Nr. 392 Ministerkonferenz, Wien, 17. April 1857 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 17. 4.), vidi! a Erzherzog Albrecht, Bach, K. Krauß, Toggenburg, Bruck, Grünne, Kempen; abw.abwesend Thun.
MRZ. – KZ. 1276 –
Protokoll der am 17. April 1857 unter dem Ah. Vorsitze Sr. k. k. apost. Majestät abgehaltenen Konferenz.
I. Erleichterungen des Landes Ungarn in der Besteuerung
Se. Majestät der Kaiser geruhten die Erleichterung des Landes Ungarn in bezug auf die Besteuerung im Nachhange zu der Konferenzberatung am 20. v. M. neuerdings, und zwar in der Richtung zur Sprache zu bringen, ob diese Erleichterung bei der Grund- oder der Personalsteuer tunlich sei1.
Der Finanzminister brachte hierauf zur Ah. Kenntnis, daß sein Operat wegen Regulierung der bdirekten Steuerb,2 sich bereits bei dem Ministerium des Inneren in Verhandlung befindet und es vielleicht durch möglichste Beschleunigung gelingen dürfte, die mit dem neuen System verbundenen Erleichterungen schon vom nächsten Steuerjahre [an] ins Leben treten zu lassen, allein für eine Nachsicht der Personalsteuer des laufenden Jahres könne er durchaus nicht stimmen, da dies einen Ausfall von 5 Millionen ohne irgend einen Ersatz zur Folge haben würde3. Was die Grundsteuer betrifft, so hätten die Erhebungen des eigens dazu abgesendeten Sektionsrates Mündel dargetan, daß der bei weitem größte Teil des Grundbesitzes, namentlich der bäuerliche, keineswegs überbürdet sei, daß in Behandlung der gemeindeweisen Reklamationen ordnungsmäßig zu Werk gegangen wurde und daß, wenn die großen Grundbesitzer im Pester Statthaltereibezirke die Steuer schwer empfinden, dies nicht sowohl in einem zu hohen Grundsteuerperzent, sondern in den Zuschlägen für Landesfonds und Gemeinde, in den hohen Arbeitslöhnen und im Sinken der Getreidepreise seinen Grund hat.
Über die Bemerkung Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Generalgouverneurs , daß manche Grundherrn sich auch eine höhere Klassifizierung ihrer Grundstücke dadurch zugezogen haben, daß sie bei den diesfälligen Verhandlungen, ungeachtet der Vorladung, nicht erschienen, erklärte der Finanzminister , daß in solchen Fällen durch nachträgliche Rektifizierung geholfen werden könne. Ferner würde es allen Grundbesitzern, deren Grundsteuer dermal erhöht worden ist, eine wesentliche Erleichterung gewähren, wenn ihnen die Nachtragszahlung wegen der pro praeterito zuwenig entrichteten Grundsteuer || S. 60 PDF || Ag. nachgesehen würde. Dies wäre ein wahrer Gnadenakt, da den Steuerpflichtigen dadurch eine ihnen unbestreitbar obliegende Gebühr erlassen würde, und ein Ah. Ausspruch darüber würde sehr viel zur Beruhigung der Beteiligten beitragen. Der Finanzminister sprach sohin seine Überzeugung aus, daß durch diese Ag. Nachsicht, durch die Zurückstellung der konfiszierten Güter samt deren Einkünften und den Grundentlastungsobligationen4, durch Einstellung des Zuschlags für die Wiederherstellung der königlichen Burg in Ofen5 und durch die Reassumierung der wegen unterbliebenen Erscheinens unrichtig vorgenommenen Klassifizierungen der Grundstücke, endlich durch Nachlaß eines Kriegssteuerrückstands von 1,200.000. fl., dem Lande Ungarn in finanzieller Beziehung alle zulässigen Erleichterungen bereits zugewendet sein würden.
Der Minister des Inneren bestätigte, daß die Zuschläge für Gemeindeauslagen zwar nicht den großen Gutsbesitzern, wohl aber den Städtern und Bauern die Entrichtung der lf. Grundsteuer immerhinc erschweren, von den Statthaltereien und Komitatsbehörden sei wohl einiges, aber wohl noch nicht genug geschehen, um den tiefgewurzelten Mißbräuchen in der Verwaltung des Gemeindevermögens abzuhelfen. Eine eingreifende Verbesserung dieser Übelstände sei aber erst nach Einführung des neuen Gemeindegesetzes zu erwarten6. Was das Landeserfordernis für 1857 betrifft, so werde eine Reduktion des Zuschlags von 40 Kreuzern auf 36 Kreuzer eintreten. Im kommenden Jahre werde man zwar abermals mindestensd 36 Kreuzer an Zuschlag einheben müssen (worunter 32 Kreuzer für Grundentlastung), allein nachdem zugleich mit der Verlosung der Grundentlastungsobligationen begonnen wird, gehen den adeligen Gutsbesitzern wieder wesentliche Vorteile zu, und alles läßt hoffen, daß es emit der Regelung der Steuerfähigkeite möglich werden wird, den Landeserforderniszuschlag in der Folge noch zu ermäßigen7.
II. Kommission zur Entscheidung über die Heimkehr von politischen Flüchtlingen
Se. k. k. apost. Majestät geruhten zu eröffnen, daß die in der Konferenz am 20. März 1857 (Punkt 25) Ah. abgeforderten Verzeichnisse der politischen Flüchtlinge aus verschiedenen Kronländern, welchen die Rückkehr entweder gar nicht oder doch erst nach vorläufiger Erhebung über die Zulässigkeit zu gestatten wäre, eingelangt seien, aber wegen der verschiedenen Gesichtspunkte, unter welchen die Statthalter die Sache betrachteten, manches zu wünschen übrig lassen.
Der Minister des Inneren glaubte, daß bei diesem Umstande und da man bezüglich der italienischen Flüchtlinge keine Kategorien aufgestellt habe, sondern über jedes Gesuch besonders verhandelt wird, auch in bezug auf die politischen Flüchtlinge aus anderen Kronländern dasselbe Verfahren beobachtet und von der beabsichtigten Hinausgabe der Verzeichnisse an die k. k. Missionen und Konsulate Umgang genommen werden dürfte. Man könne bei dieser Hinausgabe nicht verhindern, daß die Unterscheidung inf Kategorien transpiriere, auch fehlt es den Missionen an Mitteln, in manchen Fällen die Identität des die Rückkehr ansuchenden Flüchtlings mit dem im Verzeichnis Genannten zu konstatieren. Dies alles macht es wünschenswert, die Erteilung der Rückkehrsbewilligung den Zentralstellen in Wien für alle nichtitalienischen Flüchtlinge vorzubehalten.
Zur Gewinnung von Zeit könnte eine Kommission aus Abgeordneten der beteiligten Zentralstellen hier zusammengesetzt werden, welche gunter der Leitung der betreffenden Chefs der Zentralstellen über die Rückkehrsgesuche zu entscheiden hätte, bei Meinungsverschiedenheit der Chefs der Zentralstellen aber wäre die Ah. Entscheidung einzuholeng . Nach längerer Beratung dieses Antrages geruhten Se. Majestät der Kaiser zu bestimmen, daß alle derlei Rückkehrsgesuche von den Gesandtschaften und Konsulaten zur Entscheidung einer ad hoc zusammengesetzten Kommission einzusenden seien, welche Kommission sich dabei an ein zu verfassendes Verzeichnis über die von der Rückkehr, sei es definitiv oder nur zeitlich, Ausgeschlossenen zu halten und mit tunlichster Vermeidung aller zeitraubenden Korrespondenzen mit ihrer Entscheidung vorzugehen hat, welche Entscheidung bei geteilten Meinungen der Ah. Schlußfassung zu unterziehen ist8.
III. Erweiterung der innern Stadt Wien
Se. Majestät geruhten, die Ah. Willensmeinung auszusprechen, daß die schon so lang schwebende und immer dringender werdende Frage über die Erweiterung der innern Stadt Wien zu einer entschiedenen Lösung gebracht werde9. Zu diesem Ende sei eine Kommission zusammenzustellen, welche sich vor allem mit der Entwerfung eines Grundplans über das Ganze zu beschäftigen hat. Bei diesem Grundplane ist als Basis anzunehmen, daß die Fortifikationen im Innern Wiens aufgegeben werden, andererseits ist dafür vorzudenken, daß auf dem jetzigen Glacis großartige Plätze von Häusern frei bleiben || S. 62 PDF || müssen, auch hat man auf die herzustellenden öffentlichen Gebäude etc. gehörige Rücksicht zu nehmen. Nach Festsetzung des Grundplanes ist die Frage über die Reihenfolge und das Detail der Erweiterungs- und Regulierungsbauten vorzunehmen. Eine dritte Frage ist die über Beischaffung der Geldmittel.
Se. Majestät geruhten sofort zu befehlen, daß die Zusammensetzung der in Rede stehenden Kommission und die ihr zu gebenden Instruktionen in der Ministerkonferenz zu beraten und hierauf darüber au. Vortrag zu erstatten sei10.