Nr. 486 Ministerkonferenz, Wien, 27. Jänner 1859 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 27.1.), gesehen Bach 28.1., gesehen Thun 28.1., Toggenburg, Bruck 29.1., Nádasdy 29.1., Für Se. Exzellenz den Herrn Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner 29.1.; abw.abwesend Kempen.
MRZ. – KZ. 354 –
Protokoll der zu Wien am 27. Januar 1859 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Grundbücherliche Sicherstellung der Kaufschillingsreste etc. von verkauften Realitäten
Gegenstand der Beratung war die in der Konferenz vom 30. Oktober 1858 bis zur Einlangung der Äußerung des Obersten Gerichtshofes vorbehaltene Ergänzung der §§ 26 und 82 der Grundbuchsordnung betreffend die Sicherstellung des rückständigen Kaufpreises und anderer Gegenleistungen auf einer verkauften Realität1.
Der Justizminister erklärte sich laut seines umständlichen Vortrages gegen den Antrag des Komitees und gegen den neuen Antrag des Referenten und war der Meinung, daß die Sicherstellung des rückständigen Kaufpreises und anderer Gegenleistungen auf der verkauften Realität nur auf Verlangen des Verkäufers und, wenn sie im Verkaufskontrakte bedungen worden, im Grundbuche einzuverleiben oder vorzumerken sei. Sollte jedoch dieser Antrag verworfen werden, so würde er die fragliche Sicherstellung von Amts wegen bloß auf Bauerngüter beschränken und den diesfälligen Antrag in der Art formulieren, wie er auf der zweiten Seite der Beilage unter der Aufschrift „Eventueller Antrag des Justizministers“ dargestellt ista .
Zur Begründung seines ersten Antrags bemerkte der Justizminister folgendes: 1. die Aufstellung einer gesetzlichen Vermutung oder Feststellung eines gesetzlichen Titels zum Pfandrechte für den Kaufschillingsrest etc. wäre ein Rückschritt in der Gesetzgebung. Schon die Landtafelpatente von 1730, 1746 und 1747 haben das zugunsten rückständiger Kaufgelder (Landtafelordnung von 1644) bestandene gesetzliche Pfandrecht durch die Bedingung seiner bücherlichen Auszeichnung beschränkt, und in den Grundbuchsund Landtafelpatenten von 1754, 1758, 1759, 1762, 1765, 1780, 1783, 1791 wird ein gesetzliches Pfandrecht des rückständigen Kaufpreises nicht mehr erwähnt. Dieser stillschweigenden Aufhebung folgte dann später die ausdrückliche für Galizien 1790-1792, für Böhmen und Mähren im Landtafelpatente von 1794, und endlich im bürgerlichen Gesetzbuche anno 1811. Wenn auch in Böhmen und Mähren bei Grund- und Stadtbüchern (nicht bei der Landtafel) im Widerspruch mit den Gesetzen dieses || S. 210 PDF || Pfandrecht in Übung blieb und mit den Dekreten der Obersten Justizstelle von 1824 und 1826 gutgeheißen wurde, so wurden doch diese Dekrete in die Justizgesetzsammlung nicht aufgenommen; diese Entscheidungen erhielten daher nie Gesetzeskraft. 2. Der Justizminister glaubt nicht, daß es eine dankbare Aufgabe sei, die Staatsbürger zu bevormunden; selbe ist nur auf die Schutzbedürftigen, z. B. Minderjährige, zu beschränken und dafür zu sorgen, daß überall rechtskundige Männer von den Rechtsunkundigen zu Rate gezogen werden können. Seitdem der Bauer das vollständige Eigentum des Bodens hat, dürfte die Bevormundung noch weniger am Platze sein. Daß sie nicht Anklang findet, beweiset vielleicht schon die schnelle Aufhebung des kaum eingeführten Notariatszwanges2. 3. Aufgedrungene Wohltaten werden selten mit Dank aufgenommen, besonders in jenen Fällen nicht, wo die Wohltat mit Unkosten und Plackereien verbunden ist. Die Anordnung der grundbücherlichen Sicherstellung der Kaufschillingsreste etc. von Amts wegen würde wegen der davon zu entrichtenden ½prozentigen Einverleibungsgebühr bei den Landtafeln und dem Wiener Stadtgrundbuche nur als eine Finanzmaßregel gedeutet werden. Auch würde es mißfallen, daß die von dem Kaufschillingsreste etwa bedungenen 6 % Zinsen infolge der Einverleibung der Restforderung auf 5 % herabgesetzt werden müßten. Endlich werden die wiederholten Löschungen bei den oftmaligen Ratenzahlungen wahrlich nicht zu einer Geschäftsverminderung führen, vielmehr als Plackerei erscheinen. 4. Zwei Hauptgrundsätze der Grundbuchsordnung würden verletzt: a) daß Grundbuchseintragungen nur über Ansuchen der Partei geschehen können, und b) daß nie mehr bewilliget werden darf, als begehrt wurde. Endlich 5. muß hingewiesen werden auf die im Vortrage umständlicher auseinandergesetzten Schwierigkeiten in der Ausführung auf die Verantwortung und Haftung der Grundbuchsbeamten, eventuell des Staats, besonders bei verwickelten Verhältnissen, bei minder klarem Texte des Vertrags oder wenn mehrere Verkäufe, ohne eingetragen worden zu sein, stattfinden.
Bei der Abstimmung hat sich die Mehrheit der Konferenz mit dem ersten Antrage des Justizministers auf gänzliche Beseitigung des stillschweigenden Pfandrechts der Kaufschillingsreste, Ausgedinge etc. ohne Ausnahme der Bauerngüter vereinigt. Es ist, bemerkte der Minister des Inneren , ein Kampf der provinziellen Praxis in Böhmen, Mähren und Schlesien mit der prinzipiellen Anschauung und der Praxis in andern Kronländern. Letztere der ersteren zu opfern, wäre umso weniger Grund vorhanden, als die Parteien überall des Mittel haben, sich durch Stipulierung des gedachten Pfandrechts und dessen Einverleibung dieselbe Rechtswirkung zu sichern. Man hat zwar bei der provisorischen Einführung der Grundbücher in Ungern die böhmische Praxis zum Teil und mit Modifikationen zugelassen; allein, die Einrichtung der Grundbücher ist dort noch nicht so weit fortgeschritten, daß es einem Anstande unterläge, auch dort auf den allgemeinen Grundsatz der neuen Grundbuchsordnung zurückzukommen. Wollte übrigens von diesem Grundsatze zugunsten der Kaufschillingsreste etc. abgegegangen werden, so müßte sich diese Ausnahme auf alle Realitäten, nicht bloß auf die Bauerngüter, erstrecken, weil mit der Gleichstellung alles Grundbesitzes jeder Grund zu einer besonderen Bevormundung oder Begünstigung der Bauern entfallen und das eigentliche Kriterium des bäuerlichen Grundbesitzes verschwunden ist. Der Handelsminister bemerkte || S. 211 PDF || noch, daß die Zulassung der grundbücherlichen Eintragung solcher Kaufschillingsreste etc. die Ignorierung des Gesetzes von Seite der Parteien supponiere, welche anzunehmen man noch bei keinem Gesetze in dem Falle gewesen ist und wohl niemals in den Fall kommen kann.
Der Kultus - und der Finanzminister waren zwar auch gegen die Beschränkung der ämtlichen Sicherstellung der Kaufschillingsreste etc. auf die Bauerngüter nach dem eventuellen Antrage des Justizministers. Sie waren aber für die allgemeine Annahme derselben nach dem neuen Antrage des Referenten Wessely. bDer Kultusminister bemerkte, es handle sich einerseits um die Durchführung des theoretischen Grundsatzes, nur auf Begehren der Parteien und nicht mehr als dieses grundbücherlich einzutragen, andererseits darum, einem praktischen Bedürfnisse abzuhelfen, in einer Weise, welche in Ländern, in denen das Grundbuchswesen sich am meisten entwickelt hat, bisher als zweckmäßig erkannt war. Wenn in anderen Ländern diese Vorsorge nicht getroffen war, so liege hierin noch gar kein Beweis, daß nicht auch da ein Bedürfnis darnach sich geltend mache. Jedenfalls könne er in der allgemeinen Durchführung der Maßregel gar keinen Nachteil erblicken. Es sei ja nicht die Rede von einem gesetzlichen Pfandrechte in dem Sinne einer dem Betrage aus dem Grundbuche nicht ersichtlichen Belastung der Hypothek, sondern lediglich darum, ob die Grundbuchsbehörde auch ohne ausdrückliches Begehren auf dem Grunde einer Voraussetzung, die aber durch eine Erklärung der Parteien beseitigt werden könne, gewisse in der intabulierten Urkunde ersichtliche Ansprüche als auf der Hypothek haftend behandeln solle. Auch in politischer Beziehung dürfe es sich nicht empfehlen, das Grundbuchswesen so einzurichten, daß die Parteien bei jedem Geschäfte genötiget seien, die Hülfe des Notars in Anspruch zu nehmen, um sich vor Beschädigung zu wahrenb Der Kultusminister bemerkte, es handle sich einerseits um die Durchführung des theoretischen Grundsatzes, nur auf Begehren der Parteien und nicht mehr als dieses grundbücherlich einzutragen, andererseits darum, einem praktischen Bedürfnisse abzuhelfen, in einer Weise, welche in Ländern, in denen das Grundbuchswesen sich am meisten entwickelt hat, bisher als zweckmäßig erkannt war. Wenn in anderen Ländern diese Vorsorge nicht getroffen war, so liege hierin noch gar kein Beweis, daß nicht auch da ein Bedürfnis darnach sich geltend mache. Jedenfalls könne er in der allgemeinen Durchführung der Maßregel gar keinen Nachteil erblicken. Es sei ja nicht die Rede von einem gesetzlichen Pfandrechte in dem Sinne einer dem Betrage aus dem Grundbuche nicht ersichtlichen Belastung der Hypothek, sondern lediglich darum, ob die Grundbuchsbehörde auch ohne ausdrückliches Begehren auf dem Grunde einer Voraussetzung, die aber durch eine Erklärung der Parteien beseitigt werden könne, gewisse in der intabulierten Urkunde ersichtliche Ansprüche als auf der Hypothek haftend behandeln solle. Auch in politischer Beziehung dürfe es sich nicht empfehlen, das Grundbuchswesen so einzurichten, daß die Parteien bei jedem Geschäfte genötiget seien, die Hülfe des Notars in Anspruch zu nehmen, um sich vor Beschädigung zu wahren,3.
II. Kaiserliche Verordnung über den Einfluß der Ablegung der theoretischen Staatsprüfungen auf den Eintritt in die Konzeptspraxis
Der Minister für Kultus und Unterricht referierte den sub 2. beiliegenden Entwurf einer kaiserlichen Verordnung über den Einfluß, welchen die Ablegung der theoretischen Staatsprüfung auf den Eintritt in die Konzeptspraxis zu nehmen hatc .
Derselbe wurde von der Konferenz angenommen.
|| S. 212 PDF || Was die von dem Minister des Inneren in den sub 3. beiliegenden Bemerkungend gestellten Anträge betrifft, so erklärte sich der Unterrichtsminister ad 1. damit einverstanden, in einzelnen rücksichtswürdigen Fällen die Frist zur Ablegung der dritten Staatsprüfung – über Rücksprache mit der betreffenden Zentralbehörde – auf ein weiteres Jahr zu verlängern und hierzu ohne Aufnahme dieser Bestimmung in die vorliegende Verordnung die Ah. Ermächtigung Sr. Majestät zu erbitten.
Gegen den Antrag ad 2. aber, im § 4 die Erteilung der Dispens von der Ablegung der theoretischen staatswissenschaftlichen Prüfung während dreier Jahre noch zuzulassen, erklärte er sich darum, weil es einerseits notwendig ist, dahin zu wirken, daß die Kandidaten des Staatsdienstes zu der Überzeugung gelangen, sie müssen die dritte Staatsprüfung ablegen, wozu ihnen ohnehin nach dem Entwurfe und nach dem Antrage ad 1. die möglichste Erleichterung gewährt ist, dann weil andererseits durch Erteilung der Dispens die eigentliche Ursache des Mangels an befähigten Kandidaten für den Konzeptsdienst nicht behoben würde. Diese liegt nämlich in dem Mißverhältnisse der Zahl der Absolvierenden überhaupt zu eder Zahl der Stellen, von deren Bewerbern Universitätsstudien verlangt werdene, nicht in der Furcht vor der dritten Prüfungf . Denn es ist wohl nicht anzunehmen, daß ein Mensch, der zwölf Jahre studiert und bereits zwei Staatsprüfungen mit gutem Erfolge abgelegt hat, aus Scheu vor der letzten den angetretenen Beruf verlassen und sich einem andern zuwenden werde.
Der Minister des Inneren machte dagegen bemerklich, daß der – nach Ablegung der zweiten Prüfung – in die Konzeptspraxis Aufgenommene, zumal in der Dienstleistung bei einem Bezirksamte, gleich und zwar so sehr für den Dienst in Anspruch genommen wird, daß es ihm an der nötigen Zeit zur Vorbereitung auf die Prüfung gebricht. In diesem Falle müßte er, um dieser zu genügen, beurlaubt werden. Solange daher die gegenwärtigen Verhältnisse noch obwalten, wo man sich in einem Übergangszustand befindet, der eine besondere Rücksichtnahme auf die Kandidaten des Staatsdienstes nötig macht, dürfte es angemessen erscheinen, für drei oder wenigstens für zwei Jahre den Ministerien das Recht zur Dispenserteilung von der dritten Prüfung von Sr. Majestät umso mehr zu erbitten, als ja die Kandidaten ihre Befähigung auch sonst noch durch die praktisch politische oder Richteramtsprüfung bewähren müssen. Im Entwurfe selbst wäre übrigens hievon abzusehen. Unter dieser letzteren Bedingung erklärte der Unterrichtsminister dem Antrage ad 2. nicht weiter entgegentreten zu wollen4.
Wien, am 27. Jänner 1859. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. [Unterschrift und Datum fehlen.]