Nr. 95 Ministerkonferenz, Wien, 17. Jänner 1860 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 17./22. 1.), Thun 19. 1., Bruck 21. 1., Nádasdy 21. 1., Gołuchowski 20. 1., Schmerling 21. 1.; abw.abwesend Thierry.
MRZ. – KZ. 267 –
Protokoll der zu Wien am 17. Jänner 1860 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des kaiserlichen Hauses etc. Grafen v. Rechberg.
I. Bestellung eines beeideten Feldschutzpersonales (1. Beratung)
Der Minister des Inneren referierte seinen im Einvernehmen mit dem Justizminister ausgearbeiteten Entwurf einer Verordnung über die Bestellung eines beeideten Feldschutzpersonalesa .1
Hierbei ergaben sich folgende Bemerkungen: In der Einleitung wurden über Antrag des Kultusministers , welcher das Geständnis, daß dermal geregelte Gemeindeverhältnisse nicht bestehen, hier nicht am Platze fände, die Worte „bis zur Erlassung einer von geregelten Gemeindeverhältnissen bedingten Feldpolizeiordnung“ durch die Worte „bis auf weiteres“ ersetzt, dann in § 1 nach der Andeutung des Ministerpräsidenten und des Finanzministers unter [die] aufgezählten Schutzobjekte auch „Obstbäume“, dann „(Wasser)Leitungen“ aufgenommen.
Zum § 2 lit. b und c begründete der Justizminister seine im Entwurfe mit roter Tinte ersichtlich gemachte Variante mit der Bemerkung, daß es nicht wünschenswert sei, in diesem Gesetze den noch offenen Grundsatz auszusprechen, daß der ehemals herrschaftliche Grundbesitz eo ipso ein privilegierter sei. Dies verdiene besonders in Ungern Beachtung, wo durch Zerteilung der Kompossessorate das obrigkeitliche Jurisdiktionsrecht und somit alle damit verbundenen Privilegien auf jeden Mitbesitzer selbst des kleinsten Anteils von etlichen Jochen übergehen, sodaß also ein solcher nach dem Texte der lit. c ohne alle Rücksicht auf die Ausdehnung seines Besitztums bloß darum, weil es einst ein herrschaftliches war, zur Aufstellung eines beeideten Hüters vor allen anderen privilegiert sein würde.
Der Minister des Inneren hätte zwar jenen Grundsatz für bereits ausgemacht, weil durch die Ausscheidung des ehemals obrigkeitlichen Besitztums aus dem Gemeindeverbande zugestanden, gehalten, und auch der Kultusminister würde keinen Anstand nehmen, sich für die Textierung des Ministers des Inneren zu erklären. Die übrigen, also mehreren Stimmen der Konferenz schlossen sich dem Antrage des Justizministers umso mehr an, als auch nach diesem eine ausnahmsweise Berücksichtigung des ehemals obrigkeitlichen || S. 375 PDF || Besitztums im einzelnen zulässig ist. Konsequent mit dieser Abstimmung ward sich sofort auch in den §§ 3, 19 und 20 für die Textierung des Justizministers erklärt.
Zu § 7 muß nach der Bemerkung des Justizministers der eingeklammerte Satz „ohne besondere Bewilligung etc.“ bis „zu erteilen ist“ wegbleiben. Denn ein wegen Verbrechens etc. schuldig Erkannter ist ein verwerflicher Zeuge, seine Aussage stellt nach der allgemeinen Gerichts- und der Strafprozeßordung nicht einmal den halben Beweis her. Wie könnte man ihm nun durch Beeidigung als Feldhüter das Vorrecht einräumen, mittelst seiner Aussage einen vollen Beweis, der sonst nur durch zwei unbedenkliche Zeugen zu bewirken ist, herzustellen? Der Verlust der Eigenschaft eines unbedenklichen Zeugen ist ferner die gesetzliche Folge der Verurteilung. Die gesetzlichen Folgen der Verurteilung nachzusehen aber ist nur dem Ah. Landesfürsten vorbehalten. Es wurde demnach die eingeklammerte Stelle einmütig zur Weglassung beantragt.
Zu § 9 bemerkte der Justizminister, daß zur Gewährung der Rechte obrigkeitlicher Personen und Zivilwachen an die Feldhüter die Ah. Genehmigung Sr. Majestät zu erbitten wäre, da selbe allerdings zur Erreichung eines wirksamen Schutzes erforderlich, aber nicht im Wirkungskreise der Ministerien gelegen ist. Sie wäre demnach mittelst dieses Protokolls oder, wie der Minister des Inneren beabsichtigte, mittelst au.Vortrags in einer unter dem Ah. Vorsitze stattfindenden Konferenz einzuholen.
Zu § 25 hätte der Ministerpräsident gewünscht, daß nicht die vom Orte der Tat und des Beschädigten oft weit entfernten politischen Behörden, sondern die Lokalbehörden, Gemeindebehörden zur Untersuchung etc. der Feldfrevel berufen werden möchten, weil sonst wegen der damit verbundenen Weitläufigkeiten und Plackereien des zum Bezirksamte vorzuladenden Beschädigten, der darum vielleicht vorzieht, auf Ersatz und Bestrafung zu verzichten, das Gesetz illusorisch werden würde. Der Minister des Inneren hofft, diesem Wunsche dereinst entsprechen zu können, wenn die Gemeindezustände und der Wirkungskreis der Gemeinden geregelt sein werden. Vorderhand erübrigte aber nichts, als die Untersuchung und Bestrafung in die Hände der Bezirksbehörden zu legen, denen übrigens ihre Amtshandlung durch die in den vorhergehenden Paragraphen dem Schutzpersonale und den Gemeindevorständen zugedachte Wirksamkeit wesentlich erleichtert werden wird2.
Im § 27 nahm der Minister des Inneren und sohin die Konferenz die präzisere, mit roter Tinte ersichtlich gemachte Textierung des Justizministeriums an.
Schließlich bemerkte FML. Ritter v. Schmerling , daß sich das Armeeoberkommando vorbehalte, einige Bestimmungen dieses Entwurfs auch in der Militärgrenze, wo bereits eine ähnliche Einrichtung besteht, als Verbesserungen derselben in Ausführung zu bringen3.
II. Behandlung ungarischer Deputationen
Nachdem Se. Majestät den Ah. Entschluß auszusprechen geruht haben, bjene Deputationen aus Ungern, welche laut Mitteilung des Generalgouvernements am 22. d. [M.] in Wien sich zusammenfinden sollen, um in der Angelegenheit der Evangelischen b[eider] B[ekenntnisse] Vorstellungen zu machen, nachdem bekanntgegeben worden ist, daß Deputationen an das Ah. Hoflager ohne vorher eingeholte Ah. Bewilligung nicht abgesendet werden dürfen,b jene Deputationen aus Ungern, welche laut Mitteilung des Generalgouvernements am 22. d. [M.] || S. 376 PDF || in Wien sich zusammenfinden sollen, um in der Angelegenheit der Evangelischen b[eider] B[ekenntnisse] Vorstellungen zu machen, nachdem bekanntgegeben worden ist, daß Deputationen an das Ah. Hoflager ohne vorher eingeholte Ah. Bewilligung nicht abgesendet werden dürfen, als solche nicht empfangen zu wollen4, hielt es der Ministerpräsident für angemessen, daß sich die Konferenz über ein gleichmäßiges Verfahren einige, falls derlei Deputationen bei den einzelnen Ministern Gehör verlangen sollten. Einstimmig ward dessen Antrag angenommen, daß kein Minister derlei Deputationen in corpore empfange; einzelnen Personen bliebe natürlich der Zutritt unbenommen5.
III. Höherer Gehalt für den Schulrat Della Bona
Aus Anlaß der von Sr. Majestät Ah. genehmigten Reformen in der Leitung des Schulwesens in den venezianischen Provinzen6 erbat sich der Unterrichtsminister und erhielt sofort die Zustimmung des Finanzministers und der Konferenz zu dem Antrage, III. daß dem dort anzustellenden zweiten Schulrate Della Bona, welcher früher in der Lombardie verwendet worden war, der höhere Gehalt von 2000 fr. angewiesen werde, weil es darum zu tun ist, diesen für den fraglichen Posten ganz vorzugsweise geeigneten, wegen seiner früheren Verdienste von Sr. Majestät mit dem Orden der Eisernen Krone ausgezeichneten Mann in seinen Bezügen mindestens mit seinem Kollegen gleichzustellen;
IV. Verwendung des Direktors Codemo
den durch die Auflösung der Generalschulendirektion in Reduktion kommenden provisorischen Sekretär derselben, Codemo, bei der venezianischen Statthalterei als überzähligen Sekretär extra statum mit seinen dermaligen Bezügen anzustellen, indem derselbe die volle Eignung zum Schulrate zwar nicht besitzt, aber als ein der k.k. Regierung treu ergebener Mann Berücksichtigung verdient und dessen etwaige Zurückversetzung auf den vorigen Posten als Hauptschuldirektorc in Treviso als eine Kränkung dieses Gutgesinnten angesehen und übel ausgelegt werden würde. Eine Mehrauslage wäre damit dim Vergleiche zu den Kosten der bisherigen Einrichtung bezüglich der Leitung des Schulwesensd nicht verbunden7.
Wien, am 17./22. Jänner 1860. Rechberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 26. Jänner 1860.