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Nr. 255 Ministerkonferenz, Wien, 21. November 1854 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 21. 11.), Bach 12. 12., Thun, K. Krauß, Baumgartner.

MRZ. – KZ. 4588 –

Protokoll der zu Wien am 21. November 1854 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Auszeichnung für die Finanzlandesdirektoren Johann Cappellari della Colomba und Joseph Bruno Fluck v. Leidenkron

Der Finanzminister referierte über zwei — zugunsten des Chefs der Finanzpräfektur in Mailand Cappellari della Colomba und jenes der Finanzlandesdirektion in Agram, Fluck v. Leidenkron — gestellte Auszeichnungsanträge.

Die rühmliche Dienstleistung und ehrenhafte politische Haltung des ersteren ist so bekannt, daß der Finanzminister keinen Anstand nahm, einstimmig mit dem Statthalter der Lombardei auf die Ag. Verleihung des Ritterkreuzes des Leopoldordens an Cappellari anzutragen, womit auch die Konferenz vollkommen einverstanden war. Für Fluck hat sich der vormalige Statthalter in Triest FZM. Graf Wimpffen, unter welchem Fluck vordem diente, sehr warm verwendet und für denselben auf Verleihung des Ordens des Eisernen Krone zweiter || S. 357 PDF || Klasse angetragen, welchen Antrag der Finanzminister auf die Dekoration der dritten Klasse beschränken würde. Ohne diesem Antrag direkt entgegentreten zu wollen, konnte der Minister des Inneren doch nicht umhin zu bemerken, daß im gegenwärtigen Augenblicke kein überwiegender Grund zu einer Auszeichnung Flucks bestehen dürfte, da derselbe zu kurze Zeit auf seinem dermaligen Posten sich befindet, um Gelegenheit gehabt zu haben, sich hervorzutun. Wäre der Antrag bei seiner Übersetzung von Triest nach Agram gestellt worden, so könnte die Auszeichnung für eine Belohnung seiner dort geleisteten Dienste gelten. So aber würde es auffallen, wenn sie ihm jetzt schon nach einer so kurzen Wirksamkeit in Agram zuteil werden sollte. Sie dürfte einem späteren Zeitpunkte vorbehalten werden, wenn sich seine Verwendung auf seinem neuen Posten als vorzüglich bewährt haben wird.

Da der J ustizminister diese Ansicht teilte und der Kultusminister erklärte, die Verdienste Flucks aus eigener Anschauung nicht beurteilen zu können, so beschloß der Finanzminister , den Antrag zugunsten Flucks für jetzt auf sich beruhen zu lassen1.

II. Kriegsrechtliches Urteil gegen Aloys und Jakob Foyth

Der Minister des Inneren referierte über die kriegsrechtliche Verurteilung des Aloys und [des] Jakob Foyth, welche wegen Mitschuld des Hochverrates durch Beteiligung an der am 26. Juli 1849 von einer Rotte ungarischer Insurgenten unter Anführung Potockis verübten Ermordung des k. k. Oberstleutnants Baron Hacke im Rechtswege zum Tode verurteilt worden sind. Da der eine bloß bei dem Angriffe gegenwärtig war, der andere zwar geschossen, aber nicht getroffen hat (Baron Hacke ward durch Potocki selbst getötet, welcher auch mit zwei Mitschuldigen justifiziert worden ist), so hat das Gouvernement in Berücksichtigung des jugendlichen Alters der beiden Inquisiten und mit Rücksicht auf das gegen andere unter ähnlichen Verhältnissen in Anwendung gebrachte Strafausmaß die Nachsicht der Todesstrafe und deren Ersetzung durch zehnjährige Schanzarbeit in leichtem Eisen beantragt, welchem Antrage sowohl der Minister des Inneren als auch die Konferenz beistimmte2.

III. Weisung an die Gerichte betreffend § 26 lit. e des Strafgesetzes

Der Justizminister brachte in Vollziehung des Ah. Befehls vom 21. Oktober 1854 (KZ. 3359) in betreff des siebten Beschwerdepunkts des apostolischen Pronuntius wegen Streichung des § 26 lit. e des Strafgesetzbuchs3 folgende mit || S. 358 PDF || Ah. Genehmigung Sr. Majestät zu erlassende Weisung an den Obersten Gerichtshof und an die Oberlandesgerichte in Vorschlag, daß die Entsetzung eines katholischen Geistlichen von seiner Pfründe, wenn er eines Verbrechens schuldig erkannt worden, künftig nicht mehr nach § 26 lit. e des Strafgesetzbuchs schon als eine kraft des Gesetzes mit der Verurteilung verbundene Wirkung eintrete, sondern daß jedes Urteil, wenn es in Rechtskraft erwachsen, vor der Vollziehung nach § 320 der Strafprozeßordnung dem Bischof auch zu dem Ende bekanntzugeben sei, damit er nach Beschaffenheit des Falles wegen Entfernung des Verurteilten von der Pfründe die erforderliche Verfügung treffen könne4. Gleichzeitig ist diese Anzeige auch dem betreffenden Landeschef zu erstatten. In gleicher Art ist zu verfahren, wenn ein katholischer Geistlicher von einem Strafgericht eines Vergehens oder einer Übertretung für schuldig erklärt wird. Im übrigen sind die §§ 320 und 4165 der Strafprozeßordnung zu beobachten. Diese Verordnung ist allen Gerichten im engsten Dienstvertrauen bekanntzugeben und jede andere Verlautbarung zu unterlassen.

In merito fand die Konferenz gegen diese der Ah. genehmigten Ansicht des Kirchenkomitees6 entsprechende Weisung nichts zu erinnern. Nur mit der Schlußbestimmung, die Verlautbarung zu unterlassen, war die Konferenz nicht einverstanden. Der Justizminister glaubte, sie zwar damit rechtfertigen zu können, daß der Erzbischof von Wien beim Kirchenkomitee sich selbst mit einer bloßen Weisung aan die Gerichte und mit der Verständigung der Bischöfea begnügt7 und daß Se. Majestät auch nichts anderes als den Vorschlag, welche Weisungen Hierwegen zu erlassen seien, abzuverlangen geruhten; daß ferner die diesfällige Bestimmung allen, die es betrifft, nämlich den Gerichten, dann den Ordinariaten || S. 359 PDF || und Landeschefs bekanntgegeben werden wird, zu welchem Behufe der Justizminister dieselbe auch dem Kultusminister und dem Minister des Inneren eröffnen wird; daß endlich (wie auch schon Reichsrat v. Salvotti beim Kirchenkomitee bemerkt hat8) eine öffentliche Verlautbarung dieser Verfügung den Akatholiken aus dem Titel der Gleichheit vor dem Gesetze Anlaß geben würde, ein Gleiches für die Geistlichen ihrer Konfession zu verlangen. Allein die übrigen Stimmführer fanden diese Rücksichten nicht entscheidend, um die Verlautbarung einer gesetzlichen Erläuterung eines Landesgesetzes einzustellen. Der Minister des Inneren bemerkte insbesondere, daß der römische Hof, welcher ausdrücklich die Vertilgung der lit. e des § 26 aus dem Kodex verlangt habe, sich schwerlich mit einer stillen Weisung werde begnügen wolle — und der Kultusminister , dem ein offenes Vorgehen in dieser Sache der Würde der Regierung entsprechender schien, setzte der aus einer möglichen Exemplifikation für die Akatholiken hergenommenen Einwendung die Bemerkung entgegen, daß die in Frage stehende Verfügung sich auf die Eigentümlichkeiten der katholischen Kirche gründe, mithin eine Berufung auf die Gleichheit vor dem Gesetze von Seite anderer Konfessionen nicht stattfinde, bei welchen gleiche Verhältnisse nicht bestehen, daß übrigens bdie Erlassung der fraglichen Verordnung nicht hindern werde, daß seinerzeit, falls von den berechtigten Organen einer anderen Konfession gleichfalls Beschwerde gegen die Bestimmung des § 26 lit. e geführt werden sollte, darüber das Geeignete beschlossen und verfügt werdeb .

Die Mehrheit war daher der Meinung, daß die in Rede stehende Erläuterung des § 26 lit. e des Strafgesetzbuchs mittelst einer der Ah. Genehmigung Sr. Majestät zu unterziehenden Ministerialverordnung zu erlassen und im gewöhnlichen Wege durch das Reichsgesetzblatt zu veröffentlichen wäre9.

IV. Entwurf des Handelsrechts

Fortsetzung der Beratung des Handelsrechtes (im besonderen Protokolle10).

A[h]. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 14. Dezember 1854.