Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)
|| S. 7 PDF || Die durch die vorliegenden Protokolle dokumentierte Periode der Regierung Buol-Schauenstein von Dezember 1854 bis April 1856 erscheint auf den ersten Blick als ein Entwicklungsabschnitt der Ruhe und Konsolidierung.
Von den Folgen des Revolutionsjahres 1848 ist nichts mehr zu spüren, und das wird noch einige Zeit so bleiben, ehe Italiener, Polen und Ungarn wieder an die politische und soziale Aufbruchsphase ihrer Verselbständigung anschließen werden. Aber umgekehrt ist auch der große Elan des Programms der „Neugestaltung Österreichs“ (Carl Czoernig 1858) nicht gerade in Verlust geraten, hat aber den Schwung der Ära Schwarzenberg, deren Erbe das Ministerium Buol außen- und innenpolitisch zu verwalten suchte, weitgehend verloren. Nachdem Verwaltungsreform, Grundentlastung und Universitätsreform unter Dach und Fach gebracht waren, schienen die Weichen der Modernisierung gestellt zu sein. Das System des Neoabsolutismus hatte das Stadium seiner inhaltlichen Vollendung erreicht. Der Abschluß des Konkordates (18. August 1855) als Demonstration des Bündnisses von „Thron und Altar“ war der praktische und symbolische Höhepunkt dieser Entwicklung.
Aber die Ruhe war trügerisch. Auch die Gefahrenzone des Krimkrieges, begleitet von den Rückwirkungen der großen Weltwirtschaftskrise, beides seit 1853 den österreichischen Ministerrat beschäftigend, schien durch die österreichische Neutralitätspolitik fürs erste zumindest entschärft. Freilich hatte man sich gerade damit nicht nur in eine außenpolitische, sondern ebenso in eine finanzielle Sackgasse manövriert. Die Neutralitätspolitik kostete mehr Geld, als der Staatshaushalt aufbringen konnte. Allerdings waren nicht allein die Militärausgaben die Ursache für das bis 1855 explodierende Staatsdefizit. Mißernten, Textil- und Eisenkrise sowie die steigenden Ausgaben für Verwaltung und wirtschaftliche Strukturverbesserungen belasteten die Finanzen in viel größerem Ausmaß. Das Urteil ist richtig, daß „die Krise des Staatshaushaltes nicht (nur) eine Folge der österreichischen Politik im Krimkrieg war, sondern daß umgekehrt die Krise des Staatshaushaltes die österreichische Neutralitätspolitik im Krimkrieg weitgehend bestimmte“ (Einleitung XVII). Als Retter in der sich abzeichnenden Finanznot wurde Karl Frh. von Bruck als Finanzminister berufen.
Die mit Bruck einsetzende aktive und im wesentlichen erfolgreiche Politik wurde von der Regierung getragen und führte zu einer deutlichen Aufwertung der seit 1851 so offenkundig in den Hintergrund gedrängten Ministerkonferenz. Auch war mit dem Tod des Reichspräsidenten Kübeck (11. September 1855) deren Rivale || S. 8 PDF || und schärfster Gegner von der politischen Bühne abgetreten. Als Innenminister Bach 1856 zum ersten mal seit 1848 wieder ein Staatshandbuch vorbereitete, entstand ein Streit darüber, ob die Ministerkonferenz vor dem Reichsrat zu reihen wäre. Franz Joseph entschied entgegen seiner bisherigen Politik zugunsten des Ministerrates, was er allerdings schon für 1857 wieder änderte. Der Neoabsolutismus begann doch behutsam sein Gesicht zu verändern.
Wie für jeden Band dankt das Österreichische Komitee den ungarischen Partnern für ihre Gutachtertätigkeit. Dozent Oskár Sashegyi hat sich auch diesmal dieser Mühe unterzogen. Der Einleitungstext der Bandbearbeiterin, Frau Dr. Waltraud Heindl, bot „zu keinem Anstand von ungarischer Seite Anlaß“.
In seiner Jahressitzung 1987 hat das Österreichische Komitee personelle Entscheidungen getroffen, die unter Wahrung der Kontinuität zu einer teilweisen Neugestaltung des Mitarbeiterkreises führten. Der Generaldirektor der Österreichischen Staatsarchive, Dr. Rudolf Neck, und die Direktorin des Haus-, Hof-und Staatsarchivs, Dr. Anna Benna, sind in den Ruhestand getreten. Ihnen ist der Dank des Komitees dafür auszusprechen, daß die Zusammenarbeit zwischen Archiv und Editionsunternehmen gut funktionierte. An die Stelle der scheidenden Amtsträger traten deren Nachfolger, Dr. Kurt Peball und Dr. Gerhard Rill. Als neue Mitglieder wurden o. Univ.-Prof. Dr. Moritz Csáky (Österreichische Geschichte, Universität Graz) und o. Univ.-Prof. Dr. Herbert Matis (Wirtschaftsgeschichte, Wirtschaftsuniversität Wien) kooptiert. Weiters wurden die wissenschaftlichen Mitarbeiter Dr. Waltraud Heindl und Dr. Stefan Malfèr in das Komitee als Mitglieder aufgenommen.
Die Drucklegung des vorliegenden Bandes wurde durch Subventionen des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung, des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung und des Hochschuljubiläumsfonds der Gemeinde Wien ermöglicht. Diesen Institutionen dankt das Komitee für die gewährte Unterstützung seiner Forschungsarbeit.
Klagenfurt, im Dezember 1987