Nr. 196 Ministerkonferenz, Wien, 28. Jänner 1854 — Protokoll II - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 28. 1.), Bach 3. 2., Thun 2. 2., K. Krauß, Baumgartner.
MRZ. – KZ. 1055 –
Protokoll II der zu Wien am 28. Jänner 1854 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Gnadengabe für Michael Kinisy
Der Minister des Inneren referierte über die Differenz, die laut seines Vortrags vom 23. d. [M.], KZ. 343, MCZ. 271, zwischen ihm und dem Finanzminister || S. 128 PDF || über den Betrag der Gnadengabe obwaltet, welche für den ehemaligen Bezirksarzt Michael Kinisy von Sr. Majestät erbeten wird. Der Minister des Inneren glaubte die Ziffer von 150 fr. mit der 40jährigen Dienstleistung Kinisys sowie mit den übrigen zu dessen Gunsten angeführten Rücksichten vertreten zu können, wogegen wieder der Finanzminister den Umstand geltend machte, daß schon eine Beteilung mit 100 fr. an eine Person, welche normalmäßig keinen Anspruch auf eine Versorgung aus den Staatsschatze hat, einen Akt der Gnade enthalte und daß im Interesse der Finanzen nicht die Geringfügigkeit des Betrags im einzelnen, sondern die Masse dieser einzelnen kleinen Begünstigungen zu berücksichtigen sei.
Unter diesen Umständen glaubte die Konferenz, die Auswahl zwischen den beiden Anträgen für 150 oder für 100 fr. lediglich der Ah. Gnade Ew. Majestät anheimstellen zu sollen1.
II. Gnadengabe für Laurenz Paraszkay
In betreff des Zeitpunkts der Verabfolgung der dem gewesenen ungrischen Provinzialkommissär Laurenz Paraszkay mit Ah. Entschließung vom 17. Juli 1851, KZ. 2397, MCZ. 2288, bewilligten Gnadenpension von 600 fr. obwaltet zwischen dem Minister des Inneren laut seines Vortrags vom 11. d. [M.], KZ. 172, MCZ. 118, und dem Finanzminister die Meinungsverschiedenheit, daß nach dem Antrage des ersteren diese Gnadengabe vom Zeitpunkte der Einstellung des Aktivitätsgehaltes allerdings nur im Wege der Gnade, also vom 1. November 1850 an, flüssiggemacht werden möge, wogegen der Finanzminister an der für Gnadengaben bestehenden Vorschrift, sie erst vom Tage der Ah. Bewilligung an laufen zu lassen, festhielt und auch in der Konferenz des Prinzips wegen davon nicht abgehen zu können erklärte.
Die mehreren Stimmen traten aber dem billigen Einraten des Ministers des Inneren bei, weil Paraszkay ohne sein Verschulden dienstlos geworden ist und als mittelloser und erwerbsunfähiger Mann durch achteinhalb Monate dem Notstande preisgegeben war2.
III. Organisierung der Staatsanwaltschaften in Ungarn
Der Justizminister referierte über die Organisierung der Staatsanwaltschaften in Ungern. Nach demselben Bevölkerungsmaßstabe wie für Kroatien und die Woiwodschaft entworfen würde diese Organisation durch Einteilung von Individuen mit 154.616 fr. bei den ungrischen Gerichtshöfen erster und zweiter Instanz3 adaher gegen die itzt bestehenden Staatsanwaltschaften mit einer Minderauslage von 39.441 fr.a bewerkstelligt werden.
Die Konferenz fand nichts dagegen zu erinnern4.
IV. Verfahrenseinstellung gegen Bird
Der Chef der Obersten Polizeibehörde hat den hiesigen Korrespondenten der „Times“, Bird, wegen einiger von ihm herrührender die österreichische Regierung beleidigender Artikel angeklagt und dessen Untersuchung und Bestrafung wegen Majestätsbeleidigung verlangt. Da diese Artikel aber schon bim Februar, März und Maib 1853 erschienen, also längst vergessen sind, Bird sich seither auch immer innerhalb der Schranken der Mäßigung gehalten cund selbst vieles im österreichischen Interesse geschriebenc hat, dda ferner das Ministerium des Äußern die Niederschlagung dieser Untersuchung wünscht,d so meinte der Justizminister, daß es nicht zweckmäßig wäre, solche eAngelegenheiten wieder der Vergessenheit zu entziehene, und erbat sich die — sofort auch einstimmig gegebene — Zustimmung von der Konferenz zur Beauftragung des Generalprokurators, von der gerichtlichen Verfolgung abzulassen.
V. Bestellung der Kultus- und Unterrichtsreferenten bei den politischen Landesstellen
Der Minister für Kultus und Unterricht referierte über die zwischen ihm und dem Minister des Inneren in betreff der Kultus- und Unterrichtsreferenten bei den politischen Landesstellen obwaltenden Differenzen (Vortrag vom 18. Jänner 1854, KZ. 302, MCZ. 229).
Zuvörderst handelt es sich um das genaue und richtige Verständnis der Ah. Entschließung vom 10. November 1852, KZ. 4116, MCZ. 3269, wornach die Bestellung eigener Kultusreferenten, insbesondere auch katholischer geistlicher Referenten, bei den Länderstellen nicht mehr einzutreten hat5. Sie gab dem Kultusminister zu dem Vortrage vom 19. Juni 1853 Anlaß (KZ. 2555, MCZ. 2064), worin um ihre nähere Erklärung dahin gebeten wurde, daß in jenen Kronländern, wo der Umfang und die Wichtigkeit der Geschäfte ein eigenes Kultusdepartement notwendig machen, es bei der bisherigen Übung verbleibe und wo es sonst ausführbar sei, für die katholischen Kultussachen vorzugsweise Referenten aus dem höheren Klero gewählt werden. Bei der Organisierungskommission, wo dieser Gegenstand im Beisein des Kultusministers verhandelt wurde, haben sich zwar die mehreren Stimmen, fund darunter der Minister des Inneren selbst,f dafür ausgesprochen, daß nach dem Geiste der vorbelobten Ah. Entschließung in den || S. 130 PDF || gedachten Fällen eigene Kultusdepartements zulässig und die Versehung derselben durch katholische Geistliche nicht ausgeschlossen sei. Andere Stimmführer hatten aber das Gegenteil behauptet. gGleichwohl werde in der vorliegenden Note des Ministers des Inneren vom 29. Dezember 1853, IM., Z. 7774, wieder mit Entschiedenheit die Ansicht ausgesprochen, daß künftig nur die Bestellung katholischer Priester zu Unterrichtsreferenten keinem Anstande unterliege. Der Minister des Kultus und Unterrichts müsse daher darauf dringen, daß dieser zweideutigen Behandlung einer wichtigen Frage durch einen bestimmten Ausspruch für die Zukunft vorgebeugt werdeg, 6. Der Minister des Inneren erklärte, die Ah. Entschließung vom 10. November [1852] im Sinne der Majorität der Organisierungskommission verstanden und darum eine weitere Interpretation derselben für entbehrlich gehalten zu habenh .
Ein weiterer Differenzpunkt betrifft den Einfluß, welchen der Kultus- und Unterrichtsminister auf die Bestellung der Kultus- und Unterrichtsreferenten zu üben berufen sein soll. Derselbe spricht für sich das Recht an, den Vortrag über deren Ernennung — nach Einvernehmen mit dem Minister des Inneren — an Se. Majestät zu erstatten, und beruft sich zur Begründung dessen auf die Natur der den Kultus- und Unterrichtsreferenten obliegenden Geschäfte und auf die Ah. Bestimmungen vom 14. September 1852, § 77. Der Minister des Inneren erklärte dagegen, zur Vortragserstattung in Ansehung beider und zum Einvernehmen mit dem Unterrichtsminister nur in Ansehung der Unterrichts-, nicht aber der Kultusreferenten berufen zu sein. Denn was a) die Kultusreferenten anbelangt, so ist in Ansehung derselben in den Ah. Bestimmungen vom 14. September 1852 nirgends ein Einvernehmen mit dem Kultusminister vorgeschrieben, und da nicht einmal bei allen Länderstellen abgesonderte Kultusdepartements bestehen werden, so tritt hier die Regel ein, wornach (gemäß § 15 der Ah. Bestimmungen über die Einrichtung und Wirksamkeit der Statthaltereien und § 35 jener für Ungern8) der Statthalter die Geschäftsverteilung bei der Statthalterei und die Personalzuweisung an die einzelnen Geschäftsabteilungen vornimmt, insofern nicht für bestimmte Abteilungen besondere Anordnungen bestehen. Solche bestehen aber (§ 7 der Ah. Bestimmungen vom 14. September) nur in Ansehung der Unterrichtsreferenten, welche im Einvernehmen mit dem Unterrichtsminister zu bestimmen sind. Es folgt also daraus, daß, da für die Kultusreferenten || S. 131 PDF || keine besondere Anordnung besteht, wegen deren Benennung auch kein Einvernehmen mit dem Kultusminister zu pflegen sei und selbstverständlich also auch der Vorschlag an Se. Majestät über die Ernennung des betreffenden Rates ausschließlich dem Minister des Inneren zusteht. Wollte aus der Natur der Geschäfte eine Abweichung von der Regel gefolgert werden, so müßte dieselbe auch auf andere Materien ausgedehnt und auf die Bestellung des Baugewerbskommerzreferenten usw. dem Handelsministerium usw. ebenfalls ein solcher Einfluß eingeräumt werden. b) Der Unterrichtsreferent ist nach § 7 allerdings über Vorschlag des Statthalters vom Unterrichtsminister im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren zu bestimmen, und er kann ohne Genehmigung dieser Minister vom Landeschef nicht geändert werden. Offenbar aber bezieht sich diese Bestimmung des Unterrichtsreferenten nur auf die Auswahl desselben unter den schon vorhandenen Räten, nicht aber auf die Ernennung eines Statthalterei- oder Landesrates, welche niemals den Ministern, sondern nur Sr. Majestät zusteht. Diese Ansicht wird bekräftigt durch die Zusammenhaltung der Anordnungen des § 35 für die ungrische Statthalterei, worin zuerst von dem Recht des Landeschefs zur Geschäftsverteilung als Regel und unmittelbar darauf als Ausnahme von der Bestimmung des Unterrichtsreferenten durch die beiden Minister die Rede ist. iIm § 12 wird auch ausdrücklich gesagt, daß die Vorschläge für die Statthaltereiratsstellen an den Minister des Inneren zu erstatten seien.i Handelt es sich um die Besetzung des Unterrichtsdepartements mit einem von Sr. Majestät erst zu ernennenden Statthalterei- oder Landesrate, so ist allerdings ein vorläufiges Einvernehmen zwischen den beiden Ministern — wenn auch nirgends ausdrücklich vorgeschrieben — doch jedenfalls zweckmäßig und dienstesbeförderlich, weil die allseitige Qualifikation des oder der Kandidaten in allen Beziehungen gewürdigt und hiermit Sr. Majestät die Ah. Auswahl erleichtert wird. Daraus folgt aber nicht, daß der Unterrichtsminister den diesfälligen Vortrag an Se. Majestät zu erstatten hat, und kann auch sonst nicht behauptet werden, weil es 1. nirgends ausdrücklich angeordnet und 2. nach der Natur und Einrichtung der politischen Landesstellen schlechterdings unzulässig ist. Die politische Landesstelle ist in ihrer Einrichtung ein organischer Gesamtkörper, der, obwohl mit der Besorgung verschiedener Verwaltungsgegenstände betraut und darum mit den einschlägigen Ministerien in administrativer Beziehung verbunden, doch als ein organisches Ganzes in seiner Wesenheit und in disziplinärer Beziehung vollständig dem Ministerium des Inneren unterworfen ist. Alle Besetzungen und sonstige Disziplinarsachen der Landesstellen, insofern sie ihnen nicht etwa selbst abzutun eingeräumt sind, gehen durch das Ministerium des Inneren (früher die Hofkanzlei) und selbst zur Zeit, als die Studienhofkommission als Oberste Behörde für das Unterrichtswesen bestand, hatte diese auf die von der Hofkanzlei erstatteten Vorschläge für die Gubernialräte und Studienreferenten bei den Länderstellen keinen Einfluß genommen. Ja, als sogar eine eigene Landesschulbehörde errichtet worden war, sind die Vorschläge für diese Referenten vom Ministerium des Inneren erstattet worden. Dabei dürfte es auch bleiben, soll nicht || S. 132 PDF || die Einheit in der Leitung und Handhabung der Disziplin beirrt und beeinträchtigt werden9. Der Minister des Inneren vermöchte daher nicht von seinen Anträgen abzugehen.
Der Kultus- und Unterrichtsminister wendete zwar ein, daß, nachdem nun einmal Kultus- und Unterrichtsgegenstände von der Verwaltung des Inneren ausgeschieden und einem eigenen Ministerium zugewiesen worden sind, diesem letzteren auch der nötige Einfluß nicht nur auf die Verwaltung dieser Zweige, sondern auch auf die damit betrauten Personen gewahrt bleiben müsse. Denn es handelt sich bei diesen eben um ihre spezielle Eignung für das betreffende Fach, welche zu beurteilen wohl nur das Kultus- und Unterrichtsministerium berufen sein dürfte. Diese Beurteilung wird aber jedenfalls der Ernennung des betreffenden Rates vorausgehen, also in dem Vorschlage dazu enthalten sein müssen, weil die Ausführung der Bestimmung des § 7 sonst, wenn man sie bloß auf schon vorhandene, ohne Einflußnahme des Unterrichtsministers ernannte Räte beziehen wollte, sehr leicht an der Nichteignung derselben für das spezielle Fach scheitern würde. Richtig ist, daß bezüglich der Kultusreferenten über eine Vernehmung zwischen beiden Ministerien nichts bestimmt ist. Allein da hier die gleiche Ratio legis wie in Ansehung der Unterrichtsreferenten besteht, so erscheint auch für die ersteren die gleiche Dispositio legis wünschenswert.
Die mehreren Stimmen traten jedoch der Ansicht des Ministers des Inneren bei — der Justizminister aus dem Grunde, weil hier die allgemeinen Rücksichten entscheiden, diese aber fordern, daß die Kultus- und Unterrichtsreferenten als Glieder desselben Ratsgremiums in disciplinari ihren Kollegen gleich behandelt werden; dann was die Kultusreferenten insbesondere betrifft, weil deren Stellung dermalen eine rein administrative, also in der Regel von einem Weltlichen besser als von einem Geistlichen zu versehen ist; der Finanzminister aber war — sofern es sich de lege lata wegen der Kultusreferenten handelt — mit dem Minister des Inneren einverstanden, ebenso bezüglich des Unterrichtsreferenten, weil es zur materiellen Einheit beiträgt, wenn die Akten über Besetzungsvorschläge für ein und dasselbe Gremium nicht zerrissen werden.
Was nun endlich die Differenzen über die im Vortrage benannten Persönlichkeiten anbelangt, so bemerkte der Kultusminister nur, daß er seines Orts keinen Grund fände, um auf die Pensionierung des geistlichen Referenten für Mähren Höchsmann und jenes für Tirol Probst anzutragen, wie [dies] der Minister des Inneren getan; daher bei dem Beharren beider auf ihrer Ansicht die Sache lediglich von der Ah. Entscheidung abhängt10.
Wien, den 28. Jänner 1854. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Wien, 2. April 1854.