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Nr. 219 Ministerrat, Wien, 1. April 1862 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Schurda; VS. Erzherzog Rainer; BdE und anw. (Erzherzog Rainer 1. 4.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy; abw. Pratobevera, Forgách; BdR. Erzherzog Rainer 12. 4.

MRZ. 1024 – KZ. 1059 –

Protokoll des zu Wien am 1. April 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.

I. Bedrängte Lage der Staatsfinanzen; Beschleunigung der Verhandlungen über die Nationalbankfrage im Abgeordnetenhaus

Der Finanzminister referierte über die gegenwärtige bedrängte Lage der Finanzen und über die dringende Notwendigkeit, zur Abwehr der voraussichtlichen Verlegenheiten geeignete Vorkehrungen zu treffen.

|| S. 378 PDF || Die Mittel und Kassabestände seien derart beschaffen, daß in der zweiten Hälfte des Monates Mai keine Bedeckung mehr vorhanden sein wird. Das Defizit des Monates Mai stellte sich auf 13 Millionen und obzwar Aussicht vorhanden ist, im Wege der Creditanstalt und vielleicht auch der Salzverlagsgesellschaft 5 bis 6 Millionen zu bekommen, so reiche das alles nicht hin, um den Betrag von 13 Millionen zu decken, daher es dringend notwendig erscheine, daß die diesbezüglichen Finanzvorlagen schleunigst zum Abschlusse kommen1. Nun befinden sich dieselben und namentlich die Bankvorlage, deren schnelle Erledigung mit Rücksicht auf die obige Bedrängnis besonders angestrebt werden müsse, noch immer erst in Verhandlung bei den Ausschußabteilungen2, und es soll sogar dem Vernehmen nach das Haus die Absicht haben, sich am 7. d. M. wegen der Osterfeiertage auf drei Wochen zu vertagen, wodurch diese dringenden Angelegenheiten wieder verzögert werden, wozu noch komme, daß das vorgelegte Übereinkommen allem Anscheine nach nicht ohne wesentliche Modifikationen angenommen werden wird, was wieder erst eine weitere Verhandlung mit dem Bankausschusse3 bedingt. Das alles scheine also nach dem bisherigen Gange noch so viel Zeit zu brauchen, daß die Mittel zur Zeit des Bedarfes nicht da sein werden. Bei dieser Sachlage glaubt daher der Finanzminister darauf antragen zu sollen, daß die Regierung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin wirken möge, daß die gedachten Finanzvorlagen von dem Finanzausschusse mit der größten Beschleunigung dem Hause zur Verhandlung vorgelegt und dort zum Abschlusse gebracht werden, wobei zur Motivierung im vertraulichen Wege eine Andeutung über adie Gründe der Notwendigkeit einer schnelleren Behandlung an vertrauenswürdige Abgeordnetea gemacht werden könnte. Ein zweiter Weg wäre allenfalls der, mit einem Dringlichkeitsantrage vor das Haus zu treten, was bei den obwaltenden Verhältnissen auch korrekt wäre, doch glaubt aber der Finanzminister, den vorbezeichneten Weg vorziehen und denselben der hohen Konferenz zur näheren Erwägung empfehlen zu sollen.

Bei der hierüber gepflogenen Erörterung bezweifelte der Staatsminister , daß mit dem Vorschlage des Finanzministers der von ihm beabsichtigte Zweck erreicht würde, da selbst bei dem schnellsten Gange, den man bezüglich der gedachten Verhandlungen im Reichsrate bewirken könnte, es doch faktisch kaum möglich sein dürfte, daß die Sachen, namentlich die Bankvorlage, bis zum 15. Mai vollständig zu Ende geführt werde, mithin der Finanzminister immer in der Lage bliebe, die schon für den nächsten Monat dringend nötigen Geldmittel auf anderem Wege zu schaffen. Andererseits verlangen aber politische Rücksichten, daß diese Sache nicht präzipitiert werde, denn bekanntlich ist bezüglich der Bankfrage in dem speziellen Ausschusse ein Zwiespalt entstanden, indem die eine Partei das vorgelegte Übereinkommen ganz verwirft, während die andere Partei dieses Übereinkommen || S. 379 PDF || zwar zur Grundlage zu nehmen, jedoch mehrere Modifikationen vorzuschlagen gedenkt. Welche Ansicht bei den in dieser Sache sehr tätigen Agitationen die Oberhand gewinnen wird, lasse sich zur Zeit noch schwer voraussehen, und wenn auch, soweit die Strömung im Finanzausschusse bekannt ist, vielleicht gehofft werden könnte, daß in der Plenarberatung des Ausschusses das Übereinkommen im Prinzipe angenommen werde, so dürfte dieses doch immer sehr knapp gehen und jedenfalls auch ein Minoritätsvotum da sein, welches nicht zu unterschätzen sein wird, zumal die Träger desselben sogar mit dem Plane umgehen sollen, die Rechte für sich zu gewinnen und sie zur Mitstimmung bei der diesfälligen Verhandlung im Hause zu bewegen und so in der Sache das Übergewicht zu erlangen. Unter diesen Verhältnissen und bei den gegenwärtig sehr schwankenden Ansichten der einzelnen Mitglieder würde [sich] ein Eingreifen rücksichtlich Antreiben seitens der Regierung zur schnellen Erledigung der Sache durchaus nicht zweckmäßig erweisen, vielmehr würde es Ritter v. Schmerling für gut und ratsam finden, daß man in dieser Frage die Ostern vorübergehen lassen solle, weil durch diese Vakanz das jetzige Getriebe unterbrochen [wird], die erhitzten Gemüter sich etwas abkühlen und überhaupt die Ansichten der einzelnen sich klären dürften, nebstdem aber auch die Zeit dazu benützt werden könnte, sich mit den Gutgesinnten noch besser zu verständigen und sie zur entsprechenden Tätigkeit anzueifern. Jedenfalls würde aber der Staatsminister den größten Wert darauf legen, ja nicht dem Hause die gegenwärtige Bedrängnis des Staates zu verraten, indem dadurch jener Partei, die niemals die Sache selbst, sondern die Verfolgung ihrer selbstsüchtigen Zwecke beherzigt, die gefährlichste Waffe in die Hand geliefert sein würde. Eher könnte es die Regierung auf sich nehmen, daß, im Falle diese Frage im Generalausschusse gegen die Regierung entschieden werden sollte, die Reichsratssession geschlossen und in Absicht auf das Übereinkommen mit der Bank im Ordonnanzwege vorgegangen werde, was gewiß von allen rechtlich Denkenden gebilligt werden dürfte. Minister Ritter v. Lasser teilte vollkommen die Auffassung des Staatsministers, indem er ebenfalls in einem Drängen zur schnellen Erledigung der Sache kein Heil für die Regierung zu erblicken vermag, zumal gegenwärtig die Stimmung im Finanzausschusse keineswegs günstig ist und man eher hoffen kann, daß sich dieselbe mit der Zeit klären und besser machen wird. Ebenso hält der Polizeiminister dafür, daß ein Präzipitieren dieser Frage nur sehr nachteilig wäre und zweifelt nicht, daß sich mit der Zeit eine bessere Ansicht über die ganze Sache im Hause geltend machen wird. Belangend die Frage, ob man die Finanznotlage bekannt geben soll, so glaubt Votant sich unbedingt dagegen aussprechen zu müssen, weil dieses der fürchterlichste Schlag für die Regierung wäre, den sie um jeden Preis vermeiden muß, und es hätte seines Erachtens der Finanzminister sich lieber wo immer nur möglich die nötigen Geldmittel zu verschaffen. Auch würde Freiherr v. Mecséry wie der Staatsminister dafür stimmen, daß, wenn bezüglich der Bankfrage kein guter Erfolg zu erwarten stünde, lieber die Reichsratssession aufgelöst und in dieser Sache nach § 13 vorgegangen werde.

Der Finanzminister bemerkte hierauf, daß es allerdings wünschenswert wäre, einen Umschwung der gegenwärtigen Stimmung herbeikommen zu lassen, nachdem es aber mit den Finanzvorlagen im Finanzausschusse gar nicht vorwärtskomme, || S. 380 PDF || mittlerweile alle Finanzmittel erschöpft sind, so müsse der Finanzminister allen Wert darauf legen, daß wenigstens die Bankvorlage bald zur Beratung im Plenum komme. Denn wenn auch zugegeben werde, daß die ganze Sache bis zum 15. Mai nicht zu Ende geführt sein könne, so würde es doch dem Finanzminister einen großen Vorteil gewähren, wenn nur die Sache einmal beraten und das Übereinkommen nur im Prinzipe angenommen sein würde, indem er dann auf dieser Grundlage schon mit der Bank anticipando ein Geschäft machen könnte. Auf einem anderen Wege im Augenblicke Geldmittel zu schaffen, sei bei den jetzigen Verhältnissen nicht möglich, da ein Finanzgeschäft im geheimen heutzutage nicht tunlich und überdies auch kein Material zu irgendeinem Geschäfte vorhanden ist. Edler v. Plener könnte daher nicht garantieren, bis 15. Mai ein Geld zur Deckung der Bedürfnisse aufzubringen, und wenn schon sein Vorschlag nicht beliebt werde, so dürfte doch zweckmäßig erkannt werden, wenigstens dahin zu wirken, daß gleich nach Ostern mit der Sache rascher vorgeschritten werde.

Der Minister des Äußern, der Minister Graf Nádasdy, der Handelsminister, der Staatsratspräsident und der Minister Graf Esterházy schlossen sich in allen Teilen der Ansicht des Staatsministers an, wobei Graf Rechberg erklärte, daß, wenn der Finanzminister etwa durch ein Depotgeschäft die nötige Deckung sich verschaffen wollte, er gerne bereit sei, hierfalls die Vermittlung bezüglich des Auslandes zu übernehmen. Der Kriegsminister , im allgemeinen ebenfalls der Auffassung des Staatsministers beipflichtend, sprach nur die Befürchtung aus, daß eine etwaige Auflösung der Reichsratssession aus Anlaß einer Finanzfrage eine große Sensation machen und den kaum etwas hergestellten Kredit im Auslande gewaltig erschüttern würde. Diese Befürchtung wurde jedoch von den übrigen Mitgliedern der Konferenz bin dem Gradeb nicht geteilt, und es ergab sich der vorstehenden Abstimmung gemäß die eminente Mehrheit für die Ansicht des Staatsministers4.

II. Antwortschreiben des Erzbischofs von Prag bezüglich der Verfassungsfeier

Der Staatsminister las das erhaltene Antwortschreiben des Kardinals Fürsterzbischofs Schwarzenberg vor, worin derselbe sein Benehmen bei Gelegenheit der Jahresfeier der Verfassung zu entschuldigen sucht5.

III. Ernennung des Fürsten Maximilian Carl Thurn und Taxis zum erblichen Reichsrat

Der Staatsminister referierte, daß er den regierenden Fürsten Maximilian Carl Thurn und Taxis zum erblichen Reichsrate in Vorschlag zu bringen gedenke. Derselbe sei Besitzer mehrerer ausgedehnter Herrschaften in Böhmen in einem Schätzungswert von mehr als vier Millionen. Obwohl die fürstliche Familie Thurn und Taxis in Regensburg domiziliert, so müsse sie doch, nachdem dem regierenden Fürsten vom Kaiser Franz I. das Inkolat in Böhmen verliehen wurde, den inländischen || S. 381 PDF || Adelsgeschlechtern beigezählt werden. Es seien sonach die Bedingungen vorhanden, an welche nach dem Staatsgrundgesetze die Verleihung der erblichen Reichsratswürde geknüpt werden6, und der Staatsminister würde daher au. antragen, daß der Fürst Maximilian Carl Thurn und Taxis in das Herrenhaus als erbliches Mitglied berufen werde. Hierwegen ergab sich dem Ministerrate keine Erinnerung7.

IV. Verhalten der Behörden bezüglich der Széchenyi-Feier

Der Polizeiminister referierte über eine telegrafische Anfrage des Statthalters von Ungarn Grafen Pálffy, wie er sich bei der Széchenyi-Feier in Pest zu verhalten haben werde8. Nach dem Sinne der Depesche scheine die Absicht dahin zu gehen, daß, wenn diese Feier stattfindet, sie die Behörde in die Hand nehmen sollte. Freiherr v. Mecséry ist entschieden dagegen, denn in einem solchen Falle könne sich die Regierung nur passiv verhalten. Ein direktes Verbieten a priori sei zwar durchaus nicht angezeigt, wohl aber notwendig, solche Vorkehrungen zu treffen, daß alles, was den Charakter ceiner gegen die Regierung gerichtetenc Demonstration hat, verhindert werde. In diesem Sinne würde er dem Grafen Pálffy antworten. Die Konferenz war damit einverstanden9.

V. Militärkordon an der Grenze Tirols zu Italien zur Verhinderung des Schmuggels

Der Polizeiminister brachte zur Sprache, daß der Statthalter von Tirol, Fürst Lobkowitz, mit Rücksicht auf die mangelhafte Bewachung der Grenze gegen Italien und das Umsichgreifen des Schmuggels den Antrag gestellt hat, einen förmlichen Militärkordon zu ziehen. Der Polizeiminister hält diesen Antrag nicht für zweckmäßig und glaubt daher, daß derselbe abzulehnen und vielleicht nur dahin zu wirken wäre, daß eine stärkere Anzahl von Finanzwachmännern dahin bestimmt werde, dweil überhaupt der Erfolg militärischer Kordone zur Verhütung von Schmuggel jedenfalls ein zweifelhafter sei und eine solche militärische Aufstellung als ein feindseliger Akt gegen Piemont betrachtet [und] als Vorwand zu ähnlichen Schritten und überhaupt zu diplomatischen Verwicklungen gebraucht werden könnted .

Der Minister des Äußern erklärte sich damit einverstanden, indem durch einen solchen Kordon der Schmuggel nicht beseitigt werde und es nur als eine || S. 382 PDF || Demonstration gegen Piemont angesehen werden möchte, die gewiß nur Gegendemonstrationen herbeiführen würde. Dagegen werde eine rasche Durchführung der eben in Begriff stehenden Organisierung der Finanzwache und Vermehrung der zur Bewachung der Grenze bestimmten Finanzwache besser zum Zwecke führen. Der gleichen Ansicht waren auch alle übrigen Stimmen, und erklärte der Finanzminister , daß, sobald ihm der Polizeiminister von der Sache die Mitteilung machen wird, er die entsprechende Verfügung wegen Verstärkung der gedachten Finanzwache treffen werde10.

VI. Zweites Begünstigungsjahr für Adolph Freiherr v. Thierry

Der Finanzminister referierte, daß das dem gewesenen Polizeiminister und nachherigen Reichsrate Baron Thierry11 Ag. bewilligte Begünstigungsjahr zu Ende geht und derselbe um ein zweites eingeschritten sei12. Der Finanzminister erinnert, daß dem Baron Thierry bereits mit Ah. Handschreiben vom 14. Juli 1861 ein Ruhegenuß von 6000 fl. bewilligt13, nachträglich aber ein Begünstigungsjahr Ag. gestattet wurde14, worin er seine vollen Aktivitätsbezüge genoß. Ein zweites Begünstigungsjahr zu gewähren, dürfte nicht gerechtfertigt sein, und der Finanzminister würde daher darauf antragen, daß dem Baron Thierry nun der bereits einmal ausgesprochene Ruhegenuß von 6000 fl. angewiesen werde. Der Minister des Äußern bemerkte dagegen, daß, als Baron Thierry von der Funktion des Polizeiministers enthoben wurde, Ah. anbefohlen worden sei, ihn für einen Gesandtschaftsposten vorzumerken, daher derselbe erwarte, daß er wieder mit seinem vollen Gehalte angestellt werde, und es erscheine nur als billig, daß ihm noch ein zweites Begünstigungsjahr, binnen welchem er wieder untergebracht werden dürfte, Ag. bewilligt werde.

Alle übrigen Stimmführer sprachen sich ebenfalls für die Gewährung eines zweiten Begünstigungsjahres aus15.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, 12. April 1862. Empfangen 12. April 1862. Erzherzog Rainer.