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Nr. 92 Ministerrat, Wien, 6. August 1866 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Hueber; VS. Belcredi; BdE. und anw. (Belcredi 6. 8.), Mensdorff 14. 8., Esterházy 14. 8., Larisch 15. 8., Komers 15. 8., Schiller 15. 8.; außerdem anw. Kriegs-Au bei II, Weis bei I, Neuwall bei II, Gödel bei II, Wagner bei I; abw. Franck, Mailáth, Wüllerstorf.

MRZ. 92 – KZ. 2130 –

Protokoll des zu Wien am 6. August 1866 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Herrn Staatsministers Grafen Belcredi.

I. Übereinkommen zwischen Österreich und Preußen betreffend die Wiederherstellung der Eisenbahn-, Post- und Telegrafenverbindungen in den vom Krieg berührten Landesteilen Österreichs

Der Sektionschef Weis brachte das beiliegende Übereinkommen (Beilagea ) der im Auftrage der k. k. österreichischen und der königlich preußischen Regierung zusammengetretenen beiderseitigen Kommissäre bezüglich der Modalitäten, unter denen in der Zeit des Waffenstillstandes die Eisenbahnen, Telegrafen und Posten in den von Preußen besetzten Landesteilen Österreichs dem allgemeinen Verkehre eröffnet werden sollen, mit dem Bemerken zur Kenntnis der Konferenz, daß dasselbe, wenn auch unter mannigfachen unliebsamen Beschränkungen, die Wiederherstellung der Verbindungen möglich macht und daß, da es ein unabweisbares Gebot ist, unseren vom Kriege in erschreckender Weise heimgesuchten Provinzen die Kommunikationen mit dem übrigen Reiche so rasch, als es nur irgend möglich ist, wiederzugeben, es notwendig erscheine, dieses Übereinkommen unsererseits sofort zu ratifizieren. Nur der § 5 bedürfe noch einer näheren Fassung; der königlich preußische Kommissär, Regierungsrat Vogt, wollte nämlich die österreichischen Eisenbahnen mit ihren Ansprüchen für Transport preußischer Truppen und preußischen Armeematerials an die österreichische Regierung verweisen; da jedoch Graf Károlyi mit dem Grafen Bismarck übereingekommen sei, daß preußische Militärtransporte auf österreichischen Eisenbahnen nach einem näher festzustellenden ermäßigten Tarife zu geschehen haben, und nicht zu zweifeln sein dürfte, daß diese mündlich getroffene Verabredung zur Wirksamkeit kommen soll, so dürfte es zu versuchen sein, die Ratifikation des Übereinkommens bei nachstehender Fassung des § 5 zu erwirken: „Für alle im Interesse der preußischen Armee auf österreichischen Eisenbahnen erfolgten und noch erfolgenden Transporte wird seitens der preußischen Regierung den österreichischen Eisenbahnverwaltungen die Vergütung nach den für österreichische Militärtransporte gültigen reduzierten Tarifen geleistet.“ Ministerialrat Wagner fügte bei, daß dieser Versuch um so mehr angestellt werden soll, weil es sich einerseits um die Ersparung mehrerer Millionen Gulden handelt und weil andererseits die Vervollkommnung der Kommunikationen || S. 198 PDF || und die Herstellung eines geregelten Verkehres auch preußischerseits lebhaft gewünscht und daher auch die obige hiezu führende Modalität von Seite der preußischen Regierung eher zugegeben werden wird.

Die Konferenz einigte sich sohin für die sogleiche Ratifizierung des Übereinkommens mit Ausschluß des § 5, über welchen auf Grund der vom Grafen Bismarck gegebenen Erklärung die Annahme der oben formulierten Fassung nochmals zu unterhandeln wäre. Graf Mensdorff übernahm es, hienach den Grafen Károlyi anzuweisen, diesfalls selbst privative an Graf Bismarck zu telegrafieren1.

II. Wegschaffung der Wert- und Kunstgegenstände aus Venedig

Der vorsitzende Staatsminister brachte zur Sprache, daß über Anregung von Seite Sr. kaiserlichen Hoheit, des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Feldmarschalls Albrecht, und des Finanzministers es sich darum handle, zu beschließen, welche Wert- und Kunstgegenstände noch vor der Räumung Venedigs weggebracht werden sollen.

Der Ministerialrat Ritter v. Neuwall bezeichnete als solche das Ressort des Finanzminis­teriums betreffende Gegenstände: 1. die in den Jahren 1856 und 1857 mit einem Kostenaufwande von 360.000 fr. aus dem Staatsschatze angeschaffte reiche und kostspielige Einrichtung im kaiserlichen Palaste, soweit sie nicht niet- und nagelfest ist, 2. die nicht mehr reichen Bestände der Zecca2 an gemünzten und ungemünzten edlen Metallen, sowie die wertvollen Prägestöcke, 3. das Materiale und die Fabrikate der k. k. Tabakfabrik, 4. die beträchtlichen Vorräte an Salz, die zur Ersparung der wegen des großen Gewichtes bedeutenderen Transportspesen sogleich unter dem Monopols-, ja selbst unter dem Erzeugungspreise in loco zu verkaufen wären, 5. die Barbestände der ärarischen Kassen, 6. die Waffen, Rüstungssorten, die Bragazzi und Pirogi3 der Finanzwache.

Mit der Wegschaffung dieser Gegenstände war die Konferenz einhellig einverstanden.

Ministerialrat Ritter v. Neuwall bezeichnete weiter als einen wegzuschaffenden Gegenstand die berühmte Bildersammlung der Accademia delle Belle Arti. Dieselbe enthalte die reichste Sammlung an Werken von Tizian, wie La Vergine Assunta in Cielo, La Vergine in Trono col Bambino Gesù etc., dann von Paolo Veronese, wie La Cena di G. C. presso Levi etc., endlich von anderen berühmten Meistern der italienischen Schule. Diese Sammlung stamme aus den unter der französischen Regierung aufgehobenen Klöstern, Stiften und Kirchen, die wertvollsten dieser Bilder seien von Napoleon I. nach Paris geschafft und bei der Besetzung von Paris durch die Österreicher im Jahre 1815 von weiland Sr. Majestät dem Kaiser Franz I. nach Venedig zurückgebracht worden. Diese Bilder repräsentieren einen Wert von vielen Millionen Gulden, auf welche die Kommune und das Land Venedig aus keinem Titel einen Anspruch haben. Auch das || S. 199 PDF || Gebäude, in welchem sich diese Sammlung befindet, sei ein Staatsgebäude, und diese Bilder wären um so mehr aus Venedig zu entfernen, als die kaiserliche Akademie im Belvedere zu Wien in dieser Richtung am wenigsten vertreten ist. Andererseits glaubte Ritter v. Neuwall hervorheben zu sollen, daß die österreichische Regierung sich auf falscher Bahn bewegen würde, wenn sie sich bloß von Gefühlen der Großmut einem Lande gegenüber leiten ließe, das sich stets über jeden Gedanken von Loyalität und Untertanstreue hinweggesetzt und die Undankbarkeit gegen die eigene Regierung auf den höchsten Gipfel gesteigert habe, eine solche Großmut könnte nur in ein anderes Extrem umschlagen und als Furcht ausgelegt werden.

Der Staatsminister meinte, daß es sich bei diesen Bildern doch um ein rein venezianisches Eigentum handle. Diese Bilder seien ursprünglich schon im venezianischen Lande gewesen, die später von Napoleon nach Paris gebrachten seien aber von Kaiser Franz I. als venezianisches Eigentum der Stadt Venedig zurückgegeben worden. Er habe in den älteren Archivsakten nachforschen lassen und dabei in Erfahrung gebracht, daß im ganzen nur um 60.000 fr. aus Staatsmitteln Bilder für die Sammlung in der Accademia delle Belle Arti nachgeschafft worden seien, und dies seien nur Bilder von untergeordnetem Werte. Das Recht der österreichischen Regierung auf diese Bilder sei jedenfalls nur ein zweifelhaftes, das Wegführen derselben würde einen Sturm des Unwillens bei der Bevölkerung Venedigs hervorrufen, der die diplomatischen Friedensver­handlungen sehr influenzieren könnte. Der Justizminister bemerkte, daß nach dem Völkerrechte der Sieger berechtigt ist, im besetzten feindlichen Lande wegzunehmen, was ihm beliebt. Als Napoleon die mehrbesagten Bilder von Venedig weggenommen und nach Paris gebracht habe, habe Venedig rechtmäßig das Eigentumsrecht auf dieselben verloren. Als Kaiser Franz I. im Jahre 1815 mit seiner siegreichen Armee nach Paris kam, war er als Sieger in derselben Lage, wegzunehmen, was er wollte. Wenn er die ursprünglich aus Venedig stammenden Bilder wegnahm, hätte er dieselben ohne Anstand als erobertes feindliches Gut auch nach Wien bringen können. Daß er sie wieder nach Venedig zurückbringen ließ, dafür mögen ihn politische Gründe bewogen haben, gewiß aber nicht Rechtsgründe. Auf dieses Faktum glaubte daher Votant das Eigentumsrecht des österreichischen Staates auf diese Bilder basieren und daher für deren Wegschaffung aus Venedig stimmen zu sollen. Der Ministerialrat Ritter v. Gödel erwähnte, daß alsbald nach der Schlacht von Custoza die Nachricht von der erfolgten Abtretung Venetiens an den Kaiser Napoleon an den Kommandanten der Süd-Armee, an Se. kaiserliche Hoheit, den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Feldmarschall Albrecht, gelangte, Höchstderselbe den gleichen Gegenstand in einer Sitzung, welcher auch der Statthalter Ritter v. Toggenburg, die FML. John und Arbter, dann Graf Wimpffen und Votant beigezogen waren, habe beraten lassen, und daß er dabei aus den gleichen Gründen, welche soeben der Justizminister angeführt habe, für die Wegschaffung der Sammlung der Accademia delle Belle Arti gestimmt habe. Die Art der Administration dieser Akademie spreche gleichfalls dafür, daß sie ein Staatseigentum ist. Dieselbe befindet sich in einem Staatsgebäude, in derselben fungieren k. k. Professoren. || S. 200 PDF || Während am Dogenpalaste, wo die Bibliothek sich befindet, der Markuslöwe als Emblem angebracht ist, befinde sich am Akademiegebäude der k. k. Adler. Als er für die Wegbringung dieser Bilder gestimmt habe, sei es ihm nicht entgangen, daß die Venezianer bis zum letzten Gondoliere herab an diesen Kunstschätzen mit Leib und Seele hängen und eher ihre Haut lassen, als diese Bilder wegbringen lassen werden. Um einer Unzufriedenheit oder einer Erneute vorzubeugen, wäre damals ein triftigerer Grund, diese Bilder vorläufig zu packen, vorhanden gewesen als jetzt, man hätte sagen können, daß die Bilder gepackt werden, um sie vor dem Ruin bei dem bevorgestandenen Bombardement Venedigs zu schützen. Jetzt wäre dieser Vorwand verspätet. In der damaligen Sitzung habe die Bemerkung des Grafen Wimpffen den Ausschlag gegeben, der gemeint habe, wir können erklären, was wir wollen, es werde doch immer darauf ankommen, was die Welt und die Diplomatie dazu sagen werden. Diese werden aber sagen, die Bilder gehören dem Lande4. Nach seinem Dafürhalten bestehe kein Zweifel, daß diese Bilder Staatseigentum sind, man solle sie daher wegbringen, was voraussichtlich ohne Aufsehen und daher auch ohne Schwierigkeit werde bewerkstelligt werden können. Die Wahl der zweckmäßigsten Modalität, diese Bilder wegzuschaffen, müßte dem Zivilkommissär im Vernehmen mit dem Festungskommandanten FML. Alemann überlassen werden. Graf Esterházy meinte, der Eindruck, den das Wegnehmen dieser Bilder auf die europäische Meinung hervorrufen wird, werde vom Friedensschlusse abhängen. Wird derselbe günstig sein, so wird man sagen, Österreich habe geschickt gehandelt, daß es diese Bilder wegnahm, im gegenteiligen Falle wird man den Vorwurf von Vandalismus über sich ergehen lassen müssen. Der Sektionschef Ritter v. Kriegs-Au fand in der Wegnahme dieser Bilder für jeden Fall ein gutes Compelle für die Friedensunterhandlung. Er deutete übrigens darauf hin, daß nicht nur die vom Kaiser Franz I. aus Paris nach Venedig zurückgebrachten und nicht der Nation, sondern einem kaiserlichen Institute übergebenen Bilder, sondern auch die sieben schönen Bilder, welche für 50.000 fr. aus dem Staatsschatze von der Sammlung Manfrin für die mehrgenannte Akademie angeschafft wurden, wegzubringen wären.

Es einigten sich sohin sämtliche Stimmführer dahin, daß diese Bilder von Venedig wegzubringen getrachtet werden soll, wenn dieses ohne Eklat möglich sein sollte5.

Der Ministerialrat Ritter v. Neuwall bemerkte weiters, daß auch die Dampfbaggerschiffe, von denen jedes 120.000 bis 150.000 fr. gekostet habe, als unbestreitbares || S. 201 PDF || Staatseigentum, dann nebst der Armierungen der fünf Festungen, für deren Wegschaffung wohl das Armeekommando und Kriegsministerium vorgedacht haben dürften, auch die gepanzerte schwimmende Batterie, dann die Requisiten und Materialien aus dem Arsenale in Venedig wegzuschaffen wären.

Die Konferenz war hiemit einverstanden, und FML. Freiherr v. Schiller erwähnte, daß die Requisiten und Materialien aus dem Arsenale bereits nach Pola überbracht worden seien.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.