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Nr. 333 Ministerkonferenz, Wien, 8. April 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Bach; BdE. und anw. (Bach 8. 4.), Thun, Toggenburg, Bruck; abw. Buol-Schauenstein, K. Krauß.

MRZ. – KZ. 1277 –

Protokoll der zu Wien am 8. April 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Inneren Freiherrn v. Bach.

I. Pensionszulage für den Hauptschullehrer Martin Lechowski

Der Unterrichtsminister referierte über die zwischen ihm und dem Finanzminister laut des Vortrags vom 30. März 1856, KZ. 1203, MCZ. 1129, bestehende Meinungsverschiedenheit in betreff der für den Rzeszówer Hauptschullehrer Martin Lechowski angetragenen Pensionszulage von 100 fr.

Während der Finanzminister auf seiner Einsprache gegen die Bewilligung der Zulage beharrte und der Handelsminister erklärte: bei dem Umstande, daß es sich nicht um den Fortbezug einer schon in der Aktivität genossenen Personalzulage, sondern um die Verleihung einer neuen, fast ein Drittel des Aktivitätsgehalts betragenden Aufbesserung handelt, dergleichen in anderen Fällen ohne Beispiel sein dürfte, höchstens für eine Zulage von 50 fr. stimmen zu können, trat der tg. gefertigte Minister des Inneren aus den im Vortrage angeführten Gründen dem Antrage des Unterrichtsministers umso mehr bei, als die Verhältnisse der Elementarschullehrer überhaupt einiger Rücksicht würdig sind1.

II. Personalzulage für die Professoren Johann Koppel und Andreas Horak

In der zwischen dem Unterrichts- und dem Finanzminister zeuge des Vortrags vom 15. März 1856, KZ. 1072, MCZ. 1010, obwaltenden Differenz wegen der Ziffer der für die Professoren Johann Koppel und Andreas Horak in Antrag gebrachten Personalzulage glaubte der Finanzminister , eine Einigung in dem Vorschlag erzielen zu können, daß jedem der beiden Professoren die gleiche Zulage mit 200 fr. bemessen werden möge, womit auch die Minister des Handels und des Inneren einverstanden waren, nachdem beide Professoren im wesentlichen in gleichen Verhältnissen sich befinden und für die Einbußen entschädigt werden sollen, welche sie infolge der unverschuldeten Übersetzung an ihrem früheren Einkommen erleiden.

Der Unterrichtsminister glaubte jedoch auf seinem Antrage, dem Koppel 300 fr. zu verleihen, in der Rücksicht verharren zu sollen, weil derselbe in Krakau wegen der großen Teuerung und wegen der geringeren Schülerzahl, daher wegen des geringeren Ertrags der Kollegiengelder etc. ungünstiger gestellt wäre als Horak in Lemberg2.

III. Entschädigungsansprüche des Eisenbahnbauunternehmers Johann Picco

Der Handelsminister referierte über die Meinungsverschiedenheit, welche laut seines Vortrags vom 2. Februar 1856, KZ. 663, MCZ. 625, zwischen ihm und dem Finanzminister über die Bezifferung der für den Eisenbahnbauunternehmer Johann Picco angetragenen Entschädigungssumme besteht. Die Differenz beruht nach der Erklärung des Finanzministers darauf, daß die Vergütung der Krankheitskosten mit runden 56.000 fr. bereits in demjenigen Betrage enthalten sei – aNachbemerkung: Insoferne enthalten war, daß bei der damals festgestellten Entschädigung zwar die Krankheitskosten nicht bewilligt, aber immerhin in Betracht gezogen wurdena – welcher von der Liquidierungskommission bereits bei der Verhandlung vom Jahre 1849 dem Picco angetragen worden ist. Nachdem jedoch der Handelsminister das Gegenteil nachgewiesen und bemerkt hatte, daß zwar Picco von Rechts wegen gar keinen Anspruch auf eine Nachtragszahlung hat, daß jedoch, wenn aus den angeführten wichtigen Billigkeitsrücksichten im Wege der Gnade überhaupt etwas zugestanden werden will, es kaum mehr angemessen sein dürfte, an der, bei wiederholten Liquidierungen mit aller Genauigkeit und Strenge berechneten, weit unter dem wirklich erhobenen Werte der Leistungen und Einbußen Piccos bemessene Ziffer der Entschädigungssumme etwas zu ändern, erklärte der Finanzminister schließlich, auch gegen die allerdings sehr hohe Summe von 148.000 fr. nichts mehr einwenden zu wollen, jedoch nur unter der Bedingung, daß hiermit der etwa nachgelassenen Familie des seither verstorbenen und in Konkurs verfallenen Picco doch irgendein Vorteil zugehe und die Entschädigungssumme nicht etwa bloß den Gläubigern Piccos in die Hände falle, welche denselben zugrundegerichtet und zugunsten derer allein die Finanzverwaltung ein so großes Opfer zu bringen kein Interesse haben kann. Hiermit war auch der Kultusminister einverstanden, indem bei einem solchen Gnadenakte wohl nur zunächst die Person des Bittstellers oder dessen hinterlassene Familie sowie der Umstand, daß sie dadurch in der Erfüllung ihrer allfälligen Verpflichtungen gegen dritte Personen erleichtert werden, nicht aber diese letzteren selbst in Betracht kommen dürften.

Der Handelsminister bemerkte dagegen, daß sich die Regierung hiebei auf einen neuen Standpunkt stellen würde, den sie seines Erachtens in solchen Fällen nicht einzunehmen hat. Nicht der Vorteil, den irgendeine Person aus der angetragenen Nachzahlung zieht, sondern die Rücksicht, daß es der Regierung unwürdig wäre, aus dem nachgewiesenen Schaden der Partei für sich einen Vorteil zu ziehen, lag dem gegenwärtigen sowohl als den ähnlichen Anträgen für Tallachini, Zaphyr etc. zum Grunde. Auch bei den Letztgenannten werden die Gläubiger sich der bewilligten Summen bemächtigen, und namentlich bei Tallachini, der schon mit Personalarrest bedroht war. Nur mit Beziehung auf die Unternehmung, nicht aus persönlichen Rücksichten, dürften derlei Anträge begründet werden können. Der Handelsminister war daher für die unbedingte Bewilligung der angetragenen Summe, und der tg. gefertigte Minister des Inneren trat ihm – ohne Rücksicht auf die hier unberührt bleibenden Rechte dritter Personen – bei3.

IV. Frachttarif der Pardubitz-Reichenberger Eisenbahnkonzessionäre

Bei der Unterhandlung wegen der zwischen Pardubitz und Reichenberg zu erbauenden Eisenbahn haben die Konzessionswerber für den Frachtenverkehr folgenden Tarifsatz angesprochen: für die Waren I. Klasse 12/8 Kreuzer, für die Waren II. Klasse 17/8 Kreuzer, für die Waren III. Klasse 24/8 Kreuzer per Zentner und Meile, welcher Tarif gegen den auf den Staatsbahnen angenommenen bei der I. Klasse um 2/8, bei der II. Klasse um 3/8 Kreuzer höher, und mit jenen der Nordbahn bei der I. Klasse gleich, bei der II. aber auch um 3/8 Kreuzer höher wäre. Dem Antrage des Handelsministers auf Genehmigung dieses Tarifs stellte der Minister des Inneren das Bedenken entgegen, daß ein solches, von dem gewöhnlichen Maßstabe abweichendes Zugeständnis von Seite der Staatsverwaltung, welche überdies noch die Garantie des 52/10%igen Reinertrags der Bahn übernimmt, auch für künftige Unternehmungen maßgebend sein, und ein Herabgehen unter das der einen Unternehmung zugestandene Ausmaß unmöglich machen würde – was nicht nur dem allgemeinen Interesse des Verkehrs abträglich, sondern auch gegen die Tendenz der Eisenbahnen überhaupt sein würde, welche dahin gehen soll, durch möglichst geringe Tarifsätze sich eines desto größeren Geschäftsumfanges zu versichern.

Hierauf entgegnete der Handelsminister : Der Warentarif sei überhaupt nicht eine gegebene gesetzliche Größe, über welche unter allen Umständen nicht hinausgegangen werden könne; er sei vielmehr Gegenstand des jedenmaligen Übereinkommens und werde von Fall zu Fall nach Maßgabe der eintretenden Verhältnisse geregelt. So gut nun die Nordbahn 1¼ Kreuzer abzunehmen berechtigt wurde und auf der galizischen Staatsbahn früher sogar 1½ (itzt 1¼ Kreuzer) zu entrichten waren, ebenso könnten auf der Pardubitz-Reichenberger Bahn gleiche oder höhere Tarife bewilligt werden, ohne darum eine Exemplifikation für andere Unternehmungen befürchten zu müssen, bei denen andere Verhältnisse eintreten. Die Verhältnisse der Pardubitzer Unternehmung seien nun gerade derart, daß sie das angesprochene Zugeständnis rechtfertigen; denn diese Bahn hat bei 18 Meilen Gesamtlänge 14 Meilen Gebirgsterrain, wo nicht nur die Anlage selbst kostspieliger, sondern auch der Betrieb, teils der großen Steigung, teils der klimatischen Verhältnisse wegen schwieriger ist. Die Unternehmung, welche doch die Konkurrenz der französischen Staatsbahngesellschaft auszuhalten hat4, würde in Berücksichtigung dessen gewiß keinen höheren Tarif als diese angesprochen haben, wenn sie dabei bestehen zu könne geglaubt hätte. Nachdem sie nun erklärt hat, ohne dieses Zugeständnis sich auflösen zu müssen, so wäre nur die Wahl zwischen Bewilligung des höheren Tarifs oder dem Aufgeben dieser allerdings sehr wichtigen Bahn. Es || S. 302 PDF || könnte zwar, wie der Minister des Inneren meinte, eine Erhöhung auf indirektem Wege dadurch zugestanden werden, daß bei der Gebirgsbahn, wie am Semmering, die Meilenzahl höher angesetzt würde, etwa 5 Meilen für 7 Meilen. Allein dies liefe im Grunde auf dasselbe hinaus, wäre nur eine andere Form der Tariferhöhung und sähe so aus, als wollte man die Gewährung einer billigen Bitte bemänteln. Der Handelsminister glaubte daher, das Begehren der Konzessionäre der Pardubitzer Bahn unbedingt unterstützen und nur noch zur Rechtfertigung des Tarifsatzes in der II. Warenklasse, welcher gegen jenen der Nordbahn um ⅜ Kreuzer höher entfiele, bemerken zu sollen, daß durch diesen Tarifsatz das richtige arithmetische Mittel zwischen den Tarifsätzen der I. mit 12/8 und der III. mit 24/8 Kreuzer hergestellt wird, und daß es sich um eine Warenklasse handelt, deren Verkehr nicht mehr als 10% des ganzen erreicht.

Insofern nun das Zustandekommen der fraglichen Bahn von der Bewilligung des höheren Tarifs abhängt, erklärte der Minister des Inneren , hiergegen keine Einwendung mehr machen und nur den Wunsch aussprechen zu sollen, daß in der Konzessionsurkunde diese Bewilligung ausdrücklich als eine in Rücksicht auf die Terrainverhältnisse der Bahn zugestandene Begünstigung bezeichnet werde, was der Handelsminister veranlassen wird5. Unter diesen Umständen haben sich auch die übrigen Votanten für diesen Antrag ausgesprochen.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 14. April 1856.