Nr. 263a Grundzüge der statutarischen Verfassung der Wiener Universität, o. O., o. D. (Beilage zu: MRP-1-3-03-0-18541219-P-0263.xml) - Retrodigitalisat (PDF)
- RS ; Entwurf; Beilage zum Originalprotokoll v. 5., 12., 16. und 19. 12. 1854, 13. 1. und 24. 4. 1855 (= Sammelprotokoll Nr. 263). Konzept in AVA, CUM., Allgemeine Reihe, Nr. 1414/1856, bearbeitet von Ministerialkonzipist Rudolf Kink, die Korrekturen, die mit denen des Kanzleischreibers identisch sind, stammen von Thun.
MRZ. – KZ. –
§ 1. Die Wiener Universität besteht aus der theologischen, der juridischen, der medizinischen und der philosophischen Fakultät1.
§ 2. Jede der vier Fakultäten besteht:
a) aus den von Sr. Majestät ernannten Professoren,
b) aus den der Fakultät einverleibten Doktoren.
Die sämtlichen Mitglieder einer Fakultät bilden die Plenarversammlung.
§ 3. In allen Funktionen, welche nicht durch diese oder spätere Anordnungen ausdrücklich der Plenarversammlung vorbehalten sind, wird die Fakultät von einem engeren Ausschusse cum auctoritate pleni vertreten. Derselbe besteht unter dem Vorsitze des Dekans
1. aus den ordentlichen und so vielen außerordentlichen Professoren, daß deren Zahl die Hälfte der ordentlichen Professoren nicht übersteige,
a2. aus einigen inkorporierten Doktoren, welche entweder in früherer Zeit das Lehramt erfolgreich versahen oder durch andere wissenschaftliche Leistungen sich ausgezeichnet haben. Sie werden zunächst von der Regierung ernannt; an die erledigte Stelle eines solchen Mitgliedes ein anderes zu wählen steht aber dem engeren Ausschuß zu. Die Wahl unterliegt der Genehmigung des Unterrichtsministeriums.a
|| S. 386 PDF || § 4. Die übrigen außerordentlichen Professoren und die Privatdozenten sind nicht Mitglieder des engeren Ausschusses. Jedoch sind zwei von den letzteren gewählte Vertreter dem Ausschuß beizuziehen, wenn er Fragen verhandelt, von welchen ihre lehrämtliche Stellung berührt wird. Desgleichen sind einzelne oder sämtliche außerordentliche Professoren oder andere Dozenten an der Fakultät den Sitzungen des Ausschusses cum voto informativo beizuziehen, wenn Studienoder Disziplinarangelegenheiten verhandelt werden, über welche sie nützlichen Aufschluß zu geben oder zu welchen sie mitzuwirken in der Lage sind.
§ 5. Der Plenarversammlung der Fakultät sind nachstehende Funktionen vorbehalten :
a) Die Wahl der Beamten für die Geschäfte der Fakultät als Korporation.
b) Die Verwaltung ihres Vermögens und ihrer Stiftungen, die Vertretung derselben und die Approbierung der Rechnungen.
c) Die Vergebung der von der Fakultät zu verleihenden Stiftsplätze und anderer Stiftungsgenüsse mit Ausnahme der für Studierende an der Wiener Universität bestimmten Stipendien, welche, insoweit nicht die Stiftungsbestimmungen entgegenstehen, von dem engeren Ausschusse cum auctoritate pleni verliehen werden.
d) Die Fassung von Beschlüssen und die Erstattung von Vorschlägen in Angelegenheiten, welche die Fakultät als Korporation betreffen, wohin auch die Aufnahme neuer Mitglieder gehört.
Andere Angelegenheiten können der Plenarversammlung von dem Konsistorium oder dem Unterrichtsministerium von Fall zu Fall zur Verhandlung zugewiesen werden. An allen Verhandlungen, welche sich auf die kirchlichen Privilegien und Befugnisse der Fakultäten beziehen, sind jedoch nur diejenigen ihrer Glieder teilzunehmen berechtigt, welche der katholischen Kirche angehören.
§ 6. Der Plenarversammlung präsidiert der Dekan oder sein Stellvertreter.
Er ist für den ordnungsmäßigen Gang der Verhandlungen verantwortlich und daher auch berechtigt, Glieder, welche denselben stören sollten, zurechtzuweisen und selbst aus der Versammlung zu entfernen.
§ 7. Ergeben sich Zweifel über den Umfang des der Plenarversammlung zugewiesenen Wirkungskreises, so hat darüber der vorsitzende, und zwar im Falle eines Widerspruches unter Vorbehalt der einzuholenden Entscheidung des Konsistoriums und in letzter Instanz des Ministeriums, abzusprechen.
§ 8. Der Dekan wird jährlich von dem engeren Ausschuß aus sämtlichen Fakultätsmitgliedern gewählt. Seine Wahl unterliegt der Genehmigung des Ministeriums.
§ 9. Im Falle der Verhinderung wird der Dekan durch den Prodekan vertreten.
§ 10. Prodekan ist dasjenige Fakultätsmitglied, welches zuletzt aus den in Wien domizilierenden [Mitgliedern] das Dekanat — und zwar bezüglich der Jahre 1849 bis 1854 das Dekanat des Professorenkollegiums — bekleidet hat; im Falle der Verhinderung desselben sein nächster Vorgänger.
§ 11. In Berücksichtigung des Umfangs der Geschäfte der juridischen und der medizinischen Fakultät ist von jeder derselben ein Syndikus als permanenter Referent in der Plenarversammlung für die derselben § 5 sub A bis D vorbehaltenen Funktionen aufzustellen.
|| S. 387 PDF || Dasselbe kann, insoferne sich hierzu ein Bedürfnis ergeben sollte, auch in der theologischen und philosophischen Fakultät geschehen. Wenn in einzelnen Fällen die Bestellung eines anderen Referenten notwendig oder rätlich erscheint, so steht die Bestimmung desselben dem Vorsitzenden zu. Der Syndikus wird von der Plenarversammlung aus der Mitte der Fakultät auf vier Jahre, und zwar in der Regel ein Jahr vor seinem Amtsantritte, gewählt und von der Fakultät salariert. Seine Wahl unterliegt der Genehmigung des Unterrichtsministeriums. Er hat den nächsten Rang nach dem Senior.
§ 12. Die Dekaneb führen den Titel „Spectabilis“.
§ 13. Die Fakultäten unterstehen dem Konsistorium und in weiterer Instanz dem Unterrichtsministerium.
a) Die Vorschriften über die Aufnahme neuer Mitglieder in die Fakultät bleiben so lange in Kraft, bis sie nicht durch andere mehr die fortdauernde Beschäftigung mit der Wissenschaft berücksichtigende ersetzt werden. Die Vorschriften in betreff der Witwensozietät und der Aufnahme in dieselbe bleiben ebenfalls bis auf weiteres aufrecht. Neue Vorschriften über diese Angelegenheiten sowie Bestimmungen über die Wahl von Fakultätsausschüssen zu besonderen Zwecken sind für jede Fakultät einzeln zu entwerfenc .
b) Die Bestimmungen bezüglich der Examinatoren bei den Rigorosen und der Vornahme der Promotionen sind der Rigorosenordnung vorbehalten.
§ 14. Das Konsistorium besteht aus dem Rektor, dem Kanzler, den vier Dekanen, den vier Prodekanen und den vier Senioren.
§ 15. Der Rektor wird von drei zu drei Jahren nach dem Turnus der Fakultäten von dem Konsistorium aus der Mitte der Fakultät, und zwar in der Regel ein Jahr vor dem Antritte seines Amtes, gewählt. Seine Wahl unterliegt der Bestätigung Sr. k. k. apost. Majestät. Sobald diese Bestätigung erfolgt ist, steht dem Neugewählten das Recht zu, den Sitzungen des Konsistoriums, bei welchen ihm ein Ehrensitz an der Seite des fungierenden Rektors anzuweisen ist, beizuwohnen. Im Falle zeitweiser Verhinderung ersetzt den Rektor dasjenige Mitglied des Konsistoriums, welches die Rektorswürde zuletzt bekleidete, oder in Ermangelung eines solchen der Dekan oder fungierende Prodekan derjenigen Fakultät, aus welcher der Rektor gewählt worden ist.
§ 16. Der Rektor führt den Titel „Magnificus“. Er hat die Disziplinargewalt über die Glieder aller vier Fakultäten zu handhaben. Er hat das Recht, sie zu ermahnen, von ihren Funktionen zu suspendieren und unter Freilassung der weiteren Berufung gegen seinen Ausspruch von der Teilnahme an den Versammlungen, solange seine Amtswürde dauert, auszuschließen. Findet er es zur Wahrung der Ehre der Universität notwendig, daß ein Glied einer Fakultät aus derselben bleibend ausgeschieden oder sogar seines Diploms verlustig erklärt werde, so hat er nach Anhörung des Konsistoriums seinen Antrag an das Unterrichtsministerium zum Behufe seiner gesetzlichen Amtshandlung zu erstatten.
|| S. 388 PDF || § 17. Die Senioren werden von dem Konsistorium auf fünf Jahre, in der Regel ein Jahr vor dem Antritte ihrer Würde, aus dden vier Fakultäten, und zwar aus den älteren und erfahrenstend, gewählt.
§ 18. Sie führen gleich den Dekanene den Titel „Spectabilisf “.
§ 19. Das Konsistorium kann Glieder der vier Fakultäten, welche ihm nicht angehören, nach Bedürfnis seinen Beratungen cum voto informativo beiziehen.
Die akademischen Nationen sind aufgehoben. Hingegen können zur Unterstützung dürftiger Studenten oder zur Förderung ihrer akademischen Zwecke besondere nicht auf dem Prinzipe von Nationalitäten beruhende Vereinigungen, jedoch nur mit der jederzeit widerruflichen Bewilligung des Konsistoriums und unter einer von demselben mit Genehmigung des Unterrichtsministeriums geregelten Leitung gegründet werden.
§ 20. Wenn die Wahl zu einer akademischen Würde die erforderliche Genehmigung des Ministeriums nicht erhält, so ist eine neue Wahl vorzunehmen. Wird auch die zweite Wahl nicht genehmigt oder führt aus anderen Gründen die Wahl zu keinem Resultate, so tritt die Ernennung durch das Ministerium an ihre Stelle. Das Ministerium hat auch mit Ausschluß jeder Wahl zu akademischen Würden in dem Falle zu ernennen, wenn Zerwürfnisse im Innern einer Fakultät oder der Universität oder andere gewichtige Gründe die Wahl unzulässig machen.
§ 21. Die Universität wird bei feierlichen Gelegenheiten, wenn das Konsistorium dabei nicht in seiner Gesamtheit erscheint, von dem Rektor und den vier Dekanen vertreten.
§ 22. gDie akademischen Würden können an der Wiener Universität nur von Katholiken bekleidet werden. Eine Ausnahme hiervon kann nur mit Ah. Bewilligung in dem Falle stattfinden, wenn eing einem anderen christlichen Bekenntnisse angehöriges Fakultätsglied, welches in der Lage war, durch mehrjährige Wirksamkeit an der Universität sich Verdienste um dieselbe zu erwerben und ihre Achtung vor den Stiftungszwecken derselben zu beweisen, zum Dekan gewählt wird. hIn solchem Falle hat sich derselbe jedochh sowohl bei kirchlichen Feierlichkeiten als bei allen Funktionen, die auf kirchliche Privilegien und Befugnisse der Universität Bezug haben, vertreten zu lassen. Deshalb ist eine solche Wahl nur dann zulässig, wenn der Prodekan ein Katholik ist.