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Nr. 81 Ministerrat, Wien, 11. Juni 1866 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Meyer; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Belcredi 11. 6.), Mensdorff, Esterházy, Mailáth, Larisch, Komers, Wüllerstorf; abw. Franck (in der Anwesenheitsliste zwar als anwesend geführt).

MRZ. 81 – KZ. 2119 –

Protokoll des zu Wien am 11. Juni 1866, ½8 Uhr abends, abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Konvention mit Frankreich (Abtretung von Venetien

Geheimer Traktat mit Frankreich1.

Se. Majestät geruhte die Sitzung mit der Bemerkung zu eröffnen, daß, obwohl immer das strengste Geheimnis über die Beratungsgegenstände der Minister beobachtet worden sei, er Sich dennoch bewogen finde, darauf aufmerksam zu machen, daß der heute zur Sprache kommende Beratungsgegenstand das unbedingteste Geheimnis erheische. In der gegenwärtigen kritischen Lage des Reiches war es unerläßlich, über die Intentionen des Kabinetts in Paris beim Ausbruche eines Krieges zwischen Österreich, Preußen und Italien ins reine zu kommen. Fürst Metternich sei deswegen beauftragt worden, mit dem Kaiser Napoleon zu sprechen und demselben gegenüber die Andeutung fallenzulassen, daß bei Beobachtung einer unbedingten Neutralität die Möglichkeit der Abtretung Venedigs [sic!] anach Eroberung einer angemessenena Kompensation vorhanden sei. Kaiser Napoleon sei anfänglich einer einläßlichen Antwort ausgewichen, indem er den Plan hatte, den Gegenstand auf der von ihm in Anregung gebrachten Friedenskonferenz in Anregung zu bringen. Bekannt mit diesem Plane, war es für die Regierung eine Notwendigkeit, in ihrer Antwort auf die Einladung zur Konferenz es offen auszusprechen, daß auf eine Zumutung auf derselben zu einer Zession Venedigs von Österreich nicht werde eingegangen werden. Wie infolge der Bedingungen, welche von hier aus für die Konferenzberatungen gestellt wurden, die Konferenz als gescheitert angesehen werden mußte, langte der Herzog v. Gramont mit dem Entwurfe einer geheimen zwischen Österreich und Frankreich abzuschließenden Konvention in Wien an. Derselbe hatte überdies den Auftrag zu eröffnen, daß der Kaiser Napoleon eine Verständigung mit Österreich wünsche und sie einer solchen mit Preußen vorziehe, daß er aber in Berücksichtigung der Interessen seines Landes genötigt sei, mit diesem zu gehen, wenn eine Verständigung mit Österreich nicht zustande komme. Preußen habe ihm für einen solchen Fall die Abtretung der Rheinprovinzen || S. 136 PDF || angeboten, und es bedürfe seinerseits nur der einfachen Annahme zum Abschluß mit Preußen. Die Folge wäre ein aktives Auftreten von seiner Seite mit seiner ganzen Macht. Hieran wurde die weitere Mitteilung geknüpft, daß zwischen Preußen und Italien ein gegenseitig verbindlicher Vertrag mit der Dauer bis zum 8. Juli bestehe und daß zwischen beiden Regierungen die Unterhandlungen büber dessen Verlängerungb im Zuge sind2. Unter solchen Umständen, wo die Pistole auf die Brust gesetzt werde, sei wohl keine andere Wahl geblieben, als auf Grundlage der in Paris entworfenen Konvention in Verhandlungen über Abschluß einer solchen sich einzulassen, deren Resultat nach einigen teils günstigen, teils fruchtlosen hierseitigen Bemühungen für einen vorteilhafteren Inhalt die Vereinbarung einer Konvention war, um deren Annahme oder Nichtannahme es sich nun handle.

Se. Majestät forderte hierauf den Grafen Mensdorff auf, über den Verlauf der Unterhandlungen und den Inhalt der abzuschließenden Konvention der Versammlung noch nähere Kenntnis zu geben.

Graf Mensdorff legte hierauf zuerst den Text des vom Herzog v. Gramont übermittelten Konventionsentwurfes vor.

Derselbe lautetc :

Art. I. Si la guerre éclate en Allemagne, le Gouvernement Français s’engage vis-à-vis du Gouvernement Autrichien à conserver une neutralité absolue et à faire tous ses efforts pour obtenir la même attitude de la part de l’Italie.

Art. II. Quels que soyent les résultats de la guerre, le Gouvernement Autrichien s’engage à céder la Vénétie à la France au moment où il conclura la paix.

Art. III. Si des événemens de guerre changeaient les rapports des Puissances Allemandes entre elles de manière à déranger l’équilibre Européen, le Gouvernement Autrichien s’engage à s’entendre avec le Gouvernement Français avant de sanctionner les remaniemens de territoire.

Gegen Art. I, bemerkte nun Graf Mensdorff, wurde keine Einwendung erhoben, wohl aber gegen Art. II, in betreff dessen die unumwundene Erklärung abgegeben wurde, daß man ihn nicht annehmen könne3. Von dem französischen Kabinette sei sodann folgende Fassung vorgeschlagen worden:

Art. II. Si le sort des armes favorise l’Autriche en Allemagne, elle s’engage à céder la Vénétie au Gouvernement Français au moment, où elle conclura la paix. Si le sort des armes la favorise en Italie, elle s’engage à ne pas changer dans ce Royaume le Statu quo ante bellum, à moins d’une entente avec la France.

Obwohl diese Fassung für Österreich viel günstiger lautete, so habe man sich doch noch für verpflichtet erachtet, den Versuch zu machen, eine günstigere zu erzielen. Wirklich sei auch der Herzog v. Gramont bereitwillig auf die vorgeschlagenen Änderungen eingegangen, denen zufolge der Art. II folgendermaßen zu lauten hätte:

|| S. 137 PDF || Si le sort des armes favorise l’Autriche de manière à lui procurer en Allemagne une compensation territoriale équivalente, le Gouvernement Autrichien s’engage à céder la Vénétie au Gouvernement Français au moment où il conclura la paix. Si le sort des armes favorise l’Autriche en Italie, le Gouvernement Autrichien s’engage à ne pas changer dans ce Royaume le Statu quo ante bellum, à moins d’une entente avec la France.

Diese Änderung wurde aber von dem Pariser Kabinette nicht angenommen, sondern von demselben auf der von ihm anher geschickten bestanden4. Dagegen willigte dasselbe in einige Änderungen des Art. III des ursprünglichen Pariser Entwurfes, welche ebenfalls mit dem Herzog v. Gramont verabredet wurden. Der Vertragsentwurf, wie er nun definitiv festgestellt worden, laute folgendermaßen5:

Art. I. Si la guerre éclate en Allemagne, le Gouvernement Français s’engage vis-à-vis du Gouvernement Autrichien à conserver une neutralité absolue et à faire tous ses efforts pour obtenir la même attitude de la part de l’Italie.

Art. II. Si le sort des armes favorise l’Autriche en Allemagne, elle s’engage à céder la Vénétie au Gouvernement Français au moment, où elle conclura la paix. Si le sort des armes la favorise en Italie, elle s’engage à ne pas changer dans ce Royaume le Statu quo ante bellum à moins d’une entente avec la France.

Art. III. Si des événemens de guerre changeaient les rapports des Puissances allemandes entre elles, le Gouvernement Autrichien s’engage à s’entendre avec le Gouvernement Français avant de sanctionner les remaniemens de territoire qui seraient de nature à déranger l’équilibre Européen.

Graf Mensdorff gab hierauf noch Kenntnis von einer Note additionnelle, die mit dem Pariser Kabinette vereinbart worden, welche genauere Erläuterungen über die in dem geheimen Vertrage gegenseitig übernommenen Verpflichtungen enthält und welche die wesentlichen Elemente der Unterhandlungen und der Konvention in sich schließt.

Dieselbe lautet:

En rétrocédant la Vénétie à l’Italie, le Gouvernement Français stipulera la reconnaissance de la souveraineté temporelle du Pape et l’inviolabilité du territoire actuellement soumis à son autorité, tout en maintenant les réserves faites en faveur des droits du Saint-Siège.

Le Gouvernement Français stipulera également la reconnaissance et l’inviolabilité des nouvelles frontières de l’Autriche du côté de l’Italie. Le Gouvernement Français stipulera également une indemnité en faveur de l’Autriche pour les forteresses de la Vénétie et les dépenses, que le Gouvernement Autrichien devra faire pour assurer la sécurité de ses nouvelles frontières. Il est également convenu, que 1’Etat, dont la Vénétie fera parti, devra aussi prendre à sa charge une part de la dette publique de l’Empire d’Autriche au prorata de la population de cette province.

Le Gouvernement Français stipulera des clauses restrictives relativement au port de Venise, afin que ce port ne soit pas disposé de manière à menacer les côtes de la marine autrichienne.

|| S. 138 PDF || Si par suite des événemens de la guerre ou autrement il se produisait en Italie des mouvemens spontanés de nature à défaire l’unité italienne le Gouvernement Français n’interviendra ni par la force ni autrement pour la rétablir et laissera les populations maîtresses de leurs mouvemens. Il est entendu, qu’il ne se produira non plus aucune intervention étrangère.

Si le sort des armes favorise l’Autriche en Allemagne le Gouvernement Français sanctionnera tout accroissement territorial conquis par l’Autriche pourvu qu’il ne soit pas de nature à troubler l’équilibre de l’Europe en établissant une hégémonie autrichienne qui unirait l’Allemagne sous une seule autorité.

En cas de remaniemens territoriaux, soit en Allemagne soit ailleurs, le Gouvernement Autrichien réserve les droits des Princes de la Maison Imperiale, qui ont été dépossédés en Italie.

Nachdem die Versammlung von diesen Aktenstücken Kenntnis genommen hatte, wurde sodann im vertraulichen Meinungsaustausche die Frage erörtert, ob dieser Konvention die Zustimmung der kaiserlichen Regierung zu erteilen sei. Sämtliche Mitglieder sprachen die Ansicht aus, daß nach der Lage der Dinge nichts anderes als die Annahme übrigbleibe. Hiebei machten die Grafen Mensdorff und Esterházy auf die schweren Opfer aufmerksam, welche dadurch dem Kaiserstaate auferlegt werden. Es begreife sich, daß Napoleon sich eher mit Österreich als mit Preußen einlasse. Die Eroberung der Rheinprovinzen wäre eine europäische Frage, während die Abtretung Venedigs in der eingeleiteten Art und Weise sich bloß zu einer Verhandlung von Macht zu Macht gestalte, abgesehen davon, daß sie dem Kaiser Napoleon eine persönliche besondere Befriedigung gewähre. Der Zweck, den dieser bei diesem seinem Vorgehen verfolge, liege klar zutage; seine Weigerung, auf die mit dem Herzoge v. Gramont vereinbarte Redaktion des Art. II einzugehen, und sein Beharren auf seinem Vorschlage zeigten, daß er es zu einem unheilbaren Bruche der beiden Großmächte Mitteleuropas bringen wolle. Nicht nur in Italien, sondern auch in Deutschland sei ihm dadurch ein volles Übergewicht gesichert und namentlich Österreich streng an Frankreich gebunden. Graf Esterházy wies insbesondere noch darauf hin, daß die Textierung des Art. II so schwankend laute, daß sie eine ganz abweichende Auslegung zulasse; auch lasse es sich noch fragen, ob die Drohung Napoleons, aktiv in die Ereignisse mit seiner ganzen Macht einzugreifen, ernst gemeint, die Pistole wirklich geladen sei. Graf Mensdorff sprach die Befürchtung aus, daß, wenn die Durchführung der italienischen Einheit gelingen sollte, dieses ein Sieg der Revolution sein werde, welche dann bei Italien nicht stillestehen, sondern auch über Deutschland kommen werde. Die großen Opfer, welche durch diese Konvention Österreich auferlegt werden, werden von seiten der übrigen Mitglieder des Ministerrates nicht verkannt; weigere man sich aber, sie zu unterzeichnen, so werde der Kaiser Napoleon mit Preußen abschließen. In welche Stellung würde dann aber Österreich kommen? Seinen Feinden nicht gewachsen, könnte das Resultat eines hoffnungslosen Kampfes nur darin bestehen, daß man nach seiner Beendigung und Erschöpfung aller seiner Kräfte zu größeren Opfern gezwungen werde, als dieses durch die vorliegende Konvention der Fall sei. Wenn das Glück unseren Waffen günstig, so stehe für den Verlust || S. 139 PDF || von Venedig eine angemessene Kompensation in Aussicht, und Österreich gehe aus dem Kriege ohne Einbuße an materieller Macht und mit großem Gewinn an Einfluß hervor. Damit dürfe man sich nicht täuschen, daß es Napoleon nur auf ein Schreckmittel abgesehen habe; die Lage von Europa sei so, daß er nach Belieben nach Venedig oder nach dem Rheine greifen könne, und es sei nicht denkbar, daß er eines von beiden nicht tun sollte.

Se. Majestät betonte am Schlusse dieser Besprechung nochmals die Größe des zugemuteten Opfers, das aber bei der gegenwärtigen Lage der Dinge unvermeidlich sei. Mündlich habe Kaiser Napoleon durch den Herzog v. Gramont die Versicherung geben lassen, daß er bei einem glücklichen Kriege Österreich nicht nur eine mehr als vollständige Kompensation gönne, sondern auch damit einverstanden wäre, wenn Sachsen und Württemberg einen Zuwachs von Territorium gewinnen. Mit Ausnahme Venedigs gehen die Interessen Österreichs und Frankreichs einig, und nichts hindere diese Mächte, wenn einmal dieser Stein des Anstoßes weggeräumt sei, eine enge Alliance unter sich zu schließen. Welchen Wert man auch solchen Äußerungen beilegen wolle, bemerkte Se. Majestät, das lasse sich nicht leugnen, daß Napoleon gegenwärtig Herr der Situation sei und es mehr als gewagt wäre, durch ein schroffes Ablehnen seiner Propositionen ihn in das Lager zweier mächtiger, erbitterter Feinde Österreichs zu treiben. Besonders schmerzlich falle Ihm der Gedanke, daß die Armee in Italien nun für etwas zu kämpfen habe, welches ihr größter Heldenmut nicht mehr zu retten vermöge.

II. Kriegsmanifest

Manifest6.

Der Entwurf eines Manifestes wurde vom Staatsminister Grafen Belcredi vorgelegt. Sowohl sein Inhalt als seine Form erhielten den vollkommenen Beifall sämtlicher Konferenzmitglieder. Mit einigen wenigen Redaktionsänderungen wurde demselben in folgender Form beigepflichtet (siehe Beilaged ).

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.