Nr. 487 Ministerrat, Wien, 2. September 1864 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 3. 9.), Mecséry, Lasser, Plener, Hein, Franck, Geringer, Kalchberg, Privitzer; außerdem anw.anwesend Schwind, Schwarzwald (nur bei III und IV anw.anwesend); abw.abwesend Nádasdy, Schmerling, Esterházy, Burger, Lichtenfels, Zichy; BdE.Bestätigung der Einsicht Erzherzug Rainer 22. 9.
MRZ. 1291 – KZ. 2817 –
Protokoll des zu Wien am 2. September 1864 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen Rechberg.
I. Besetzung der Sektionschefstelle im Polizeiministerium
Der Polizeiminister referierte, daß er für die in dem seiner Leitung anvertrauten Ministerium erledigte Stelle eines Sektionschefs den Ministerialrat Weber bei Ah. Sr. Majestät au. in Vorschlag zu bringen gedenke.
Der Ministerrat fand dagegen nichts zu erinnern1.
II. Handhabung des Art. 14 der Kundmachung über den Belagerungszustand in Galizien
Der Artikel 14 der am 24. Februar 1864 Ah. genehmigten Kundmachung über den Belagerungszustand in Galizien enthält folgende Bestimmung: „Die Gesetze vom 27. Oktober 1862, Nr. 87 und 88 RGBl., zum Schutze der persönlichen Freiheit und zum Schutze des Hausrechtes werden für die Dauer des Belagerungszustandes außer Wirksamkeit gesetzt.“2
Obgleich diese Anordnung ganz allgemein, aohne Unterschied des Gerichts oder des Verbrechensa, lautet, haben sich doch bei den Zivilgerichten verschiedene Ansichten geltend gemacht, und wurde z. B. in einem Betrugsfalle die Führung der Untersuchung gegen Kautionserlag auf freiem Fuß gestattet3. Minister Ritter v. Hein , welcher den Art. 14 als für die ganze Dauer des Belagerungszustandes im ganzen Lande Galizien und für alle Militär- und Zivilgerichte ausnahmslos geltend erkennen muß, hält es für nötig, der erwähnten vorschriftswidrigen Praxis ohne Verzug ein Ziel zu setzen, widrigens sich daraus Unzukömmlichkeiten ohne Zahl ergeben würden. Er bringe daher die Sache im Ministerrat zur Sprache, es demselben anheimgebend, ob die Abhilfe || S. 93 PDF || durch eine von Sr. Majestät Allerhöchstselbst oder aber durch eine vom Ministerrate ausgehende Deklaratoria zu treffen wäre.
Über die vom Kriegsminister gestellte Anfrage, ob nicht seit Einführung des Belagerungszustands in Galizien eine Distinktion zwischen den Militär- und Zivilgerichten in Beziehung auf Art. 14 im Verordnungswege eingeführt worden sei, erwiderte Minister Ritter v. Hein , daß ihm von einer solchen Modifikation durchaus nichts bekannt sei. Der Polizeiminister teilt ganz die Meinung des Referenten, daß die obbezeichnete Praxis bei galizischen Zivilgerichten verordnungswidrig und von bedenklichen Konsequenzen sei. Bei dem ganz klaren Wortlaute des Art. 14 hält jedoch dieser Stimmführer eine authentische Interpretation desselben keineswegs für notwendig, und es dürfte daher genügen, die Obergerichte aufzufordern, daß sie derlei vorschriftswidrige Vorgänge abstellen.
Nachdem sämtliche Stimmführer der Meinung des Ministers Baron Mecséry beigetreten waren, erklärte Minister Ritter v. Hein , er werde sich sofort an den Obersten Gerichtshof und die galizischen Oberlandesgerichte im Sinne des Ministerratsbeschlusses wenden4.
III. Reorganisierung des Zentraltaxamtes
b Der Finanzminister referierte eingehend über die zwischen dem Staatsrate und ihm bestehende Meinungsverschiedenheit bezüglich der vom gedachten Minister mit au. Vortrag vom 23. Juni 1864 beantragten Reorganisierung des Zentraltaxamtes in Wien5.
Der Staatsrat hat folgenden Resolutionsentwurf vorgelegt: „Ich genehmige die Reorganisierung des Zentraltaxamtes auf den hier beantragten Grundlagen und mit dem beantragten Personalstande rücksichtlich die diesem Antrage entsprechende Erhöhung der bezüglichen Konkretalstände für das Konzeptfach und die Leitung des Rechnungswesens und der Manipulation, unter Festhaltung der dermalen bestehenden normalmäßigen Bezüge, und lade Sie ein, jene weitere Personalbestellung zu ermitteln und Mir in Antrag zu bringen, welche etwa vorübergehend noch nötig sein dürfte, um eine rasche Abwicklung der beim Zentraltaxamte bestehenden Rückstände und die Einbringung der ausständigen Gebühren zu sichern. Auch haben Sie Mir rücksichtlich des Manipulationspersonals die Anträge zu erstatten, wie sich, wenn das System der Schreibpauschalien nicht eingeführt wird, die Zahl den nötigen Offiziale und Assistenten stellen werde.“ Hiernach ist der Staatsrat mit der Reorganisierung des Zentraltaxamtes || S. 94 PDF || und den beantragten Grundlagen derselben einverstanden, nicht aber mit der vom Minister beantragten Regulierung der Gehalte und Quartiergelder, dann auch nicht mit der Einführung des Systems der Schreibpauschalien unter gänzlicher Beseitigung der Assistenten. Minister v. Plener glaube in beiden Beziehungen seine au. Anträge festhalten zu sollen. 1. Die Umsetzung der in Konventionsmünze systemisierten Bezüge auf österreichische Währung, unter angemessener Abrundung und Parifizierung mit den Bezügen der gleichnamigen Beamten der neu regulierten Finanzlandesdirektionen, bedürfe wohl keiner näheren Motivierung, zumal das Ergebnis dieser Regulierung für die Beamten der neuorganisierten Behörde in letzter Auflösung ein günstiges sein werde. Wo bei einigen Posten das Gehalt geschmälert würde, träte eine kompensierende Erhöhung des Quartiergeldes ein. Dort, wo mehrere Besoldungsklassen bisher bestanden, hätte die niedrigste gänzlich zu entfallen. Die Kategorie der Amtsassistenten, welche mit ihrem geringen Gehalte von 315 bis 412 fl. als Proletarier betrachtet werden müßten, höre ganz auf, und werde das niedrigste Gehalt nach dem neuen Ausmaß 500 fl. betragen. Unter diesen Umständen lasse sich von dem Standpunkt der Humanität gegen die Maßregeln nichts einwenden. 2. Was die Verwendung von Diurnisten im Schreibgeschäfte betrifft, so ist deren Honorierung dem Amtsvorstand innerhalb der Grenzen des Pauschales freigestellt, und es wird ihm daher auch gewiß gelingen, bei der vorhandenen großen Auswahl für jedes Geschäft den rechten Mann zu gewinnen6.
Staatsrat Freiherr v. Geringer erwähnte, man habe sich bei dem staatsrätlichen Gutachten hauptsächlich die Wünsche des Reichsrates in bezug auf eine Erhöhung der Beamtengehalte gegenwärtig gehalten und daher nicht für die hier beabsichtigten Reduktionen stimmen zu können geglaubt. Staatsrat Ritter v. Schwind entwickelte dieses Motiv noch näher und bemerkte weiters, daß ungeachtet des Aufhörens der letzten Gehaltsklassen und der Verbesserungen in den Bezügen mancher Posten bei einigen anderen doch eine Verminderung eintreten würde, während man billigerweise die Gehalte nicht einseitig, sondern allgemein verbessern sollte. Der Finanzminister habe selbst die neue Systemisierung bei den Finanzlandesbehörden in den kleineren Kronländern als einen Versuch bezeichnet. Es scheine daher verfrüht, jetzt schon die Gehalte beim Zentraltaxamt damit parifizieren zu wollen. Weiters komme zu bedenken, daß nach den „für die ausübenden Ämter“ bestehenden Normen die Gehaltsklasse für den Rang des Beamten maßgebend ist. Die neue Regulierung würde daher auch in die Rangverhältnisse ändernd eingreifen. Was aber das Pauschalierungssystem betrifft, so ist dessen Einführung in Österreich noch zu jung, als daß man über dessen Wert oder Unwert sich eine Meinung schaffen könne7. Was man aber über die Erfolge dieses Systems in Frankreich hört, ist eher abschreckend. Die Beseitigung der Assistentenstellen || S. 95 PDF || sei keineswegs ein Bedürfnis. Zum Anfange ist selbst eine Besoldung von 315 fl. noch anlockend und ein unverheirateter Assistent kein Proletarier!
Der Finanzminister zeigte, daß der letzte Offizial nach dem neuen Status 500 fl., somit mehr erhalten würde als die dermaligen Amtsassistenten der 2., 3. und 4. Klasse. Hier sei also unleugbar eine Verbesserung vorhanden, die sich auch daraus schon ergibt, daß der Mehraufwand im ganzen mit c1.424 fl. (Eintausend 424 fl.)c entfallen würde. Das Normale wegen des Rangverhältnisses der Beamten „ausübender“ Ämter werde bei dem Zentraltaxamte kaum eine praktische Folge haben, zumal die Diätenklasse sich nicht nach dem Range richtet. Auch gehört das Zentraltaxamt eigentlich nicht zu den „ausübenden“ Ämtern. Was die Diurnenpauschalierung betrifft, so liege es im Interesse des Dienstes, dem Amtschef eine gewisse Latitude zu lassen. Darin, daß die gemachten Ersparnisse dverrechnet werden müssen und dem subalternend Personal zustatten kommen, liegt ein Vorbauungsmittel gegen eigennützigen Mißbrauch dieser Freiheit.
Der Polizeiminister kann die Reorganisierung des seiner Aufgabe dermal nicht mehr gewachsenen Zentraltaxamtes nun als eine Notwendigkeit anerkennen und stimmt sowohl bezüglich der neuen Gehaltsregulierung als des Diurnenpauschals den plausiblen Anträgen des Finanzministers vollkommen bei. Im selben Sinne sprach sich auch Minister Ritter v. Lasser aus, der nicht absieht, wie man jetzt noch bei der Reorganisierung einer Behörde die Gehalte in einem abgeschafften Münzfuße festsetzen könne, zumal es als Grundsatz gilt, die Bezüge bei sich darbietender Gelegenheit auf österreichische Währung auszurunden. Daß bei dieser Gelegenheit der Status des Zentraltaxamtes im ganzen verbessert werde, zeige das Ziffernresultat. Durch umsichtige Einreihung werde sich eine unbillige Verkürzung der Einzelnen verhüten lassen. Schließlich bekannte sich Ritter v. Lasser als einen entschiedenen Anhänger des Diurnenpauschalsystems, dessen weitere Ausbreitung er nur wünschen könne.
Der Ministerrat vereinigte sich sohin einstimmig mit den Anträgen des Finanzministers8.
IV. Definitive Organisierung des Zentralstempelmagazins
Staatsrat Ritter v. Schwind referierte in Kürze, daß die Differenzen, welche zwischen dem Staatsrat und dem Finanzministerium bezüglich der Anträge des letzteren vom 16. Julius 1864 über die definitive Organisierung des Personal- und Besoldungsstandes beim Zentralstempelverschleißmagazine bestehen, sich im wesentlichen auch auf die Festhaltung der älteren, ursprünglich in Konventionsmünze systemisierten Gehaltsstufen beziehen. Die Bestellung von Assistenten bei diesem Magazine sei vom Finanzminister nicht beanständet worden, da sie zu kleinen Manipulationsgeschäften verwendet werden sollen.
|| S. 96 PDF || In Verfolg des über den Punkt III gefaßten Beschlusses vereinigte sich der Ministerrat gleichfalls mit den Anträgen des Finanzministers über die definitive Regulierung des Zentralstempelmagazins9.
Wien, 3. September 1864. Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 21. September 1864. Empfangen 22. September 1864. Erzherzog Rainer.