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Nr. 43 Ministerkonferenz, Wien, 15. Oktober 1859 - Retrodigitalisat (PDF)

MRZ. – KZ. 3668 –

Protokoll [der Ministerkonferenz] vom 15. Oktober 1859 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten und Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern, Grafen Rechberg.

I. Silberagiovergütung für die österreichischen Diplomaten im Auslande

Der Minister des Äußern referierte über seinen mit dem Finanzminister vereinbarten Antrag, daß den österreichischen Diplomaten im Auslande mit Rücksicht auf die ungünstigen Silberagio- und Wechselkursverhältnisse eine Aufbesserung an ihren Amtsbezügen Ah. zu bewilligen wäre, welche für das halbe Jahr vom 1. Mai bis 31. Oktober 1859 in 25% vom Dienstgehalte allein, vom 1. November 1859 bis letzten April 18601 aber in 15 Perzent von den sämtlichen Bezügen zu bestehen hätte.

Der Polizeiminister , dem auch der Minister des Inneren beitrat, fand diese Aufbesserung nicht genügend; er haltet es vielmehr für eine Pflicht der Regierung, ihren im Ausland fungierenden Beamten den zugesicherten Gehalt und alle übrigen Amtsbezüge in Silber zu bezahlen. Selbst in den verhängnisvollen Jahren 1805 und 1809 sei man dieser Pflicht nachgekommen; in neuester Zeit aber begnüge man sich, eine willkürlich bemessene Perzentualzulage zum Gehalt allein anzuweisen, wobei die Funktionäre sehr viel verlieren, zu auffallenden Einschränkungen gezwungen werden und dergestalt im Ausland ein trauriges Bild der österreichischen Finanznot zur Schau tragen. Man ruiniert so die österreichische Diplomatie2!

Der Finanzminister findet, daß 15% von allen Bezügen schon eine schöne Zubuße seien, und wenn das Aufgeld bis Ende Oktober auf den Gehalt beschränkt bleibe, so sei es dafür mit 25%, somit höher als der dermalige Stand des Silberagios, bemessen.

Die übrigen Konferenzmitglieder fanden gegen die Anträge des Ministers Grafen Rechberg nichts zu erinnern3.

II. Maßregeln gegen die Ungenauigkeit der Briefpostbestellung

Der Finanzminister referierte, er habe über die verspätete Postexpedition der Depeschen nach Rom, welche in der Ministerkonferenz am 13. Oktober 1859 zur Sprache kam, Erhebungen angestellt, welche zeigten, daß hiebei nicht allein den Postbehörden || S. 154 PDF || ein Versehen zur Last fällt; übrigens sei dafür gesorgt, daß sich diese Verspätung nicht mehr wiederhole4.

Baron Bruck bemerkte ferner, daß das Verlorengehen von einigen Briefen gegenüber der ungeheuren Masse von 70 Millionen Briefen, welche in Wien manipuliert werden, und bei der großen Zahl von Beamten und Dienern des Postamts, nicht wohl befremden könne. Diese Erscheinung komme auch im Auslande (Paris und London) aus gleichen Gründen häufig vor. Übrigens werde das hiesige Postamtspersonal polizeilich überwacht, und Baron Bruck beabsichtige auch, die Oberleitung dieses Amts demnächst in jüngere Hände zu legen5.

III. Entwurf der Verordnung über die Auflösung des Handelsministeriums

Der Ministerpräsident erhielt bereits unterm 13. d.M. die Zustimmung der Ministerkonferenz zu seinem Antrage, die Gestion des Handelsministeriums nach außen mit dem 31. Oktober 1859 eintreten zu lassen6. Graf Wilczek7 hat sich gleichfalls damit einverstanden erklärt, und es wird daher der zwischen den beteiligten Ministerien vereinbarte Entwurf der diesfälligen Ministerialverordnung jetzt an den Sektionschef Esch und den Präsidenten der Obersten Rechnungskontrollbehörde zur Einsicht zu leiten sein8.

IV. Vorschläge zur Schillerfeier in Wien

Der Polizeiminister referierte, daß sich in Wien der Wunsch geltend mache, das Geburtsfest Schillers durch eine großartige Festproduktion mit Bankett im k.k. Redoutensaale zu feiern und den Ertrag der Schillerstiftung zuzuwenden.

Baron Hübner glaube, daß sich der Ah. Hof bestimmt finden dürfte, seine Teilnahme an einer Feier, welche in ganz Deutschland ein ungewöhnliches Interesse hervorruft und für die in anderen Residenzstädten glänzende Vorbereitungen getroffen werden, nicht bloß durch die Festvorstellung im Burgtheater, sondern auch durch eine musikalisch-deklamatorische Feier im großen Redoutensaale an den Tag zu legen, und daß der Ertrag aller dieser Produktionen von Sr. Majestät Ag. dem wohltätigen Schillerstiftungsfonds zu widmen wäre. Diese Ah. Initiative würde im In- und Auslande guten Eindruck machen und der einfachste Weg sein, das in Rede stehende Bankett mit seinen Toasten etc. zu beseitigen. Es dürfte ferner angezeigt sein, daß aus dem gegenwärtigen Anlaß Ah. angeordnet würde, einem in Wien neu zu erbauenden Platze die Benennung Schillerplatz beizulegen.

|| S. 155 PDF || Sämtliche Konferenzglieder schließen sich den au. Anträgen des Polizeiministers an und sehen der Ah. Schlußfassung darüber im Wege des gegenwärtigen Protokolles ehrfurchtsvoll entgegen9.

Der Finanzminister erwähnte hiebei schließlich, daß auch von der Staatsdruckerei zur Schillerfeier eine interessante Publikation vorbereitet werde10.

V. Hauptgrundsätze über die Reorganisierung der Gendarmerie (2. Beratung)

Der Minister des Inneren ging in eine umständliche Motivierung der Hauptgrundsätze über die Reorganisierung der Gendarmeriea ein, welche in der Konferenz am 13. d. M. verlesen wurden11.

Insbesondere hält er die Reduktion dieses Wachkörpers auf acht Bataillons nach den gemachten Erfahrungen für vollkommen angezeigt, sobald man aus den Dienstesobliegenheiten des Gendarmen jede unnütze Mühwaltung, welche seine Zeit und Kraft verzehrt (insbesondere die regelmäßigen Patrouillen) ausscheidet. Die kostspieligen Cadres der Gendarmerieregimenter würden hiebei erspart werden, und zwar ohne Nachteil, da dieselben im Auslande nirgends für nötig befunden wurden. Das Ziel, welches bei der vom Grafen Gołuchowski beantragten Reorganisierung überall im Auge behalten wird, ist, aus der Gendarmerie ein Wachkorps, ein zur Verfügung der Behörden stehendes Zivilinstitut mit militärischer Disziplin und militärischer Ökonomiegebarung nach preußischen und baierischen Mustern zu bilden. Gegenwärtig ist sie ein sehr kostspieliges Institut, welches dem Zivile nur unvollkommene Dienste leistet und vom Militär nicht gebraucht wird. Die Zivilbehörden vermeiden es oft (gewiß nicht zum Vorteil des Dienstes), ein so widerstrebendes Organ, wie die Gendarmerie jetzt ist, in Anspruch zu nehmen. Nur wenn der Gendarmerieposten unbedingt den Aufträgen der Behörde Folge zu leisten hat, werde die Gendarmerie alles das leisten, was man von ihr erwarten kann. Dies sei das Grundprinzip der Gendarmerie in den obgenannten zwei deutschen Nachbarstaaten, deren Einrichtung sich durch die Erfahrung als musterhaft bewährt hat. Der Minister des Inneren habe sich daher auch bei seinen Anträgen mehr dem preußischen || S. 156 PDF || und baierischen als dem französischen Gendarmerieregelement genähert, welches letztere der Gendarmerie eine weit unabhängigere Stellung einräumt und selbst die Möglichkeit nicht ausschließt, daß die Gendarmerie der behördlichen Requisition keine Folge leiste.

FML. Graf Crenneville entgegnete hierauf, daß die Gendarmerie durch eine solche Stellung dem Zivile gegenüber aufhöre, ein militärischer Körper zu sein, daß die militärische Disziplin verschwinden und die Gendarmen zu den vormärzlichen Kreisdragonern oder Komitatshaiducken herabsinken würden, deren unersprießliche Leistungen noch im frischen Andenken stehen. In Frankreich sei die Gendarmerie zuerst geschaffen und auf den notorischen ausgezeichneten Standpunkt gehoben worden, den sie jetzt dortlands einnimmt. Man könne daher wohl nichts besseres tun, als sich ihrem Reglement möglichst zu nähern. Dort aber richten die Behörden an die Gendarmerie nur Requisitions, Communications, niemals Ordres, und jede Aufforderung zum Einschreiten muß schriftlich geschehen. Dies letztere sei sehr wichtig, weil mündliche Befehle erfahrungsgemäß nicht selten von den vollziehenden Organen mißverstanden und zuweilen auch von den Zivilbeamten bei eintretenden schlimmen Folgen abgeleugnet werden. Der Polizeiminister , bmit dem Minister des Inneren im Prinzip, jedoch nicht hinsichtlich aller Punkte seines Entwurfesb einverstanden, bemerkt, daß, wenn die französische Gendarmerie ungeachtet ihrer formellen Unabhängigkeit vom Zivil ausgezeichnete Dienste leistet, diese Unabhängigkeit eben mehr formal ist und die Zivilbehörde ihre Verfügungen stets absolut zur Durchführung zu bringen wissen. Auch komme hierbei zu erwägen, daß die Stellung des Militärs in Frankreich dem Zivil gegenüber nicht so bevorzugt ist als in Österreich. Hat doch die Armee erst den Rang nach der Nationalgarde!

Der Minister des Inneren motivierte seinen Antrag, die Inhabersrechte vom Gendarmeriegeneral­inspektor auf das Armeeoberkommando zu übertragen, dadurch, daß auf diese Weise dem Übelstande vorgebeugt würde, zwischen dem Minister des Inneren und dem Gendarmeriegeneral­inspektor als seinem Untergebenen in Absicht auf die Handhabung der Inhabersrechte Streit und Konflikte entstehen zu sehen, während die beiden Zentralbehörden auf der gleichen Stufe stehen und sich die Ah. Entscheidung über ihre Differenzen erbitten können.

Schließlich erwähnte noch Graf Gołuchowski folgender, eine wesentliche Ersparung begründender Maßregeln: Aufhebung der ganz unnützen Landesgendarmerieinspektion; Einziehung der Gendarmerie in allen Städten, wo eine Polizeiwache besteht; Auflösung des lombardischen Gendarmerieregiments; einfachere Uniformierung; Abstellung des Luxus in der Bequartierung und Möblierung der Gendarmerieposten12.

Am 18. Oktober 1859. Rechberg. [Ah. E.] cIch habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen und bezüglich der Schillerfeier bereits meine Befehle erlassen. Wien, den 25. Oktober 1859. Franz Joseph.c Eigenhändige Ah. Entschließung.