Nr. 266 Ministerkonferenz, Wien, 15. Jänner 1861 – Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 15. 1.), Mecséry 17. 1., Schmerling, Degenfeld 19. 1., Vay 18. 1., Plener 18. 1., Lasser 19. 1., Szécsen 19. 1.
MRZ. – KZ. 293 –
Protokoll II der zu Wien am 15. Jänner 1861 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.
[I.] Landesordnung und Landtagswahlordnung für die Markgrafschaft Mähren
Gegenstand der Beratung war der beiliegende Entwurf einer Landesordnung und Landtagswahlordnung für die Markgrafschaft Mährena .1
Bei derselben wurde der Entwurf mit nachstehenden Modifikationen angenommen, und zwar:
Zur Landesordnung:
§ 3. Da es zweckmäßig und ausführbar erscheint, den Landeshauptmann aus den Landtagsmitgliedern selbst zu ernennen, so beantragte der Staatsminister einen dies ausdrückenden Zusatz zu diesem Paragraphen mit dem Beifügen, daß die Funktionsdauer des Landmarschalls auf die Landtagsperiode zu beschränken wäre, womit die Konferenz umso mehr einverstanden war, als, wie Minister Grafen Szécsen bemerkte, das Interesse der Regierung, welches man in den früheren Statuten durch Übertragung des Präsidiums an den Statthalter wahren zu müssen geglaubt hatte, hinlänglich gewahrt ist durch die Bestimmung des § 36, wornach der Statthalter oder seine Vertreter in den Landtagsversammlungen zu erscheinen und zu sprechen befugt sind. Außerdem beantragte Graf Szécsen die Weglassung nicht nur der Worte „mit Beachtung aller Landesinteressen“ in diesem Paragraphen, sondern auch die Streichung der §§ 1 und 2, da dieselben nichts Dispositives, sondern nur den Ausspruch über Grundsätze enthalten, die jedem, der die Landesordnung liest, von selbst klar werden müssen und, wenn nicht, nur Anstoß zu Bekrittelungen geben würden. Der Staatsminister erklärte sich damit einverstanden, die beanständeten Worte im § 3 zu streichen; in betreff der §§ 1 und 2 aber bemerkte er, daß, obwohl er keinen besonderen Wert auf deren Beibehaltung lege, || S. 269 PDF || doch dieselben in der Rücksicht wenigstens nicht als überflüssig erscheinen dürften, weil die Landesstatute gleichzeitig mit dem Reichsratsstatute erscheinen sollen, mithin den grundsätzlichen Unterschied ersichtlich zu machen haben, welchen die Regierung zwischen Landes- und Reichsvertretung beobachtet wissen will.
Die Mehrheit der Konferenz sprach sich für die Beibehaltung, der Ministerpräsident für die Weglassung dieser Paragraphen aus.
§ 6 wurde über Antrag des Ministers Grafen Szécsen gestrichen, indem es dem Landtage überlassen bleiben kann zu bestimmen, ob und welche Entschädigung den Abgeordneten zu gewähren sei.
Zu den Befugnissen der Landtage gehört auch die Wahl der in den Reichsrat zu entsendenden Mitglieder; es wäre daher nach § 16 ein Paragraph einzuschalten, welcher diese Befugnis, gleichwie in den bereits erschienenen Landesstatuten geschehen ist, ausspricht. Mit diesem Antrage des Ministers Szécsen einverstanden, wird der Staatsminister einen solchen Paragraph entwerfen lassen.
Zum § 17 ad 3., welcher alle „die Wohltätigkeitsanstalten im Lande“ betreffenden Anordnungen für Landesangelegenheiten erklärt, machte der Polizeiminister darauf aufmerksam, daß unter den im Lande bestehenden Wohltätigkeitsanstalten auch solche sich befinden, welche aus Staatsmitteln erhalten werden, mithin als Staatsanstalten nicht der Wirksamkeit der Landtage unterstehen können. Er meinte daher, daß obige Bestimmung durch den Zusatz „welche aus Landesmitteln dotiert sind“ näher präzisiert werden sollte, was auch von der Mehrheit der Konferenz angenommen wurde.
Der Ministerpräsident glaubte, daß sich die Wirksamkeit des Landtags auch über die im Lande bestehenden Privatwohltätigkeitsanstalten, wenigstens bezüglich der bisher den lf. Behörden zustehenden Kuratel, zu erstrecken hätte. Nach dem Erachten des Staatsministers jedoch wäre dies ein Gegenstand, der in die Rubrik II dieses Paragraphes ad 1. „Gemeindeangelegenheiten“ fallen wird, je nachdem dieselben durch die Gemeindeordnungen werden geregelt werden.
Zu II. 3. dieses Paragraphes wies der Kriegsminister darauf hin, daß allgemeine gesetzliche Bestimmungen über Vorspann, Verpflegung und Einquartierung des Heeres selbstverständlich nur von der Zentralregierung ausgehen können.
Zur Wahlordnung:
§ 6. Nachdem alle mährischen Städte durch § 3 zur Vertretung berufen sind, diese aber mehr die städtischen als speziell industriellen Interessen vertreten dürften, so schien es dem Polizeiminister angemessen, für diese letzteren, welche durch vier Vertreter der Handelskammern nicht hinreichend bedacht sind, in ausgiebigerem Maße zu sorgen und die Zahl ihrer Vertreter wenigstens auf sechs, für jede der beiden Kammern drei, zu vermehren und diese Vermehrung etwa durch Reduktion der städtischen Vertreter von 31 auf 29 auszugleichen.
Der Staatsminister und die Konferenz waren hiermit einverstanden, und wird der erstere hiernach die entsprechende Ausgleichung veranlassen.
§ 10. Minister v. Lasser beantragte die Weglassung des Wortes „landtäflichen“, weil, wenn damit nicht der vormals jurisdiktionsberechtigte Besitz gemeint ist, in dem zufälligen Umstande, ob das Gut in der Landtafel oder in einem Grundbuche inliegt, kein Grund gefunden werden dürfte, die Wahlberechtigung hiervon abhängig zu machen.
|| S. 270 PDF || Praktisch richtig, bemerkte der Staatsminister , ist dies allerdings in einigen Provinzen, wie in Mähren, Böhmen etc., in anderen Provinzen aber, namentlich in Österreich ob der Enns, wo es viele große Bauerngüter gibt, würde die Beseitigung jener Unterscheidung die Folge haben, daß auch Bauern in die erste Wählerklasse kämen, was doch nicht in der Absicht liegt. Er glaubte daher um der Konsequenzen willen auf der Beibehaltung der Forderung des landtäflichen Besitzes bestehen zu sollen, wogegen nichts weiter erinnert wurde.
§ 13. Da nach dem Staatsminister später zugekommenen statistischen Daten in den dritten Wahlkörper nicht immer nur die Mindestbesteuerten kommen (in Wien kommen z. B. in den zweiten Wahlkörper Leute mit 20 f., in den dritten aber mit 100 f.), so glaubte der Staatsminister seinen in margine bezüglich Brünn und Olmütz niedergelegten Antrag generalisieren und als Minimalsteuersatz 10 f. überhaupt in Antrag bringen zu sollen, wogegen nichts erinnert wurde.
Ein Bedenken des Polizeiministers gegen das Zusammenströmen der Wähler von vier bis fünf Städten in einem Orte glaubte der Staatsminister durch die Bemerkung beheben zu können, daß, wo der Raum im Rathause zu beschränkt wäre, die Abstimmung gruppenweise vorzunehmen sein würde. Geht doch auch die Rekrutierung, wo ebenfalls ein großer Zulauf stattfindet, anstandslos vor sich.
§ 16. Gegen die allgemeine Bestimmung, daß jeder Wähler sein Wahlrecht nur persönlich ausüben kann, ist dem Staatsminister selbst das Bedenken aufgefallen, daß hierdurch viele große Gutsbesitzer, die in verschiedenen Kronländern begütert sind etc., von dem Wahlrechte ausgeschlossen würden. Er kam daher auf den in den früheren Landesordnungen angenommenen Grundsatz zurück, daß die Wähler der ersten Klasse ihr Wahlrecht einem Kollegen übertragen dürfen, daß jedoch keiner mehr als zwei Stimmen in sich vereinigen könne.
Dies wurde angenommen. Auf die Andeutung des Ministerpräsidenten , Virilstimmen für diese Kategorie zu geben, wurde nicht eingegangen.
Minister v. Lasser fand es unbillig, das Wahlrecht nur auf einen Wahlbezirk zu beschränken, wenn der Wähler in mehreren Bezirken ein Besitztum hat, von welchem er die zur Wahlfähigkeit erforderliche Steuer entrichtet, und wenn er nicht etwa durch die Unmöglichkeit, in beiden oder mehreren Wahlbezirken bei der Wahl zu erscheinen, faktisch davon ausgeschlossen wird. Es wäre daher ein Zusatz einzuschalten, wornach jene Beschränkung nur bezüglich eines und desselben Objektes zu gelten hätte. Der Staatsminister sagte die Berücksichtigung dieser Bemerkung im Entwurfe zu2.
Wien, am 15. Jänner 1861. Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 26. Jänner 1861.