Nr. 269 Ministerrat, Wien, 10. und 13. Oktober 1862 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- Sammelprotokoll; RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht (Erzherzog Rainer 14. 10.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mertens; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 24. 10.
MRZ. 1073 – KZ. 3225 –
Protokoll des zu Wien am 10. und 13. Oktober 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer. [Sitzung vom 10. Oktober 1862] [anw. Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Forgách, Esterházy, Mertens; abw. Degenfeld, Pratobevera, Burger]
I. Proklamation der sächsischen Nationsuniversität Siebenbürgens
Der Minister Graf Nádasdy referierte über die Anträge der seiner Leitung anvertrauten siebenbürgischen Hofkanzlei, betreffend die au.a Vorstellung der sächsischen Nationsuniversität (de dato 29. März 1862) wegen praktischer Durchführung des Prinzips der nationalen Gleichberechtigung in Siebenbürgen, auf Grundlage der Staatsgrundgesetze vom 20. Oktober und 26. Februar (Vortrag 20. Juni 1862)1. Laut der vom Referenten gegebenen gedrängten Darstellung dieser „Vorstellung“ findet die sächsische Nation es für nötig sich auszusprechen, in welcher Weise sie zur Durchführung des großen Verfassungswerkes mitzuwirken entschlossen ist, wie sie den Gedanken der Gleichberechtigung gegenüber ihren Mitnationen in Siebenbürgen auffaßt, und wie endlich auch auf dem eigenen Gebiete der Munizipalverfassung die unerläßlichen Reformen in Einklang mit den Forderungen des Gesamtstaates in Wirksamkeit zu bringen sind. Die sofort zur Sprache gebrachten Anträge und Bitten der sächsischen Nationsuniversität zerfallen in drei Hauptteile, deren erster die Grundsätze für den Neubau des öffentlichen Rechts in Siebenbürgen, der zweite Vorschläge zur praktischen Durchführung der Gleichberechtigung der romanischen Nation und der dritte Vorschläge zu der im Verordnungswege zu verfügenden neuen Zusammensetzung des nächsten Landtages, um dessen baldige Berufung gebeten wird, enthält. Das siebenbürgische Gubernium findet, daß die Universität kein Recht hatte, derlei staatsrechtliche || S. 266 PDF || Prinzipien zum Gegenstande ihrer Verhandlung zu machen und darüber Anträge zu stellen. Ohne sich daher in eine nähere Erörterung der einzelnen Punkte der sächsischen Repräsentation einzulassen, bittet das Gubernium, daß die Universität zur Stellung der gemachten Anträge inkompetent erklärt werde2. Eine Minorität von zwei Stimmenb aber pflichtete dem meritorischen Teile der sächsischen Repräsentation bei. Die siebenbürgische Hofkanzlei ist des Erachtens, daß es der Ah. Anerkennung würdig sei, wenn die sächsische Nationsuniversität unter loyalen Kundgebungen frei und offen ausspricht, daß sie das kaiserliche Diplom vom 20. Oktober 1860 und das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 als die Grundlage zur Regelung der Verhältnisse des Großfürstentumes anerkenne und zur Durchführung tätig mitwirken wolle. Das Recht der Universität, die hiemit im Zusammenhang stehenden Bitten und Anträge an die Stufen des Thrones gelangen zu lassen, könne ihr ebensowenig als einen anderen gesetzlich bestehenden Repräsentativkörper und jeder Privatperson abgesprochen werden. Bezüglich der einzelnen Punkte der Repräsentation teilt die Hofkanzlei die Ansicht, daß die im ersten und zweiten Teil derselben enthaltenen Fragen nur im Wege der Gesetzgebung von dem nächsten Landtage3 endgiltig entschieden werden können, wobei dann die vorliegenden Anträge zu berücksichtigen sein werden. Was die von der Universität weiters angesuchte provisorische Regelung der Geschäftssprache der Behörden im inneren Dienst und nach außen betrifft, so sei dafür bereits mit Ah. Entschließung vom 21. Dezember 1860 das Nötige vorgekehrt, und es bedürfe daher keines weiteren Provisoriums4. Die von der Universität drittens beantragten Grundsätze über die neue Zusammensetzung des Landtages stehen im engsten Zusammenhange mit der Ah. Ernennung der Regalisten. Die Hofkanzlei behält sich daher vor, bei Erstattung ihrer eigenen au. Anträge über den Landtag, die Vorschläge der Universität in neuerliche Erwägung zu ziehen und Allerhöchstenorts zu unterbreiten, von welchem Vorhaben die Universität mit Ah. Genehmigung in Kenntnis zu setzen wäre. Dieses vorausgeschickt, erbittet || S. 267 PDF || sich die Hofkanzlei, cmit welcher sich der Staatsrat in Wesen und in der Form einverstanden erklärt hatc, 5, folgende Ah. Entschließung: „Indem Ich für diesen neuen Beweis der Loyalität, Treue und Hingebung der sächsischen Nationsuniversität an Mein Herrscherhaus und an die von Mir sanktionierten Staatsgrundgesetze derselben Meine Befriedigung zu eröffnen anordne, genehmige Ich die übrigen Anträge Meiner königlich siebenbürgischen Hofkanzlei.“ Die minderen Stimmen der Hofkanzlei (Baron Salmen und Baron Reichenstein) trennen sich von dem vorstehenden Antrage insofern, als sie glauben, daß die Vorstellung direkt durch ein anerkennendes und auf die Punkte mehr eingehendes Ah. Reskript zu beantworten wäre. Die Majorität ging aber auf diese Modalität deswegen nicht ein, weil bisher im Sinne der Ah. Verordnungen, Ah. Resolutionen stets im Wege des Guberniums bekanntgegeben wurden und die 1848 und 1849 diesfalls vorgekommenen Ausnahmen in den damaligen außerordentlichen Verhältnissen und dem Umstande ihren Grund fanden, daß zu jener Zeit keine siebenbürgische Hofkanzlei als Organ des Monarchen bestand6. Schließlich bemerkte noch Minister Graf Nádasdy, er werde dafür sorgen, daß die Erledigung der Hofkanzlei vom Gubernium der Universität nach der bestehenden Vorschrift in der Sprache der Eingabe — der deutschen — eröffnet werde. Da übrigens das von den minderen Stimmen proponierte Ah. Reskript, welches der referierende Minister vorlas, manches düber die Verfassungsangelegenheitd enthält, wovon man sich einen guten Eindruck versprechen kann, gedenke er diese Stellen in den Entwurf der zu publizierenden Ah. Entschließung aufzunehmen.
Der ungarische Hofkanzler würde es vorziehen, wenn die Ah. Entschließung ganz kurz gefaßt bloß den Ausdruck der Ah. Anerkennung enthielte. Man sollte nämlich Sr. Majestät dem Kaiser nicht zu viele Worte in den Mund legen, zumal die Durchführung des Staatsgrundgesetzes, durch Wiederholung eund Erwähnung der Staatsgrundgesetze aus Ah. Mund, auch dort, wo es nicht notwendig [ist], nicht gefördert und nur die Ah. Person des Souveräns immer in die erste Reihe gestellt wird, was der ungarische Hofkanzler zu vermeiden vorhate . Der Minister Graf Nádasdy erwiderte, eine Regierung müsse wissen, was sie will, und dürfe sich auch nicht scheuen, es auszusprechen, damit die Bevölkerung darüber nicht ungewiß bleibe. Deswegen halte er es für angezeigt, daß in der Resolution des 26. Februars ausdrücklich gedacht werde. Es gibt wohl Kronländer, äußerte der Staatsminister , wo eine Ah. Erinnerung an den 26. Februar durchaus nicht nötig ist, aber Siebenbürgen gehört nicht zu denselben. Das Staatsgrundgesetz || S. 268 PDF || begegnet dort magyarischerseitsf vielfachem Widerspruch, und die offene feierliche Erklärung der Sachsen, daß sie an diesem Gesetze festhalten wollen, verdient eine ebenso offene kaiserliche Erwiderung. Es mögen daher in Siebenbürgen dieselben kaiserlichen Worte erschallen, die Se. Majestät in der Thronrede vom 1. Mai gesprochen haben7. Ritter v. Schmerling sträube sich nicht gegen jede Modifikation des 26. Februars, aber bisher habe er noch keinen positiven Vorschlag vernommen, der etwas Besseres gebracht hätte. Solange also nichts anderes (und zwar Annehmbares) vorliegt, sei es nur konsequent, wenn die Regierung an jenem Staatsgrundgesetz festhalte. In formaler Beziehung stimme der Staatsminister für eine Ah. Entschließung. Auch der Minister des Äußern stimmte für diese Form, jedoch mit dem Beisatze, daß die Ah. Person möglichst aus dem Spiele gelassen werden sollte, wie es der ungarische Hofkanzler beantragt hat. Die Minister Baron Mecséry, Ritter v. Lasser und Edler v. Plener, dann der Handelsminister stimmten dem Minister Graf Nádasdy in allen Punkten bei, indem sie eine ausdrückliche Erwähnung des 26. Februars für nötig halten. Doch glauben die beiden Erstgenannten, dem Grafen Nádasdy anheim geben zu sollen, eine im Vergleich zum Reskriptsentwurf kürzer lautende Ah. Resolution zu textieren.
Der Präsident des Staatsrates , dem referierenden Minister ebenfalls beitretend, äußerte, er betrachte jede Gelegenheit als erwünscht, welche sich darbietet, um die Zweifel zu beheben, die in Siebenbürgen über die Verfassungsangelegenheit bestehen. Der Stellvertreter des Kriegsministers vereinigte sich mit der Meinung des Ministers Ritter v. Lasser, Minister Graf Esterházy mit jener des ungarischen Hofkanzlers, und Graf Nádasdy sicherte zu, daß er den nach dem Beschlusse der Stimmenmehrheit neu zu redigierenden Resolutionsentwurf demnächst im Ministerrate vorlesen werdeg, 8.
II. Bitten der romanischen Nation in Siebenbürgen
Der Minister Graf Nádasdy referierte über die in den Jahren 1860 und 1861 mittels der Gesuche der Bischöfe Sterka-Sulucz und Schaguna und der sogenannten romanischen Intelligenz zur Ah. Kenntnis gebrachten Bitten und Wünsche der romanischen Nation in Siebenbürgen9. In diesen Gesuchen werden nach Vorausschickung || S. 269 PDF || des Ausdruckes von Dank und Untertanentreue folgende Bitten gestellt:
1. Die ag. Ausfertigung eines „Leopoldinischen“ Diploms über die Gleichberechtigung der Romanischen Nation10. 2. Die Ernennung eines romanischen Hofkanzlers und die der übrigen Hofkanzleibeamten nach Verhältnis der Seelenzahl der drei Nationen. 3. Vernehmung der Bischöfe vor Ernennung der Mitglieder der Karlsburger Konferenz und anderer Funktionäre. 4. Ah. Ausspruch über die Gleichberechtigung der siebenbürgischen Landessprachen. 5. Zugeständnis direkter Wahlen in den Landtag mit nationaler Gleichberechtigung in demselben. 6. Abhaltung eines romanischen Nationalkongresses. 7. Die Aufnahme der Romanenfrage in die königlichen Propositionen. 8. Die Aufnahme der Freiheiten der Romanen in den konstitutionellen Eid. Die Hofkanzlei äußert hierüber:
zu 1., daß ein Gesetzartikel über die Gleichberechtigung dieselbe staatsrechtliche Wirkung haben werde als ein Diplom; daß die Bitte zu 2. durch die mittlerweilen erfolgten Berufungen von Romanen in die siebenbürgische Hofkanzlei erledigt sein dürfte sowie die Bitte 3., nach dem die Karlsburger Konferenz schon vorlängst stattgefunden hat11. 4. Der Ausspruch über die Gleichberechtigung der Landessprachen sowie 6. die Abhaltung eines Nationalkongresses habe ebenfalls stattgefunden. Ad 7. die Aufnahme der Romanenfrage in die königlichen Propositionen habe bereits stattgefunden, und die Wünsche ad 5. und 8. würden seinerzeit die gebührende Berücksichtigung finden. Die siebenbürgische Hofkanzlei stellt sonach den Antrag, Se. k. k. apost. Majestät wolle der romanischen Nation für die Kundgebung ihrer loyalen Grundsätze, Anschauungen und Absichten die Ah. Befriedigung auszudrücken geruhen. In bezug auf die Erledigung der oberwähnten Gesuchspunkte aber die au. Anträge der Hofkanzlei ag. genehmigen12. Der Resolutionsentwurf lautet: „Indem Ich der romanischen Nation Siebenbürgens für den Beweis ihrer Loyalität, Treue und Hingebung an Mein Herrscherhaus und an die von Mir sanktionierten Staatsgrundgesetze Meine Befriedigung zu eröffnen anordne, genehmige Ich die übrigen Anträge Meiner königlichen siebenbürgischen Hofkanzlei.“ Schließlich erwähnte der Minister Graf Nádasdy, daß der Staatsrat bei der darüber gepflogenen Beratung den obigen Resolutionsentwurf zur Ah. Genehmigung empfohlen habe13.
Der Ministerrat trat den Anträgen der siebenbürgischen Hofkanzlei vollkommen bei, nachdem Graf Nádasdy über eine Anfrage des Finanzministers aufgeklärt || S. 270 PDF || hatte, daß im Resolutionsentwurf des Grundgesetzes vom 26. Februar deswegen keine ausdrückliche Erwähnung geschieht, weil sich auch in den Eingaben der Romanen nicht darauf berufen wird14.
III. Sprachenstreit über die Eidesformel des siebenbürgischen Gerichtstafelassessors Adolph Romanu
Minister Graf Nádasdy referierte über den Hofrekurs des zum Assessor der königlichen Gerichtstafel ernannten Georg Romanu15 gegen die ihm auferlegte Ablegung seines Diensteides in ungarischer Sprache und gegen die infolge seiner Weigerung verfügte Gehaltssperre. Die Majorität der siebenbürgischen Hofkanzlei findet diesen Rekurs in beiden Punkten nur zur Abweisung geeignet, nachdem die ungarische Sprache die innere Geschäftssprache der königlichen Gerichtstafel ist und Romanu, dem es nur um eine Demonstration zu tun ist, laut seiner eigenhändigen Qualifikationstabelle Ungarisch versteht. Die Hofräte Baron Reichenstein und Moldovan glaubten dagegen, daß dem Rekurs Folge zu geben sei, weil kein Gesetz über die Sprache besteht, in welcher der Amtseid in Siebenbürgen abzulegen ist, und der Amtseid mit der Geschäftssprache in keinem notwendigen Zusammenhange steht. Minister Graf Nádasdy teilt die Meinung der Majorität, zumal man vor 1848 keinen Anstand genommen habe, die Diensteide bei den siebenbürgischen Behörden lateinisch abzulegen, obgleich dieses keine der Landessprachen war. Auch der Staatsrat habe keinen Grund gefunden, weshalb Romanu den Diensteid in einer anderen als in jener Sprache abzulegen habe, in welcher seine Nationsgenossen, die ebenfalls zu Beisitzern der königlichen Tafel, dann zu Räten des Guberniums und der Hofkanzlei ernannt wurden, denselben anstandslos abgelegt haben16.
Der Ministerrat vereinigte sich mit dem Antrage des Referenten, welcher den gefaßten Beschluß der Hofkanzlei zur genehmigendenh Ah. Kenntnis zu bringen beabsichtigt hat17.
IV. Konzessionsbewerbung des Georg Freiherrn v. Thierry um die Kaschauer Eisenbahn
Der Handelsminister referiert über die Bitte des Barons Adolph Thierry, daß ihm behufs der Erlangung der Konzession für die von ihm projektierte Verbindung von Kaschau und Oderberg mittels einer Eisenbahn dieselben Begünstigungen zuerkannt würden, wie sie ihm für die Eisenbahnkonzession Arad—Hermannstadt—Rotenturm[paß] bewilligt wurden. Letztere bestehen darin, daß ihm zur Zustandebringung einer Gesellschaft ein Termin von 18 Monaten und außerdem noch ceteris paribus der Vorzug vor bis dahin auftretende Mitbewerber zugestanden || S. 271 PDF || wurde18. Für die Trasse Kaschau—Oderberg hat Baron Thierry nämlichi bis jetzt nur eine Frist von sechs Monaten ohne Vorzugsrecht. Graf Wickenburg gedächte dieses Gesuch nicht zu bewilligen, da die Sache dadurch um ein Jahr später zustande gebracht werden dürfte, was im Interesse des Verkehres lebhaft bedauert werden müßte. Tatsächlich hat Baron Thierry zur Förderung dieser Angelegenheit noch nichts unternommen, während das Handlungshaus „Brüder Riche“ in Hamburg, in Verbindung mit anderen gleichfalls sehr akkreditierten Firmen, bereits die technischen Vorarbeiten bezüglich der Bahntrasse in Gang gebracht hat und überhaupt ein vertrauenverdienender Konzessionswerber zu sein scheint. Unter diesen Umständen würde nach Ablauf der sechsmonatigen Begünstigungsfrist für Baron Thierry demjenigen Bewerber der Vorzug zu geben sein, der am ersten die Vorbedingungen der Konzession zu erfüllen imstande ist.
Der Polizeiminister erwiderte, daß hiebei die Priorität allein nicht entscheiden könne, sondern, wenn wie hier die Bahntrassen nicht identisch sind, die Vorteile der einen oder andern Trasse wesentlich berücksichtigt werden müßten. Baron Thierry dürfte über die Festhaltung dieses Gesichtspunktes zu beruhigen sein, da die von ihm projektierte Trasse besser ist. Der Minister des Äußern bemerkte, daß nach den ihm zugekommenen Nachrichten die Firma Riche nur ein Strohmann ist, hinter der ganz andere Leute stecken. Der von Riche behufs der Vorerhebungen nach Pest entsendete Szontagh sei ein Agent Kossuths, von dem die Sache als politisches Agitationsmittel benützt werden will. Wie könnte man so feindlichen Elementen durch eine Konzession des Land eröffnen! Der ungarische Hofkanzler erwiderte, Szontagh sei allerdings vom reichen Hause Riche als Vertreter behufs der Vorerhebungen nach Ungarn entsendet worden. Dieser Flüchtling gehöre übrigens nicht zu den stark kompromittierten und soll sich von Kossuth getrennt haben. Gegenwärtig befindet er sich zu Pest in Untersuchungshaft. Wenn Riche in ein paar Monaten als Konzessionswerber wirklich auftritt, wird man die bis dahin auch mehr geklärte politische Seite mit aller Umsicht prüfen können. Bezüglich der Behandlung des vom Baron Thierry eingebrachten Gesuches stimme Graf Forgách mit dem Handelsminister. Mit dem letzteren vereinigten sich gleichfalls der Staats- und der Finanzminister, dann FML. Freiherr v. Mertens19.
|| S. 272 PDF || Fortsetzung der Beratung über den Punkt I in dem Ministerrate am 13. Oktober 1862. Vorsitz und Gegenwärtige wie bei der Beratung am 10. Oktober 1862.
Minister Graf Nádasdy las den anverwahrten, nach dem Antrage der mehreren Stimmen im Ministerrate verfaßten Entwurf einer Ah. Entschließung über den au. Vertrag der siebenbürgischen Hofkanzlei betreffend die Repräsentation der sächsischen Nationsuniversität20.
Der Minister des Äußern erklärte, er müsse auf der bereits am 10. d. M. ausgesprochenen Meinung beharren, daß der von der siebenbürgischen Hofkanzlei vorgeschlagene kürzere jund eine Belobigung ausdrückendej Resolutionsentwurf zur Ah. Genehmigung zu unterbreiten wäre. Die Minister mögen sich so oft und solang aussprechen, als sie es für nötig finden, aber die Ah. Person dürfe man nur selten und ohne Weitschweifigkeit redend anführen. Die so oftmalige Wiederholung des Festhaltens an der Verfassung vom 26. Februar nützt nicht nur nichts, sondern wirkt vielmehr dem beabsichtigten Zwecke gerade entgegen. Der starre Ausspruch „du mußt“ wirkt nämlich bei Völkern — nach den Gesetzen der menschlichen Natur — nur aufreizend. Der ungarische Hofkanzler und Minister Graf Esterházy blieben ebenfalls bei ihrer früheren Meinung, nachdem derlei unnotwendige Wiederholungen auf die große Majorität der Bewohner der Länder der ungarischen Krone nur aufreizend wirken. Minister GrafNádasdy erwiderte, er habe sich bei der Textierung der Ah. Entschließung nur an den von ihm geteilten Beschlusse der Stimmenmehrheit gehalten. Die Sachsen haben es nicht gescheut, sich — den entgegengesetzten Gesinnungen ihrer Nachbarn gegenüber — mit Entschiedenheit für den 26. Februar auszusprechen21. Die Regierung müsse den Mut haben, ihre Anerkennung dafür unzweideutig auszusprechen, widrigens die sächsische Nation ganz irre werden würde. Der Polizeiminister stimmte dem verlesenen Entwurfe im ganzen bei und beantragte nur die Weglassung der Worte, „an welcher (Verfassung) festhalten zu wollen, Ich wiederholt feierlich verkündet habe“, da dieser Zwischensatz in der Tat nur eine unnotwendige Wiederholung enthält.
Der Finanzminister, kder Staatsministerk und der Präsident des Staatsrates fanden dagegen diesen Passus keineswegs überflüssig; allein die übrigen Stimmen traten || S. 273 PDF || dem Polizeiminister bei, und Graf Nádasdy äußerte, gegen die Weglassung des beanständeten Satzes keine Erinnerung zu erheben22.
Wien, 14. Oktober 1862. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, den 24. Oktober 1862. Empfangen 24. Oktober 1862. Erzherzog Rainer.