Nr. 391 Ministerrat, Wien, 21. September 1863 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- (zuerst als Protokoll II v. 21. 9. 1863 bezeichnet) RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 24. 9.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Lichtenfels, Esterházy, Burger, Hein; abw.abwesend Wickenburg, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 19. 10.
MRZ. 1199 – KZ. 3317 –
Protokoll des zu Wien am 21. September 1863 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Internierung des Insurgenten Józef Wysocki
Der Polizeiminister sprach die Behandlung des polnischen Insurgenten, der für Wysocki gehalten wird, bei dem es jedoch nicht gelungen ist, die Identität der Person außer Zweifel zu setzen, da niemand sich zu einer Zeugenschaft dieser Art herbeilassen will1. Jedenfalls aber ist die hervorragende Teilnahme dieses Mannes am Aufstand konstatiert, und es erscheint rätlich, denselben nicht nach Olmütz, sondern weiter rückwärts zu internieren. Baron Mecséry würde hiezu Linz wählen, wogegen von keiner Seite eine Erinnerung erhoben wurde2.
II. Beratung des Vereinsgesetzes im Ausschuß des Abgeordnetenhauses
Der Vereinsgesetzausschuß des Abgeordnetenhauses hat dem Vernehmen nach seinen Entwurf beendigt, und es steht zu erwarten, daß die Minister demnächst zur Schlußberatung eingeladen werden3. Der Entwurf eines Gesetzes von solcher Wichtigkeit erheischt aber die sorgfältigste Erwägung von Seite der Regierung, bevor sie sich zu bestimmten Erklärungen über denselben herbeilassen kann, und doch ist es möglich, daß der Entwurf so kurze Zeit vor der Sitzung erst mitgeteilt wird, daß man auf eine genaue Prüfung gar nicht eingehen könnte. Baron Mecséry gedächte daher, in einem solchen Falle vom Ausschusse eine achttägige Frist zur Prüfung in || S. 302 PDF || Anspruch zu nehmen, mit dem Bedeuten, daß die Regierung sonst jede Äußerung über den Gesetzesentwurf auf die Beratung in pleno des Hauses zu verschieben sich genötigt sähe.
Minister Ritter v. Lasser war mit diesem Antrage einverstanden, als auch er bereits im Fall gewesen ist, sich einer Überrumpelung bei Beratung des Vereinsgesetzes im Ausschusse zu verwahren, und zwar mit bestem Erfolg. Übrigens habe der Vereinsreferent im Staatsministerium bereits den Auftrag erhalten, sich für die bevorstehende Prüfung und Diskussion vorzubereiten4.
III. Grundzüge für die Organisation der politischen Behörden – Personal- und Besoldungsstatus
Der Präsident des Staatsrates referierte über den Vortrag des Ministers Ritter v. Lasser vom 28. Julius 1863 mit den Grundzügen für die künftige Einrichtung und Wirksamkeit der politischen Behörden5, a . Nachdem der Staatsrat sich bei seiner Begutachtung in mehreren Punkten von den ministeriellen Anträgen getrennt hatte6, setzte sich Freiherr v. Lichtenfels mit den Ministern ins Einvernehmen, und es wurden dabei einige Punkte beglichen und die noch schwebenden Differenzen für die heutige Beratung vorbehalten. Dieselben sind folgende:
1. Minister Ritter v. Lasser beantragt Art. IX, daß in den kleinen Kronländernb die Landesstellen wieder, so wie früher, Regierung und der Landeschef Landespräsident zu heißen, die Räte, Sekretäre und Konzipisten den Titel Regierungsräte, -sekretäre und -konzipisten zu führen hätten etc. Dem Staatsrate schien dagegen die Einteilung in Statthaltereien und Landesregierungen einer inneren Begründung zu entbehren. Der Landespräsident sei für sein Kronland in ganz gleicher Weise Repräsentant wie der Statthalter für sein größeres Land, er sollte daher konsequent denselben Namen || S. 303 PDF || führen. Eine Änderung in seiner sonstigen Ausstattung erscheine nicht nötig. Minister Ritter v. Lasser äußerte, die bei zwei Organisierungen der politischen Behörden gesammelten Erfahrungen hätten ihn bestimmt, auf der beantragten Unterscheidung von Statthaltereien und Regierung zu beharren. Der Name „Statthalter“ und „Statthalterei“ habe überall – man möge sich auch dagegen sträuben – einen größeren behördlichen Apparat und größere Auslagen im Gefolge. In kleineren Städten lebt man leichter mit geringeren Bezügen. In Krakau dagegen sei der Apparat einer Statthalterei notwendig, und der Minister finde daher gegen diese Benennung – vorausgesetzt, daß der Chef, welchem der Generalgouverneur untersteht, Präsident genannt werde – nichts zu erinnern.
Der Ministerrat vereinigte sich mit dem Antrage des Ritters v. Lasser.
2. Gegen die im Art. VIII vorbehaltlich besonderer Anordnungen ausgesprochene Bestellung einer Statthaltereikommission zu Trient wurden vom Staatsrate mehrere Bedenken, und zwar auch aus dem Gesichtspunkte erhoben, daß diese Einrichtung, welche, wenn einmal getroffen, nur schwer zurückgenommen werden könnte, den Separationsgeistern der Südtiroler und ihren Ansprüchen auf eine getrennte Landesvertretung nur Nahrung geben dürfte. Baron Lichtenfels glaubte, daß mindestens diese Einrichtung bloß fakultativ für die Regierung und nicht in bindender Weise zu erwähnen wäre. Der Minister des Äußern teilte die Bedenken des Staatsrates gegen die Bestellung einer Statthaltereikommission in Trient, zumal dann die gänzliche Italianisierung Südtirols unaufhaltsam sein würde. Minister Ritter v. Lasser erwiderte, daß, wenn diese Bestimmung cauch aus dem Entwurfc wegbliebe, vielleicht das Abgeordnetenhaus selbe hineinnehmen werde. Administrativ sei die Ausstattung des politischen Chefs zu Trient mit größeren Befugnissen gerechtfertigt, nachdem dieselben seiner weitergreifenden polizeilichen Tätigkeit nur höchst förderlich sein werden. In Deutsch-Tirol wird diese neue Einrichtung keinen schlimmen Eindruck hervorbringen, weil sie die Einheit des Landtags, worauf man den größten Wert legt, unberührt läßt. Bei guter Wahl des Kommissionschefs sei von einem Überwuchern des italienischen Elements nichts zu befürchten, besonders da der Statthalterei zu Innsbruck alle wichtigeren Ernennungen vorbehalten bleiben und sie also auch dabei italienisch redende Deutsche berücksichtigen kann. Der Staatsminister , der Vorstimme beitretend, bemerkt, daß die Expositur auch durch die in Südtirol gegen den Norden scharf wie kaum irgendwo in der Monarchie hervortretenden nationalen Gegensätze gerechtfertigt erscheinen dürfte, und der Marineminister fand die beantragte Einrichtung nicht eben bedenklich, da selbe dem Wirkungskreis nach sich von einem großen Kreisamt wenig unterscheiden würde.
Die übrigen Stimmführer vereinigten sich jedoch mit dem Antrage des Ministers des Äußern, wobei der Kriegsminister bemerkte, wer immer die Tendenzen und Verhältnisse in Südtirol zu beobachten Gelegenheit fand, werde es als einen großen Vorteil betrachten müssen, wenn die dortige Bevölkerung in ihren Angelegenheiten vorzugsweise auf die Innsbrucker Statthalterei gewiesen wird. Unter einer italienischen Expositur würden nur Italiener angestellt werden, zumal – || S. 304 PDF || wie Minister Graf Rechberg beifügte – die nach Innsbruck zu richtenden Besetzungsvorschläge im italienischen Sinn lauten werden.
3. Der Präsident des Staatsrates referierte weiter, Minister Ritter v. Lasser habe sich mit der vom Staatsrat vorgeschlagenen Weglassung der Norm über die Verantwortlichkeit des Landeschefs aus Art. IX, wie auch mit der Benennung capitanato distrettuale (Art. XIV) für die italienischen Bezirksämter einverstanden erklärt, dagegen seinen Antrag festgehalten, daß in Südtirol und Dalmatien die politischen Bezirksbehörden prefetture genannt würden. Ritter v. Lasser fände den Titel prefetto nämlich im Italienischen passender als capitano, und es würde dadurch der überhaupt, besonders aber in Südtirol nicht bloß im Publikum, sondern selbst bei den Bezirksämtern herrschenden Konfusion mit den Nomenklaturen ein Ende gemacht. Nachdem jedoch der Minister des Äußern daran erinnert hatte, daß jüngst im sardinischen Italien die Benennung prefetto eingeführt worden ist und der Polizeiminister den Wunsch ausgesprochen hatte, es möge an den Namen der Behörden so wenig als möglich geändert werden, erklärte Minister Ritter v. Lasser , daß er auf der Einführung der Benennung prefettura etc. in Südtirol nicht beharre.
4. Der Staatsratspräsident fände die Aufnahme der Bestimmungen des Art. XIV über die Festsetzung des Umfangs der einzelnen Bezirkshauptmannschaften überflüssig und selbst nachteilig, weil dadurch dem Reichsrat dund den anderen Landtagend ein Anhaltspunkt gewährt wird, die diesfalls im Verordnungswege zu treffenden Anordnungen der Regierung vor ihr Forum zu ziehen etc. Minister Ritter v. Lasser erwiderte, er lege einen hohen Wert darauf, die Sanktion des Prinzipes zu erhalten, daß man sich an den Umfang der Bezirkshauptmannschaften von 1849 zu halten habe, welcher mit dem der Wahlbezirke identisch ist. Die im 2. Absatz dieses Artikels vorbehaltene Vernehmung der Landesausschüsse, welche jedoch durchaus für die von der Regierung hierauf zu fällende Beschlüsse enthält, sei wohl unbedenklich.
Die Minister Baron Mecséry und Baron Burger traten dem antragstellenden Minister bei. Von den übrigen Stimmführern wurde nichts dagegen erinnert.
5. Auf die vom Staatsratspräsidenten gemachte Bemerkung, daß der, die Überwachung der Unterbehörden durch die Landesstelle vorschreibende 1. Absatz des Art. XVII entbehrlich sei, erwiderte Minister Ritter v. Lasser , daß dieser Passus jedenfalls unschädlich sei und als solcher aus der früheren Organisierung hierher übertragen wurde. Die über den 2. Absatz des Art. XVII bestandene Differenz bezüglich der Untersuchung der Gestion der Bezirksbehörden durch Bezirkshauptleute behob sich durch die bereits erfolgte Zustimmung des Ministers zum staatsrätlichen Antrage auf Weglassung.
6. Die Differenzen zum Art. XIX beziehen sich teils auf das Gebührenschema, teils auf die ferner beigeschlossenen „Anmerkungen“e . a) Personal- und Besoldungsschema: Minister Ritter v. Lasser hat dasselbe mit dem Finanzminister vereinbart und || S. 305 PDF || ist dabei von dem Grundsatz ausgegangen, daß das Minimalgehalt eines Beamten mit 450 fl., jenes eines Dieners mit 300 fl. zu bemessen sei. Die Abrundungen der Beamtengehälter unter 2100 fl. seien zugunsten, jene über 2100 fl. zwar zum Nachteile der bezüglichen Kategorie, aber doch in der Art beschlossen worden, daß kein Funktionär an seinem damaligen Genusse etwas verlieren solle. Es schien dem Minister wünschenswert, die Gehalte und Nebengenüsse ein für allemal jetzt feststellen zu lassen, um dadurch den jährlich sich wiederholenden Nörgeleien bei den Budgetverhandlungen zu entgehen. Man erinnere sich an die Reduktion der Funktionszulage des Statthalters Ritter v. Toggenburg7! Der Staatsratspräsident fand es gleichwohl zweifelhaft, ob diese Normierung, wovon die Regierung fortan, selbst bei rücksichtswürdigen Umständen, nicht mehr abgehen könnte, von Nutzen sei. In bezug auf die Ziffern teilt Baron Lichtenfels die Meinung der mehreren Stimmen im Staatsrate, daß die Abrundung der Besoldungen auch in den Klassen über 2100 fl. nicht zum Nachteil der Beamten ausfallen soll, fsondern den Beamten, wenn die Abrundung schon nicht zu ihrem Vorteile geschehen könne, jene Bezüge zu bleiben hätten, welche jeder Klasse bisher zugewiesen warenf . Der Finanzminister bemerkte, der Besoldungsstatus sei von ihm mit dem Staatsministerium als Ganzes vereinbart worden, und die Reduktion der Gehalte ober 2100 fl. bei der Ausrundung stehe als Kompensation mit der Erhöhung der Gehalte unter 2100 fl. in notwendigem Zusammenhange. Es handelt sich um eine Mehrauslage von Millionen, und der Minister müsse daher beantragen, daß vor einer Beschlußfassung die Ziffer der resultierenden Vermehrung berechnet werde. Der Staatsratspräsident erklärte, unter den gegenwärtigen Teuerungsverhältnissen könne von einer weiteren Verminderung der Gehalte was immer für einer Kategorie nicht ohne höchste Unbilligkeit die Rede sein. Man ist darin schon nur zu weit gegangen und hat namentlich in der Justizsphäre Gehalte, die bereits vor mehr als 50 Jahren systemisiert waren, zweimal herabgesetzt.
Die mehreren Stimmen vereinigten sich mit dem Antrage des Staatsratspräsidenten. b) Anmerkungen zum Schema: Der Staatsratspräsident hält es nicht für ratsam, die vielen darin enthaltenen speziellen Anordnungen zum Gegenstand einer Vereinbarung mit dem Reichsrate zu machen. Es sei nicht abzusehen, warum die Diätenklassen, die Bestimmungen über den Konkretalstatus, über die Beförderung eines Statthaltereikonzipisten zum Bezirkskommissäre etc. in die Gesetzgebung aufzunehmen seien. Diese Gegenstände könnten auch künftig, wie bisher, im Verordnungswege geregelt werden. Mehrere Punkte gehören überdies in die Dienstespragmatik aller, nicht bloß der politischen Beamten.
Nachdem die Minister der Polizei, der Finanzen, der Marine und der Minister Ritter v. Hein sich in ähnlicher Weise geäußert und die Besorgnis über die Konsequenzen, die eine solche Normierung im politischen Dienst auf die übrigen Branchen haben würde, geäußert hatten, erklärte Minister Ritter v. Lasser , daß er zwar || S. 306 PDF || nicht auf die Beibehaltung des vollen Inhalts „der Bemerkungen“ bestehen wolle, aber doch immerhin auf die Feststellung mancher Bestimmungen daraus einen großen Wert legen müsse. Se. k. k. Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer forderte hierauf den Minister Ritter v. Lasser auf, sich im kurzen Wege mit dem Staatsratspräsidenten über die aus den Bemerkungen zu eliminierenden Punkte zu verständigen.
7. Laut Art. XXV sollen die Angestellten der gegenwärtigen Landesstellen, Kreisbehörden und Bezirksämter drei Monate vor dem Zeitpunkte, mit dem die neue Organisation ins Leben tritt, in den Stand der Verfügbarkeit versetzt werden. Der Staatsratspräsident hält die Kalamität einer dritten Disponibilität für die so zahlreichen politischen Beamten aufgrund der nunmehr reichlich gesammelten Erfahrungen weder für notwendig noch für den Dienst oder den Staatsschatz nützlich. Minister Ritter v. Lasser äußerte, er bezwecke durch die Verfügbarkeit, sich eine freiere Hand bei Versetzungen der Beamten etc. zu verschaffen. Man muß den Angestellten den Wahn nehmen, daß sie ein jus quaesitum8 auf ihren Posten besitzen. Andererseits brauche der Minister die Sanktion dieses Artikels im Interesse der neu verfügbar werdenden Beamten selbst, damit sie nach den milderen Disponibilitäts- und nicht nach den Quieszenzvorschriften behandelt werden können. Der Staatsratspräsident erinnert an den peinlichen Eindruck der Maßregel, als seinerzeit alle Appellationsräte etc. in Disponibilität traten und erst wieder angestellt werden mußten. Die schließlich in der Tat entbehrlich werdenden Beamten allein treffe das Los der Verfügbarkeit. Über es ist kein Grund vorhanden, alle zu entlassen, um sie dann größtenteils wieder anzustellen.
Der Polizeiminister , mit dem sich schließlich die übrigen Minister vereinigten, trat dieser letzteren Meinung bei, wonach die Versetzung in den Stand der Verfügbarkeit auf diejenigen Beamten zu beschränken wäre, welche bei dem Vollzug der Organisation tatsächlich keine Verwendung finden. Der Finanzminister drückte hiebei den Wunsch aus, daß in den „Grundzügen“ bezüglich der Disponibilitätsvorschriften nicht normiert werde9.
Wien, 24. September 1863. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 19. Oktober 1863. Empfangen 19. Oktober 1863. Erzherzog Rainer.