Nr. 218 Ministerrat, Wien, 29. März 1862 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Erzherzog Rainer; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 31. 3.), Rechberg, Mecséry, Nádasdy, Degenfeld, Schmerling, Lasser, Plener, Wickenburg, Lichtenfels, Esterházy; abw.abwesend Pratobevera, Forgách; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 7. 4.
MRZ. 1022 – KZ. 1018 –
Protokoll II des zu Wien am 29. März 1862 abgehaltenen Ministerrates unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Rainer.
I. Lieferung von Lokomotiven aus der Maschinenfabrik der südlichen Staatseisenbahn an die sardinische Regierung
Die sardinische Regierung hat eine Lieferung von 150 Stück Lokomotiven im Versteigerungswege ausgeschrieben. Nachdem die Maschinenfabrik der südlichen Staatseisenbahn bezüglich dieser Lieferung ein Offert einzubringen gedächte, fragte der Handelsminister bei seinen Kollegen an, ob gegen diese Beteiligung etwa in militärischer oder politischer Beziehung ein Anstand bestehe.
Es wurde von keiner Seite dagegen eine Erinnerung erhoben1.
II. Bescheid an den Großhändler Brandeis-Weikersheim bezüglich der in Siebenbürgen zu bauenden Eisenbahn
Der Handelsminister referierte, daß das Zustandekommen einer Eisenbahnverbindung zwischen der Konstanza—Cernavoda Eisenbahn und dem Rotenturmpaß über Bukarest dermal günstige Chancen zu haben scheine2. Englische Kapitalisten || S. 376 PDF || wollen sich beteiligen, Fürst Cusa3 ist sehr günstig gestimmt. Allein der Bau des Schienenwegs von Bukarest zum Rotenturmpaß ist wesentlich dadurch bedingt, daß auch auf österreichischem Territorium eine Bahn bis zu jenem Anschlußpunkt hergestellt werde. Die Unternehmer wünschen begreiflich hierüber Gewißheit zu erhalten, und der Großhändler Brandeisa -Weikersheim, der sich den 31. d. M. von hier nach Bukarest in dieser Angelegenheit begibt, bittet um einen diesfälligen Bescheid, wie auch um Unterstützung seiner Schritte bei der walachischen Regierung durch unseren dortigen Generalkonsul.
Der Minister Graf Nádasdy hält die hochwichtige Angelegenheit wegen der durch Siebenbürgen zu wählenden Eisenbahntrasse noch nicht für spruchreif und glaubt daher nicht, daß man bezüglich des Anschlusses am Rotenturmpasse dermal schon eine bindende Erklärung geben sollte4. Im Interesse des Landes Siebenbürgen müsse nämlich der Linie „Großwardein—Klausenburg—Kronstadt“ vor jener „Arad—Hermannstadt—Rotenturm[paß]“ entschieden der Vorzug gegeben werden, da bei der letzteren nur ein relativ sehr kleiner Landesteil der Wohltat der Verkehrserleicherung teilhaftig werden würde. Die Herstellung der Bahn über Klausenburg würde ohne Zweifel für den Wohlstand und die Steuerkraft Siebenbürgens so vorteilhaft wirken, daß sich die Übernahme der Staatsgarantie für die Zinsen lohnen müßte. Eine Garantie für die Linie Arad—Rotenturm [paß] aber bwürde er zu verantworten nicht wagenb . Der Kriegsminister findet gleichfalls, daß die Vorteile in militärischer, administrativer und nationalökonomischer Beziehung bei Wahl der Trasse von Arad über den Rotenturmpaß relativ zu jener auf der nordöstlichen Trasse nach Kronstadt so gering sind, daß die Staatsverwaltung durchaus keinen Grund hat, die erstere zu begünstigen. Der Minister des Äußern teilt diese Meinung und hält es für angezeigt, sich darüber unverwunden auszusprechen, um dem Humbug der Spekulanten zu steuern. Der Bau einer Bahn nach Bukarest und von dort bei Cernavoda an die Donau mag im Interesse der genannten Stadt und des Fürsten Cusa gelegen sein — im österreichischen ist sie es nicht und auch nicht im Interesse des Welthandels, der darauf gewiesen ist, die großen Häfen Galatz oder Ibraila, auf dem Wege über Kronstadt zu erreichen. Der Finanzminister äußerte, daß die Theißbahngesellschaft sich geneigt zeige, die Verbindung über Arad in das Alutatal Siebenbürgens herzustellen und dagegen die Herstellung der Marmaroscher Bahn aufzugeben. Dieser Tausch wäre finanziell insofern vorteilhaft, als das Ärar der lästigen Bedingungen enthoben würde, welche es für den Bau der Bahn in der Marmarosch erfüllen müßte5. Der Handelsminister erklärte, er würdige vollkommen die überwiegenden Vorteile in kommerzieller und nationalökonomischer Beziehung, welche die Klausenburger || S. 377 PDF || Bahn gewähren würde; allein, er könne sich andererseits auch nicht verhehlen, daß bei den außerordentlichen Terrainhindernissen, welche das dortige Gebirgsland bietet, sehr wenig Aussicht vorhanden ist, daß sich Kapitalisten zum Ausbau dieses Schienenwegs finden werden. Die Arad—Hermannstädter Bahn wäre jedenfalls besser als gar keine! Man sollte daher von Seite der Regierung wenigstens diesem Bau nicht von vornherein entgegentreten, und bei dem Umstand, wo die Hauptfrage noch bei den Zentralbehörden in Verhandlung steht, sich jetzt darauf beschränken, dem Weikersheim zu sagen, daß die Regierung sich jetzt nicht aussprechen könne, weil sie über die noch in Verhandlung stehende Frage keinen Beschluß gefaßt hat.
Der Ministerrat war hiemit einverstanden, und Minister Graf Rechberg ersuchte um Mitteilung einer Abschrift des Bescheides, um dieselbe unserem Generalkonsul Baron Eder zu übermitteln6.
Wien, 31. März 1862. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, am 6. April 1862. Empfangen 7. April 1862. Erzherzog Rainer.