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Nr. 326 Ministerkonferenz, Wien, 15. Jänner 1856 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 15. 1.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 38 –

Protokoll der zu Wien am 15. Jänner 1856 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitz des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Note des kaiserlich-russischen Ministeriums über die österreichischen Friedensvorschläge

Der Minister des Äußern setzte auf Ah. Befehl Sr. Majestät die Konferenz in die Kenntnis von dem Inhalte der Depesche des kaiserlich-russischen Ministers || S. 221 PDF || des Äußern vom 24. Dezember 1855 an den Fürsten Gortschakoff über die durch den k. k. Gesandten in Petersburg dahin überbrachten Vorschläge, welche als Friedenspräliminarien angesehen werden könnten1. Nach Vorlesung der fraglichen Depesche sowie der zuletzt gedachten Vorschläge, bei welch letzteren die von der kaiserlich russischen Regierung vorgeschlagene Modifikationen mit roter Tinte bemerkt sind, bemerkte der Minister: Diese Modifikationen sind größtenteils formeller Natur und nur die hier im 5. Absatze des Art. I enthaltene enthält eine wesentliche Änderung, welche übrigens nach dem Inhalte der Note vom 24. Dezember 1855 bei den wirklichen Unterhandlungen noch behoben werden kann2. Im ganzen enthalten diese Aktenstücke bedeutende und kaum erwartete Konzessionen; nachdem jedoch die k. k. Regierung sich den Westmächten gegenüber verpflichtet hat, ihre Verbindung mit Rußland abzubrechen, wenn von dem dortigen Kabinette die österreichischen Vorschläge nicht bis 18. Jänner 1856 einfach angenommen werden, so ist auf Ah. Befehl dies dem Fürsten Gortschakoff eröffnet worden, und wird der weiteren Entscheidung bis zu dem bemerkten Tage entgegengesehen3.

II. Leitharegulierung

Die Meinungsverschiedenheit, welche laut des Vortrags vom 10. Dezember 1855, KZ. 4342 [1855], MCZ. 3937 [1855], zwischen dem Handelsminister und dem Minister des Inneren einer- und dem Finanzminister andererseits in betreff des Ärarialbeitrags zu den Leitharegulierungskosten obwaltet, wurde durch die Erklärung des Finanzministers behoben, daß er in diesem besonderen Falle mit Rücksicht auf die für die obere Strecke dieses Flusses bereits in Mitte liegenden Ah. Entschließung vom 27. Februar 1836 4 dem Antrage des Handelsministers nicht entgegentreten wolle, unter der ausdrücklichen Verwahrung jedoch, daß hieraus für Regulierungs- und Schutzarbeiten an Flüssen, welche weder Grenz- noch schiffbare Flüsse sind, keine Konsequenzen zum Nachteil des Ärars gezogen werden.

III. Verbot der Ausfuhr von Schwefel

Der Handelsminister referierte über eine Remonstration des Handelsmanns Ehrenpreis in Krakau in Ansehung des Ah. Ausfuhrverbots von Schwefel5. Er hat nämlich angegeben, daß er die Lieferung von 5000 Zentnern nach Warschau vor dem Erlasse des Verbots kontrahiert und 800 Zentner davon einen Tag vor der Kundmachung des Ausfuhrverbots zur Grenzstation gebracht habe, wo jedoch mit Rücksicht auf das bevorstehende Ausfuhrverbot der Transport zurückgewiesen worden war. Es fragt sich also, ob und welche Quantitäten dieses vor dem Verbote kontrahierten Artikels zur Ausfuhr zugelassen werden dürfen.

Da, wie der Justizminister bemerkte, kein Gesetz vor dem Tage der Kundmachung in Wirksamkeit treten kann, so wäre gegen die Ausfuhr der 800 Zentner kein Anstand zu erheben, wenn es sich als wahr erweist, daß sie noch vor der Publikation des Verbots zur Ausfuhrstation gebracht wurden. Was die weiters zur Lieferung übernommenen 4200 Zentner anbelangt, so fallen sie allerdings schon unter das Verbot und wären umso weniger zur Ausfuhr zu passieren, als nach der Bemerkung des Justizministers schon das Bürgerliche Gesetzbuch Verträge für ungiltig erklärt, wenn der Gegenstand, worüber sie abgeschlossen worden, gesetzlich außer Handel gesetzt wird6.

Mit dieser Auffassung erklärte sich auch der Minister des Äußern einverstanden, indem er hinzusetzte, daß es gerade im gegenwärtigen Moment aus politischen Rücksichten unstatthaft wäre, nach der Kundmachung des Ausfuhrverbotes außer den bereits vor derselben zur Grenze gestellten Quantitäten noch weitere Lieferungen ausführen zu lassen. Der Handelsminister wird hiernach das Erforderliche hierwegen verfügen7.

IV. Ankauf einer Realität in Kalksburg durch die Jesuiten

Der Kultus- und Unterrichtsminister referierte über das Ah. signierte Gesuch des österreichischen Provinzials der Jesuiten8 um eine Unterstützung zum Ankaufe einer Realität in Kalksburg behufs der Gründung einer Erziehungsanstalt für die männliche Jugend höherer Stände. Diese Realität, angeboten um 80.000 f., würde ihnen um 65.000 f. überlassen werden, wenn sie den Kaufschilling binnen sechs Tagen bar erlegen. Obwohl sie die Mittel überhaupt zur Durchführung des Unternehmens sich zu verschaffen hoffen, so fehlt ihnen doch augenblicklich die erforderliche Summe zur Erlegung des Kaufschillings. Da es wünschenswert ist, in der Nähe Wiens eine solche Erziehungsanstalt zu haben, damit man nicht genötigt sei, zu ausländischen Instituten seine Zuflucht zu nehmen, und da der Jesuitenorden der einzige ist, der ein solches Institut mit Erfolg zu leiten vermag, so trug der Kultusminister an, demselben zum Ankauf der Realität eine Unterstützung von 30.000 fr. aus dem Stammvermögen des Studienfonds, dann einen Vorschuß von 35.000 fr. aus dem Religionsfonds (der im Laufe eines Jahres zurückgezahlt würde) zu bewilligen.

|| S. 223 PDF || Der Minister des Inneren und der Handelsminister waren mit diesem Antrag einverstanden. Der Finanzminister erklärte dagegen, bei der Lage des von allen Seiten so vielfach in Anspruch genommenen Staatsschatzes diesem Antrage nicht beitreten zu können, zumalen der Studienfonds passiv, aus dem Staatsschatze dotiert ist und die Verminderung seines Stammvermögens um 30.000 fr. die Erhöhung seiner Dotation um jährlich 1500 fr. nach sich ziehen würde. Der tg. gefertigte Vorsitzende stimmte der Ansicht des Finanzministers bei, nachdem ihm einerseits der Nutzen eines von den Jesuiten erst zu gründenden Erziehungsinstitutes nicht so klar ist, um von vorneherein für einen Beitrag dazu einraten zu können, andererseits aber die fragliche Realität, bestehend aus einem 40 Joch großen schönen Parke und einem verhältnismäßig unbedeutenden Gebäude, zur Erhaltung in ihrem gegenwärtigen Stande nicht nur jährlich die Interessen eines noch größeren Kapitals, als der Kaufschilling ist, erfordern, sondern auch zur Erweiterung und Adaptierung des Gebäudes für die Erziehungsanstalt weiter sehr bedeutende Summen in Anspruch nehmen wird, so daß nicht abzusehen ist, wie dem Orden, der schon zum Ankaufe der Realität einer Unterstützung bedarf, damit wirklich gedient wäre. Der Justizminister erklärte sich höchstens für die Bewilligung eines unverzinslichen, in billigen Raten rückzahlbaren Vorschusses, indem über den Plan und die Mittel zur weiteren Ausführung sowie über den Erfolg des Unternehmens noch keine Daten vorliegen9.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 27. Jänner 1856.