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Nr. 40 Ministerrat, Wien, 30. Dezember 1865 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Meyer; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Belcredi 30. 1.), Mensdorff 3. 1., Esterházy 3. 1., Franck, Mailáth 4. 1., Larisch 4. 1., Komers 4. 1., Wüllerstorf; außerdem anw. Becke.

MRZ. 39 – KZ. 4048 –

Protokoll des zu Wien am 30. Dezember 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Staatsvoranschlag und Finanzgesetz für 1866

Se. Majestät der Kaiser eröffnete die Sitzung mit der Bemerkung, daß Er sowohl über den Voranschlag pro 1866 als über den Vortrag, mittelst welchem jener einbegleitet wurde, einige Aufklärungen zu verlangen in der Lage sei.

Kroatische Hofkanzlei:

In dem vorliegenden Voranschlage seien gegenüber dem Vorjahre 431.917 Gl. weniger eingestellt. Dieses lasse sich um so weniger begreifen, als der frühere Hofkanzler immer erklärt habe, sogar mit dem früheren, somit um diese Summe größeren Betrage sein Auskommen nicht finden zu können. Von Seite des Staatsministers und des Finanzministers wurde hierüber die Aufklärung gegeben, daß aus den Rechnungsabschlüssen hervorgehe, daß die jeweilige Dotation größer als die wirkliche Verwendung war und daß namentlich nach den Ausweisen der Obersten Rechnungskontrollbehörde von 1865 bei der kroatischen Hofkanzlei noch ein nicht verbrauchter Dotationsrest von 700.000 Gl. vorhanden sei. Dieser komme wesentlich daher, daß für Bauten beträchtliche Summen veranschlagt waren, größtenteils aber nicht zur Verwendung kamen. Mit der veranschlagten Summe dürfte daher das Auslangen gefunden werden.

Justizministerium:

Für dieses sei ein Mehrbetrag von 86.543 Gl. eingestellt, ohne daß in dem Vortrage ersichtlich gemacht werde, warum ein solcher höherer Betrag aufgenommen wurde. Der Justizminister bemerkte hierauf, daß unter dieser Summe ein Betrag von 50.000 Gl. für disponible Beamte enthalten sei und daß man ferner mit den angenommenen Pauschalsummen sein Auslagen nicht finden werde, indem namentlich in den früheren Arbeitsstunden von 8—12 und von 2—6 Uhr im Interesse des Ah. Dienstes eine Änderung sich nicht vornehmen lasse. Dieses letztere wurde von Seite des Staatsministers bestritten und insbesondere bemerkt, daß bei einem festen Beharren auf den erlassenen Weisungen diese leicht ohne Gefährdung des Ah. Dienstes ausführbar seien, damit aber zugleich sehr beträchtliche Ersparnisse erzielt werden können. Anbelangend die 50.000 Gl. für disponible Beamte wurde darauf hingewiesen, daß diese Summe schon im Voranschlage pro 1865 eingestellt war.

Kriegsmarine:

Gegenüber dem Verwaltungsjahr 1865 sei für diese ein Mehrbetrag von 675.181 Gl. eingestellt. Von Seite des Kriegs-, Finanz- und Handelsministers wurden hierüber folgende Aufklärungen gegeben: Dieser Mehrbetrag rühre her von kontraktlichen Verpflichtungen, welche in den Vorjahren eingegangen worden, || S. 248 PDF || im Jahre 1866 aber zur Zahlung gelangen werden, dann von den Hafenbauten in Pola, die fortgesetzt werden müßten, wenn nicht die bisher verwendeten Summen als unnütz verausgabt angesehen werden sollen.

Verzehrungssteuer, Tabaks-, Lottogefälle:

Die Mehrauslagen bei diesen drei Posten des Voranschlages seien sehr beträchtlich, bei der Verzehrungssteuer 1,284.995 Gl., bei dem Tabaksgefälle 2,518.138 Gl., bei dem Lottogefälle 1,058.619 Gl. Der Finanzminister und Sektionschef v. Becke erteilten hierüber folgende Aufschlüsse: Die Mehrauslage bei der Verzehrungssteuer sei eigentlich nur eine durchlaufende Post, indem sie von Rückvergütungen der Steuer beim Exporte geistiger Flüssigkeiten herrühre. Die Mehrauslage beim Tabaksgefälle sei dadurch bedingt, daß dort alle Materialvorräte aufgebraucht seien und daß deswegen, um in der Regie einen normalen Zustand herzustellen, bedeutende Mehranschaffungen gemacht werden müssen. Die Erhöhung und Vervielfältigung der Spieleinsätze beim Lotto erfordere eine Mehrauslage, allein nur scheinbar, weil dadurch eine adäquate Mehreinnahme erzielt werde.

Salinen- und Bergwesen:

Die Regiekosten in diesen beiden Verwaltungszweigen belaufen sich auf eine solche abnorme Höhe, daß ein Einschreiten von Seite der Regierung und die Einführung einer minder kostbilligen [sic!], ordnungsgemäßeren Verwaltung eine der dringendsten Aufgaben der Staatsverwaltung sei. Alle Anwesenden pflichteten dieser Anregung Sr. Majestät bei, und der Finanzminister gab die Erklärung ab, daß er ungesäumt diesem Gegenstande seine ernstlichste Aufmerksamkeit widmen werde. Wenn bisher noch nicht durchgreifende Reformen durchgeführt worden seien, so liege die Ursache in dem Umstande, daß man bisher im Ungewissen war, ob dieser Verwaltungszweig nicht an das Handelsministerium abgetreten werde. Der für das Ärar lukrativste Vorgang läge ohne Zweifel in dem Verkaufe des größeren Teiles der Montanwerke, worüber das Finanzministerium als eine in seinen Ressort einschlagende Agenda bereits Einleitungen getroffen habe. Bevor aber nicht entschieden sei, was man behalten und was man verkaufen wolle, sei eben eine Übergabe an das Handelsministerium nicht wohl möglich. Vom Handelsminister wurde der Wunsch ausgesprochen, daß man von dem Gedanken einer Veräußerung des Quecksilberbergwerkes Idria abgehe, ein Wunsch, der auf das lebhafteste schon vom Staatsministerium ausgesprochen worden sei1. Dieses und das spanische Quecksilberbergwerk seien die einzigen in Europa, und es wäre höchst bedenklich, einen so wertvollen und so notwendigen Gegenstand der schonungslosen Ausbeute der Spekulation zu überweisen. Se. Majestät beendigte die sich hierüber entspinnende Diskussion mit der Bemerkung, daß es angezeigt sein dürfte, eine Kommission von Sachkundigen aufzustellen, welche sich mit der Aufgabe zu befassen hätte, eine Scheidung derjenigen Montanwerke vorzunehmen, welche zum Verkaufe gebracht werden könnten und derjenigen, deren fernere Beibehaltung im Interesse des Staates liegen dürfte2.

|| S. 249 PDF || Übergehend zu dem Vortrage über den Voranschlag, warf Se. Majestät die Frage auf, ob der Schlußsatz in dem Passus, welcher von den Eisenbahnsubventionen handelt und welcher folgendermaßen lautet: „Jedenfalls wird das bisherige System der Zinsengarantien und überhaupt der finanzielle Teil der großen Eisenbahnfrage der durchgreifendsten Reform unterzogen werden müssen“, nicht besser wegbleiben dürfte, da er in dieser allgemeinen Fassung leicht zu irrigen Annahmen und zur Beunruhigung Anlaß bieten dürfte. Sektionschef v. Becke bemerkte hierauf, daß es im höchsten Interesse des Staates liege, eine Änderung in dem bisherigen finanziellen Systeme der Eisenbahnfrage nach und nach anzubahnen, wo es sich fragen werde, ob den bisherigen so schwer auf das Ärar drückenden Übelständen nicht durch Gründung einer Eisenbahnbank abgeholfen werden könnte. Mit dem erwähnten Schlußabsatze habe nur lediglich angedeutet werden wollen, daß in dieser Sache etwas werde zu geschehen haben und daß man mit dem Gedanken eines Systemwechsels sich befasse. Se. Majestät erklärten sich mit diesen Aufschlüssen zufriedengestellt.

Bei dem Passus in dem Vortrage, welcher von der Schuldenrückzahlung an die Nationalbank handelt, stellten Se. Majestät die Frage, ob bei dem Umstande, als das Übereinkommen die Ah. Sanktion erhalten habe, der dort gemachte Vorwurf wegen allzu kurzer Abstattungstermine nicht dürfte fallengelassen werden. Auf die mehrseitig gemachte Bemerkung, daß dieser Vorwurf den obersten Faktor der Gesetzgebung nicht treffen könne, indem es Sache der anderen gewesen wäre, von der Unterbreitung zur Ah. Sanktion das mit den Finanzkräften des Staates im Einklang stehende Maß von Rückzahlterminen in das Übereinkommen aufzunehmen, wurde von Sr. Majestät der gemachten Anregung keine weitere Folge gegeben.

Über Anregung Sr. Majestät wurden bei denjenigen Stellen des Vortrages, welche von den Depotgeschäften handeln, folgende Veränderungen vorgenommena : Nach den Worten: „notwendigen Heimlichkeit ausgesetzt“ kam im Vortrage folgender Satz: „Ich bin vorderhand in der verhältnismäßig günstigen Lage, zu solchen Mitteln nicht greifen zu müssen, kann aber nicht verhehlen, daß die Möglichkeit der Wiederkehr ähnlicher Zustände für die Zukunft nicht ausgeschlossen ist“; und am Schlusse der betreffenden Stelle stand folgender Satz: „Es ist hier offenbar eine Lücke in der Verwaltung, die noch jedenfalls ausgefüllt werden muß.“ Hiefür, für diese beiden Stellen, wurde folgender Schlußabsatz angenommen: „Bei diesen Verhältnissen ist daher die Möglichkeit für die Zukunft nicht ausgeschlossen, daß unter gewissen Umständen Vorschußgeschäfte unternommen werden müssen, solange nicht eine wirksame Abhilfe geschaffen wird, die nur in einer veränderten Organisierung des Kassawesens bestehen kann. Ich behalte mir allerehrerbietigst vor, diesfalls meine treugehorsamsten Anträge zu erstatten.“ Der Satz: „Außerdem bleibt nur noch ein Rest von 4½ Millionen fl., die als das eigentliche Gebarungsdefizit angesehen werden können und durch Ersparnisse innerhalb des Rahmens des Budgets leicht gedeckt werden können“ wurde in folgenden umgeändert: „Außerdem bleibt nur || S. 250 PDF || noch ein Rest von 4½ Millionen fl. als Abgang des Jahres 1866, welcher durch Ersparnisse innerhalb des Rahmens dieses Budgets wohl gedeckt werden dürfte.“ In dem Satze, wo von der „glorreichen“ Initiative Sr. Majestät über die angebahnte Verständigung in den inneren politischen Verhältnissen gesprochen wird, wurde auf den Wunsch Sr. Majestät statt des Wortes „glorreiche“ das Wort „segenverheißende“ gewählt. In dem Satze, der von der Unmöglichkeit der Benützung der Banknotenpresse handelt, wurden die Worte „öffentliche Meinung“ zu streichen beschlossen. Auf die Anfrage Sr. Majestät, ob es notwendig sei, für die in Aussicht gestellte Veräußerung von unbeweglichem Staatseigentume ein besonderes Gesetz in Aussicht zu stellen, wie dieses im Art. V des Finanzgesetzes der Fall sei, wurde vom Staatsminister bemerkt, daß die Einstellung in den Voranschlag noch keine gesetzliche Bewilligung sei und daß, wenn für Anleihen, auch wenn sie im Voranschlage vorgesehen worden, eine gesetzliche Bewilligung erfordert werde, dieses um so mehr von einer Veräußerung von Staatseigentume der Fall sein dürfte, worauf Se. Majestät jede weitere Bemerkung fallen ließ.

Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, den 14. Jänner 1866. Franz Joseph.