Nr. 97 Ministerrat, Wien, 30. August 1866 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Hueber; VS.Vorsitz Belcredi; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Belcredi 30. 8.), Mensdorff, Mailáth, Komers, Schiller, Geringer, Becke; außerdem anw.anwesend Gobbi bei II, Barthos bei II und III, Pfeiffer bei II und III; abw.abwesend Franck, Larisch (war seit 26. 8. 1866 beurlaubt und durch Becke vertreten), Wüllerstorf, Esterházy.
MRZ. 97 – KZ. 2135 –
- I. Änderung der Landesordnung und Landtagswahlordnung für Galizien
- II. Ausbau der Pest–Losoncer Eisenbahn
- III. Ersatz der von den königlichen Freistädten in Ungarn seit 1861 bestrittenen Gerichtskosten
- IV. Ersatz für vorschußweise bestrittene Schubauslagen in Krain
- V. Beschluß des galizischen Landtages rücksichtlich der Übernahme der Grundentlastungsfonds
Protokoll des zu Wien am 30. August 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.
I. Änderung der Landesordnung und Landtagswahlordnung für Galizien
Den ersten Gegenstand der Beratung bildete der au. Vortrag des Staatsministers vom 16. Mai 1866, Z. 2707, betreffend mehrere vom galizischen Landtage beschlossene Änderungen der Landesordnung und der Landtagswahlordnung1.
Die betreffenden vom Landtage beschlossenen sieben Landesgesetze bezwecken: 1. einen Zusatz zu § 3 der Landesordnung, daß der Bischof von Krakau und eventuell die Administratoren in spiritualibus zu Landtagsmitgliedern berufen werden; 2. Änderungen hinsichtlich des Wahlrechtes der auf den Gutsgebieten wohnenden Staatsbürger; 3. Zugestehung des Wahlrechtes der minderjährigen Besitzer landtäflicher Güter und Art der Ausübung des Wahlrechtes seitens der wahlberechtigten Frauenspersonen; 4. die Wählbarkeit der Mitbesitzer eines landtäflichen Gutes; 5. Änderung des § 17 der Wahlordnung hinsichtlich der Ausschließung vom Wahlrechte; 6. Vornahme einer Neuwahl für den Landtag, welche binnen 90 Tagen nach der ersten Wahl sich ereignet, auf Grundlage der Wahlakten und von denselben Wählern der ersten Wahl; endlich 7. Änderung des § 52 der Wahlordnung durch absolute Mehrheit in nächster Wahlperiode. Der Staatsminister referierte, er habe auf Ah. Sanktionierung der vom Landtage beschlossenen Landesgesetze 1, 3, 4, 6 und 7 und auf Versagung der Ah. Sanktion hinsichtlich der Gesetze 2 und 5 au. angetragen. Der von Sr. Majestät hierüber vernommene Staatsrat2 habe sich mit dem Antrage auf Ah. Sanktionierung der Gesetze 1, 6 und 7 und auf Versagung der Sanktion der Gesetze 2 und 5 einverstanden erklärt, sich jedoch gegen den Antrag auf Sanktion der Gesetze 3 und 4 ausgesprochen.
Nach Darstellung der Motive erklärte sich die Konferenz mit den Anträgen des Staatsministers, insoweit dieselben die Gesetze 1, 2, 5, 6 und 7 betreffen, einverstanden.
Ad 3. (minderjährige Besitzer landtäflicher Güter und Frauenspersonen) machte Baron Geringer in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Staatsrates nach Erörterung des Umstandes, daß die Landesvertretungen an politischer und || S. 218 PDF || legislativer Wichtigkeit die Gemeinde- und Bezirksvertretungen weit überragen, geltend, daß die Wahl der ersteren von größter Wichtigkeit ist. Wem daher das Gesetz nicht selbst das aktive Wahlrecht einräumt, der solle auch nicht im Namen eines anderen an der Wahl sich beteiligen dürfen, und wer nicht politisch mündig, solle auch nicht wahlberechtigt sein. Der Umstand, daß in den Städten auch Minderjährige wahlberechtigt sind, sei als ein Gebrechen der Landtagswahlordnung anzusehen, welches auf andere Fälle nicht auszudehnen sei. Nach Art. I des Gesetzentwurfes solle der Vertreter des nicht eigenberechtigten Gutsbesitzers oder der von dem ersteren ernannte Bevollmächtigte das Wahlrecht ausüben, ohne daß von dem einen oder andern die Wahlberechtigung verlangt wird. Zum Art. II dieses Gesetzentwurfes habe der Staatsrat darauf hingewiesen, daß der § 14 vermöge des darin vorkommenden Ausdruckes „als Wahlmann“ auf Frauenspersonen keine Anwendung habe. Insofern die persönliche Ausübung des dem weiblichen Geschlechte in der Klasse des Großgrundbesitzes zustehenden Wahlrechtes untersagt werden wolle, wozu sich ein praktisches Bedürfnis nicht gezeigt habe, könnte sich dabei nur an die Bestimmung des 2. Absatzes des § 15 der Landtagswahlordnung gehalten werden, wornach der Bevollmächtigte in dieser Wählerklasse wahlberechtigt sein muß und nur einen Wahlberechtigten vertreten darf. Gegen den Art. III dieses Gesetzentwurfes habe der Staatsrat einen Anstand nicht erhoben.
Graf Belcredi erwiderte, so unbestreitbar es sei, daß unter den autonomen Körperschaften im Lande die Landesvertretung weitaus die wichtigste ist, so dürfe doch nicht übersehen werden, daß die Garantie für die Tüchtigkeit ihrer Mitglieder großenteils in materiellen Interessen gesucht werden muß und grundsätzlich in den Landesverfassungen auch gesucht wird, was namentlich hinsichtlich des großen Grundbesitzes der Fall ist. Hier falle vorzugsweise der liegende Besitz und die dadurch verbürgte konservative Richtung ins Gewicht, daher das Wahlrecht des landtäflichen Grundbesitzes mehr ein Realrecht als ein persönliches Befugnis sei, welche Auffassung in dem Wortlaute des § 9, wo des zur Wahl berechtigenden Gutes erwähnt wird, ihren Ausdruck gefunden habe. Es sei ebenso billig als klug, daß man dem minderjährigen Besitzer eines so ausgedehnten Komplexes die Ausübung des Wahlrechtes ermögliche und eines Wählers sich nicht begebe, von dessen Vertreter man annehmen dürfe, daß er im materiellen Interesse seines Pflegebefohlenen eine regierungsfreundliche Wahl treffen werde. Indem das Gesetz im § 15 den Wählern in der Klasse des großen Grundbesitzes die Ausübung ihres Stimmrechtes durch Bevollmächtigte gestattet, in dieser Wählerklasse also die persönliche Ausübung erlassen ist, könne es konsequent auch gar nicht darauf ankommen, daß der Wähler großjährig sei; denn wenn er es auch ist, könne doch noch ein anderer für ihn stimmen, und etwas anderes geschehe ja auch bei einem Minderjährigen nicht. Aus dem vorliegenden Gesetzentwurfe folge durchaus nicht, daß der Stellvertreter eines Minderjährigen nicht die Wahlberechtigung besitzen müsse. Wenn die Zulassung von Bevollmächtigten ausgedehnt wird, folge vielmehr von selbst, daß der 2. Absatz des § 15 auch auf jene Bevollmächtigten Anwendung findet, die der Gesetzentwurf vor Augen hat, und es bedürfe dies keiner ausdrücklichen Bestimmung. || S. 219 PDF || Die Hinweisung auf das Wort „Wahlmann“ könne, angenommen, daß dieser Ausdruck die Subsumption der Frauen ausschließe, dem Art. II nicht entgegenstehen, weil ja die Landtagswahlordnung geändert und in diesem Punkte von der Anschauung ausgegangen werden wollte, daß es konsequent sei, Frauen, die Gutsgebiete mit weniger als 100 fr. Steuer besitzen, nicht ungünstiger zu stellen, als jene gestellt sind, welche städtische oder bäuerliche Realitäten besitzen und an der Abgeordnetenwahl direkt oder indirekt sich beteiligen dürfen. Nachdem übrigens der Staatsrat selbst zugebe, daß unter dem Ausdrucke „Besitzer“ im § 8 auch Besitzerinnen zu verstehen sind, und das nämliche von dem gleichen Worte im § 14 gelten muß, könne der Grund, warum derzeit Frauen nach § 14 am Wahlakte sich nicht beteiligen können, unter der Annahme, daß sie ihr Stimmrecht nicht persönlich ausüben dürfen, nur im ersten Absatze des § 15, nicht aber in dem Worte „Wahlmann“ gefunden werden, weil dieses Wort gebraucht wird, um den namens der Urwähler das Stimmrecht ausübenden Wähler zu bezeichnen, und wenn das Wort „Wähler“ das weibliche Geschlecht nicht ausschließe, so gelte das nämliche von dem Worte „Wahlmann“, und es sei an und für sich ebenso gestattlich, darunter auch Frauen zu verstehen, wie unter den Worten: Wähler, Urwähler, Vormann, Gewährsmann, Zeuge etc. Was die Frage betrifft, ob die Frauen als Wahlberechtigte in der Klasse der Städte und des Großgrundbesitzes das landtägliche Wahlrecht persönlich ausüben dürfen, so sei dieselbe, wie Graf Belcredi weiters bemerkte, bereits Gegenstand auseinandergehender Meinung aus Anlaß praktischer Fälle im böhmischen und mährischen Landtage gewesen, und es habe sich sowohl die Regierung als auch diese Landtage für die Meinung entschieden, daß Frauen ihr Stimmrecht nur durch ihre Ehemänner oder sonstige Machthaber und nicht persönlich, also insofern eine Stellvertretung unzulässig ist, gar nicht ausüben können. In Ansehung der Frauen würde das vom Landtage beschlossene Gesetz 3 für Galizien jeden Zweifel lösen, und es gewähre das Gesetz nicht nur in ebenso gerechter als dem leitenden Prinzipe der Interessenvertretung angemessener Weise den Wählern der §§ 8 und 14, die nicht eigenberechtigt sind, die gleichen Befugnisse, deren sich die Nichteigenberechtigten in den anderen Gruppen erfreuen.
Aus diesen Gesichtspunkten glaubte daher Graf Belcredi seinen au. Antrag auf Ah. Sanktion des Gesetzes 3 aufrechterhalten zu sollen.
Der Leiter des Staatsrates erachtete mit Rücksicht auf die Gegenmotive des Grafen Belcredi und insbesondere im Hinblicke auf den ihm nicht bekannt gewesenen Umstand, daß bezüglich der Frage, ob die Frauen als Wahlberechtigte in der Klasse der Städte und des Großgrundbesitzes das landtägliche Wahlrecht persönlich ausüben dürfen, bereits Kontroversen in einigen Landtagen sich ergeben haben und die Regierung bereits die erwähnte Meinung ausgesprochen habe, für seine Person dem Antrage des Staatsministers auf Ah. Sanktion des Gesetzes 3 nicht weiter entgegentreten zu wollen.
Die Konferenz erklärte sich hierauf auch mit diesem Antrage des Staatsministers einhellig einverstanden.
Ad 4. (Gesetz über die Wählbarkeit der Mitbesitzer) bemerkte Baron Geringer, daß nach der Anschauung des Staatsrates durch die Bestimmung dieses Gesetzes || S. 220 PDF || die Wählbarkeit auf eine nicht zu rechtfertigende, ja selbst in politischer Beziehung nicht ganz unbedenkliche Weise erweitert werden würde. Die Landtagswahlordnung gebe den mehreren Mitbesitzern nur eine Wahlstimme, die nicht beliebig in mehrere aufgelöst werden könne; sie erkläre nicht jeden einzelnen Besitzer für wahlberechtigt, sondern halte jeden einzelnen nur für berechtigt, einen aus ihnen zu bezeichnen, der im Namen aller wahlberechtigt sein solle. Dieser repräsentiere das wahlberechtigende Gut. Da nun die Wählbarkeit in keinem Falle weiter reichen könne als die Wahlberechtigung, so könne unter den mehreren Mitbesitzern auch nur der für das Gut eintretende Wähler wählbar sein. Der Staatsrat habe auch darauf aufmerksam gemacht, daß die gegenteilige Ansicht bezüglich der Mitbesitzer eines nichtlandtäflichen Gutes zu der Anomalie führen würde, daß jeder der Mitbesitzer zwar in den Landtag, nicht aber in die Gemeindevertretung wählbar wäre, wenn nämlich die Gesamtsteuer der Realität dem für die Gemeinde bestehenden Wahlzensus zwar noch genügte, dagegen der aus der Teilung der Steuer durch die Anzahl der Mitbesitzer hervorkommende Quotient geringer als der Zensus ausfiele.
Graf Belcredi hielt diesen Bemerkungen entgegen, daß, wenn es – wie der Staatsrat meint – richtig wäre, daß nicht jeder Mitbesitzer wahlberechtigt ist, auch keiner derselben einem aus ihnen die Ausübung seiner Wahlberechtigung übertragen könnte, weil man unmöglich ein Recht, welches man selbst nicht hat, durch einen anderen ausüben lassen könne. Wenn der juristische Inbegriff sämtlicher Mitbesitzer wahlberechtigt sei, so wohne dieses Recht jedem einzelnen aus ihnen inne und es bestehe die Beschränkung nur darin, daß alle zusammen nur eine Stimme abgeben dürfen. Deshalb werde die Ausübung des Wahlrechtes einem aus ihnen übertragen, weil es physisch unmöglich ist, daß jeder derselben persönlich und mündlich stimme und daß doch alle zusammen mündlich nur eine Stimme abgeben. Aus der Behauptung des Staatsrates, daß nicht jeder der Mitbesitzer wahlberechtigt ist, würde, wenn sie richtig wäre, folgen, daß keiner aus ihnen und daß auch der zur Abgabe der gemeinschaftlichen Stimme Erwählte nicht wahlberechtigt ist; denn die Wahlberechtigung sei ein politisches Recht und politische Rechte lassen sich nicht zedieren; der gemeinschaftlich Bevollmächtigte überkomme das Recht seiner Machtgeber nur behufs der Ausübung im Namen der letzteren, es gehe aber nicht auf ihn als sein Recht über. Der Bevollmächtigte müsse die Wahlberechtigung bereits haben, aus der erhaltenen Vollmacht könne er ein seiner Person im eigenen Namen zustehendes Wahlrecht nicht ableiten. Hieraus ergäbe sich die weitere Folge, daß von den Mitbesitzern keiner wählbar wäre, denn zur Wählbarkeit werde die Bedingung der Wahlberechtigung verlangt (§ 16, d), eine Konsequenz, die denn doch und gewiß auch nach der Meinung des Staatsrates zu weit ginge, daher die Prämisse, aus welcher sie folgt, nicht richtig sein könne. Daß von zwei Brüdern, die ein großes landtäfliches Gut ungeteilt besitzen, nur einer die beiden zustehende eine Stimme abgeben kann, liegt in der Natur der Sache, daher die gesetzliche Anordnung, kraft welcher einer von beiden des Rechtes der persönlichen Abstimmung sich zu begeben hat, eben durch die Natur der Sache gerechtfertigt ist. Eine ungerechtfertigte Zumutung aber wäre es, daß der eine, welcher dem anderen || S. 221 PDF || die Stimmgebung überträgt, sich auch der Wählbarkeit zu begeben habe. Beide sind und bleiben wahlberechtigt, wenngleich nur einer die Stimme abgibt, folglich sind sie auch beide wählbar und mögen es bleiben, weil der physische Grund, aus welchem die Stimmgebung auf einen beschränkt werden muß, hinsichtlich der Wählbarkeit nicht vorhanden ist. Wenn schon derjenige Einzelbesitzer die Wählbarkeit nicht verliere, der nach § 15 sein Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten ausübt, sei nicht einzusehen, warum sie der Mitbesitzer einbüßen sollte, der nicht freiwillig, sondern durch die Anordnung des Gesetzes gezwungen zur Ausübung des Stimmrechtes seinen Teilgenossen ermächtigt. Es sei zwar politisch rätlich, das Wahlrecht möglichst zu beschränken, dagegen könne der Anforderung des Liberalismus, die Wählbarkeit so wenig als möglich zu beschränken, ohne Bedenken entsprochen werden. Da das Gesetz 4 eigentlich nichts Neues enthalte, da es darum aber doch nicht überflüssig sei, was sich durch die vom Staatsrate verteidigte gegenteilige Ansicht ergibt, glaubte Graf Belcredi auch seinen Antrag auf Ah. Sanktion des Gesetzes 4 aufrechterhalten zu sollen.
Die Konferenz erklärte sich mit dem Antrage des Staatsministers einhellig einverstanden3.
Was die Eingangsformel aller dieser Gesetze betrifft, habe, wie der Staatsminister am Schlusse seines Referates erwähnte, der Staatsrat den Ausdruck „Mit Zustimmung Meines Landtages“ beanständet und dafür die Formel vorgeschlagen: „Über Antrag“, namentlich aus dem Grunde, weil diese Gesetze aus der Initiative des Landtages hervorgegangen seien. Graf Belcredi glaubte jedoch sich für die Beibehaltung des Ausdruckes „Mit Zustimmung“ insbesondere deshalb aussprechen zu sollen, weil er dem Wortlaute der Landesordnung entspricht, der im § 17 laute: „Zu jedem Landesgesetze ist die Zustimmung des Landtages und die Sanktion des Kaisers erforderlich.“
Die Konferenz trat auch in diesem Differenzpunkte dem Antrage des Staatsministers bei.
II. Ausbau der Pest–Losoncer Eisenbahn
Übereinkommen wegen des Ausbaues der Pest–Losoncer Eisenbahn.
Hofrat v. Barthos referierte über den Inhalt des hierüber von der ungarischen Hofkanzlei erstatteten au. Vortrages vom 5. Juli 1866, Z. 101914, mit welchem die au. Bitte gestellt wurde: Se. Majestät wollen den vorliegenden Entwurf des Übereinkommens zwischen der Staatsverwaltung und der Pest–Losonc–Neusohler Eisenbahn und Szent-Istváner Steinkohlenbergbaugesellschaft Ag. genehmigen und zu gestatten geruhen, daß der benannten Gesellschaft im || S. 222 PDF || Sinne dieses Übereinkommens und unter den darin festgesetzten Bedingungen und Vorbehalten zum Ausbau der Bahn die Summe von 1,800.000 fr., ferner zur Deckung des restfälligen Coupons des neu zu emittierenden Prioritätsanlehens die Summe von 200.000 fr. aus dem Staatsschatze, endlich die zum Bau erforderlichen Schienen und Eisenbestandteile im beiläufigen Werte von 1,000.000 fr. zur Verfügung gestellt und hiefür sowie zur Deckung der bisherigen Forderungen des Ärars und des ungarischen Landesfonds per 800.000 fr. und 400.000 fr. Obligationen des erwähnten neuen Prioritätsdarlehens in gleicher Höhe zum vollen Nennwerte im Umtausche gegen die Obligationen des bereits früher emittierten Prioritätsanlehens übernommen werden. Zugleich wolle Se. Majestät zu dem im 8. Punkte, alinea b, bezeichneten, mit der Kontrolle über die Verwendung der Staatssubvention betrauten königlichen Kommissär, den Obergespan des Wieselburger Komitates, Heinrich Grafen Zichy, zu ernennen und zu gestatten geruhen, daß die im 8. Punkte, alinea c, des Übereinkommens erwähnten zwei Mitglieder des Verwaltungsrates vom Finanzministerium und der ungarischen Hofkanzlei im Einvernehmen ernannt werden.
Der hierüber vernommene Staatsrat5 habe die Verhandlung nach der damaligen Aktenlage nicht für spruchreif gehalten und deshalb eine Ergänzung derselben in einigen Richtungen vorgeschlagen, und zwar 1. eine nähere Begründung der Ziffer des beantragten Ärarialvorschusses von 1,800.000 fr.; 2. eine Erklärung des Finanzministers, ob mit Rücksicht auf die Lage der Staatsfinanzen die Erfolgung der Geldvorschüsse als tunlich und angemessen erscheine; 3. eine Darstellung, inwiefern die Tilgung der Prioritätsobligationen von 7,200.000 fr. in der Zeit vom Jahre 1872 bis 1877 als gesichert anzusehen sei; 4. eine Erörterung, welche Verluste bei Fortsetzung der Konkursverhandlung für das Ärar und den Landesfonds bezüglich ihrer Forderungen von zusammen 1,200.000 fr. zu besorgen stehe; 5. eine Vernehmung des Finanzministers über die Wahl des lf. Überwachungsorganes und 6. eine Vernehmung des Handelsministeriums über den Gegenstand des vorliegenden Vertrages überhaupt.
Die Ergänzung der Verhandlung in den von dem Staatsrate angedeuteten Richtungen sei von dem vorsitzenden Staatsminister durch neuerliche Einvernahme der beiden Ministerien der Finanzen und des Handels veranlaßt und dabei ad 1. das wirkliche Erfordernis des Vorschusses von 1,800.000 fr. zum Ausbau der Bahn und für die Inbetriebsetzung der Kohlenbergwerke bei Salgó-Tarján und mehrerer Auslagen zur Ermöglichung der Konkursaufhebung klargestellt worden; ad 2. habe das Finanzministerium, nachdem durch das Gesetz vom 25. August 1866 6 die Mittel geboten sind, für die so dringend gebotene Hebung der volkswirtschaftlichen Kräfte und zur Erhöhung der Steuerfähigkeit zu wirken, es gegenwärtig zulässig, mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Zweckes auch angemessen, und vom Standpunkte der Finanzen auch vollkommen gerechtfertigt erklärt, der Pest–Losoncer Eisenbahngesellschaft unter den in dem Übereinkommen enthaltenen Bedingungen und zu den darin bezeichneten Zwecken || S. 223 PDF || aus dem Staatsschatze einen Vorschuß bis zum Belaufe von 3 Millionen Gulden zur Verfügung zu stellen; ad 3. Bezüglich der Tilgung der Prioritätsschuld beziehungsweise deren Konvertierung haben sowohl das Handels- als auch das Finanzministerium eine vollkommene Beruhigung gewährende Aufklärung gegeben und ad 4. sich in übereinstimmender Weise dahin ausgesprochen, daß bei allfälliger Fortsetzung der Konkursverhandlung die Forderungen des Ärars und ungarischen Landesfonds von zusammen 1,200.000 fr. voraussichtlich nur mit einem sehr geringen Teile und dieser nur in später Zeit einbringlich gemacht werden könnten, so daß die beantragte, nur durch vorübergehende Opfer des Staatsschatzes mögliche sofortige Aufhebung des Konkurses auch im Interesse des Staatsärars und Landesfonds selbst gelegen sei; ad 5. endlich haben sich die beiden genannten Ministerien mit der Wahl des Heinrich Grafen Zichy als lf. Überwachungskommissär einverstanden erklärt.
Da hienach alle vom Staatsrate gewünschten Aufklärungen in der befriedigendsten Weise gegeben sind und da das Finanzministerium sich nunmehr im Interesse des Ärars und des Landesfonds sowie zur Aufrechterhaltung der zwar falliten, aber lebensfähigen Unternehmung für die unveränderte Durchführung des nach dem vorliegenden Entwurfe mit der Pest–Losoncer Eisenbahngesellschaft abzuschließenden Übereinkommens unbedingt ausgesprochen hat und im weiteren Anbetrachte, daß es auch im volkswirtschaftlichen Interesse höchst wünschenswert erscheint, daß die Inbetriebsetzung der nahezu vollendeten 17 Meilen langen Eisenbahn nicht auf ungewisse Zeit hinausgeschoben und daß ein Zustand beseitigt werde, der schon viel zu lange zum Nachteile des ganzen österreichischen Eisenbahnkredits andauert, glaubte Referent Hofrat Barthos den Hofkanzleiantrag der Zustimmung des Ministerrates wärmstens empfehlen zu sollen.
Der Leiter des Staatsrates gab zu, daß durch die neuerlichen Aufklärungen des Finanzministeriums die in dem staatsrätlichen Gutachten gestellten Fragepunkte im wesentlichen ihre befriedigende Beantwortung gefunden haben. Ob das Unternehmen übrigens von der Art sei, daß die Gewährung einer Staatssubvention für dasselbe gerechtfertigt sei, müsse dem Ermessen der Konferenz anheimgestellt werden. Vorderhand erscheine diese Bahn in ihrem Ausbau bis Salgó-Tarján doch nur als eine Kohlenbahn und daher zunächst nur vom lokalen Interesse, Staatssubventionen seien aber bisher nur für Reichsbahnen zugestanden worden. Von den Zusicherungen einer staatlichen Zinsengarantie, die später verweigert worden sei, wie im au. Vortrage der Hofkanzlei angeführt werde, was schon vom Anfange her den Keim des Ruines dieser Bahn gelegt habe, habe der Staatsrat in den vorliegenden Akten keinen Beleg aufzufinden vermocht; die Konzession sei ohne Anstand erteilt worden, weil eben eine Zinsengarantie nicht in Anspruch genommen war. Die Staatsverwaltung und der Landesfonds haben übrigens durch Gewährung von Vorschüssen zusammen per 1,200.000 fr. für eine kaum lebensfähige Bahn das Ihrige bereits getan.
Wohl habe der Finanzminister die Gewährung der Subvention von 3 Millionen fr. als zulässig und angemessen erklärt, und werde diese Hilfe den Gläubigern der Gesellschaft, den Aktionären, Obligationenbesitzern sowie den Kreisen, die || S. 224 PDF || durch diese Bahn berührt werden, erfreulich erscheinen, sie werde sich jedoch nicht der beifälligen Zustimmung der übrigen Bevölkerung, namentlich unter den Steuerträgern, nicht einmal im Lande selbst zu erfreuen haben. Aus diesen und anderen im Staatsratsgutachten näher beleuchteten Gründen habe sich der Staatsrat in erster Linie gegen die fragliche Subvention ausgesprochen und vorerst nur noch die Beseitigung der Mängel in der Darstellung des Substrates in Antrag gebracht. Votant glaube auch für seine Person von der staatsrätlichen Ansicht nicht abgehen und als das höchste Zugeständnis, welches von Seite der Staatsverwaltung für diese Bahn gemacht werden könnte, die Lieferung von Schienen im beiläufigen Werte von 1 Million fr. unter günstigen Zahlungsmodalitäten bezeichnen zu sollen.
Der ungarische Hofkanzler glaubte, daß der letzte Vermittlungsantrag des Baron Geringer aus dem Grunde entschieden widerraten werden müsse, weil, wenn der Pest–Losoncer Bahn nur mit der Gewährung einer Lieferung von Schienen im Werte von 1 Million fr. zu Hilfe gekommen werden wollte, es ganz sicher wäre, daß diese Million das Schicksal der früheren Vorschüsse des Ärars und Landesfonds von 1,200.000 fr. teilen und unwiederbringlich in den tiefen Brunnen der Konkursmasse fallen würde. In der vollen Genehmigung des Übereinkommens liege das einzige Mittel, das Bahnunternehmen zu retten, ein Unternehmen, welches, wie zugegeben werden müsse, nationalökonomisch zwar nicht gelungen sei, welches aber gewiß nicht zustande gekommen wäre, wenn nicht Versprechen staatlicher Unterstützung gegeben worden wären, die nicht in Erfüllung gegangen sind. Maßgebend in erster Linie erscheine es, daß durch ein vorübergehendes Opfer die bereits vom Ärar und Landesfonds gewährten Vorschüsse von 1,200.000 fr. gerettet werden, und als ein beachtenswertes Moment zweiter Ordnung müsse es angesehen werden, daß durch die Gewährung der angesprochenen Hilfe der Kredit dieser Bahn wiederhergestellt werde, was nicht ausbleiben und zur guten Folge haben wird, daß, wenn die Zinsen pünktlich gezahlt werden, günstige Kurse sich ergeben und die Staatsverwaltung ihre Prioritäten wird gut verwerten können. Das Stadium, in dem sich diese Bahn jetzt befindet, nur halb ausgebaut, sei das schlechteste, wenn daher geholfen werden will, sei es auch notwendig, schleunig zu helfen, damit die paar Monate, in denen der Ausbau vor dem Winter noch möglich ist, nicht unbenützt verstreichen.
Nachdem der Ministerialrat Gobbi und Sektionsrat Pfeiffer in den bei der Debatte im Ministerrate berührten Punkten sachgemäße Aufklärungen gegeben, den großen Einfluß dieser Bahn auf Belebung des Handels und der Industrie beleuchtet und die beispiellos wohlfeile Bauanlage dieser Bahn, ca. 500.000 fr. per Meile, hervorgehoben und auf die Genehmigung des Übereinkommens vom finanziellen und volkswirtschaftlichen Standpunkte eingeraten hatten, erklärte der dermalige Leiter des Finanzministeriums, Baron Becke, nach reiflicher Überlegung die feste Überzeugung gewonnen zu haben, jetzt, wo durch das Gesetz vom 25. August 1866 die Mittel geboten sind, auf die volle Gewährung der angesprochenen Subvention entschieden einraten zu sollen. Der Umstand, daß die Pest–Losoncer Bahn in Konkurs geraten, wirke empfindlich || S. 225 PDF || auf alle Bahnen, die von Pest ausgehen, und bringe es mit sich, daß für Bahnen in Österreich überhaupt große Geldbeschaffungskosten vom Auslande gefordert werden. Die Ermöglichung der Aufhebung des Konkurses sei daher schon vom allgemeinen nationalökonomischen Gesichtspunkte sehr geraten. Das geringe Anlagekapital von 7 Millionen fr. für eine Länge von 17 Meilen stelle diese Bahn als die wohlfeilste in Österreich dar, und es könne nicht unbeachtet bleiben, daß diese Bahn seinerzeit durch den in Aussicht genommenen Ausbau nach Szucsán, zum Anschlusse an die von Kaschau nach Oderberg führende Bahn, zu einer wahren Reichsbahn sich gestalten werde.
Die Konferenz erklärte sich sohin mit dem Antrage der ungarischen Hofkanzlei auf Genehmigung des in Rede stehenden Übereinkommens einhellig einverstanden7.
III. Ersatz der von den königlichen Freistädten in Ungarn seit 1861 bestrittenen Gerichtskosten
Au. Vortrag der ungarischen Hofkanzlei vom 14. Juni 1866, Z. 9316, in betreff des Rückersatzes der von den königlichen Freistädten in Ungarn seit dem Jahre 1861 aus eigenen Mitteln bestrittenen Auslagen der Zivil- und Strafgerichtspflege8.
Hofrat v. Barthos stellte den Sachverhalt und die Motive dar, aus welchen die ungarische Hofkanzlei den au. Antrag beschlossen habe: Se. Majestät wolle Ag. zu gestatten geruhen, daß den königlichen Freistädten in Ungarn zum Ersatz der von ihnen seit dem Jahre 1861 aus eigenen Mitteln bestrittenen Auslagen der Zivil- und Strafrechtspflege einschließlich der Häftlingskosten, und zwar für die Vergangenheit jenen Freistädten, die zur Bestreitung dieser Auslagen Anlehen aufzunehmen bemüßigt waren, eine Entschädigung in dem der Höhe des bezüglichen Anlehens entsprechenden Maße, für die Zukunft aber, das laufende Jahr mitgerechnet, den bezüglichen königlichen Freistädten eine Vergütung dieser Kosten in jenem Betrage, welcher nach strenger Prüfung ihrer Einnahmen und Ausgaben nach Maßgabe des strengsten Bedarfes sich als unumgänglich notwendig herausstellen wird und auch durch eine angemessene, die Steuerkraft nicht gefährdende Erhöhung des Zuschlages zur lf. Steuer nicht gedeckt werden kann, unter den beantragten Modalitäten auf die vorgeschlagene Weise zuteil werde. Der Staatsrat sei diesem Antrage entgegengetreten und habe darauf eingeraten, Se. Majestät düften Sich nicht bestimmt finden, auf die Anträge bezüglich der Vergütung aus Staatsmitteln der von den königlichen Freistädten bestrittenen oder zu bestreitenden Jurisdiktionsauslagen einzugehen9. Im Interesse der ordnungsmäßigen Handhabung der Rechtspflege || S. 226 PDF || dürften jedoch Se. Majestät zu gestatten geruhen, daß vorbehaltlich der seinerzeitigen verfassungsmäßigen Regelung dieses Gegenstandes behufs vorschußweiser Beteilung jener königlichen Freistädte, die nachzuweisen vermögen, daß sie in der Ausübung ihrer jurisdiktionellen Obliegenheiten durch die Unzulänglichkeit ihrer Gemeindemittel behindert und nicht in der Lage sind, den diesfälligen Bedürfnissen anderweitig abzuhelfen, jene Beträge, welche nach strenger Prüfung ihrer Einnahmen und Ausgaben nach Maßgabe des strengsten Bedarfes sich als unumgänglich notwendig herausstellen werden und durch eine angemessene, die Steuerkraft nicht gefährdende Erhöhung des Zuschlages zur lf. Steuer nicht gedeckt werden können, aus dem Staatsschatze an den ungarischen Landesfonds unter den beantragten Modalitäten vorschußweise verabreicht werden.
Bei der staatsrätlichen Beratung dieses Gegenstandes seien gegen den Antrag der Hofkanzlei im wesentlichen und prinzipiell folgende Gründe geltend gemacht worden: 1. Zufolge ihrer wiederhergestellten Autonomie seien die königlichen Freistädte Ungarns gehalten, die Kosten ihrer städtischen Gerichtsbarkeit aus eigenem zu bestreiten, da sie die diesfälligen Agenden nicht im übertragenen Wirkungskreise, sondern vermöge ihrer auf Privilegien beruhenden Munizipalverfassung ausüben, diese daher eigentlich nur als Gemeindeangelegenheiten betrachtet werden können, und daß, wenn in der Folge die königlichen Freistädte von diesen Agenden enthoben würden, vielmehr dem Staate ein Anspruch auf Ersatz erwachsen dürfte, wie dies hinsichtlich der ehemaligen Grundherrn nach § 3 des Ah. Grundentlastungspatentes vom 2. März 1853 10 der Fall [war]; 2. daß diese Frage mit der an den Landtag verwiesenen Reorganisierung der politischen Verwaltung und der Gerichtspflege in Ungarn in engstem Zusammenhang stehe; endlich 3. daß die prinzipielle Gewährung dieser Forderung ähnliche Ansprüche von Seite der mit geordneten Magistraten versehenen Marktflecken zur Folge hätte.
Hofrat v. Barthos fand hierauf zu erwidern:
Ad 1. Es sei zwar richtig, daß die autonome Verfassung der königlichen Freistädte auf königlichen Privilegien beruhe, die Rechte königlicher Freistädte jedoch und insbesondere die Berechtigung beziehungsweise die Verpflichtung zur Ausübung der territorialen Gerichtsbarkeit werden durch positive Landesgesetze normiert, vor deren verfassungsmäßiger Abänderung die königlichen Freistädte sich dieser Obliegenheit weder entziehen noch von derselben enthoben werden können. Diese Gerichtsbarkeit erstrecke sich auf das ganze Gebiet der königlichen Freistädte ohne Unterschied der Person und der Objekte, sie werde daher allerdings im übertragenen Wirkungskreise des Staates ausgeübt und könne den Kommunalangelegenheiten in keiner Weise assimiliert werden. Ebensowenig finde aber auch eine Gleichstellung der ehemaligen Patrimonialgerichtsbarkeit statt, weil diese sich zunächst auf die Differenzen zwischen den gewesenen Grundherren und ihren Untertanen sowie auf die aus dem feudalen Hörigkeitsverbande || S. 227 PDF || herrührenden Verhältnisse, daher lediglich auf die eigenen Angelegenheiten der Grundherrschaft erstreckte, während die Gerichtsbarkeit der königlichen Freistädte mit jener der königlichen und der Komitatsgerichte vollkommen identisch ist. Mit Rücksicht auf den Umfang und die Ausdehnung, welche diese Gerichtsbarkeit auf die dichte Bevölkerung der Städte, den daselbst konzentrierten Handel und Gewerbsbetrieb besonders in neuerer Zeit gewonnen hat, erwachse dem Staate aus derselben ein namhaftes Ersparnis und müßte im Falle der Aufhebung dieser Gerichtsbarkeit das Personale der in den Städten amtierenden lf. Behörden bedeutend vermehrt werden, so wie auch die Erhaltung der Strafhäuser und die Verpflegung der Häftlinge ganz dem Staate zur Last fielen. Übrigens handle es sich vorliegend gar nicht um eine Prinzipien-, sondern bloß um eine Billigkeitsfrage. Denn während einerseits sich die Situation der königlichen Freistädte auch in Ansehung der Obliegenheiten sehr zu ihrem Nachteile geändert hat, sei denselben durch die Aufhebung der Gerichtstaxen auch jener Vorteil entgangen, welcher denselben früher die Erfüllung ihrer gesetzlichen Obliegenheiten ermöglichte, ohne daß es notwendig gewesen wäre, das Stammvermögen der Kommune anzugreifen. Diese Taxen fließen nun unter dem Titel von Stempelgebühren zugleich mit der gesamten Steuer des Königreiches Ungarn in den Staatsschatz ein, und es sei nicht mehr als billig, daß den königlichen Freistädten eine Entschädigung wenigstens in dem Maße des zugunsten des Staates erzielten Kostenersparnisses bewilligt, daß ihre Lage im Vergleiche zu jener vor dem Jahre 1848 nicht verschlimmert werde.
Ad 2. Der Einwurf, daß die künftige Gestaltung der königlichen freistädtischen Gerichtsbarkeit mit der Reorganisation der politischen Verwaltung und der Justizpflege engstens zusammenhänge, könne die Vertagung dieser Frage um so weniger begründen, weil die königlichen Freistädte, welche bis zu einer anderweitigen legislativen Verfügung die Gerichtsbarkeit ausüben müssen, faktisch unvermögend sind, die Kosten derselben zu erschwingen, und weil die absolute Verweigerung der angesprochenen Entschädigung den materiellen Wohlstand der früher blühenden ungarischen Städte für immer untergraben würde.
Ad 3. Auch die Gefahr einer bedenklichen Exemplifikation liege nach dem gestellten Antrage mit besonderer Rücksicht auf die privilegierten Marktflecken nicht vor, da die Gerichtsbarkeit der letzteren keine obligate, sondern bloß eine permissive ist und es denselben im Falle der Unerschwinglichkeit der Kosten freisteht, sich der Ausübung dieser Obliegenheit wann immer zu entziehen.
Der Leiter des Staatsrates bemerkte, daß der staatsrätliche Vermittlungsantrag um so billiger angesehen werden dürfte, einerseits, weil nicht anzunehmen ist, daß alle königlichen Freistädte sich in einer so bedrängten Lage befinden, andererseits aber, weil es den königlichen Freistädten nicht vorgeschrieben war, die Gehalte ihrer Gerichtsbeamten in dem hohen Ausmaße zu bestimmen, wie sie es getan haben, weil sonach die königlichen Freistädte von der Schuld selbst nicht ganz frei sind, daß der Aufwand für ihre Jurisdiktionsauslagen so bedeutend geworden ist. Baron Becke neigte sich zur Ansicht, daß es sich hier um eine Gerichtsbarkeit im übertragenen Wirkungskreise handle, und wollte sich nur gegen die Feststellung eines Grundsatzes verwahren, wodurch dem || S. 228 PDF || Staatsschatze eine ziffernmäßig gar nicht präzisierte unabsehbare Last aufgebürdet werden würde. Mit dieser Beschränkung würde er sich dem Antrage der Hofkanzlei anschließen, jedoch wünschen, daß in betreff der jährlichen Subvention ein Maximalbetrag festgesetzt werde. Für die prinzipielle Anerkennung der Ersatzforderung liegt nach dem Dafürhalten des Barons Becke ein Rechtsboden nicht vor. Der Justizminister bemerkte, daß diese Subvention nicht von der Vermögensbilanz der königlichen Freistädte abhängig gemacht werden könne, weil es sich nach seiner Ansicht hier um eine Gerichtsbarkeit im übertragenen staatlichen Wirkungskreise handelt, daher auch diejenigen königlichen Freistädte, welche eine vollkommen aktive Bilanz aufzuweisen haben, zur Ersatzforderung berechtigt seien, zumal ihnen die früher bezogenen Taxen entgingen. Der ungarische Hofkanzler unterstützte den Hofkanzleiantrag auch aus politischen Rücksichten, weil die königlichen Freistädte in Ungarn das hervorragend konservative Element gebildet haben und es nicht geraten wäre, durch Verkümmerung ihrer materiellen Lage dieselben dem Anhange an die Regierung zu entfremden. Sollten nach dem Beschlusse der Konferenz nur vorläufig die Subventionen für die Zukunft zum Gegenstande einer Entschließung gemacht werden, dürfte dieselbe nach dem erfahrungsmäßigen Erfordernisse der Vorjahre mit 500.000 fr. für ein Jahr zu bewilligen sein.
Namentlich mit Rücksicht auf das Votum des Leiters des Finanzministeriums ergab sich sohin einstimmig der von dem Vorsitzenden dahin formulierte Beschluß: „Se. Majestät dürften Sich nicht bestimmt finden, hinsichtlich der Vergangenheit jetzt schon eine prinzipielle definitive Ah. Entschließung zu fassen, vielmehr die Austragung dieser Frage einer noch eindringlicheren Verhandlung und einem angemesseneren Zeitpunkte vorzubehalten geruhen. Was dagegen die Subventionierung der königlichen Freistädte für die Zukunft einschließlich des Jahres 1866 anbelangt, dürften Se. Majestät Sich Ag. bewogen finden zu gestatten, daß denjenigen königlichen Freistädten, welche nicht in der Lage sind, die Kosten der Justizpflege aus eigenen Mitteln zu erschwingen, eine angemessene Subvention aus Staatsmitteln, welche jedoch den Maximalbetrag für alle Freistädte von zusammen 500.000 fr. im Jahr nicht überschreiten sollen, jährlich gewährt werden dürfen11.“
IV. Ersatz für vorschußweise bestrittene Schubauslagen in Krain
Der vorsitzende Staatsminister brachte eine zwischen dem Staatsministerium und dem Finanzministerium bestehende Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Abschreibung des dem Krainer Landesfonds zur Last fallenden Rückersatzes von 61.893 fr. 20½ [Kreuzer] für vorschußweise bestrittene Schubauslagen mit dem Bemerken zur Kenntnis der Konferenz, daß das Staatsministerium sich für die Abschreibung dieser Ersatzsumme ausgesprochen, das Finanzministerium jedoch erklärt habe, in der Besorgnis von Exemplifikationen von der ärarischen Forderung nicht abstehen zu können. Der Staatsminister erachtete, bei der Ansicht des Staatsministeriums um so mehr verharren zu sollen, || S. 229 PDF || als die mit Ah. Entschließung vom 14. September 1852 erlassene Anordnung, daß künftig sämtliche Schubauslagen aus dem Landesfonds zu bestreiten sind12, in Krain nicht zur Durchführung kam, indem die Landesstelle von Seite des damaligen Ministeriums in Aussicht gestellte weitere Weisungen erwartete und es dabei bewenden ließ, daß die Schubauslagen noch fortan teilweise ab aerario bestritten wurden, indem der Landesfonds erst seit dem Jahre 1859 die Kosten der Schubvorspann, bis dahin seit dem Jahre 1852 nur jene der Schüblingsfahrt per Eisenbahn leistete. Die Abschreibung erscheine daher um so mehr gerecht, als die lf. Organe von dem Anwachsen so großer Ersatzansprüche nicht freigesprochen werden können, und um so notwendiger, als das Land die Refundierung einer so großen Summe bei seinen beschränkten Mitteln nicht zu leisten imstande wäre. Für die Zukunft jedoch wäre für Krain keine Ausnahme von der als Gesetz zu betrachtenden Ah. Entschließung vom 14. September 1852 zuzugestehen, und vielmehr daran festzuhalten, daß der Landesfonds wie in allen übrigen Ländern zur Tragung aller Schubkosten zu verwalten ist.
Mit dem Vorhaben des Grafen Belcredi, sich in diesem Sinne die Ah. Entscheidung zu erbitten, erklärte sich die Konferenz unter Beitritt des Barons Becke einhellig einverstanden13.
V. Beschluß des galizischen Landtages rücksichtlich der Übernahme der Grundentlastungsfonds
Im Ah. Auftrage brachte endlich der Staatsminister seinen au. Vortrag vom 7. Juli 1. J., Z. 3701 StM.14, betreffend den Beschluß des galizischen Landtages rücksichtlich der Übernahme der Grundentlastungsfonds von Galizien und des Großherzogtums Krakau zur Beratung.
Nach Darstellung des Sachverhaltes bemerkte Graf Belcredi, sein au. Antrag enthalte: 1. den Auftrag an die Regierung in betreff der Subvention der galizischen Grundentlastungsfonds von Seite des Ärars und der Behandlung der von dem letzteren geleisteten Vorschüsse eine Vorlage für die nächste Reichsvertretung vorzubereiten und zur Ah. Genehmigung vorzulegen und 2. die Ah. Genehmigung, daß von nun an bei den Grundentlastungsfondsdirektionen in Lemberg und Krakau ein Abgeordneter des Landesausschusses in derselben Art, wie dies bei dem Vertreter des Ärars der Fall ist, interveniere.
Der Leiter des Staatsrates bemerkte, der Staatsrat habe sich mit diesen Anträgen nicht einverstanden erklärt15: ad 1., a) weil der Behandlung eines Gegenstandes in einer bestimmten Form die Präzisierung des Gegenstandes selbst vorherzugehen hat, daher die Regierung sich vorerst selbst klarzumachen habe, was über die Grundentlastungsfrage in Galizien festzuhalten und zuzugestehen sei, und sodann ihren Beschluß in jene Form kleiden möge, welche den seinerzeit festgestellten Verfassungsgrundsätzen entsprechend sein wird; b) weil andererseits die Bezeichnung „nächste Reichsvertretung“ im Hinblicke auf den || S. 230 PDF || dermaligen Stand der Verfassungsfrage eine ganz unbestimmte sei. Daher habe der Staatsrat proponiert, Se. Majestät dürften die beteiligten Ministerien anzuweisen geruhen, zunächst darüber Vortrag zu erstatten, in welcher Weise das Verhältnis des Staatsschatzes zu den Grundentlastungsfonds in Galizien in allen seinen wesentlichen Beziehungen für die Zukunft und die Vergangenheit zu regeln sei, vorbehaltlich der Art der weiteren Behandlung des Gegenstandes in jener Form, wie sie durch die Verfassungsgrundsätze vorgezeichnet sein wird. Der Staatsrat habe sich aber auch gegen den Antrag ad 2. erklärt, a) weil, solange die Landesvertretung die Grundentlastungsfonds nicht übernimmt, sie von den Staatsbehörden verwaltet werden und die Beigabe eines Abgeordneten des Landesausschusses als wirkendes Mitglied nicht passend, im Gegenteile zu besorgen wäre, daß ein solches Zugeständnis vielfache Beispielsfolgerungen nach sich ziehe und die staatliche Exekution wesentlich einenge; b) weil, nachdem die Bestellung der Fondsdirektionen und die Art ihrer Wirksamkeit gesetzlich bestimmt ist, eine Änderung auch nicht im administrativen Wege, sondern nur durch einen Gesetzgebungsakt, derzeit nach dem Ah. Patente vom 20. September 1865 16 erfolgen könne. Der Staatsrat habe daher gemeint, die vom Landtage gewünschte Zulassung eines Vertreters des Landes bei den Fondsdirektionen habe vorerst auf sich zu beruhen.
Graf Belcredi erwiderte: ad 1., daß zwischen seinem und dem Antrage des Staatsrates der Unterschied bestehe, daß sein Antrag den fraglichen Gegenstand, nämlich wie es mit der Subventionierung der galizischen Grundentlastungsfonds für Vergangenheit und Zukunft zu halten, namentlich ob, inwieweit und in welcher Art auf die Rückzahlbarkeit zu bestehen sei, als einen Gegenstand der Gesetzgebung, daher als eine Vorlage an die nächste Reichsvertretung behandelt, während der staatsrätliche Antrag die Frage offenläßt, welche Art der weiteren Behandlung der Regierungsanträge den künftigen Verfassungsgrundsätzen konform sein wird. In merito stimme sein Antrag mit dem staatsrätlichen ganz überein, denn in der Vorlage, die er für die nächste Reichsvertretung vorbereiten wolle und die vorerst Sr. Majestät zur Ah. Genehmigung unterbreitet werden müsse, werden ja selbstverständlich die Bestimmungen enthalten sein, wie das Verhältnis des Staatsschatzes zu den Grundentlastungsfonds in Galizien für die Zukunft und Vergangenheit geregelt werden soll. Wenn aber der Staatsrat die Bezeichnung „nächste Reichsvertretung“ als eine ganz unbestimmte bezeichne, so dürfte der Staatsrat in seinem Streben, der Regierung freie Hand zu belassen, überflüssig weit gehen, denn das sei wohl nicht zu bestreiten, daß bei dieser Frage, wo die Reichsfinanzen in Anspruch genommen werden, die Reichsvertretung ein Wort mitzusprechen haben wird; die Bezeichnung „nächste Reichsvertretung“ sei aber ganz korrekt und viel weniger vage als die vom Staatsrate gewählte, welche nur Verfassungsgrundsätze vor Augen hat, welche wohl jeder geordnete Staat haben müsse, und welche selbst bei einer absolut monarchischen Regierung nicht fehlen dürfen. Die vom Staatsrate gewählte Fassung würde auch gewiß zu den verschiedensten, höchst unliebsamen Deuteleien Anlaß bieten. || S. 231 PDF || Ad 2. könne nicht unbeachtet bleiben, daß das Land alljährlich zu den Grundentlastungsfonds über 50% der direkten Steuern beiträgt und daß das Begehren, bei der Verwaltung des Fonds mittelst eines Vertreters mitzuwirken, daher kein unbescheidenes sei, und nachdem in Angelegenheiten der Grundentlastung, Grundlastenablösung, Lehenallodialisierung nicht nur bezüglich der Administration, sondern auch bei der Judikatur Vertreter der Beteiligten mitwirken, so liege im ministeriellen Antrage weder etwas Bedenkliches noch etwas Unerhörtes. Daß die Zusammensetzung der Fondsdirektion nur im Wege der Gesetzgebung geändert werden kann, sei richtig, eben deshalb werde aber Se. Majestät um die Ah. Genehmigung gebeten. Der Form der Gesetzeskundmachung bedürfe diese, lediglich den inneren Dienst der Fondsdirektionen betreffende Änderung nicht. Auch könne hier, wo es sich um eine Landesangelegenheit handelt, von dem dem staatsrätlichen Referenten vorschwebenden Septemberpatente keine Rede sein. Aus allen diesen Rücksichten glaubte daher Graf Belcredi seine im au. Vortrage vom 7. Juli 1. J., Z. 3701, gestellten Anträge aufrechterhalten zu sollen.
Der Leiter des Staatsrates gab zu, daß es richtig sei, daß durch die Beschäftigung mit der vom Staatsminister beabsichtigten Vorlage das künftige Verständnis über den fraglichen Gegenstand angebahnt werde, und da auch dem Staatsrate bei seinem Antrage ad 1. kein anderer Zweck vorgeschwebt habe und die ohnedem nur mit Stimmengleichheit vom Staatsrate ad 2. angeregten Bedenken hinsichtlich der Zulassung eines Vertreters des Landesausschusses zu den Grundentlastungsfondsdirektionen durch die Darstellungen des Staatsministers behoben erscheinen, fand Baron Geringer sich nunmehr den Anträgen des Grafen Belcredi anzuschließen, welche durch den Beitritt sämtlicher Konferenzmitglieder zum Beschlusse erwuchsen17.
Wien, am 30. August 1866. Belcredi.
Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.Wien, den 13. September 1866. Franz Joseph.