Nr. 65 Ministerkonferenz, Wien, 23. November 1852 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 30. 11.), Bach 4. 12., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw.abwesend Stadion.
MRZ. – KZ. 4837 – (Prot. Nr. 61/1852) –
- I. Epavierung einer der holländischen Pfarre Putte gehörenden österreichischen Bankoobligation
- II. Erziehungsbeitrag für die Waisen des Kabinettskuriers Emanuel Wolf
- III. Auszeichnung für den Kapitän Anton Bellen
- IV. Pensionierung des Ministerialrats Joseph v. Fölsch
- V. Kriegsgerichtsakten über Peter v. Sipos und Josef v. Dobokay
- VI. Darlehen für den Seminarbau in Vicenza
- VII. Rekrutierung pro 1853 und neue Einteilung der Werbbezirke
- VIII. Behelligung fremder Souveräne durch inländische Wohltätigkeitsvereine
Protokoll der zu Wien am 23. November 1852 abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Epavierung einer der holländischen Pfarre Putte gehörenden österreichischen Bankoobligation
Der Minister des Äußern brachte die in seinem Vortrag vom 4. November 1852, KZ. 4390, MCZ. 3531, erörterte Meinungsdifferenz zwischen ihm und dem Finanzminister in betreff der Epavierung einer der Pfarre Putte-Capellen in Holland gehörenden österreichischen Bankoobligation per 2000 fr. zur Sprache. Er glaubte auf seinem dort gestellten Antrag, die gedachte Obligation nicht für heimgefallen anzusehen, um so mehr beharren zu sollen, als die Kirche, welcher sie gewidmet ist, noch immer besteht, und vom Finanzministerium selbst das Unbillige und Unpolitische der Ausübung des droit d'epave in diesem Falle zugestanden worden ist.
Der Finanzminister erklärte dagegen, auf dem Prinzipe des Epaverechts beharren zu müssen und nur etwa aus hier eintretenden besonderen Rücksichten im vorliegenden Falle von der Ausübung dieses Rechts abgehen zu wollen, indem seiner Ansicht nach dieses Prinzip hier vollkommen Anwendung findet, weil nicht die Gemeinde Putte, sondern die auf belgischem Gebiete gelegene Kirche Eigentümerin der Obligation war, das Vermögen der letzteren aber, als Belgien in Frankreich einverleibt war, für Nationaleigentum erklärt und eingezogen worden ist1.
Bei der Abstimmung schlossen sich die übrigen Minister der Meinung des Ministers des Äußern an. Der Minister des Inneren bemerkte diesfalls insbesondere, es sei wenigstens zweifelhaft, ob der Fall sich zur Anwendung des Epaverechts eigne. Denn es kommt hier vornehmlich darauf an, auf wessen Namen die Obligation lautet. Nach den vorliegenden Daten lautet sie auf die Pfarre und den Patron von Putte. || S. 336 PDF || Wäre die Gemeinde und Kirche auf dem gleichen belgischen Gebiete gewesen, so unterläge mit Rücksicht auf den Akt der französischen Regierung von 1794 die Epavierung der Obligation keinem Bedenken. Allein da die eigentliche Pfarrgemeinde, welche die Kirche auf belgischem Gebiete dotierte, auf holländischem Gebiete sich befindet, auf diese also und auf das ihrer Kirche gehörende und in ihren Händen verbliebene Vermögen die von der französischen Regierung verfügte Einziehung der Kirchengüter niemals Bezug haben konnte, so ergibt sich hieraus wenigstens der Zweifel, daß die fragliche Obligation unter das Epaverecht falle, und im Zweifel müsse jederzeit die mildere Auslegung Platz greifen. Auch der Justizminister fand, daß die Voraussetzung, unter welcher allein das Epaverecht wirksam werden kann, nämlich die Aufhebung des moralischen Körpers, dem das Vermögen gehörte, nicht als bewiesen anzusehen sei, indem die Pfarrgemeinde Putte nicht aufgehört hat zu bestehen. Übrigens behielt sich der Justizminister vor, die die Ausübung des Epaverechtes näher bestimmenden neueren Normen von 18392 einzusehen und, wenn sie eine der österreichischen Regierung in diesem Falle günstigere Bestimmung enthielten, hierüber in der nächsten Sitzung den weiteren Antrag zu machen3.
II. Erziehungsbeitrag für die Waisen des Kabinettskuriers Emanuel Wolf
Die Meinungsdifferenz zwischen dem Minister des Äußern und dem Finanzminister in Ansehung der Beteilung der zwei Kinder des verstorbenen Kabinettskuriers Wolf mit einem Erziehungsbeitrage von je 40 fr. (Vortrag des Ministers des Äußern vom 17. November 1852, KZ. 4592, MCZ. 3687) wurde dahin ausgeglichen, daß sich die Konferenz unter Beitritt des Finanzministers in Berücksichtigung der angeführten Billigkeitsgründe in dem Antrag auf Beteilung eines jeden dieser Kinder mit 25 fr. jährlich, zusammen 50 fr., vereinigte.
III. Auszeichnung für den Kapitän Anton Bellen
Der Handelsminister erhielt die Zustimmung der Konferenz zu dem bei Sr. Majestät zu stellenden Antrag auf Verleihung des goldenen Verdienstkreuzes an den vormaligen Kapitän der Dampfschiffahrtsgesellschaft des österreichischen Lloyd, dermaligen k. k. Hafenkapitän Bellen, in Anerkennung der von demselben wiederholt bewerkstelligten Rettung griechischer Schiffe4.
IV. Pensionierung des Ministerialrats Joseph v. Fölsch
Der Minister des Inneren brachte die wegen Abnahme der körperlichen und geistigen Kräfte des Hof- und Ministerialrates Joseph v. Fölsch notwendig gewordene Versetzung desselben in den Ruhestand in Vortrag. Fölsch dient zwar erst im vierzigsten Jahre, hätte daher nur auf die Hälfte seines Aktivitätsgehalts per 5000 fr. Anspruch und würde nebst dem Quartiergelde von 800 fr. auch die Zulage von 1000 fr., die er als ältester Hofrat der Monarchie genießt, verlieren. Eine Einbuße von jährlich 4300 fr. würde ihn um so härter treffen, als er, mit zahlreicher Familie gesegnet und bei seiner Vermögenslosigkeit und || S. 337 PDF || Kränklichkeit einer Berücksichtigung ebenso bedürftig als vermöge seiner ausgezeichneten durch Verleihung des Leopoldordens als solche anerkannten Dienste würdig ist. Was insbesondere die Zulage von 1000 fr. betrifft, so erhielt sie v. Fälsch als Äquivalent für die früher systemmäßig bestandene, erst durch Ah. Entschließung vom 13. September 1848 pro futura eingestellte Vorrückung der ältesten Hofräte in das Gehalt von 6000 fr.5 Unter diesen Umständen glaubte der Minister des Inneren, den Antrag auf Belassung des ganzen Gehalts per 5000 fr. und der Zulage per 1000 fr. als Pension für Fälsch bei Sr. Majestät unterstützen zu sollen.
Der Finanzminister erklärte sich mit diesem Vorhaben einverstanden, gegen welches sofort auch von keiner Seite eine Einwendung sich ergab6.
V. Kriegsgerichtsakten über Peter v. Sipos und Josef v. Dobokay
Von dem k. k. Kriegsgerichte in Siebenbürgen sind die Hochverratsuntersuchungsakten über: a) den gewesenen Silberhüttenverwalter Peter v. Sipos, b) den gewesenen Dreißiger Josef [v.] Dobokay eingelangt.
Sipos hat sich an der Revolution nur als Überbringer einer zur Unabhängigkeitserklärung vom 14. April 1849 ausgefertigten Zustimmungsadresse beteiligt. Das Kriegsgericht hat ihn sonach in die Kategorie derjenigen eingereiht, welche nach den neuesten Ah. Bestimmungen7 sich zur Ablassung von jedem weiteren Verfahren eignen. Der Militär- und Zivilgouverneur von Siebenbürgen erklärte sich zwar für die Fortsetzung der Untersuchung, weil Sipos als k. k. Pensionist eine strengere Behandlung verdiene8. Allein weder die Ministerialkommission9 noch der Minister des Inneren teilten diese in den Ah. Bestimmungen nicht begründete Ansicht. Vielmehr glaubten sie, daß nach dem Antrag des Kriegsgerichts vorzugehen, und sonach Se. Majestät zu bitten wären, die Ablassung des weiteren Strafverfahrens wider Sipos Ah. zu genehmigen10. Die Disziplinarverhandlung über ihn als k. k. pensionierten Beamten bleibt vorbehalten. Dobokay, an der Revolution als Konnskationskommissär und Polizeichef Bems in hohem Grade beteiligt, wurde als flüchtig in contumaciam zum Tode verurteilt11. Es ergeht der einhellige Antrag dahin, diesem Urteile den gesetzlichen Lauf zu lassen, worauf auch der Minister des Inneren bei Sr. Majestät anzutragen sich vorbehielt.
Gegen diese beiden Anträge ergab sich keine Erinnerung12.
VI. Darlehen für den Seminarbau in Vicenza
In dem Vortrage vom 14. November 1852, KZ. 4649, MCZ. 3736, rät der Kultusminister ungeachtet des Widerspruchs des Finanzministers darauf ein, dem Bischof Cappellari von Vicenza das angesuchte Darleihen zum Ausbau des Seminars in dem Betrage von 50.000 Lire zu bewilligen. Der Finanzminister erklärte auch jetzt sich gegen die Bewilligung, weil die für das sonst aim Staatshaushalte mit mehreren Millionen jährlich aktive lombardisch-venezianische Königreich nun monatlich erforderlichen, baren Dotationssummen in Silbermünzen nur mit großen Opfern hierortsa aufgebracht werden können, so daß für Darleihen nichts vorhanden ist.
Die übrigen Votanten traten der Meinung des Finanzministers bei.
VII. Rekrutierung pro 1853 und neue Einteilung der Werbbezirke
Der Kriegsminister brachte zur Kenntnis der Konferenz die Ah. resolvierten Vorträge in betreff a) des mit 90.000 Mann pro 1853 festgesetzten Rekrutenkontingents und b) der neuen Einteilung der Werbbezirke13, dann der Minister des Inneren
VIII. Behelligung fremder Souveräne durch inländische Wohltätigkeitsvereine
den Inhalt eines an ihn gelangten Ah. Kabinettsschreibens, wodurch die Abstellung der von inländischen Wohltätigkeitsprivatvereinen und -lotterieunternehmungen sehr häufig sich erlaubten Behelligung fremder Souveräne Ah. anbefohlen wird14.
Wien, am 23. November 1852. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz ]oseph. Wien, den 6. Dezember 1852.