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Nr. 279 Ministerkonferenz, Wien, 27. März 1855 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 27. 3.), Bach, Thun, K. Krauß, Toggenburg, Bruck.

MRZ. – KZ. 510 –

Protokoll der zu Wien am 27. März 1855 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Steuererhöhung für Rübenzucker

Der Finanzminister brachte den bereits von seinem Amtsvorgänger1 beabsichtigten Antrag auf Erhöhung der Verzehrungssteuer vom Runkelrübenzucker in Vortrag.

Für diesen Antrag sprechen sowohl finanzielle als auch Rücksichten für unsere Schiffahrt, welche mit der Einfuhr von Kolonialzucker sich befassend in diesem Artikel fast darniederliegt infolge des unverhältnismäßigen Schutzes, dessen die Rübenzuckerproduktion bei ihrer gegenwärtigen geringen Besteuerung dem Rohrzucker gegenüber sich erfreut. Während nämlich der Zoll für einen Zentner Raffinade aus Rohrzucker mit 7 f. 44 Kreuzer entfällt, beträgt die Steuer à 8 Kreuzer vom Zentner Rüben bei einem Zentner Rübenzuckerraffinade nur 1 f. 40 Kreuzer, was eine Differenz von mehr als 6 f. pro Zentner zugunsten des Rübenzuckers darstellt. Es ist nachgewiesen, daß die Rübenzuckererzeuger 12 f. beim Zentner gewinnen, mithin eine Steuererhöhung – auf die sie auch gefaßt sind – wohl vertragen können. Der Finanzminister erklärte daher, den Antrag auf Steuererhöhung in der Hauptsache zu dem seinigen machen und dieselbe (mit einziger Ausnahme || S. 54 PDF || des von seinem Vorgänger beabsichtigten Kursdifferenzzuschlags von 3 Kreuzern) mit 4 Kreuzern pro Zentner Rüben für die beiden Verwaltungsjahre 1855 und 1856 vorschlagen zu sollen.

Die Mehrheit der Konferenz war mit diesem Antrage einverstanden. Nur wünschte der Minister des Inneren , daß im Interesse dieses für die Landwirtschaft so wichtigen Produktionszweiges mit der Einführung der Erhöhung noch etwa bis zum nächsten Verwaltungsjahre zugewartet werde, um den Produzenten die zu etwaigen Vorkehrungen nötige Zeit zu gönnen.

Der Kultusminister bemerkte, daß man bei dieser Maßregel wohl zu berücksichtigen habe, was man davon erwarte. Erwarte man davon eine Einschränkung des Aufschwungs, den die Rübenzuckerproduktion seither im Inlande genommen, so awürde er derselben nicht beistimmen können, weil ihm das Interesse der landwirtschaftlichen Produktion zu sehr für die Förderung jener Industrie zu sprechen scheine; erwarte man aber dieses nicht, so würde die Steuererhöhung in finanzieller Beziehung gewiß gerechtfertigt sein, aber der Einführung desa Kolonialzuckers und beziehungsweise der Schiffahrt nichts nützen, weil dann der Rübenzucker dem Rohrzucker noch immer die Konkurrenz streitig machen würde.

Hingegen erinnerte der Finanzminister einstimmig mit dem Handelsminister daß die Rübenzuckerproduktion den bisherigen Aufschwung nur dem enormen Schutzzoll verdanke. Im vorigen Jahr habe infolgedessen die Einfuhr von Rohrzucker bereits um 200.000 Zentner abgenommen, es scheine also im Interesse der Schiffahrt dringend geboten, wenigstens etwas zur Vermeidung ihres weitern Verfalls zu tun. Das Beispiel anderer Staaten lehre, daß dies ohne Nachteil der Rübenzuckerproduktion geschehen könne. Denn in Frankreich bestehe bei gleicher Besteuerung des Rüben- und des Kolonialzuckers die Rübenzuckererzeugung fort, ja sie vermehre sich, und in den Zollvereinstaaten, wo sie mit 20 Kreuzer pro Wiener Zentner Rüben belegt ist, sei derselbe Fall. Sonach sei nicht zu befürchten, daß die angetragene sehr mäßige Steuererhöhung der inländischen Zuckerproduktion beschwerlich fallen werde, und es wäre umso weniger Grund vorhanden, diese Maßregel bis zum nächsten Verwaltungsjahr hinauszuschieben und den Finanzen die davon erwartete Mehreinnahme von 600.000 f. für heuer zu entziehen, als die Voreinleitungen dazu schon von dem Amtsvorgänger des Finanzministers getroffen und die Produzenten selbst – wie bereits bemerkt – auf die Steuererhöhung gefaßt sind2.

II. Quarantänemaßnahmen in den Donaufürstentümern

Mit Beziehung auf die in der Konferenz vom 24. d. M. (Protokollzahl 846, Nr. II) besprochene Verhandlung wegen Wiederherstellung der Quarantäne in den Donaufürstentümern gab der Handelsminister über die diesfalls aus seinem || S. 55 PDF || Ministerium ergangenen Erlässe die aktenmäßige Aufklärung dahin, daß zwar aus Anlaß einer Eingabe der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft über die faktische Aufhebung der Quarantäne in den Fürstentümern eine Aufforderung an die k. k. Agenten erging, sich von dem Stande der Sache Kenntnis zu verschaffen und dahin zu wirken, das Wiederaufleben der alten, dem Verkehre überaus lästigen Quarantäne oder anderer Beschränkungen des Verkehrs zu hindern – daß jedoch später, als der Bericht über die wirklich erfolgte Aufhebung einlangte, das Handelsministerium sich an das Ministerium des Äußern mit dem Ersuchen wandte, wegen Aufrechterhaltung der Quarantäne­anstalten in den Fürstentümern, um für den Fall des möglichen Ausbruchs der Pest beruhigt zu sein, die Verhandlung einzuleiten3. Hiermit ist der in der Konferenz vom 24. d. M. sub II, beschlossenen Verfügung an den serbisch-banatischen Armeekorpskommandanten Grafen Coronini nicht entgegengetreten4.

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, den 3. April 1855.