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Nr. 115 Ministerkonferenz, Wien, 23. Februar 1860 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser, BdE. und anw. Erzherzog Wilhelm, Erzherzog Rainer, (Rechberg 24. 2.), Thun 25. 2., Bruck 26. 2., Nádasdy 26. 2., Gołuchowski 26. 2., Thierry 27. 2., Schmerling 28. 2.

MRZ. – KZ. 679 –

Protokoll der Ministerkonferenz am 23. Februar 1860 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Frage, ob Staatsbeamte als Gründer von Erwerbsgesellschaften einschreiten können

Der Finanzminister brachte eine Meinungsverschiedenheit zur Beratung, welche sich zwischen ihm und dem Minister des Inneren über die Frage ergeben hat, ob es den aktiven Staatsbeamten mit Hinblick auf das Ah. Handschreiben vom 5. November 1859 dermal noch gestattet sei, bei der Bildung von Aktien- oder anderen Erwerbsgesellschaften als Gründer sich zu beteiligena .1 Baron Bruck glaubte sich für die verneinende Beantwortung dieser Frage aussprechen zu sollen, nachdem es eine dem Geiste des oberwähnten Ah. Erlasses widersprechende Anomalie wäre, eine solche direkte und einflußreiche Beteiligung als Gründer einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft zu gestatten, während die Annahme einer einfachen Verwaltungsratsstelle bei einer bereits bestehenden Gesellschaft verboten ist, sobald dieselbe auch nur mit dem Bezuge geringfügiger Präsenzgelder dotiert ist. Der Minister des Inneren dagegen sei der Meinung, daß die Teilnahme an der Gründung einer solchen Gesellschaft einem Staatsbeamten nicht verwehrt werden dürfte, obgleich er selbstverständlich nach erfolgter Konstituierung der Gesellschaft von dem Eintritt in den Verwaltungsrat oder in die Administration derselben mit den im Ah. Handschreiben angedeuteten Bezügen ausgeschlossen wäre.

Der Minister des Inneren referierte, die Erörterung dieser Frage sei dadurch veranlaßt worden, daß zwei Staatsbeamte eine aus öffentlichen Rücksichten allerdings wünschenswerte neue Lebensassekuranz­gesellschaft in Wien zu gründen beabsichtigen, wofern ihnen dies gestattet würde. Ihr Einschreiten in dieser Angelegenheit würde sich auf die wenigen zur Konstituierung der Gesellschaft erforderlichen Eingaben beschränken. Ist diese Konstituierung erfolgt, so wäre ihre Aufgabe gelöst. Sie würden zurücktreten und dem Verwaltungsrate die eigentliche Geschäftsführung überlassen. Graf Gołuchowski könne in dieser uneigennützigen Tätigkeit zur Gründung eines Instituts dieser Art nichts erblicken, was den erwähnten Ah. Normen zuwiderläuft. Andererseits würde gerade die Beteiligung achtbarer Staatsbeamten an der Gründung das Zustandekommen des Instituts wegen des Eindruckes im Publikum begünstigen. bAuch sei von Sr. Majestät mit Ah. Entschließung vom 5. November 1859 den aktiven Beamten die Beteiligung an der Gründung von derlei Unternehmungen gar nicht verwehrt, denn es wird darin ausdrücklich gesagt, „aktiven Beamten sei in Hinkunft nicht mehr gestattet, bei der Verwaltung von Aktien- oder anderen Erwerbsgesellschaften Stellen anzunehmen, die mit Bezügen von Gewinnst­anteilen, Präsenzgeldern, Remunerationen oder sonstigen Entlohnungen verbunden sind.b Auch sei von Sr. Majestät mit Ah. Entschließung vom 5. November 1859 || S. 451 PDF || den aktiven Beamten die Beteiligung an der Gründung von derlei Unternehmungen gar nicht verwehrt, denn es wird darin ausdrücklich gesagt, „aktiven Beamten sei in Hinkunft nicht mehr gestattet, bei der Verwaltung von Aktien- oder anderen Erwerbsgesellschaften Stellen anzunehmen, die mit Bezügen von Gewinnst­anteilen, Präsenzgeldern, Remunerationen oder sonstigen Entlohnungen verbunden sind.

Der Minister des Kultus und der Ministerpräsident glaubten, daß den aktiven Staatsbeamten unbeschadet ihrer Dienstesobliegenheiten eine nützliche Tätigkeit als Gründer von Erwerbsgesellschaften im allgemeinen nicht zu untersagen wäre, wenn sie daraus keinen Vorteil ziehen und sich somit nach erfolgter Konstituierung der Gesellschaft sogleich zurückziehen, wofern die Verwaltungsräte Emolumente beziehen sollen. Der Justizminister erklärte, daß er sich überhaupt gegen jede Beteiligung der Justizbeamten bei Aktiengesellschaften aussprechen müsse. Der Polizeiminister sah nicht ab, warum eine Ausnahme zugunsten der Beteiligung von Staatsbeamten als Gründer von Aktiengesellschaften gemacht werden solle.

Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu erklären, die Ah. Absicht bei Erlassung des Verbotes vom 5. November 1859 sei nicht bloß auf die Hintanhaltung eines möglicherweise nicht ganz lautern Gewinnes, sondern auch wesentlich darauf gerichtet gewesen zu verhindern, daß Staatsbeamte durch ihre Stellung in einer Aktiengesellschaft verleitet werden, ihren Einfluß zugunsten derselben zu mißbrauchen. Diese Rücksicht sei bei der Beteiligung als Gründer nicht weniger maßgebend als bei dem Eintritt in den Verwaltungsrat, daher man sich dieselbe bei Erledigung des vorliegenden Falles sowohl als in der Zukunft gegenwärtig zu halten habe. Dies schließe übrigens nicht aus, daß die Regierung selbst, dort wo sie es für nötig hält, einen Staatsbeamten an die Spitze einer Privatgesellschaft stelle.

II. Gestattung des überseeischen Exports von Schwefel

Der Finanzminister referierte über die Verhältnisse des Schwefelhandels, nachdem gegen die Ausfuhr dieses Artikels aus Triest militärischerseits Bedenken erhoben werden2. Baron Bruck zeigte, daß Österreich weniger Schwefel erzeugt, als es selbst verbraucht, so daß der Abgang aus Sizilien geholt werden muß. Was man aus Triest und Fiume an Schwefel ausführt, ist kein einheimisches Produkt, sondern kommt aus Sizilien, von wo es unsere Kauffahrer als Rückfracht holen und dann wieder nach verschiedenen, selbst transatlantischen Handelsplätzen verladen. Das gänzliche Verbot der überseeischen Schwefelausfuhr würde daher unsere Reederei schwer treffen, es würde aber gleichwohl nicht die Zufuhr dieses Kriegsmaterials nach anderen Häfen des Mittelmeeres hindern, da sich dieselben sehr leicht direkt aus Sizilien damit versehen können. Der Finanzminister glaubt daher, daß der Schwefelexport aus den österreichischen Häfen im allgemeinen, nur nicht nach der Romagna zu gestatten wäre.

|| S. 452 PDF || Dieser Antrag erhielt die Ah. Genehmigung3.

Am 24. Februar 1860. Rechberg. Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 2. März 1860.