MRP-1-3-07-0-18581213-P-0478.xml

|

Nr. 478 Ministerkonferenz, Wien, 13. Dezember 1858 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Ransonnet; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 14. 12.), gesehen Bach 14. 12., gesehen Thun 14. 12., Toggenburg, Bruck 15. 12., Grünne, gesehen Kempen 16. 12., Nádasdy 17. 12.

MRZ. – KZ. 5091 –

Protokoll der am 13. Dezember 1858 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.

I. Abhilfe in der bedrängten Lage der kärntnerischen Eisenindustrie

Se. k. k. apost. Majestät geruhten die durch eine Deputation vorgebrachte Bitte der kärntnerischen Eisengewerke um Verbesserung ihrer Lage zur Beratung zu bringen1. Der Finanzminister äußerte, diese Eisenindustriellen bewegen sich bei ihren Ansprüchen in einem circulus vitiosus. Einerseits beanspruchen sie schleunige Herstellung von Eisenbahnen und zugleich wollen sie, daß man die Eisenzölle erhöhe, was den Bau der Eisenbahn verteuern, somit verzögern müßte. Nicht in den Begünstigungszöllen für einen Teil des Schienenbedarfs der neuen Eisenbahnen liegt der Grund der eingetretenen Stockung in der kärntnerischen Eisenproduktion, sondern vorzugsweise in folgenden Umständen: 1. der Nachwirkung der Geldkrise; 2. den niedrigen Getreidepreisen; 3. dem zu hohen Preis der kärntnerischen Schienen und 4. darin, daß die Verhandlungen wegen des Übergangs der Südbahn an eine Privatgesellschaft3 eine längere Zeit dauerten, während welcher weder von der einen noch der anderen Seite größere Bestellungen gemacht werden konnten. Jetzt, wo die Abtretung der Südbahn soeben sanktioniert worden ist, stehen großartige Bestellungen an Bestandteilen eiserner Brücken bevor, von denen zwischen Wien und Triest bei 400 mit einem Aufwand von 20 Millionen hergestellt werden sollen und wovon die Hälfte notwendig der einheimischen Industrie zugewendet werden muß. Der Finanzminister wird es sich angelegen sein lassen, die Gesellschaft gleich nach erfolgter Konstituierung zu bestimmen, daß sie ohne Verzug zu den Bestellungen schreite. Dies würde neues Leben in die kärntnerischen Guß- und Walzwerke bringen. Aber man könne sich gleichwohl nicht verhehlen, daß die Eisenindustrie in Kärnten einer großen Veränderung entgegengehe, welche alle anderen eisenverarbeitenden Länder schon durchgemacht haben oder noch durchmachen müssen: das Eingehen der kleineren Werke und die Konzentrierung der Produktion in großen Etablissements.

Auf die Bemerkung des Ministers des Inneren , daß dies traurige Aussichten in die Zukunft gewähre und daß von Staats wegen mindestens nichts getan werden sollte, um diese Krisis zu beschleunigen, erwiderten die Minister des Handels und || S. 161 PDF || der Finanzen , daß hiebei die Macht der industriellen Verhältnisse ohne Zutun der Staatsverwaltung einen unwiderstehlichen Einfluß übe. Die Eisenproduktion könne sich dem Umschwung, der die kleinen Produzenten bedroht, ebensowenig entziehen, als es die Spinnerei und Weberei konnten.

Über die von Sr . Majestät aufgeworfene Frage, ob durch eine Zollerhöhung nicht Abhilfe gefunden werden könnte, erklärten die Minister der Finanzen und des Handels , daß eine solche Erhöhung wegen des nachteiligen Rückschlags auf die Eisen brauchenden Gewerbe nicht rätlich und für die Eisenproduzenten auch nicht nötig sei. Im Jahre 1848 war die Gesamtproduktion des Eisens in der Monarchie eineinhalb Millionen Zentner; ungeachtet der Zollermäßigung ist sie auf 7 Millionen jährlich gestiegen. Momentanen Stockungen könne durch keine Zollerhöhung vorgebeugt werden. Wollte man selbst die Monarchie gegen die Eiseneinfuhr hermetisch abschließen, die Handelskrisen würden stets fühlbar bleiben, die Konkurrenz der böhmischen und ungarischen Werke würde doch der kärntnerischen Schienenerzeugung ein Ziel setzen und die Produktion der kleinen Eisenwerke überhaupt nach und nach doch eingestellt werden. Schließlich referierte der Handelsminister, er habe, um die einheimischen Industriellen zu beruhigen, die Erteilung der Bewilligung zum Bezug von Schienen mit dem Begünstigungszolle in die Hände einer eigenen Kommission gelegt, obgleich bisher schon mit aller Strenge vorgegangen wurde4.

II. Beschwerden über die Höhe und die Einhebungsart der Branntweinsteuer

Se. k. k. apost. Majestät geruhten hierauf die vorgekommenen Beschwerden gegen die Höhe der Verzehrungssteuer auf den Branntwein und die bei deren Einhebung Platz greifenden Plackereien zur Sprache zu bringen5.

Der Finanzminister gab sofort die Versicherung, die Branntweinsteuer sei in letzter Auflösung nicht höher als vor 23 Jahren; allein, man sei proportional mit den technischen Verbesserungen der Erzeugung auch in der Besteuerung fortgeschritten. Daß die Steuer nicht zu hoch sei und die Erzeugung nicht unmöglich mache, beweise wohl am besten der Umstand, daß der Gefällsertrag von 4,300.000 fl. im Jahre 1852 auf 11 Millionen Gulden im Jahre 1858 gestiegen sei. Die Geschäftsstockung habe sich allerdings auch in diesem Industriezweige fühlbar gemacht und die Preise sind gefallen; allein, das kann nicht eine Herabsetzung des Steuersatzes rechtfertigen. Man habe indes die Rückvergütung bei Ausfuhr des Branntweins von 2 auf 3 fl. erhöht6, und daß dies genug sei, beweist der Umstand, daß man selbst aus Galizien über Triest Branntwein ausführt. Die Preise fangen auch wieder an, sich zu heben.

Die Herabsetzung der Maischdauer auf 60 Stunden sei eine zur möglichsten Beschränkung von Kontraband unerläßliche Maßregel gewesen7.

|| S. 162 PDF || Der Minister des Inneren äußerte, die Klagen der Gutsbesitzer über die Höhe der Branntweinsteuer bestehen schon lange und werden immer lauter. Es erschien ihm daher wünschenswert, der Sache durch eine genaue kommissionelle Prüfung auf den Grund zu sehen. Da jedoch das Finanzministerium nicht darauf eingehen wollte, habe Minister Baron Bach im avertraulichen Wege die Äußerungen einiger Länderchefs eingeholta, welche die vorgekommenen Klagen als gegründet darstellen. Insbesondere seien die Plackereien von der Art, daß nur Pächter, welche es nicht scheuen, die unteren Finanzorgane geschmeidig zu machen, aufkommen können. Ferner mache sich auch hier die Erscheinung bemerkbar, daß die kleinen Produzenten zu Grunde gehen. Dieser Stimmführer müsse daher die Vornahme einer kommissionellen Erhebung über diesen Gegenstand beantragenb .

Der Finanzminister äußerte hierauf, daß er gegen eine von den zwei Ministerien vorzunehmende gemeinschaftliche Enquête nichts zu erinnern habe, nur gegen einseitige Erhebungen müsse er sich verwahren.

Was die Einstellung der kleinen Branntweinproduktion betrifft, so sei sie die notwendige Folge der Überlegenheit der großen Brennereien, die mit ihrem weit vollkommnern neuen Apparaten aus derselben Quantität Maisch weit mehr Alkohol gewinnen, somit viel wohlfeiler produzieren. Gegen die Folgen dieses ungleichen Kampfes gebe es keine Abhülfe im Bereich der Staatsverwaltung.

Nachdem über diesen Gegenstand noch länger erörtert worden war8, geruhten Se . Majestät schließlich anzubefehlen, daß eine kommissionelle Erhebung über die Höhe der Verzehrungssteuer im Verhältnis zum Preis des Branntweins, dann über die mit deren Einhebung angeblich verbundenen Plackereien stattfinde9.

Am 14. Dezember 1858. Gr[af] Buol. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 18. Dezember 1858.