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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

|| S. 7 PDF || Am 1. Mai 1858 wurde in Wien anläßlich der traditionellen ersten Praterausfahrt des Kaisers ein kleines Stück der neuen Straße am Donaukanal eröffnet. Sie wurde „Franz-Joseph-Quai“ genannt. Der Kaiser und seine Regierung wollten mit der Schleifung der Stadtmauern und der Errichtung der Ringstraße und der vielen neuen Gebäude im Zuge der Stadterweiterung die Residenzstadt verschönern, die Wirtschaft fördern, Modernität zeigen.

Das Jahr 1858 brachte der Monarchie auch ein hochwillkommenes Zeichen der Kontinuität. Am 21. August wurde dem Kaiserpaar ein Kronprinz geschenkt. Genau vier Wochen davor, am 21. Juli, trafen einander sehr geheim der italienische Ministerpräsident, Graf Cavour, und der Kaiser der Franzosen, Napoleon III., um die Neuordnung der Staaten der italienischen Halbinsel zu besprechen. Dieses Vorhaben bedeutete Krieg gegen Österreich. Das Treffen selbst blieb nicht geheim, wohl aber der Inhalt.

Die Regierung in Wien machte weiter wie bisher. Ungebrochener Reformeifer erfüllte sie. Am 1. November trat die Währungsreform in Kraft. Die „österreichische Währung“ löste die Konventionsmünze ab und brachte „Ordnung und Licht in das österreichische Münzwesen“. Damit ging endlich wieder die freie Konvertierbarkeit zwischen Banknoten und Silbergeld einher. Einheitliche Behörden für den Bergbau wurden organisiert. Die Heeresergänzung wurde reformiert, das Gemeindegesetz endlich sanktioniert, die Gesetze über die Warenbörsen, den Marken- und Musterschutz, das Ausgleichsverfahren erlassen. Wien erhielt eine neue, liberalere Bauordnung, sie sollte das Bauwesen, vor allem den Wohnbau ankurbeln. Das lange erwartete Protestantenpatent für Ungarn wurde in der Ministerkonferenz verabschiedet.

Einige dieser Gesetze erwiesen sich als sehr beständig, andere weniger. Nicht alle Reformvorhaben gelangten überhaupt zum Ziel. Die große Reform der direkten Steuern, die endlich eine nachhaltige Entlastung für den Staatshaushalt bringen sollte, scheiterte am Widerstand des konservativen Reichsrates und des Großgrundbesitzes. Die Reformen bei den indirekten Steuern blieben Stückwerk. Ein Gesetz über die Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse der Juden, auch Judenverfassung genannt, wurde vorbereitet, kam aber nicht in die Ministerkonferenz.

Aber alle die erfreulichen Ereignisse des Jahres 1858 und die vielen Reformen konnten nicht über das grundlegende Problem hinwegtäuschen, daß die neoabsolutistische Regierungsform bei wichtigen sozialen Gruppen und in zwei großen und reichen Ländern, Ungarn und Lombardo-Venetien, nicht akzeptiert wurde. Man wartete bloß ab. Lombardo-Venetien wurde schließlich zum Prüfstein für das Regime. Gegen Ende des Jahres 1858 verdichteten sich die Krisenzeichen. Österreich geriet unter militärischen und diplomatischen Druck. Kaiser Franz Joseph und seine Berater konnten und wollten ihm standhalten. Schließlich ergriffen sie die Initiative mit dem Nahziel, || S. 8 PDF || Piemont zu entwaffnen, und dem Fernziel, Napoleon UI. zu stürzen. Im Vertrauen auf das Völkerrecht und auf die Armee erklärte Österreich am 28. April 1859 den Krieg. Der ungünstige Verlauf und der Ausgang des Feldzugs bedeuteten das Ende des Kabinetts Buol-Schauenstein.

Mit dem nun vorliegenden Band 7der Ministerkonferenzprotokolle dieses Kabinetts ist nicht nur die 3. Abteilung, sondern die 1. Serie der Gesamtedition „Die Ministerratsprotokolle Österreichs und der österreichisch-ungarischen Monarchie 1848-1918“ abgeschlossen, nämlich „Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867“. In den 45 Jahren seit Erscheinen des Einleitungsbandes 1970 und des ersten Textbandes, VI/l, 1971, ist die Edition auf 27 Textbände und rund 15.000 Seiten angewachsen. Es war eine ehrenvolle Aufgabe für das Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichts­forschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, diese große, allseits anerkannte Edition zum Abschluß zu bringen. Eine Freude ist es, daß die Fortsetzung der Arbeiten an der 3. Serie, den Ministerratsprotokollen Cisleithaniens 1867-1918, gesichert ist, nicht zuletzt durch die Bewilligung eines weiteren FWF-Projekts. Die Arbeiten an der von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften herausgegebenen 2. Serie, „Die Protokolle des gemeinsamen Ministerrates der österreichisch-ungarischen Monarchie 1867-1918“, werden fortgesetzt.

Es würde zu weit führen, hier alle Personen und Institutionen zu nennen und ihnen zu danken, die im Lauf der Jahre das gute Gelingen ermöglicht haben. Maßgeblichen Anteil hatten das Wissenschaftsministerium, der Wissenschaftsfonds, das Österreichische Staatsarchiv und zuletzt die Österreichische Akademie der Wissenschaften. Die Wissenschaft braucht Langzeitprojekte. Nicht die Länge der Zeit ist das Positive, sondern der Mut, eine große Aufgabe in Angriff zu nehmen, die ein Einzelner nicht leisten kann, und mit Ausdauer und kontinuierlich daran zu arbeiten. Das INZ fühlt sich verpflichtet, solche Aufgaben zu übernehmen. Der erfolgreiche Abschluß eines Langzeit­vorhabens ist daher Grund zur Freude und zur Zuversicht.

Wien, im Dezember 2014