Nr. 146a Ah. Kabinettsschreiben an den Minister der Justiz vom 29. Juli 1853 über die Sanktionierung der neuen Strafprozeßordnung (Beilage zu: MRP-1-3-02-0-18530730-P-0146.xml) - Retrodigitalisat (PDF)
- RS.Reinschrift; AVA., JM., Allgemeine Reihe I–J I/1, Nr. 12631/1853 ; Abschrift auch HHSTA., Kab. Kanzlei, MCZ. 2526/1853 ; vgl. MK. v. 30. 7. 1853/I.
MRZ. – KZ. –
Lieber Freiherr v. Krauß! In der Anlage erhalten Sie die Mir von dem Präsidenten Meines Reichsrates vorgelegte neue allgemeine Strafprozeßordnung samt dem insbesondere ausgefertigten Kundmachungspatente zu diesem Gesetze, beide mit Meiner kaiserlichen Sanktion und den erforderlichen Unterschriften versehen, mit dem Auftrage zurück, daß Sie die unverzügliche Kundmachung dieses Gesetzes durch das Reichsgesetzblatt sowie auch mit einer entsprechenden amtlichen deutschen Handausgabe zu veranlassen haben.
Zugleich ermächtige Ich Sie: 1. nach Maßgabe der Artikel I und XI des Kundmachungspatentes dieses Gesetzes durch besondere Verordnungen die Tage festzusetzen, an welchen mit Rücksicht auf die in den einzelnen Kronländern beginnende Wirksamkeit der neu zu organisierenden politischen und Justizbehörden ebendaselbst auch diese neue Strafprozeßordnung in Geltung zu treten haben wird, und zugleich wegen Übernahme der schon anhängigen Untersuchungen durch die neuen Behörden sowie wegen etwaiger Kompetenzkonflikte zwischen den früheren und den neuen Behörden die erforderlichen Vorschriften zu erlassen.
Ferner ermächtige Ich Sie: 2. nach dem Muster der zu dem früheren Gesetze erschienenen Vorschrift über die Verfahrungsart der galizischen Kriminalgerichte vom 28. Oktober 1808, Nr. 867. der Justizgesetzsammlung, nunmehr auch zu der neuen Strafprozeßordnung eine Instruktion für die innere Geschäftsbehandlung der Strafgerichte und Staatsanwaltschaften in Beziehung auf das Strafverfahren, und zwar für alle Kronländer, für welche die Strafprozeßordnung selbst gilt, zu erlassen und kundzumachen. Diese Instruktion hat sich genau innerhalb der Grenzen der Strafprozeßordnung und der mit Meinem Patente vom 3. Mai 1853, Nr. 81 des Reichsgesetzblattes, gegebenen Vorschrift über die innere Einrichtung und die Geschäftsordnung sämtlicher Gerichtsbehörden überhaupt zu halten, und in dieselbe sind insbesondere aufzunehmen: a) alle Ihnen nötig scheinenden allgemeinen Vollzugsvorschriften für die einzelnen Bestimmungen der Strafprozeßordnung; b) eine Vorschrift über den Geschäftsverkehr zwischen den Strafgerichten und den Staatsanwaltschaften, damit sich dieselben im Sinne der neuen Strafprozeßordnung (§§ 30, 32, 62, 63, 192, 201, 427 und mehrere andere) ihre Geschäftsführung gegenseitig erleichtern; c) eine von Ihnen im Einvernehmen mit Meinem Minister des Inneren zu erlassende Vorschrift zur Reglung der von Meinem Justizminister gemeinschaftlich mit Meinem Minister des Inneren zu führenden Aufsicht über die Strafanstalten (§ 30, lit. hund § 32, lit. a); d) eine bestimmte Norm über die von den Staatsanwaltschaften zu führenden statistischen Ausweise und zu erstattenden periodischen Berichte über die Strafrechtspflege gleichwie auch über die an dieselben abzugebenden Äußerungen und Geschäftsausweise (§ 30, lit. g und i, § 32, lit. i, §§ 427 und 436); || S. 249 PDF || e) eine Zusammenstellung aller für die Auf sicht, Überwachung und die Disziplin in den Untersuchungsgefängnissen bestehenden Vorschriften, wobei Sie für den Fall, als Sie im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren neue Bestimmungen für nötig halten sollten, die außer dem Kreise der bisherigen Gesetze liegen, Mir Ihre Anträge zur Genehmigung vorzulegen haben; f) die in dem § 351 vorgesehene Vorschrift über die Anweisung, Auszahlung und Einbringung der Kosten des Strafverfahrens; endlich g) Formularien für alle Arten von Protokollen, Registern und Ausweisen, Erledigungen und Ausfertigungen, welche von den Strafgerichten und Staatsanwaltschaften nach Maßgabe der Strafprozeßordnung zu führen oder hinauszugeben sind.
Außerdem beauftrage Ich Sie: 3. im Sinne des § 9 dieser Strafprozeßordnung im Einvernehmen mit Meinem Minister des Inneren und Meinem Chef der Obersten Polizeibehörde Mir den Entwurf einer Verordnung vorzulegen, durch welche die Orte zu bezeichnen und diejenigen Übertretungen namhaft zu machen sind, über welche an diesen Orten die Strafgerichtsbarkeit in erster Instanz den Polizeibehörden statt der Bezirksgerichte zuzuweisen wäre, wobei zur Wahrung der Disziplin der der Obersten Polizeibehörde unterstehenden Polizeidirektionen und Ämter durch entsprechendes Einvernehmen der oberen Strafgerichte mit den höheren Polizeivorständen angemessene Vorschriften auszumitteln sind.
Endlich haben Sie 4. mit Meinem Armeeoberkommando, Meinen Ministern des Inneren und der Finanzen und Meinem Chef der Obersten Polizeibehörde ins Einvernehmen zu treten, um über die Frage zu beraten, ob und inwieferne künftighin die Kosten der Verpflegung der Sträflinge während der Strafdauer nur vom Staate getragen oder in dem Falle, wenn ein Sträfling eigenes Vermögen besitzt, aus diesem zu vergüten seien, und Mir zur Reglung dieses Gegenstandes den Entwurf einer gleichförmig für alle Kronländer zu berechnenden Verordnung vorzulegen. Hierdurch erhält zugleich Ihr Vortrag vom 14. Juli 1853, womit Sie Mir die Grundlinien einer neuen Strafprozeßordnung zu Meiner Sanktion vorgelegt haben, seine Erledigung.