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Nr. 413 Ministerkonferenz, Wien, 31. Juli 1857 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 31. 7.), gesehen Bach, Thun (BdE. fehlt), Toggenburg, Nádasdy, gesehen Kempen, Für Se. Exzellenz den Herrn Ersten Generaladjutanten Sr. Majestät Kellner; abw. Bruck.

MRZ. – KZ. 2509 –

Protokoll der zu Wien am 31. Julius 1857 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des kaiserlichen Hauses und des Äußern Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Auflassung einiger Giebigkeiten der ungarischen Bischöfe

Bei der im Jahre 1856 stattgehabten Versammlung der Bischöfe1 haben die ungrischen Bischöfe in einer Eingabe das Anbot gemacht, von der ihnen zukommenden Urbarialen-schädigung ein Kapital von 3 Millionen Gulden an den Religionsfonds zur bessern Dotierung der bischöflichen Seminarien in der Voraussetzung abzutreten, daß die Regierung von der ferneren Einforderung der von ihnen bis 1848 geleisteten Giebigkeiten a) zum Fonds der regulierten Bistümer2, b) zur Cassa Parochorum3 und c) des Fortalitiums4 abstehe5.

Der Kultusminister hat sich über dieses Anerbieten mit den Ministern des Inneren und der Finanzen ins Einvernehmen gesetzt und sich mit denselben in der Hauptsache dahin geeinigt, daß es unter den gestellten Bedingungen anzunehmen wäre, nachdem die obgedachten Giebigkeiten sich auf die vormalige Steuerexemtion der geistlichen Güter und deren reiche Proventen6 gründeten, erstere aber nicht mehr besteht und die letztere durch die Aufhebung des Zehnten und der Urbarialleistungen7 wesentlich vermindert worden || S. 183 PDF || sind. Nur bezüglich des Zeitpunkts, von welchem an das sub c) erwähnte Fortalitium nicht mehr einzufordern sei, hat sich zwischen den Ministern die Differenz ergeben, daß, während der Kultusminister den diesfälligen Termin mit dem 1. Mai 1848 festgesetzt wissen wollte, der Finanzminister denselben bis zum Jahr 1851 als den Zeitpunkt der Einführung der regelmäßigen Besteuerung nach dem Grundsteuerkataster in Ungern zu erstrecken beantragte8. Nach der Bemerkung des Kultusministers ist aber die Besteuerung der geistlichen Güter in Ungern schon im Mai 1848 eingetreten, es entfiel also schon damals einer der Gründe, aus welchen dem ungrischen Klerus jene Abgabe auferlegt worden war, welche von jeher Gegenstand lebhafter Gravamina gewesen und von einem Teile des Klerus, den Canonicis, mit Erfolg verweigert worden ist. Der Kultusminister glaubte daher, auf dem Termine vom 1. Mai 1848 bestehen zu sollen. Was jedoch die bis dahin rückständigen Beträge an dieser Abgabe anbelangt, so wären dieselben für den Bau der Pester Leopoldstädter Kirche zu widmen, da eine solche Widmung unzweifelhaft im Lande einen günstigen Eindruck machen und die Einbringung jener Rückstände wesentlich erleichtern würde9.

Der Minister des Inneren bemerkte: Die ungrische hohe Geistlichkeit gehört zu der reichst dotierten in Europa. Auf dem 1848er Landtage beabsichtigte man die Umwandlung seiner Real- in eine Gelddotation, diese kam jedoch nicht zur Ausführung, sondern nur die Verzichtleistung des Klerus auf den Zehnten und die Aufhebung der Urbarialleistungen, für welch letztere ihm ebenfalls keine Entschädigung gegeben werden sollte. Auf die hierdurch in seinen Einkünften erlittene Einbuße basierte die Einstellung der sub a, b, c bemerkten Giebigkeiten. Nach dem Wiedereintritte der rechtmäßigen Regierung in Ungern wurde es zwar bei der Verzichtleistung auf den Zehnten belassen, dafür aber die Entschädigung für die Urbarialien bewilligt und mit cirka 28 Millionen liquidiert. Diese deckt einen großen Teil der erlittenen Einbuße, und auch der sonstige Ertrag der geistlichen Güter in Ungern wird mit der allgemeinen Steigerung des Realitätenertrags sich in raschem Wachstum heben. Hiermit entfiele das Motiv der Einstellung der Entrichtung jener Giebigkeiten, deren Verpflichtung übrigens von den Bischöfen schon durch das Anerbieten anerkannt ist. Die gedachten Giebigkeiten betrugen jährlich 140.000 f., was ein Kapital von 2,800.000 f. repräsentiert, die Rückstände an den Gaben machen cirka 1,000.000 f., zusammen 3,800.000 f. aus, es zeigt sich also, daß die Bischöfe mit ihrem Anbot von 3 Millionen kein Geschenk, sondern nur eine Abfindung für ihre Schuldigkeit beabsichtigen können.

Indessen ist der Minister des Inneren und mit ihm die Konferenz mit dem Einraten des Kultusministers auf Annahme des Anerbietens einverstanden, weil damit die Sache vollständig abgetan und dem Seminarfonds eine fixe Dotation gesichert wird.

Auch in Ansehung des Termins zur Auflassung des Fortalitii sowie der Widmung der Rückstände für die Leopoldstädter Kirche trat die Konferenz dem Antrage des Kultusministers bei10.

II. Ministerialsekretärsstelle beim Kultus- und Unterrichtsministerium

|| S. 184 PDF || Der Kultus- und Unterrichtsminister referierte über die Zeuge seines Vortrags vom 31. Juli 1857, KZ. 3388, MCZ. 3032, zwischen ihm und dem Finanzminister obwaltende Meinungsdifferenz über die Modalität der Beförderung des bei seinem Ministerium angestellten Rechnungsrates Johann Rassmann zum Ministerialsekretär und glaubte, seinen Antrag auf Umwandlung der fraglichen Rechnungsratsstelle in einen Ministerialsekretärsposten mit den systemmäßigen Bezügen vornehmlich durch die Betrachtung rechtfertigen zu können, daß nur auf diese Weise dem genannten verdienstvollen Beamten die Vorrückung in die höhere Gehaltstufen gesichert wird, welche ihm entginge, wenn ihm nach dem Antrage des Finanzministers eine Ministerialsekretärsstelle extra statum zuteil werden sollte.

Die übrigen Stimmen der Konferenz erklärten sich aber nach dem Einraten der Minister des Inneren und des Handels für den Antrag des Finanzministers, weil ihnen die Änderung des systemisierten Status bedenklich zu sein schien, und dem Rassmann seinerzeit, wenn ihn bei der Voraussetzung seiner Ernennung im systemisierten Status die Reihe der Vorrückung würde getroffen haben, die verdiente Anerkennung in anderen Wegen erwirkt werden kann11.

III. Theologische Fakultät in Innsbruck

Über den Vortrag des Kultus- und Unterrichtsministers vom 23. März l. J. wegen Übergabe der theologischen Fakultät an der Innsbrucker Universität an die Jesuiten geruhten Se. Majestät mit Ah. Entschließung vom 10. Mai 1857 (MCZ. 1033), die Vernehmung der Landesbischöfe, Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzog Statthalters sowie des Ordensprovinzials darüber, ob er sich allen Studienbestimmungen fügen werde, Ah. abzuverlangen und zu befehlen, daß das Ergebnis der Vernehmung in der Konferenz zum Vortrage gebracht werde12.

Nach den dem Minister vorliegenden Berichten haben sich nicht nur die beiden Bischöfe Tirols mit aller Wärme für die Überlassung der theologischen Fakultät an den Orden ausgesprochen, der Erzbischof von Salzburg sich nicht dagegen erklärt und Se. k. k. Hoheit den Antrag ebenfalls sehr befürwortet, sondern es hat auch der Ordensprovinzial erklärt, sich in bezug auf die vollkommene Einfügung der Fakultät in die Universität, den Lehrplan und sonstige Einrichtung, allen bestehenden und künftigen Anordnungen und Vorschriften gegen dem zu unterwerfen, daß dem Orden das erbetene Pauschale von jährlich 8.000 f. und das Recht, die Professoren und Dekane der Fakultät zu ernennen, gewährt werde.

Unter diesen Umständen fand die Konferenz gegen den erneuerten Antrag des Kultus- und Unterrichtsministers nichts einzuwenden, und auch der tg. gefertigte Präsident || S. 185 PDF || erklärte seine in der Konferenz vom 31. März 1857 erhobenen Bedenken für behoben13.

IV. Universitätseinrichtung im lombardisch-venezianischen Königreich

erhielt der Unterrichtsminister die Zustimmung der Konferenz zu dem vorgetragenen Entwurfe einer kaiserlichen Verordnung gültig für das lombardisch-venezianische Königreich, womit die für die Universitäten der übrigen Kronländer geltenden Einrichtungen und Vorschriften über die Stellung der verschiedenen Kategorien des Lehrpersonals und den Umfang ihrer Lehrberechtigung auch für die dortigen Universitäten für wirksam erklärt werden14.

V. Veräußerung und Belastung kirchlicher Güter

Zu der in der Konferenz vom 16. Juni 1857 sub VI in Vortrag gebrachten Verordnung über die Veräußerung und Belastung kirchlicher Güter (deren Vorlegung zur Ah. Genehmigung bisher wegen der noch ausständigen Äußerung des Armeeoberkommandos über deren Einführung in der Militärgrenze nicht stattfinden konnte) beantragte der Kultusminister – unter Beistimmung der übrigen Votanten – noch folgenden ergänzenden Zusatz: „Als beträchtliche Belastung werden auch angesehen Pacht- und Mietverträge, wenn sie auf Lebensdauer abgeschlossen werden, oder wenn Grundstücke und Gerechtsame auf mehr als 9, Wohngebäude auf mehr als 6 Jahre in Bestand gegeben werden, oder wenn der bedungene Pachtschilling oder Mietzins für mehr als ein Jahr im vorhinein zu entrichten ist.“15

VI. Kauf eines Friedhofsgrundes für die Protestanten in Wien

Der Kultusminister referierte über den Antrag des Wiener Bürgermeisters, den Preis der zu einem eigenen protestantischen Friedhofe verkauften Grundfläche per 7000 f. aus dem Staatsschatze zu vergüten16. Mit Rücksicht auf den Umstand, daß früher ein eigener protestantischer Kirchhof in Wien bestand, unter der Regierung Kaiser Josephs II. aber zwangsweise mit dem Bedeuten entfernt wurde, die Protestanten hätten ihre Leichen entweder auf den katholischen Friedhöfen zu begraben, oder die Regierung werde ihnen einen anderen Platz dafür anweisen17, hielt der Kultusminister den Antrag auf Bestreitung der Ankaufskosten des genannten Grundstückes aus dem Ärar für wohlbegründet und || S. 186 PDF || trug auf deren Bewilligung umso mehr an, als hiermit der üble Eindruck, den die Verordnung vom 21. Mai 1856 wegen Beerdigung der Akatholiken auf die letztern gemacht hat, zum Teil gemildert werden würde18.

Die Konferenz, namentlich der Justizminister, erklärte sich mit Rücksicht auf das hier obwaltende besondere Verhältnis der Zusicherung eines anderen Platzes von Seite der Regierung mit dem Antrage einverstanden, obwohl nicht zu bezweifeln ist, daß die Beschaffung des Friedhofes Gemeindesache und, wie der Handelsminister bemerkte, Gemeindesache ohne Rücksicht auf die Konfession ist, da in dem Maße, als der protestantische Friedhof belegt wird, bei den katholischen Raum erspart und das Bedürfnis nach Vergrößerung, also auch die Auslage vermindert wird19.

VII. Entschädigung für den Zehnten in Siebenbürgen

Der Minister des Inneren referierte den Entwurf eines Ah. Patents über die Zehntenentschädigung in Siebenbürgen, wodurch die Grundentlastungsangelegenheit ihren vollständigen Abschluß erhälta,20.

Nach der umständlichen Darstellung der Verhältnisse des Zehnten und insbesondere des geistlichen Zehnten in Siebenbürgen beleuchtete der Minister des Inneren die bei der Beratung des Entwurfs von einigen Abgeordneten der einschlägigen Ministerien vorgebrachten besonderen Anträge, schloß sich auch rücksichtlich der den Berechtigten zu gewährenden Vorschüsse dem Antrage des Finanzministers für 150.000 f. an und vereinigte schließlich alle Stimmen der Konferenz, namentlich jene des Kultusministers, in den im Patentsentwurfe aufgenommenen Bestimmungen21.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis. Franz Joseph. Laxenburg, den 18. August 1857.