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Nr. 146 Ministerkonferenz, Wien, 5. Mai 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Rechberg; BdE. und anw. (Rechberg 5. 5.), Thun 7. 5., Nádasdy 8. 5., Gołuchowski 8. 5., Thierry 8. 5., Plener 9. 5., FML. Schmerling 9. 5.

MRZ. – KZ. 1488 –

Protokoll der zu Wien am 5. Mai 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.

I. Benennung der Zentralkongregation in Venedig

Über Anfrage des Statthalters Ritter v. Toggenburg wegen Benennung der Zentralkongregation wurde mit Bezug auf die Konferenzberatung vom 28. v.M. beschlossen zu antworten, daß mit Festhaltung an dem Titel des lombardisch-venezianischen Königreiches die Kongregation „lombardisch-venezianische“ heißen soll1.

II. Verordnung über das Verfahren bei Exekutionen auf Privatforderungen ans Ärar

Der Justizminister referierte den beiliegenden Entwurf einer Verordnunga sämtlicher Zentralbehörden, womit das Verfahren geregelt wird, welches bei Verbots- oder Exekutionsführung auf eine einem Privaten wider das Ärar oder einen öffentlichen Fonds gebührende Forderung stattzufinden hat.

Die Konferenz war mit den Bestimmungen des Entwurfs einverstanden, FML. Ritter v. Schmerling mit Vorbehalt einiger kleiner Manipulationsanordnungen, welche durch die besondere Einrichtung der verschiedenen Militärkassen geboten sein dürften2.

III. Verordnung über Firmenprotokollierung

Bei der reichsrätlichen Komiteeberatung des in der Konferenz vom 14. v.M. einstimmig angenommenen Entwurfs über die Firmaprotokollierung3 wurde der Antrag auf die Erweiterung des Rechts zur Firmaprotokollierung und Führung von Geschäftsbüchern mit halber Beweiseskraft gestellt, welches nach dem obigen Entwurfe nur denjenigen Geschäftsleuten vorbehalten sein sollte, die in Städten 150 f., auf dem Lande 40 f. Steuer zahlen. || S. 137 PDF || Se. k. k. Hoheit der Herr Erzherzog Reichsratspräsident geruhten den Justizminister zu der Erklärung aufzufordern, ob er sich diesem Erweiterungsantrage anzuschließen finde. Der Justizminister war der Meinung, daß hierbei zunächst das finanzielle Interesse rücksichtlich der Höhe des Steuersatzes berührt sein dürfte, und lud demzufolge den Leiter des Finanzministeriums unter Mitteilung der Bezugsakten ein, hierüber zuerst sein Gutachten zu erstatten.

Reichsrat v. Plener erklärte nun, er würde sich der reichsrätlichen Ansicht wegen Ausdehnung des Rechts der halben Beweiskraft der gerichtsordnungsmäßig geführten Bücher auf alle Gewerbtreibende anschließen; denn es stand nach der bisherigen Gesetzgebung (Ungern ausgenommen) allen Handelsleuten, Fabrikanten und Handwerkern ohne Unterschied ihrer Steuerzahlung zu. Indem nun mit dem am 1. Mai in Wirksamkeit getretenen Gewerbegesetze4 die strenge Gliederung zwischen Kaufmann, Fabrikanten und Handwerker verschwindet und alle gleichberechtigte Gewerbetreibende werden, erscheint es billig, alle an jenem Rechte teilnehmen zu lassen, dessen Ausübung auch früher nie von der Höhe der Steuer, sondern nur von der gerichtsordnungsmäßigen Führung des Buches des befugten Gewerbsmanns abhängig war. Wollte man es von der Höhe der Steuer abhängig machen, so wäre dies ein indirekter Zwang für den Gewerbsmann, der sich des Rechts versichern will, zur Fatierung einer höheren Steuer, was für den ordentlichen Gewerbsmann eine unbillige Belastung sei, den Schwindler aber, der einen Mißbrauch mit seinen Büchern beabsichtigt, nicht abhalten würde. Das finanzielle Interesse ist also bei dieser Frage unmittelbar nicht, sondern nur insofern beteiligt, als in einem gegebenen Falle Bedenken gegen die Steuerbemessung vorkommen, denen aber nicht durch Entziehung eines Rechts, sondern im gesetzmäßigen Wege abgeholfen werden soll.

Der Kultusminister teilte diese Ansicht. Der Justizminister hielt dagegen einstimmig mit dem Minister des Inneren den Antrag des Entwurfs fest, weil vom rechtlichen Standpunkte gegen die Zugestehung der halben Beweiskraft der eigenen Handschrift des Ausstellers zu dessen Gunsten überhaupt Bedenken bestehen, mithin es jedenfalls wünschenswert erscheint, gegen deren allfälligen Mißbrauch doch einige Garantie dadurch zu schaffen, daß sie nicht jedem auch noch so unbedeutenden Erwerbtreibenden, sondern nur demjenigen zugestanden wird, der durch den der Höhe der Steuer zum Grunde liegenden ausgedehnteren Geschäftsbetrieb mehrere Bürgschaft für seine Verläßlichkeit gewährt.

Nachdem sonach eine Vereinbarung nicht erzielt wurde, behielt sich der Justizminister vor, Se. k. k. Hoheit den Herrn Erzherzog Reichsratspräsidenten zu bitten, diesen Gegenstand unter Beiziehung der betreffenden Minister oder deren Vertreter im Reichsrate zum Vortrage bringen zu lassen, wobei dann auch einige, vom Leiter des Finanzministeriums gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs angedeutete Bemerkungen zu besprechen sein würden5.

IV. Krawall gegen die Juden in Trebitsch

Der Polizeiminister brachte zur Kenntnis der Konferenz, daß zu Trebitsch in Mähren ein bedeutender Exzeß gegen die dortigen Juden stattgehabt habe, der zwei Tage dauerte und mit Plünderung und Demolierung eines Judenhauses endigte6.

V. Pferdeausfuhr

FML. Ritter v. Schmerling machte wiederholt auf die Steigerung der Pferdeausfuhr aufmerksam7. Nach Serbien seien neuerlich 67 Pferde, über Braunau werden täglich zehn bis zwölf Pferde ausgeführt.

Bezüglich Serbiens fand der Minister des Äußern nach den dermaligen politischen Verhältnissen keinen Grund zu einem Ausfuhrverbote; belangend die Ausfuhr gegen Bayern behielt sich der Leiter des Finanzministeriums die Einholung authentischer Auskünfte über die Menge der ausgeführten Stücke vor8.

VI. Bezug der Telegramme für die Donauzeitung

Nachdem der Leiter des Finanzministeriums gegen die vom Polizeiminister angesprochene unentgeltliche Erfolgung der Telegramme des Korrespondenzbüros für die Donauzeitung das Bedenken geäußert hatte, daß diese Begünstigung, abgesehen von dem nicht bedeutenden finanziellen Opfer, bei den anderen Zeitungsunternehmungen, welche ihre Telegramme bezahlen müssen, einen üblen Eindruck verursache und zu Reibungen Anlaß gebe, erklärte der Polizeiminister , auf dem diesfälligen Verlangen nicht bestehen, sondern die Auslage für jene Telegramme nach der Andeutung des Reichsrats v. Plener auf den Polizeifonds übernehmen zu wollen, obwohl es den Ministern für Kultus und Inneres überflüssig schien, die unentgeltliche Erfolgung der Telegramme für ein Journal zu verheimlichen, von dem allgemein bekannt ist, daß es von der Regierung selbst erhalten wird9. Auch behielt sich der Ministerpräsident vor, wie bisher so auch künftig die an ihn selbst gelangenden Telegramme nach Gutbefinden der gedachten Zeitung zukommen zu lassen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Schönbrunn, 13. Mai 1860.