Nr. 58a Instruktion an die ungarischen Regierungsorgane zur Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse des Königreichs Ungarn zur Gesamtmonarchie, ohne Ort und Datum (Beilage zu: MRP-1-6-02-0-18660409-P-0058.xml) - Retrodigitalisat (PDF)
- Entwurf als Beilage zum MRProt. v. 9. 4. 1866; es finden sich keine aktenmäßigen Belege, daß dieser Entwurf offiziell an die ungarischen Stellen (etwa an den 15er Ausschuß) übermittelt wurde; da an seinem Zustandekommen jedoch neben Belcredi und Esterházy auch Sennyey und Bartal beteiligt waren, dürfte sein Inhalt den maßgebenden ungarischen Politikern nicht unbekannt geblieben sein.
MRZ. – KZ. –
I. Die Bestimmung der gemeinsamen Angelegenheiten.
Der gemeinsamen Behandlung respektive Bestreitung unterliegen:
1. die Erhaltung des Ah. Hofstaates;
2. die Bestreitung der Kosten der äußeren Repräsentation des Reiches;
3. die Erhaltung des Heeres auf einem durch gegenseitige Vereinbarung im voraus, und zwar mit Festsetzung des auf die deutsch-slawischen Provinzen und die Länder der ungarischen Krone entfallenden Kontingents, zu bestimmenden ausreichenden Friedensetat; die Votierung einer außerordentlichen Heeresergänzung; die Bestimmung der Dienstzeit;
4. die Verzinsung, Tilgung und eventuelle Kontrahierung von Staatsschulden; die Bestreitung und eventuelle Übernahme von Staatssubventionen; die Bestreitung der Budgets der Reichsministerien; die Feststellung der allgemeinen Grundsätze über die Gebarung der Staatsmonopole; die Festsetzungen über das Ausmaß und die auf die Ergiebigkeit wesentlichen Bezug habenden Modalitäten der Einhebung jener Arten von indirekten Steuern, durch welche die Preise der den Gegenstand des gegenseitigen Verkehrs bildenden Produkte beeinflußt werden; die Ermittlung jener Summe, welche zur Bedeckung der Staatserfordernisse nach Abzug der direkt in den Reichsschatz zu fließenden Einnahmequellen im Wege der autonomen Landesfinanzverwaltung der beiden Reichskomplexe – nach einer im voraus sowohl hinsichtlich des normalen Reichsbudgets als für die Fälle eines außerordentlichen Staatsbedarfes auf eine längere Periode zu vereinbarenden Quote – aufzubringen und an den Reichsschatz periodisch abzuliefern sein wird; die Gesetzgebung und Gebarung des Münz-, Geld- und Staatskreditwesens sowie die Bestimmungen über Zettelbanken;
5. das gemeinsame Zollwesen, dessen Einkünfte direkt in den Reichsschatz zu fließen haben; die Festsetzungen über die Einrichtung des Telegrafenwesens; desgleichen die Bestimmungen in bezug auf die Staatskontrolle – eventuelle Staatshilfe oder Herstellung aus Staatsmitteln – aller jener Zweige des internationalen Kommunikationswesens, deren Erhaltung und Errichtung im Interesse des Gesamtstaates für notwendig erachtet werden.
|| S. 15 PDF || II. Der gemeinsame Vertretungskörper.
1. Der gemeinsame Vertretungskörper wird aus den Delegierten der Landtage gebildet.
2. Beide Reichskomplexe senden eine gleiche Anzahl von Delegierten.
3. Der gemeinschaftliche Vertretungskörper hat ein entscheidendes Votum in allen der gemeinsamen Behandlung unterliegenden Fragen.
4. Die Glieder derselben sind durch keine obligatorischen Instruktionen gebunden.
5. Zu der vom ungarischen Landtage zu entsendenden Delegation haben Kroatien und Siebenbürgen das Recht, die dem gegenseitigen Bevölkerungsverhältnisse entsprechende Anzahl von Delegierten durch ihre am ungarischen Landtage teilnehmenden Repräsentanten wählen zu lassen.
6. Die Modalitäten der Teilnahme des ungarischen Oberhauses an der Wahl der ungarischen Delegierten werden am ungarischen Landtage festgesetzt.
7. Die Bestimmungen des hinsichtlich der gemeinsamen Angelegenheiten zustande kommenden Grundgesetzes der Monarchie können nur mit unmittelbarer Zustimmung des ungarischen Landtages modifiziert werden.
III. Das Reichsministerium.
1. Das Reichsministerium besteht aus den Ministerien des Äußern und des Hofes, des Krieges, der Reichsfinanzen, des äußeren Handels und Reichsverkehres, dem obersten Hofkanzler für die deutsch-slawischen Provinzen und jenem für die Länder der ungarischen Krone und soviel Reichskonferenzministern, als es Se. Majestät mit Rücksicht auf die billige Vertretung der beiden Reichskomplexe in ihrem Reichsministerrate zu ernennen für gut befindet.
2. In speziell ungarischen Angelegenheiten wird Se. Majestät nur den Rat Ihrer ungarischen Räte einholen.
3. Der oberste ungarische Hofkanzler ist berufen, im Reichsministerrate die autonomen Rechte Ungarns zu wahren. Die Verfügungen der Reichsminister in allen der gemeinsamen Gesetzgebung oder Vereinbarung unterliegenden Gegenständen an die autonome Landesregierung Ungarns erfließen im Wege des ungarischen Hofkanzlers.
4. Dieselben sind für die Chefs der ungarischen Landesregierung obligatorisch.
5. Der oberste ungarische Hofkanzler ist in den Reichsangelegenheiten dem gemeinsamen Vertretungskörper, in Sachen der Landesautonomie dem ungarischen Landtage verantwortlich.
IV. Die ungarische Landesregierung.
1. Die autonome ungarische Landesregierung umfaßt die innere politische Administration, Kultus und Unterricht, das Justizwesen, die Landesfinanzen und die Interessen der Industrie und des inneren Verkehrs.
2. Die Leitung obiger voneinander getrennter Administrationszweige liegt unter persönlicher Verantwortlichkeit, sowohl gegenüber Sr. Majestät als auch dem ungarischen Landtag, königlich ungarischen Landessekretären ob, an deren Spitze der königlich ungarische Tavernikus steht.
|| S. 16 PDF || 3. Der Tavernikus und die betreffenden Landessekretäre haben die königlichen Propositionen im Schoße des ungarischen Landtages zu vertreten und für die exekutiven Maßnahmen der Regierung, deren Veröffentlichung und Effektuierung durch sie zu geschehen hat, soweit dieselben den autonomen Wirkungskreis der Landesregierung betreffen, einzustehen.
4. Sie können im Falle von absichtlichen Gesetzesverletzungen durch übereinstimmenden Beschluß beider Häuser des Landtages in Anklagestand versetzt werden; in welchem Falle die Urteilsfällung der Septemviraltafel mit der gesetzlich zu bestimmenden Befugnis der sowohl dem durch den Landtag zu bestimmenden Kläger als auch dem Geklagten freistehenden Rekusation zufällt.
5. Die im Wege des obersten ungarischen Hofkanzlers herabgelangten Anordnungen des Reichsministeriums hat die ungarische Landesregierung ohne persönliche Verantwortung ihrer Glieder unbedingt zu vollziehen.
6. Insbesondere hat zwischen dem Sekretär der Landesfinanzen und dem Reichsfinanzminister hinsichtlich der geregelten Kassenverwaltung und der Sicherstellung der periodischen Ablieferung der vor allen Landesausgaben zu deckenden Reichssteuerquote im Wege eines besonders festzustellenden Normalstatutes ein geregeltes organisches Amtsverhältnis Platz zu greifen.
7. Das von dem Sekretär für die ungarischen Landesfinanzen auszuarbeitende und dem jährlich zusammentretenden ungarischen Landtage zu unterbreitende Landesbudget zerfällt in das Normal- und außerordentliche Budget.
8. Eine Änderung des Normalbudgets kann nur durch einen übereinstimmenden Beschluß beider Häuser und der Sanktion der Krone erfolgen.
9. Alle auf die Heeresergänzung, Bequartierung und Alimentation des in Ungarn dislozierten Armeestandes Bezug habenden Agenden fallen in das Ressort des Landessekretärs für die innere Administration.