Nr. 7 Ministerkonferenz, Wien, 31. Mai 1859 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Rechberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Rechberg 31. 5.), Bach, Thun 7. 6., Toggenburg, Bruck, Nádasdy 2. 6., Hartmann, Eynatten.
MRZ. – KZ. 2096 –
Protokoll der zu Wien am 31. Mai 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Rechberg.
I. Ausgabe von Vaglien im lombardisch-venezianischen Königreiche auf die Monte-Anleihe
Nachdem infolge der neuesten Ah. Verfügungen der Bedarf an Silbergeld für die Armeeauslagen auf 10–12 Millionen Gulden monatlich gesteigert wird1, in diesem Betrage aber nicht aufgebracht werden kann, so beantragte der Finanzminister , sich von Sr.Majestät die Ah. Ermächtigung zu erbitten, daß auf Rechnung des auf dem Monte Lombardo-Veneto fundierten Anleihens von 75 Millionen Gulden öW.2 durch das Generalgouvernement des lombardisch-venezianischen Königreiches Anweisungen (vaglie) zu 10, 100, 1000 fr. öW. im Gesamtbelaufe von 52 1/2 Millionen ausgegeben werden, welche im genannten Königreiche von jedermann bei Zahlungen als klingende Münze und von den dortigen Kassen bei Ratenzahlungen auf das gedachte Anleihen anzunehmen sind. Die auf solche Art bei den öffentlichen Kassen eingehenden Anweisungen dürfen nach Einzahlung des Anleihens nicht mehr ausgegeben werden und haben sofort außer Umlauf zu treten.
Die Konferenz erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden, indem der Minister des Inneren nur bemerkte, daß hiermit der erste Schritt zur Ausführung des von ihm schon unterm 9. April d. J. in der Konferenz gestellten Antrags auf Einführung von Papiergeld mit Zwangskurs im lombardisch-venezianischen Königreiche getan sei3 und bei voraussichtlich noch wachsendem Bedürfnisse zur weiteren Entwicklung desselben führen dürfte. Der Handelsminister aber machte auf die Notwendigkeit aufmerksam, beizeiten Vorsorge dafür zu treffen, daß durch eine ausreichende Menge vona Zetteln unter 10 fr. der Kleinverkehr gehörig vermittelt werden könne4.
II. Vorstellung des I. Armeekommandos gegen den Verkehr neutraler Schiffe mit österreichischen Häfen und gegen das Auslaufen österreichischer Schiffe aus denselben
Der Generaldirektor beim Armeeoberkommando FML. Freiherr v. Eynatten 5 referierte über eine Vorstellung des Küstenverteidigungskommandos gegen die || S. 27 PDF || Bestimmungen der §§ 3 und 4 der Ministerialverordnung vom 11. Mai 1859, RGBL. Nr. 76, über den Verkehr neutraler Schiffe mit und über das Auslaufen österreichischer Schiffe aus österreichischen Häfen6. Erstere werden den schon gemachten Erfahrungen zufolge vom Feinde als Kundschafter benützt, letztere weggenommen und gegen Österreich armiert. Es schiene daher die Einstellung dieses Verkehrs notwendig zu sein.
Hierüber bemerkte der Handelsminister , man habe die Möglichkeit solcher Übelstände zwar schon bei der Verhandlung über die gedachte Verordnung vorhergesehen, denselben jedoch nicht das Interesse der gesamten Küstenbevölkerung zum Opfer bringen können, welche mit ihrer Approvisionierung zum größten Teil auf die Zufuhr zur See angewiesen ist. Der Handelsminister könnte daher ohne vorläufiges Einvernehmen mit der Statthalterei und Zentralseebehörde den Antrag auf Einstellung des gedachten Verkehrs nicht unterstützen, erbat sich jedoch zum Behufe dieses Einvernehmens und der hiernach weiters zu stellenden Anträge die, sofort auch erfolgte, Mitteilung des bezüglichen Aktenstückes7.
III. Überwachung der Privattelegramme
Der Handelsminister kam auf die in den Konferenzen vom 3., 24. und 26. d.M. besprochene Überwachung der Privattelegramme8 mit dem Bemerken zurück, daß er, nachdem die infolge Konferenzbeschlusses vom 3. hierwegen niedergesetzte Kommission sich in ihren Anträgen nicht vereinigen konnte, eine Verständigung hierüber unter den Chefs der Zentralstellen umso dringender wünschen müsse, als die Beurteilung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Hinausgabe eines Kriegsereignisse oder Truppenbewegungen meldenden Privattelegramms unmöglich in die Hand des Telegrafenbeamten gelegt werden kann9. Der Handelsminister hatte daher schon damals die Zulassung von Beamten der einschlägigen Zentralstellen in das Telegrafenamt zur Revision der einlangenden und abgehenden Privattelegramme vorgeschlagen; nachdem aber diese Modalität nicht beliebt worden ist, so erübrigt ihm, um die Telegrafenbeamten diesfalls außer Obligo zu setzen, nichts anders, als entweder alle Privattelegramme instruktionsmäßig ausfolgen zu lassen und die Hintanhaltung ihres Mißbrauchs durch die Presse den Preßbehörden anheimzustellen, oder die Telegrafenämter anzuweisen, daß sie Privattelegramme mit Nachrichten vom Kriegsschauplatze oder über Truppenbewegungen vorläufig der Polizeibehörde vorzulegen haben.
Der Minister des Inneren , von Sr. Majestät persönlich dafür verantwortlich gemacht, zu sorgen, daß durch die Veröffentlichung von telegrafischen Nachrichten die Ruhe im Inneren nicht gefährdet werde, erklärte die Kontrollierung der telegrafischen Korrespondenz der Zeitungen in Wien durch ihn selbst, in den Provinzen durch den Landeschef, für unerläßlich, weil der Eindruck, welchen die von den Zeitungslesern vor allem zuerst und ohne Wahl aufgesuchten telegrafischen Nachrichten unter den gegenwärtigen Umständen auf das Publikum machen könnten, von untergeordneten, dem Preßbüro oder dem Telegrafenamte beigegebenen Beamten im vorhinein nicht ermessen oder beurteilt werden kann. Dieses Urteil muß in eine höhere Hand gelegt sein; || S. 28 PDF || der Minister des Inneren würde daher antragen, daß alle für Zeitungsredaktionen bestimmten Privattelegramme, welche nicht nur über Kriegsereignisse und Truppenmärsche, sondern auch über die Ah. Person Sr. Majestät oder über ausgebrochene Unruhen Nachricht geben (denn auch solche können Beunruhigung und Aufregung verursachen) nur mit Approbation in Wien des Ministers des Inneren, in den Provinzen des Landeschefs oder nur in der von demselben approbierten Form an die Adressaten abgegeben werden dürfen.
Es wurde aber weiters bemerklich gemacht, daß die ganze telegrafische Privatkorrespondenz, nicht bloß jene der Zeitungsredaktionen, einer Kontrolle im Interesse der öffentlichen Ruhe bedürfe, weil auch durch Mitteilung derselben, sei es mündlich oder durch den Druck, Unheil angestiftet werden kann. Andrerseits erscheint aber insbesondere die Veröffentlichung derselben durch die periodische Presse aus den oben angeführten Rücksichten einer strengeren Überwachung zu bedürfen.
Der Kultusminister glaubte also die Ansicht der Konferenz nach diesen beiden Richtungen hin in folgende Anträge zusammenfassen zu können. 1. An die Telegrafenämter wäre die Weisung zu erlassen: „Privattelegramme, welche Nachrichten vom Kriegsschauplatze, über Truppenbewegungen, über die Person Sr. Majestät oder über revolutionäre Bewegungen enthalten, sind nicht ohne Bewilligung der politischen Behörde (in Wien des Minister des Inneren, in den Provinzialhauptstädten des Landeschefs) hinauszugeben.“ 2. Rücksichtlich der Zeitungen wäre die Weisung zu geben: „Die Redaktionen dürfen gegenwärtig keine Telegramme, die ihnen nicht von der Regierung mitgeteilt worden sind, ohne Genehmigung der politischen Behörden aufnehmen.“
Mit diesen Anträgen war die Konferenz einverstanden, und es werden behufs der Ausführung des Antrags ad 1. die entsprechenden Aufträge an die Landeschefs und Telegrafenämter von den Ministern des Inneren und des Handels erlassen, und wegen der Weisung ad 2. zwischen dem Minister des Inneren und dem Chef der Obersten Polizeibehörde das weitere Einvernehmen gepflogen werden10.
Wien, am 31. Mai 1859. Rechberg.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Verona, den 16. Juni 1859.