Nr. 402a Grundzüge zur Überwachung und Leitung der inländischen Journalpresse; Entwurf des Präsidenten der Konferenz, o. O., o. D. [Wien, 2. Juni 1857] (Beilage zu: MRP-1-3-06-0-18570602-P-0402.xml) - Retrodigitalisat (PDF)
- RS; Beilage zum Ministerkonferenzprotokoll v. 2. 6. 1857; dieser Entwurf wurde in der MK. v. 13., 20. und 30. 6., 4. und 18. 7. 1857 (= Sammelprotokoll Nr. 410) abgeändert; die dort vorgenommenen Änderungen, Ergänzungen und Streichungen sind hier in den Buchstabenanmerkungen ausgewiesen.
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Se. Majestät haben in dem Ministerrate vom 2. Mai befohlen, daß sich Allerhöchstihre Minister mit Beseitigung der in den Preßzuständen der Monarchie vorliegenden Übelstände zu beschäftigen und diesfällige Vorschläge zu machen hätten. Um dieser Allerhöchsten Willensmeinung zu entsprechen, scheint:
1. vor allem nötig, daß sämtliche Zeit- und Flugschriften der Monarchie unter eine gleichmäßige Aufsicht gestellt werden, daß eine und dieselbe Autorität berufen sei, den Gang und die Tendenz dieses Zweiges der Presse zu beobachten und selben nach gleichmäßig bestimmten Grundsätzen azu belehren, zu ermuntern, zu mahnen, zu beloben und zu bestrafena, und daß endlich an dieser gemeinsam zu übenden Aufsicht jedes Ministerium für sein Ressort den ihm gebührenden Anteil nehme.
2. Es wäre zu diesem Behufe in Wien unter dem Vorsitze des Ministeriums des Inneren ein Zentralkomitee zu bilden. Jede in der Ministerkonferenz repräsentierte Zentralstelle hätte zu demselben ein Mitglied zu ernennen.
3. Das erste Geschäft dieses Komitees bei seinem Zusammentritt wird die Entwerfung einer Hauptinstruktionb für seine eigene Geschäftsführung sowie einer solchen für die Statthalter, rücksichtlich der diesen letzteren zukommenden Einflußnahme auf die periodische Presse in ihren respektiven Geschäftsbereichen sein.
4. Dieses Komitee ist im allgemeinen mit der Überwachung der gesamten inländischenc Presse betraut. Es hat dafür zu sorgen, daß kein periodisches Blatt in der Monarchie bestehe, welches nicht einer fortlaufenden, konsequent durchgeführten und aufmerksamen Beaufsichtigung von Staats wegen unterzogen sei. dDie spezielle Aufsicht der Wiener Blätter steht dem Komitee selbst, die der übrigen Zeitungen den respektiven Statthaltern zu, welche sich mit der Auswahl hiezu qualifizierter Organe zu beschäftigen haben.d
5. Dem Komitee liegt es ob, teils nach seinen eigenen Wahrnehmungen, teils nach Maßgabe der Berichterstattungen der oben sub 4 erwähnten Organe die Aufsicht zu führen, die Weisungen und Punktationen für die dem Einfluß der Regierung direkt zugängigen Blätter zu entwerfen und rücksichtlich aller übrigen die zu deren Leitung, Warnung und eventuellen Reprimierung erforderlichen Maßregeln zu beraten.
6. Von jedem in der Monarchie erscheinenden Blatte ist gleich nach dessen Erscheinen ein Exemplar ean das Komitee einzusendene .
|| S. 107 PDF || 7. Jedes Ministerium und jedes Mitglied des Komitees kann wegen der das Ressort seines Ministeriums betreffenden Artikel selbständig auf dem näher zu bezeichnenden Wege sich mit den Redaktoren der Blätter in Verbindung setzen, um sie aufzuklären, zu widerlegen und allenfallsf zu warnen, doch hat das betreffende Mitglied, um die Einheit in der Leitung zu erhalten, von jedem dieser Schritte jederzeit alsbald an das Komitee die Anzeige zu erstatten.
8. Eine gleiche Befugnis stehtg den Statthaltern und respektive den von ihnen nach § 4 zu bestellenden Preßaufsichtsorganen zu. Überdem liegt ihnen ob, das Komitee auf tadelhafte Artikel und Tendenzen der ihrem Wirkungskreise unterstehenden Blätter aufmerksam zu machen.
9. Pflicht und Recht des Komitees wird es sein, auch in hämtlicher Formh an die Redaktionen der Blätter Mahnungen ergehen zu lassen, sowohl über ihre allgemeine Tendenz als auch (auf Veranlassung des Mitgliedes, in dessen Ressort der Aufsatz fällt) rücksichtlich einzelner Artikel.
10. Jedes Ministerium ist befugt, in ider offiziellen Zeitung eine Berichtigung, Widerlegung und auch den Tadeli über einen sein Ressort betreffenden Artikel eines Blattes einrücken zu lassen. Ein solcher Artikel muß dann jsowohl von dem betreffenden Blatte als auch von den übrigen offiziellen Blättern der Monarchiej nachgedruckt werden.
11. Keine Konzession an ein Tagesblatt soll in Zukunft anders als nach vorgängiger Beratung und eingeholtem Gutachten des Komitees erteilt werden.
12. Rücksichtlich der bestehenden Blätter kommt dem Komitee das Recht zu, über die gegen dieselben zu verhängenden strengeren Maßregeln als da sind schriftliche Verwarnung, Suspension, Entziehung der Konzession oder gerichtliche Verfolgung, Beratung zu pflegen und an die Ministerkonferenz Bericht zu erstatten. Diese faßt sodann über den Antrag Beschluß nach Mehrheit der Stimmen.
13. Die vorläufige Beschlagnahme eines Blattes verbleibt im Ressort der betreffenden Polizeibehörde. Diese hat kber sofort dem Komitee Bericht zu erstatten, und dieses den weiteren Beschluß zu fassenk .
l14. Zum Verbote eines Blattes des Auslandes oder Wiederaufnahme desselben genügt es an dem Einvernehmen des Ministers des Äußern mit dem Chef der Obersten Polizeibehörde.l
15.m Eine besondere Instruktion wird Zweck und Umfang des stets zu pflegenden geschäftlichen Verkehrs zwischen dem hier vorgeschlagenen Komitee und jenem, welches unter dem Namen des Preßleitungskomitees bei dem Ministerium des Äußern besteht, regeln.