Nr. 123 Ministerkonferenz, Wien, 10. März 1860 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 10. 3.), Thun (nur IV–VI) 12. 3., Bruck 12. 3., Nádasdy 13. 3., Gołuchowski 13. 3., Thierry 14. 3., FML. Schmerling 14. 3.
MRZ. – KZ. 889 –
Protokoll der zu Wien am 10. März 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.
I. Allgemeines deutsches Handelsrecht
Nachdem Se. Majestät mit Ah. Entschließung vom 2. d.M. den Antrag wegen Ermächtigung der österreichischen Bevollmächtigten zur Annahme des allgemeinen deutschen Handelsrechtes in Bausch und Bogen (Konferenzprotokoll vom 28. Jänner 1860, MCZ. 347, ad II)1 dahin zu erledigen geruht haben, „daß dieselben in Beziehung auf die Abgabe von Bemerkungen über den Entwurf an keine Instruktionen zu binden, sondern dem Präsidenten Raule zu überlassen sei, was er diesfalls im allgemeinen deutschen Interesse in Anregung zu bringen für zweckmäßig erachte“, so getraut sich der Justizminister nicht, den genannten Präsidenten zur Abgabe einer Erklärung im Sinne des Konferenzantrags vom 28. Jänner anzuweisen, noch erwartet er, daß Raule sich zur Abgabe einer solchen Erklärung selbst für berufen halten werde. Überwiegende politische Rücksichten machen es aber nach der Ansicht der Minister der Justiz, der Finanzen und des Äußern wünschenswert, daß die k.k. Regierung mit der Erklärung der Annahme des Entwurfs, wenn er bei der dritten Lesung keine wesentlichen Modifikationen erfährt, den übrigen deutschen Regierungen vorangehe. In juridischer Beziehung ist er gründlich geprüft und für annehmbar erkannt worden, indem er nichts enthält, was mit der österreichischen Gesetzgebung im unlösbarena Widerspruche stände; die wenigen Punkte, für welche in der Konferenz vom 28. Jänner eine Modifikation beantragt worden, dürften bei der dritten Lesung Berücksichtigung finden, und selbst, wenn dies der Fall nicht wäre, kein Hindernis der Annahme eines so lange ersehnten Gesetzes abgeben, weil sie von minderer Bedeutung sind.
Unter diesen Umständen glaubte der Justizminister unter Zustimmung der Konferenz auf den ursprünglichen Antrag zurückkommen zu dürfen, um sofort entweder in einer unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät stattfindenden Konferenz oder in anderer geeigneter Weise die Abänderung der Ah. Entschließung vom 2. d. M. zu erbitten2.
II. Verordnung über Behandlung eines zu lebenslangem Kerker Verurteilten wegen neuer Verbrechen
Der Justizminister erhielt die Zustimmung der Konferenz zu der in seinem au. Vortrage vom 4. d. M. begründeten Verordnungb, daß ein zu lebenslangem Kerker Verurteilter, der inzwischen ein neues, nicht todeswürdiges Verbrechen begeht, darum untersucht und bei etwaiger Aufhebung der lebenslangen Kerkerstrafe auch abgestraft und, falls das Verbrechen im Straforte selbst begangen worden, außerdem gleich nach verübter Tat mit einer Disziplinarstrafe nach Maßgabe der Hausordnung belegt werden soll3.
III. Berufung von Mitgliedern des verstärkten Reichsrates
Aus Anlaß der bevorstehenden Einberufung der Mitglieder des verstärkten Reichsrates (worüber die Vorschläge von den Länderchefs abgefordert werden) brachte der Justizminister die Frage in Anregung, ob nicht in denjenigen Kronländern, wo noch ständische Kollegien bestehen, das Gutachten bzw. die Ternavorschläge derselben über die zu ernennenden Mitglieder einzuholen wären, um den betreffenden Provinzen schon itzt die Befriedigung zu gewähren, bei der Wahl der Reichsräte selbst mitzuwirken, und ihnen damit auch die Garantie dafür, daß dies auch künftig so sein werde, zu geben4.
Der Minister des Inneren bemerkte dagegen, daß derzeit bei den ständischen Kollegien infolge der seit 12 Jahren eingetretenen Abgänge kaum mehr solche Mitglieder vorhanden sein dürften, die selbst aus der ständischen Wahl hervorgegangen sind, daß also bei einer Vernehmung der später von Sr. Majestät ernannten Mitglieder über die Wahl von Reichsräten der vom Justizminister beabsichtigte Zweck kaum würde erreicht werden5. Und der Polizeiminister setzte hinzu, man würde in der Einvernehmung der ständischen Kollegien die Rückkehr der Regierung zu der alten ständischen Verfassung wahrzunehmen glauben, was ohne Zweifel einen ungünstigen Eindruck machen wirdc .
IV. Reglement der Triester Territorialmiliz
Zufolge Ah. Befehls Sr. Majestät brachte der Minister des Inneren das nach den Ah. genehmigten Prinzipien im Detail ausgearbeitete Reglement für die Triester Territorialmiliz in der Konferenz zum Vortrage6.
|| S. 18 PDF || FML. Ritter v. Schmerling erklärte, er müsse namens des Armeeoberkommandos im allgemeinen an dessen abweichenden Anträgen hinsichtlich der unbedingten Verwendbarkeit der Miliz in Kriegszeiten, dann der Bestreitung der Gebühren ihres Kommandanten aus der städtischen Kasse festhalten. Nachdem indessen Se. Majestät in diesen Punkten bereits gegen die Ansicht des Armeeoberkommandos entschieden haben, so finde er sich nicht berufen, hierauf weiter einzugehen. dDer Finanzminister glaubte auf die beantragte beschränkte Verwendung umso mehr aufmerksam machen zu sollen, als solche in dem bestehenden Statut nicht enthalten ist und in Kriegszeiten auch nicht wohl aufrecht erhalten werden kann.d Der Finanzminister glaubte auf die beantragte beschränkte Verwendung umso mehr aufmerksam machen zu sollen, als solche in dem bestehenden Statut nicht enthalten ist und in Kriegszeiten auch nicht wohl aufrecht erhalten werden kann.
Die übrigen Stimmen der Konferenz fanden über das Reglement nichts zu erinnern7.
V. Auszeichnung für Bischof Hackmann
Der Kultusminister erhielt die Zustimmung der Konferenz zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrage auf Verleihung der geheimen Ratswürde an den bereits wegen früherer Verdienste mit dem Komturkreuze des Franz-Josephs-Ordens beteilten griechischnichtunierten Bischofs in der Bukowina Eugen Hackmann, der sich in neuester Zeit durch patriotische Leistungen und Widmung der Überschüsse des Religionsfonds etc. Anspruch auf Auszeichnung erworben hat8.
VI. Rüstungen in Bulgarien
FML. Ritter v. Schmerling teilte Nachrichten von außerordentlichen Rüstungen und Truppenzusammenziehungen in Bulgarien mit der Anfrage mit, ob nicht vielleicht auch an unseren Grenzen, wo es insbesondere an Artillerie mangle, einige Vorsichtsmaßregeln zu treffen wären.
Der Minister des Äußern hielt jene Rüstungen als gegen innere Unruhen gerichtet und darum Vorkehrungen österreichischerseits für entbehrlich9.
Wien, am 10. März 1860. Rechberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 19. März 1860.