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Nr. 307 Ministerkonferenz, Wien, 1. September 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Kaiser; BdE. und anw. (Buol 1. 9.), Bach (4. 9.), Thun, K. Krauß, Bruck; abw. Toggenburg.

MRZ. – KZ. 2563 –

Protokoll der zu Laxenburg am 1. September 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

I. Ah. Weisungen über den Vollzug der Ah. Entschließung vom 30. August 1855 wegen der ungarischen Urbarialgerichte

Im Nachhange zu der Ah. Entschließung vom 30. August l. J. in betreff der Einrichtung der Urbarialgerichte im Königreich Ungarn und in der serbischen Woiwodschaft1 geruhten Se. k . k. apost. Majestät behufs der genauen Vollziehung der darin enthaltenen Bestimmungen die Ah. Willensmeinung näher dahin auszusprechen:

1. Die vorzügliche Bedachtnahme auf die in der Ah. Entschließung vom 30. August bezeichneten ehemalig ungrischen Beamten bei Besetzung der Stellen der Urbarialgerichte erster und zweiter Instanz habe zum Zwecke, daß einerseits eine so günstige Gelegenheit, jene Individuen, die sonst untätig blieben, zum Wiedereintritte in den kaiserlichen Dienst anzuregen, nicht unbenützt gelassen werde, daß andererseits die Urbarialgerichte eine hinlängliche Anzahl von mit den || S. 135 PDF || Landes- und besonders den Urbarialverhältnissen vertrauten Leuten erhalten, welche gerade unter der gedachten Beamtenkategorie zu finden ist, daß endlich durch die Zuweisung von im politischen und Justizdienste Angestellten zu den Urbarialgerichten nicht eine zu große Anzahl von Beamten ihrer eigentlichen Bestimmung entzogen und hiermit ein Nachteil für den laufenden Verwaltungsdienst herbeigeführt werde. In dieser Beziehung erklärten Se. Majestät ausdrücklich, daß die Urbarialgerichte nicht in der Mehrzahl und überhaupt nicht in größerer Zahl aus Beamten der politischen und Justizbehörden zu bestehen haben sollen.

2. Die Bestimmung der Ah. Entschließung vom 30. August, wornach die bei den Urbarialgerichten Angestellten so wie die Ersatzmänner der den Urbarialgerichten zugeteilten aktiven Beamten als definitiv Angestellte zu behandeln sind, beruhe auf der Überzeugung, daß hierdurch diese Beamten zu größerem Fleiße und Eifer angespornt werden und kein Interesse mehr haben würden, ihre Verhandlungen und Ausarbeitungen absichtlich in die Länge zu ziehen, wie dies sonst bei einer bloß provisorischen Stellung derselben zu besorgen wäre.

3. Endlich sei die in der Ah. Entschließung anbefohlene Amtsinstruktion für die Urbarialgerichte möglichst einfach, klar, verständlich und frei von allen komplizierten Formeln in der Art abzufassen, daß hiernach die Geschäfte ohne Schwierigkeit und Zweifel abgewickelt werden können.

Die zur Vollziehung der Ah. Bestimmungen über die Urbarialgerichte zunächst berufenen Minister des Inneren und der Justiz erklärten, der erteilten Ah. Weisung pflichtgemäß nach Möglichkeit nachzukommen, erlaubten sich jedoch ad 1. die au. Bemerkung, daß die Anstellung ehemaliger ungrischer Beamten in so ausgedehntem Maße wohl nur dann werde ermöglicht werden, wenn zur Besetzung der Stellen bei den Urbarialgerichten Konkurse ausgeschrieben, jedenfalls aber vorläufig das Gouvernement und die Präsidien der Statthaltereiabteilungen und der Landesgerichte darüber vernommen würden, welche Individuen der bezeichneten Kategorie in ihrem Sprengel geneigt und geeignet zu solchen Posten seien; daß ferner – nach der bisherigen Erfahrung wenigstens – dem Versuche der Wiederanstellung altungrischer Beamten nur zu oft der bequeme Ehrgeiz dieser Herren, welche nur die Präsidentenposten haben wollen, hindernd entgegentritt, und daß die Auswahl für die Urbarialgerichte noch insbesondere durch die Natur der Geschäfte erschwert wird, welche unbedingt fordern, daß nur tüchtige Juristen und ganz unparteiische Männer dazu bestimmt werden, welche, durch keine Nebenrücksicht auf ihr oder ihrer Angehörigen Interesse der beteiligten Landbevölkerung Vertrauen in die Operationen einzuflößen geeignet sind.

Se. Majestät geruhten hierauf zu bemerken, daß es den Präsidien der Statthaltereiabteilungen und Oberlandesgerichte nicht schwer fallen dürfte, in ihren verhältnismäßig nicht so ausgedehnten Bezirken die geeigneten Personen zu bezeichnen, und daß die Handhabung der Gesetze und Amtsinstruktionen auch die unparteiische Verwaltung der den Urbarialgerichtsbeamten obliegenden Geschäfte zu sichern geeignet sei. Hiernach empfahlen Se. Majestät den Ministern, in dem Ah. angedeuteten Sinne vorzugehen und sich die möglichste Beschleunigung des Vollzugs der Ah. Befehle angelegen sein zu lassen. Den Justizminister forderten || S. 136 PDF || Allerhöchstdieselben insbesondere zur Namhaftmachung eines vollkommen geeigneten Präsidenten für das oberste Urbarialgericht auf2.

II. Gesetz über das Militärsupplentenwesen

Se. Majestät forderten den Minister des Inneren auf anzuzeigen, wie weit die Verhandlung über das Militärsupplentengesetz gediehen sei, worauf dieser Minister erklärte, daß der diesfällige Gesetzentwurf vollständig ausgearbeitet sei und die Schlußberatung hierüber zwischen dem Ministerium des Inneren und dem Armeeoberkommando demnächst stattfinden werde3.

III. Jagdgesetz

In Ansehung des weiters von Sr. Majestät über den Stand der Verhandlung wegen eines neuen Jagdgesetzes verlangten Auskunft erstattete der Minister des Inneren dieselbe dahin, daß nach Einlangung der von einigen Statthaltereien noch rückständigen, bereits betriebenen Berichte unverzüglich an die Ausarbeitung dieses – übrigens etwas verwickelten – Gegenstandes werde Hand angelegt werden4.

IV. Maßregeln zur Erleichterung der Bezirksämter

Schließlich geruhten Se. Majestät den Ministern dringend zu empfehlen, daß Maßregeln vorgeschlagen werden, wodurch die Bezirksämter in die Lage gesetzt würden, mit den ihnen anvertrauten Geschäften aufzukommen5. Diese Maßregeln hätten jedoch nicht in einer Personalvermehrung zu bestehen, welche sich bei der wiederholt vorgebrachten Klage über Mangel an geeigneten Individuen für die schon systemisierten Dienstposten als unpraktisch darstellen würde; vielmehr sei auf eine Geschäftsverminderung und Vereinfachung durch Beseitigung || S. 137 PDF || aller unnötigen Schreibereien und zwecklosen Förmlichkeiten Bedacht zu nehmen.

Der Minister des Inneren wird zur Vollziehung dieses Ah. Befehls die entsprechenden Weisungen an die Landeskommission wegen Untersuchung der Wirksamkeit der Bezirksämter und Angabe der etwaigen Vereinfachungsmittel erlassen.

Der Justizminister konnte jedoch nicht verschweigen, daß die Zunahme der Bevölkerung und des Geschäftsverkehrs überhaupt im Verhältnis zu dem wirklich unzureichenda bemessenen Personal der Bezirksämter, wenigstens soweit es deren gerichtliche Wirksamkeit betrifft, als die Hauptursache der gegenwärtigen Überbürdung der Bezirksämter anzusehen sei, bwelche ohne Vermehrung der Arbeitskräfte keineswegs beseitigt werden kannb welche ohne Vermehrung der Arbeitskräfte keineswegs beseitigt werden kann. Eine wesentliche Erleichterung und Vereinfachung ließe sich wohl durch teilweises Aufgeben des in allen Verwaltungszweigen aufs Äußerste getriebenen Grundsatzes der gegenseitigen Kontrolle erzwecken. Er und der Minister des Inneren erlaubten sich in dieser Hinsicht namentlich auf die cGeschäftsvermehrung, diec Geschäftsvermehrung, die Verwicklungen und Verzögerungen hinzudeuten, welche bei der Bemessung der Gebühren für Besitzveränderungen dadurch stattfinden, daß erstere nicht von der administrativ-gerichtlichen Behörde, welcher doch alle dazu erforderlichen Daten zu Gebote stünden, sondern von der Finanzbehörde, oft erst nach vielfältigem Hin- und Herschreiben, vorgenommen werden darf. Viel einfacher und den Parteien erwünschter dürfte es sein, wenn diese Gebührenbemessung, deren Verzögerung die Parteien sehr oft in der freien Disposition mit ihrem Eigentume behindert, in die Hände der Bezirksämter – gegen eine angemessene Tantieme – gelegt würde.

Der Finanzminister verkannte nicht die Richtigkeit der Klagen über die aus der gegenwärtigen Einrichtung entspringenden Nachteile, allein da es sich hier um eine sehr wichtige Quelle des Staatseinkommens handelt, so könnte eine Reform nur nach sorgfältigster Prüfung aller Verhältnisse und Beziehungen vorgenommen werden. Der in Paris befindliche Ministerialrat Hock ist beauftragt, sich über die Einrichtung des französischen Gebührenwesens genaue Daten zu verschaffen; dieselben könnten dann seinerzeit bei der Revision unserer Einrichtungen benützt werden6.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Ischl, den 10. September 1855.