Nr. 361 Ministerkonferenz, Wien, 16. August 1856 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 16. 8.), Toggenburg, Bruck; abw.abwesend Bach, Thun, K. Krauß.
MRZ. – KZ. 2966 –
Protokoll der zu Wien am 16. August 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Eisenbahn aus Ungarn durch Siebenbürgen nach der Walachei
Gegenstand der Beratung war das vom Handelsminister in Vortrag gebrachte Ansuchen der Häuser Rothschild um die Erklärung der österreichischen Regierung, daß sie geneigt sei, denselben und ihrer Gesellschaft die Konzession zum Bau einer Eisenbahn aus Ungern durch Siebenbürgen im Anschlusse an diejenige Bahn zu erteilen, wegen deren Erbauung in der Walachei sie mit der türkischen Regierung in Unterhandlung stehen. Nachdem es von großem Interesse für den Kaiserstaat ist, einerseits den Anschluß des ungrischen Eisenbahnnetzes durch Siebenbürgen mit einer Bahn in der Walachei zu bewirken, und andererseits dafür eine Gesellschaft zu gewinnen, welche ihren Sitz im Inlande hat, nachdem ferner die Häuser Rothschild auch bereit sind, die ihnen diesfalls vorzuschreibende Trace anzunehmen, so ist der Moment gekommen, wo die k. k. Regierung sich auch über die Wahl der Trace aussprechen muß. Es liegen drei Projekte vor: 1. von Arad über Hermannstadt, Kronstadt nach der Walachei a(im Plane rot), 2. von Großwardein über Klausenburg, Maros-Vásárhely nach Kronstadt (im Plane rot), 3. von Großwardein über Klausenburg, Hermannstadt nach Kronstadt(im Plane rot)a (im Plane rot),1 2. von Großwardein über Klausenburg, Maros-Vásárhely nach Kronstadt (im Plane rot), 3. von Großwardein über b Klausenburg, Hermannstadt nach Kronstadtc (im Plane rot). Die Trace zu 1. hat entschiedene politische und technische Vorzüge vor beiden anderen. Sie berührt einen großen Teil des im Handel, in der Industrie und Zivilisation überhaupt mehr vorgeschrittenen Gebietes und verfolgt den alten Handelsweg nach dem Oriente; sie ist nach dem vorliegenden technischen Operate die kürzeste, wohlfeilste und die mindesten Betriebskosten verursachende.
Der Handelsminister würde sich daher für diese Trace aussprechen und den Häusern Rothschild die gewünschte Zusicherung für diese Trace zum Anschluß an die walachische Bahn gegen das erteilen, daß sie sich binnen sechs Monaten darüber erklären und sodann annehmbare Bedingungen stellen. Den Proponenten für die zwei anderen Projekte wäre zu erklären, daß die Regierung sich für das Projekt 1 ausgesprochen habe, daß es ihnen aber unbenommen bleibe, dieselben weiters hin für sich zu verfolgend .
Der Finanzminister erklärte sich mit den Ansichten des Handelsministers, denen auch der tg. Gefertigte beitrat, vollkommen und zwar umso mehr einverstanden, || S. 168 PDF || weil durch diese Kombination die österreichische Regierung sich die Unterstützung der anderen Regierungen bezüglich der Anträge für die Donaufürstentümer sichert, und weil, was die Wahl der Trace betrifft, diese vom höchsten Interesse für die Finanzen ist, nachdem Salz und Eisen auf ihr aus Siebenbürgen bezogen werden wird2.
II. Modifikation der Konzessionsbedingungen der Kärntner Eisenbahn
Der Finanzminister referierte über ein Begehren des Abgeordneten der Kärntnerischen Eisenbahnunternehmung in betreff der Ablassung der für die inländischen Kreditinstitute zu reservierenden Aktien. Der gedachte Abgeordnete ist bereit, dieselben sogleich auszufolgen, wenn der Unternehmung entweder a) die Begünstigung erteilt wird, den Rückersatz der von der k. k. Regierung ihr etwa zu leistenden Zinsengarantieoder Vorschußbeträge erst dann geben zu dürfen, wenn die Aktionäre 6% Ertrag erhalten, oder b) daß die Amortisierungsquote des Anlagekapitals von 2/5 auf 3/5% erhöht werde.
Über das Begehren ad a) erklärte der Finanzminister dem Abgeordneten sogleich, daß die k. k. Regierung demselben nimmermehr stattgeben könnte, indem es von den bisher in dieser Beziehung stets festgehaltenen Grundsätzen abweicht, und zu den bedenklichsten Exemplifikationen Anlaß geben würde. Was jenes ad b) betrifft, so wäre es zwar eine Neuerung, könnte aber doch in Berücksichtigung der großen Schwierigkeiten, welche mit der Anlage der Bahn in jenem Gebirgslande verbunden sind, zugestanden werden, vorausgesetzt, daß – wie der Handelsminister bemerkte – dagegen die Konzessionsdauer verhältnismäßig abgekürzt werde.
Nachdem der Finanzminister sich mit der Klausel, die der Amortisationsquote entsprechende Konzessionsdauer festzusetzen, einverstanden erklärt hatte, behielt er sich vor, mit Zustimmung der Konferenz, in diesem Sinne das Weitere zu veranstalten3.
III. Türkisches Anlehen
Nach einer dem Finanzminister zugekommenen Eröffnung des Ministeriums des Äußern wird dem Freiherrn v. Rothschild das von der türkischen Regierung aufzunehmende Anlehen zugeschlagen werden. Dem Finanzminister ist aufgefallen, daß Baron Rothschild die diesfällige Unterhandlung mit gänzlicher Übergehung einer Vermittlung durch den k. k. Internuntius in Konstantinopel gepflogen und ungeachtet seiner Beziehungen zu Österreich dem Unternehmen den Charakter eines durchaus ausländischen aufgedrückt hat4. Da es von Wichtigkeit ist, den Einfluß der k. k. Regierung in allen den Orient betreffenden Angelegenheiten zu wahren5, so hat der Finanzminister den Baron Rothschild über seinen bei der erwähnten Verhandlung beobachteten Vorgang eine Erinnerung machen zu sollen erachtet, und von ihm durch seinen hiesigen Bevollmächtigten || S. 169 PDF || – nebst der Entschuldigung – die Zusicherung erhalten, daß er künftighin den Absichten der k. k. Regierung gemäß verfahren werde. Wirklich scheint er auch in der hier erwähnten Anlehensangelegenheit nachträglich in diesem Sinne schon vorgegangen zu sein oder noch vorgehen zu wollen; denn es liegt nun eine telegraphische Anfrage vor, ob, wenn das fragliche Anlehen als unter österreichischem Einfluße negoziiert angesehen werden soll, auch die Schuldverschreibungen desselben auf den österreichischen Börseplätzen notiert werden dürfen. In der Überzeugung, daß die Papiere dieses Anleihens auf den österreichischen Börsen nicht häufig vorkommen werden, nähme der Finanzminister keinen Anstand, sich für die Bewilligung der Cotierung6 derselben auszusprechen, und behielt sich vor, dieses, nachdem die Konferenz sich damit einverstanden erklärt hatte, zur Ah. Kenntnis Sr. Majestät zu bringen7.
Wien, am 16. August 1856. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Schönbrunn, 18. September 1856.