhältnisse" verstanden werden, indem im Gesetzartikel XXIII vom Jahre 1848 - einer der wesentlichsten Grundlagen der neuesten ungarischen Ge¬ setzgebung1 - von der Zivilgerichtsbarkeit, die in wirklichen Militärdien¬ sten stehenden Personen hinsichtlich der Kriminalklagen ausgenommen sind, und auch im § 39 der Judex-Curial-Beschlüsse bestimmt ist, daß von der daselbst bestimmten Kompetenz, die dort nur bürgerliche Rechtsan¬ gelegenheiten betrifft, nur die in wirklichen Militärdiensten stehenden Sol¬ daten in ihren Personalklagen ausgenommen sind, wo demnach Strafsachen den bürgerlichen Angelegenheiten entgegengesetzt werden. Wenn in dem Gesetze vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 141 betreffs der Abänderung des Gesetzes über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 § 11, Alinea k die Strafjustiz und Polizei sowie die Zivilrechts¬ gesetzgebung zum Wirkungskreise des Reichsrates gehörig erklärt wird, so kann dies mit Rücksicht auf das Gesagte in bezug auf die Armee demnach nur hinsichtlich der Gesetzgebung in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten verstanden werden. Einen Beleg für diese Anschauung liefert in neuester Zeit das Königreich Sachsen, wo ein neues Militärstrafgesetz und eine neue Militärstrafproze߬ ordnung auch ausschließlich mittels königlicher Verordnung vom 4. No¬ vember 1867 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen; 1 Hier irrt sich Kuhn, oder es ist eine einfache Verschreibung: Es handelt sich hier um GA. XXII/1848. <pb/>158 Nr. 28b Au. Vortrag des Reichskriegsministers, Wien, 14. 12. 1869 Stück XXVI, Nr. 141) eingefuhrt worden ist, ungeachtet auch dort die Militärstrafgerichtsbarkeit nicht nur auf Militär-, sondern auch auf gemeine Verbrechen und Vergehen sich erstreckt. Auch die in dem eingangs bezogenen Gesetze über die gemeinsamen Angelegenheiten vorkommende Stelle ,,und die sich nicht auf den Militär¬ dienst beziehenden Rechte und Verpflichtungen" entscheidet nicht nur nichts für die gegenteilige Meinung, sondern spricht vielmehr der von mir vertretenen Auslegung das Wort, da die Verpflichtungen, welche den Mili¬ tärpersonen durch die Militärstrafgesetzgebung auferlegt werden, gewiß und unzweifelhaft den Militärdienst betreffen; daher in keinem Falle Mi¬ litärverbrechen darunter begriffen sein können. Auf der einen Seite demnach der gesetzliche Unterschied zwischen dem in dem bezogenen Gesetze vorkommenden Ausdrucke ,,bürgerliche Ver¬ hältnisse" wenigstens in der ungarischen Reichshälfte -, auf der anderen aber der Unterschied, welcher zwischen Militär- und gemeinen Verbrechen nach demselben Gesetze aus der Stelle ,,die nicht auf den Militärdienst sich beziehenden Verhältnisse" besteht, ergäbe bei der Annahme der gegenteili¬ gen Meinung das Resultat, daß ungarische Soldaten überhaupt -, in der an¬ deren Reichshälfte aber die Militärpersonen wenigstens in Militärver¬ brechen nach verschiedenen Gesetzen behandelt werden müßten; ein Zu¬ stand, welcher die Strafgerichtspflege bei den Militärgerichten, wenn nicht unmöglich, doch sicher zum wesentlichen Abbruche der Zwecke der Straf¬ justiz, sehr erschweren würde. Diese Erwägungen waren es, welche mich schon damals leiteten, als ich mittels meines au. Vortrages vom 2. September 1868, Pr. Nr. 2392 Euer Majestät unter den damaligen Voraussetzungen und nach dem damaligen Stande der Verhandlungen über das Wehrgesetz, die Militärjurisdiktion und die Zivilstrafprozeßordnung - die Grundzüge zu einer Militärstrafproze߬ ordnung - zur Ah. Sanktion zu unterbreiten mir erlaubt habe, welche Euer Majestät denselben mit der Ah. Entschließung vom 14. September d. J. zu erteilen geruhten. Die Beschleunigung der Emanierung dieses Gesetzes erschien und er¬ scheint mir im Interesse der Organisation der Armeejustizbehörden sowohl als der Justizpflege selbst als ein zu dringendes Bedürfnis, um nicht meine Überzeugung ehrfurchtsvollst auszusprechen, daß wenigstens insolange, als nicht über die Zivilstrafprozeßordnung endgültig beschlossen sein wird, statt der längst veralteten Bestimmungen der Strafgerichtsordnung weiland Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Theresia ein neues nach Zulässigkeit der mir zu Gebote stehenden Mittel den Anforderungen der Neuzeit mit Be¬ dacht auf die eigentümlichen Militärdienstverhältnisse Rechnung tragendes Militärstrafverfahren ehemöglichst, sei es auch nur provisorisch in Wirk¬ samkeit trete; was bei dem Stadium, in welchem sich die einschlägigen Ar¬ beiten rücksichtlich der Zivilstrafprozeßordnung im Reichsrate nach den <pb/>Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. 1. 1869 159 öffentlichen Blättern befinden - wenn man auch mit dieser Vorschrift den verfassungsmäßigen Weg einschlagen sollte nicht sobald ermöglicht wer¬ den dürfte. Ich erlaube mir demnach aus diesen Gründen rücksichtlich der in Frage stehenden Interpellation mein Gutachten in tiefster Ehrfurcht dahin zusam¬ menzufassen, daß die Militärstrafprozeßordnung im Grunde der Gesetze vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 146 § 1 lit. b und § 5, Alinea 2, dann des § 14 des ungarischen Ausgleichsgesetzes Artikel XII; ferner vom 21. Dezember 1867 RGBl. Nr. 141 § 11 lit. k, vor die Reichsvertretungskörper nicht gehöre, und die ganz gehorsamste Bitte zu stellen: Euer Majestät geruhen, dieses Gutachten zur Ah. Kenntnis zu nehmen. Schließlich erlaube ich mir noch Euer Majestät ehrfurchtsvoll zur Kennt¬ nis zu bringen, daß ich zur Erzielung des Ah. anbefohlenen möglichst erwo¬ genen Gutachtens mich auch bestimmt gesehen, den Gegenstand der allso- gleichen Beratung der betreffs der Strafprozeßordnung eben tagenden Kommission zu unterziehen. Geruhen Euer Majestät aus dem anruhenden Protokoll die diesfalls sich ergebenen Anschauungen und insbesondere das Ergebnis der Abstimmung Ag. zu entnehmen, wonach sich die Majorität der Kommission für die unbedingte Ah. Berechtigung zur Emanierung dieser Prozeßordnung im Verordnungswege ausgesprochen hat. Wien, am 14. Dezember 1868. Kuhn Dient Mir zur Kenntnis. Wien, am 5. Jänner 1869. Franz Joseph. Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 4. Jänner 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (8. 1.), der Reichskriegsminister FML. Freiherr v. Kuhn (8. 1.), derk. k. Ministerpräsidenten¬ stellvertreter Graf Taaffe, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy. Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Einführung der Militärstrafprozeßordnung. II. Stand der Verhandlung über den Bau der ungarisch-galizischen Eisenbahn. III. Beantwortung der im Abgeordnetenhause eingebrachten Interpellation über die staatsrechtliche Stellung Dalmatiens. KZ. 67 - RMRZ. 29 Protokoll des zu Wien am 4. Jänner 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬ sers. <pb/>