Nr. 283 Ministerkonferenz, Wien, 5. Mai 1855 – Protokoll I - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 5. 5.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.
MRZ. – KZ. 1003 –
Protokoll I der zu Wien am 5. Mai 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Aktienvermehrung der Brünn-Rossitzer Eisenbahngesellschaft
Gegenstand der Beratung war die Meinungsdifferenz zwischen dem Handels- und [dem] Justizminister einerseits, dann den Ministern des Inneren und der Finanzen andererseits in betreff der von der Brünn-Rossitzer Eisenbahngesellschaft angesuchten Vermehrung ihres Aktienfonds bis zur Höhe von zwei Millionen Gulden (Vortrag vom 30. April 1855, KZ. 1370, MCZ. 1264).
Der Handelsminister erklärte von seiner Ansicht nicht abgehen zu können, daß die Aufbringung des erhöhten Aktienkapitals durch Emission neuer Aktien unter pari nur unter der einzigen Bedingung zugestanden werden könnte, daß die gegenwärtigen Aktieninhaber die Aktien zu arrosieren aufgefordert werden und daß nur diejenigen davon, welche nicht von den gegenwärtigen Aktieninhabern genommen würden, zur anderweitigen Veräußerung ausgeboten werden sollen. Nur auf diese Art wäre es möglich, einer Übervorteilung der Aktionäre vorzubeugen, und darum sollte es der Generalversammlung der Gesellschaft lieber von vornehinein gesagt werden, daß ihr Projekt nur unter dieser Bedingung zugelassen werden wird. Auch der Justizminister erklärte seinerseits, die von seinem Abgeordneten geäußerte Ansicht zu teilen, daß die Emission neuer Aktien unter pari und nach einem bloßen Majoritätsbeschlusse die Rechte der nicht beistimmenden Aktionäre benachteilige.
Entgegen glaubten die Minister des Inneren und der Finanzen – denen sich der Kultusminister und der tg. gefertigte Minister des Äußern anschlossen –, || S. 62 PDF || daß allen Anforderungen der Gerechtigkeit und der Vereinsnormen entsprochen sei, wenn es der Generalversammlung unter Beobachtung der §§ 17 25 und 27 der Statuten überlassen wird, sich über die Emittierungsmodalitäten auszusprechen; daß, nach der Ansicht des Finanzministers, der Beschluß – wenn er auf Emission unter pari ausfällt – ganz gewiß im Sinne des Handelsministers auf Arrosierung und Verkauf der übrigbleibenden Aktien gefaßt werden wird, daß es ja doch auch geschehen kann, daß die Versammlung eine andere Modalität wähle, welche im vorhinein zu verwerfen nicht angehen dürfte, und daß ein solcher Beschluß möglicherweise von der Versammlung einstimmig, ja von allen Aktionären gefaßt werden könnte. aDie Genehmigung dieser Beschlüsse bleibe immerhin der Regierung vorbehaltena .
Unter diesen Umständen erachtete die Majorität auf dem angetragenen Resolutionsentwurfe beharren zu sollen1.
Wien, am 5. Mai 1855. Gr[af] Buol.
A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 15. Mai 1855.