Nr. 49 Ministerrat, Wien, 14. April 1861 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Erzherzog Rainer 15.4.), Rechberg, Degenfeld, Plener; BdR.Bestätigung des Rückempfangs Erzherzog Rainer 18. 4.
MRZ. 826 – KZ. 1218 –
Protokoll der Ministerkonferenz am 14. April 1861 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
I. Eventualitäten eines Krieges und Vorbereitungen darauf in militärischer und finanzieller Beziehung
Der Kriegsminister referierte über Ah. Auftrag über die Bedenken, welche FZM. Ritter v. Benedek bezüglich der Mittel geäußert hat, die uns dermal zur erfolgreichen Zurückweisung eines Angriffes durch die vereinigte Streitmacht Sardiniens und Frankreichs im Süden der Monarchie zu Gebote stehen. FZM. Graf Degenfeld las den diesfälligen Bericht des Ritters v. Benedek, worin sich derselbe verpflichtet erklärt, die Verantwortung für die Folgen des Angriffes von Seite dieser Streitmacht, die er als numerisch sehr überlegen schildert, von sich abzulehnen1. Der Kriegsminister beleuchtete die Darstellung des Armeekommandanten punktweise, gestützt auf die vom Obersten Kadlika gelieferten genaueren Zifferndaten, woraus er folgerte, daß ein Angriff von Seite Sardiniens allein vorderhand keine Wahrscheinlichkeit für sich habe, daß man aber die Eventualität einer Mitwirkung Frankreichs wohl berücksichtigen müsse, welches imstande wäre, binnen 20 Tagen seine Truppen bis an den Mincio vorzuschieben. Einer solchen kombinierten Streitmacht wären wir mit unserem dermaligen Truppenstand in Italien durchaus nicht gewachsen, und Graf Degenfeld könnte die Verantwortung für die Folgen in diesem Falle nicht auf sich nehmen, daher er es für notwendig gefunden habe, die Sache in der heutigen Konferenz der Ah. Entscheidung ehrfurchtsvoll zu unterziehen. Die Hauptfrage sei dermal, ob binnen drei Monaten ein Krieg bevorsteht, und diese Frage könne nur mit Berücksichtigung der diplomatischen Verhältnisse und der ganzen politischen Lage dem Auslande gegenüber beurteilt werden.
Der Minister des Äußern erwiderte, er könne heute, so wie bei früheren ähnlichen Beratungen, nur wiederholen, daß es unmöglich sei, auch nur mit einiger Gewißheit zu berechnen, welche Schritte in Paris werden beschlossen werden. || S. 277 PDF || Seit den Tagen von Warschau2 ist die Wahrscheinlichkeit eines Krieges mit Frankreich nicht größer, ja selbst vielleicht etwas geringer geworden. Gleichwohl lassen sich die künftigen Wendungen der französischen Politik nicht verbürgen. Jedenfalls ist der Umstand von Bedeutung, daß Frankreich bis jetzt noch keine Anleihen aufgelegt hat und demnach die Geldmittel zur Kriegsführung noch nicht vorhanden sind. Von Sardinien allein sei aber ein Angriff nicht zu erwarten, außer wenn im Orient eine große Konflagration ausbricht oder, wie Se. Majestät der Kaiser beizufügen geruhten, wenn Sardinien durch einen Angriff Garibaldis fortgerissen wird. Der Finanzminister äußerte, daß nach den ihm zugänglichen, wohlunterrichteten Quellen Frankreich heuer nicht angreifen zu wollen scheine. Das Projekt einer Anleihe, wovon vor vier Wochen die Rede war, ist vorderhand aufgegeben, und durch das außerordentliche Anwachsen der schwebenden Schuld hat sich Frankreich finanzielle Verlegenheiten geschaffen, welche, bei allen Ressourcen dieses Staates, nicht leicht zu besiegen sind. Die sich bei den süddeutschen Kreditinstituten äußernde Geneigtheit zu finanziellen Transaktionen mit uns ist ein weiteres Anzeichen, daß man den Frieden jetzt als mehr gesichert ansieht. Minister v. Plener besprach hierauf seine vorhandenen Geldmittel sowohl als die beabsichtigten Dispositionen zur Deckung des Abganges im Monate Mai, welche jedoch für den Fall neuer großer Truppenaufstellungen nicht auslangen würden, daher er dringend bitten müßte, davon noch Umgang zu nehmen und die nötigen Verstärkungen in Italien womöglich durch Beiziehung von Truppenkörpern aus den deutsch-slawischen Provinzen zu erzielen. Insbesondere aber müsse der Finanzminister vor auffallenden Kriegsvorbereitungen warnen, weil ihm dadurch die nötigen Finanzoperationen sehr erschwert werden würden. Übrigens sei sein Bestreben darauf gerichtet, für den Fall des wirklichen Bedarfes das nötige Geld sicherzustellen, und er ersuche um präzise Angaben darüber.
Se. k. k. apost. Majestät geruhten, den Kriegsminister Ah. zu beauftragen, an FZM. v. Benedek im beruhigenden Sinne unter Mitteilung der von Oberst Kadlik beigebrachten Daten zu schreiben3. In bezug auf die Entblößung der deutsch-slawischen Kronländer von Truppen sei die äußerste Grenze beinahe schon erreicht. Eine Vorbereitungsmaßregel, welche ohne Aufsehen getroffen werden kann, sei die Fortsetzung des allmählichen Pferdeankaufs im stillen und ohne Beschleunigung.
Wien, 15. April 1861. Erzherzog Rainer.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 17. April 1861. Empfangen 18. April 1861. Erzherzog Rainer.