Nr. 571 Ministerrat, Wien, 12. Mai 1865 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet, VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 16. 5.), Mensdorff 18. 5., Mecséry, Nádasdy 19. 5., Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy 21. 5., Burger, Hein, Franck, Zichy, Kalchberg; BdE.Bestätigung der Einsicht, jedoch nicht anw.anwesend Mažuranić (24. 5.) Reichenstein (26. 5.); BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 28. 5.
MRZ. 1375 – KZ. 1403 –
Protokoll des zu Wien am 12. Mai 1865 abgehaltenen Ministerrates unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Verhandlungen in beiden Häusern des Reichsrates über den Staatsvoranschlag für 1865
Se. k. k. apost. Majestät geruhten die künftigen Phasen der reichsrätlichen Verhandlungen über das Finanzgesetz für 1865 einer eingehenden Erörterung zu unterziehen.
Allerhöchstdieselben haben mit mehreren Mitgliedern des Herrenhauses Rücksprache gepflogen und hiebei in Erfahrung gebracht, daß sie die Regierung bei jenen Verhandlungen kräftig unterstützen wollen, wofern letztere auch ihrerseits auf ihrer Position mit aller Festigkeit beharrt. Diese Mitglieder waren nun sehr überrascht, ja erschreckt zu vernehmen, wie die Minister in der ersten Ausschußsitzung zu erkennen gaben, sie wollten zwar an den von der Regierung definitiv restringierten Voranschlagsziffern festhalten, seien aber geneigt, in bezug auf das vorbehaltene ganz freie Revirement nachzugeben. Diese Erklärung ist über einen Ministerratsbeschluß erfolgt, der erst nachdem die Sache geschehen war zur Ah. Kenntnis kam1. Allein man muß statt mit Nachgiebigkeit entgegenzukommen vielmehr dahin streben zu bewirken, daß das Herrenhaus in allem an den Regierungsanträgen festhalte. Namentlich werde man in der Folge auch darauf zu sehen haben, daß in die Kommission zur Bewirkung eines Kompromisses zwischen den abweichenden Beschlüssen beider Häuser ganz verläßliche Reichsräte von der nötigen Charakterfestigkeit gewählt werden, damit eine bedenkliche Vereinbarung nicht zustandekomme und Se. Majestät Allerhöchstsich auf das Votum des Herrenhauses stützen können; denn daß das Abgeordnetenhaus seine Abstriche bloß gegen eine Konzession im Revirement aufgeben werde, sei durchaus nicht zu erwarten. Im übrigen sind Se. Majestät der Kaiser fest entschlossen, einem unzulässigen Antrage, selbst wenn er von beiden Häusern des Reichsrates vereinbart wäre, die Ah. Sanktion nicht zu erteilen.
Der Polizeiminister beleuchtete hierauf die dermalige Lage in Absicht auf den Voranschlag für 1865 und die vorhandene Möglichkeit, den Vrints’schen Antrag durchzuführen. Auf eine En-bloc-Annahme des von der Regierung selbst herabgeminderten Voranschlages von Seite des Herrenhauses sei schlechterdings nicht zu hoffen. Man könne der Detaildiskussion über die verschiedenen Zweige nicht entgehen. Die Regierung aber hätte hiebei jede Detailziffer zu verteidigen, um die daraus resultierende Gesamtziffer festhalten zu können. Eine gewisse Beschränkung in Absicht auf das || S. 343 PDF || Revirement könnte sich die Regierung unbedenklich gefallen lassen, und dieselbe ließe sich auch ganz rationell begründen. Nur innerhalb gewisser Gruppen von Kapiteln müßte die Bewegung jedenfalls frei bleiben, und über dies habe man sich bereits pro foro interno der Ministerien geeinigt. Für das Herrenhaus aber ist es wesentlich leichter, sich dem Regierungsantrage bezüglich der Ziffer anzuschließen, wenn es zugleich eine Beschränkung des Revirement beschließt, als die Regierungsanträge in allen Punkten anzunehmen. Die jüngste Sitzung im Finanzausschusse des Herrenhauses hat, wie der Polizeiminister schließlich bemerkte, keine Änderung in der Stellung der Regierung erkennen lassen, da der Minister über die an ihn gerichteten Fragen bezüglich der jetzigen Position der Regierung zum Staatsvoranschlage für 1865 erwidert habe, diese Stellung sei noch die alte, und man werde selbe bei der Detailberatung präzisieren. Auf diese Weise wurde die Stellung intakt gehalten, ohne daß mit dürren Worten ein allgemeines Ultimatum gestellt worden wäre. Der Staatsminister bemerkte, daß die Voranschläge für die Armee und die Kriegsmarine von der Beschränkung des Revirements gar nicht berührt werden würden. Allerdings aber seien die Dotationsziffern dieser Zweige der wichtigste Streitgegenstand, bei dem das Herrenhaus auf die Seite der Regierung treten müsse. Die Abstriche, welche das Abgeordnetenhaus bei den übrigen Verwaltungszweigen beschlossen hat, erscheinen mit Ausnahme jenes bei der politischen Verwaltung von keinem Belange. Se. k. k. apost. Majestät erkennen wohl, daß der größte Druck des Abgeordnetenhauses gegen die Voranschläge der Armee und der Flotte gerichtet ist, allein, wenn auch die Abstriche bei den übrigen Zweigen relativ unbedeutend erscheinen, darf die Regierung sich doch nicht denselben unterwerfen, sondern muß sie vielmehr energisch bekämpfen, damit, wenn es schon zum Bruche kommt, derselbe nicht als lediglich durch die Abstriche bei der Armee und Marine herbeigeführt erscheint. Der Präsident des Staatsrates bestätigte, daß eine En-bloc-Annahme des Regierungsbudgets mit freiem Revirement vom Herrenhause nicht zu erwarten ist. Denn wenngleich die Reichsräte möglichst mit der Regierung gehen wollen, so wünschen sie doch auch der Ehre teilhaftig zu werden, die Regierung zu einer Konzession gedrängt zu haben. Als solche schwebt „den Herren“ ein Abstrich am ministeriellen Voranschlage, dann die Beschränkung des Revirements vor. Auch der Staatsrat soll von einem Abstriche, und zwar mit 1.000 fl. bei der Rubrik „Remunerationen und Aushilfen“, nicht verschont bleiben. Man hofft, daß die Regierung dieser Stimmung, welche insbesondere vom Präsidenten und vom Freiherrn v. Baumgartner geteilt wird, Rechnung tragen und dem Drängen des Herrenhauses, so weit tunlich, nachgeben werde. Der Konflikt desselben mit dem Abgeordnetenhause würde darum doch nicht ausbleiben. Se. Majestät der Kaiser geruhten hierauf zu bemerken, daß in der Diskussion an der beim Staatsrate so ganz ohne zwingenden Grund abgestrichenen Summe festzuhalten sei. Der Staatsminister äußerte, die an ihn gelangten Berichte aus dem Herrenhause gingen dahin, man besorge, daß, wenn das Haus für das Ministerium in der Budgetfrage eintritt, dasselbe wie im verflossenen Jahre werde im Stich gelassen werden2. Allein, selbst wenn man die Reichsräte darüber vollkommen beunruhigt, ist nicht || S. 344 PDF || zu erwarten, daß das Haus sich einfach für den Regierungsantrag mit Einschluß des freien Revirements erklären werde. Man wird wenigstens hier und da mäßige Abstriche machen wollen, und die Regierung wird sich denselben gegenüber hartnäckig abwehrend verhalten müssen, denn wenn man irgendwo nachgibt, so werden die Ansprüche auf Reduktionen von Hunderttausenden auf Millionen anschwellen. Überhaupt kann es sich jetzt nicht mehr um ein weniger oder mehr von Dotationen handeln, nachdem die Regierung einmal bestimmt erklärt hat, daß bereits die Grenze des Möglichen erreicht worden ist. Wenn etwas noch zu retten ist, kann es nur durch strenge Konsequenz geschehen. Über die Ah. Bemerkung, daß die Minister sich im Ausschusse sofort entschieden über das Festhalten an allen Anträgen der Regierung bezüglich des Budgets für 1865 hätten aussprechen sollen, brachte der Finanzminister zur Ah. Kenntnis, er habe im Finanzausschusse des Herrenhauses erklärt, die Reduktionsziffer von 20,100.000 fl. sei das Ultimatum der Regierung. Eine notwendige Folge dieser Erklärung ist, daß bei der bevorstehenden Detailberatung über den Voranschlag von den Ministern auch bei der Beratung über die Zweige der Zivilverwaltung nicht nachgegeben werden kann. Beiläufig müsse der Minister noch bemerken, daß die obige Gesamtersparung mit Einbeziehung der von der Regierung zugestandenen Reduzierung einiger anderer Rubriken (als Staatsschuld, Kassaverwaltung) sich auf 21,493.350 fl. erhöhe und daß durch die von der Regierung zugestandene Erhöhung der Bedeckung durch die eigenen Einnahmen der Militärverwaltung, das Defizit sich um 1,040.000 fl. vermindere. Der Minister des Äußern reassumierte in Kürze seine, bei Beratung seines Voranschlages im Abgeordnetenhause abgegebene Erklärung, auf die er gegenwärtig im Herrenhause einfach zurückzukommen beabsichtigt. Der Polizeiminister fand, daß es im Laufe der Diskussion über die Voranschläge manchmal unmöglich werden dürfte, sich einer logisch begründeten kleineren Reduktion absolut zu widersetzen, und zeigte dies an einem Beispiel. Die Voranschlagziffern müssen eben variieren, je nachdem ein Revirement Platz greift oder nicht. Andererseits komme noch zu erwägen, daß die Ziffern im Staatsvoranschlage großenteils nicht auf absolute Richtigkeit Anspruch machen können, da sie oft nur annähernd ermittelt und dann noch ausgerundet worden sind. Im allgemeinen dürfte das Herrenhaus der Regierung zu Seite stehen, sobald es versichert ist, daß letztere festhalten wird.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten die Ah. Erwartung auszusprechen, daß die Mitglieder des Herrenhauses sich bei den bevorstehenden wichtigen Sitzungen zahlreich einfinden und bei ihren Abstimmungen gegenwärtig halten werden, daß die von ihnen zu beschließenden Abstriche im ganzen die Gesamtsumme der von der Regierung begehrten Dotation nicht alterieren können.
Minister Ritter v. Lasser deutete an, es sei von Wichtigkeit, daß vor allem der Präsident des Herrenhauses von dieser Notwendigkeit durchdrungen sei. Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer bemerkte hierauf, daß dem Fürsten Carl Auersperg in der bei Sr. k. k. Hoheit stattgehabten Besprechung von Seite des Polizei- und namentlich des Staatsministers die Stellung der Regierung in dieser wichtigen Frage auf das bestimmteste erklärt worden sei3.
II. Verhandlungen im Abgeordnetenhaus über den Staatsvoranschlag für 1866
Hierauf wurde noch die Behandlung des Voranschlages für 1866 im Abgeordnetenhause4 besprochen, wobei der Finanzminister äußerte, es müßte dabei auf der Basis der für 1866 in der Regierungsvorlage angesprochenen Dotation, jedoch mit Hinblick auf die eigenen Abstriche am Budget für 1865 nach Tunlichkeit festgehalten werden. Daß die von der Regierung zugestandenen Abstriche für 1866 wesentlich hinter jenen für 1865 zurückbleiben müssen, habe der Minister schon bei früheren Beratungen erwähnt und damit begründet, daß die ursprünglichen Ansätze, wie z. B. namentlich beim Militär, für 1866 bereits niedriger gehalten waren als im Budget des Jahres 18655.
Wien, am 16. Mai 1865. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokoll zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 27. Mai 1865. Empfangen 28. Mai 1865. Erzherzog Rainer.