Nr. 46 Ministerkonferenz, Wien, 14. September 1852 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Buol-Schauenstein; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Buol 15. 9.), Bach 5. 10., Thun, Csorich, Baumgartner; außerdem anw.anwesend K. Krauß; abw.abwesend Thinnfeld, Stadion.
MRZ. – KZ. 3698 – (Prot. Nr. 43/1852) –
Protokoll der am 14. September 1852 in Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.
I. Vorschrift über Bärte der Beamten
Der vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Buol-Schauenstein teilte der Ministerkonferenz den Inhalt eines soeben an ihn gelangten Ah. Kabinettsschreibens bezüglich der Bärte bei den Beamten mit. Nach diesem Ah. Kabinettsschreiben wird das Tragen des Vollbartes bei den Hofstaats- und den Staatsbeamten durchgehends abgestellt und bestimmt, in welcher Art andere Bärte bei den Beamten zulässig seien. Dieser Ah. Befehl wird allen Ministern und dem Generalrechnungsdirektorium schriftlich mitgeteilt werden, um hiernach das Entsprechende an die untergeordneten Behörden erlassen zu können1.
II. Gebrauch der Seeflagge
Der Minister Ritter v. Baumgartner brachte mit Beziehung auf die aus Anlaß der bevorstehenden Ah. Reise Sr. Majestät nach Kroatien und Slawonien2 jüngst erflossene Ah. Entschließung hinsichtlich der Landesflaggen auch die Seeflagge zur Sprache3. Die gedachte Ah. Entschließung verordnet, daß bei Ah. Anwesenheit überall ober der Landesflagge die Reichsfahne (schwarz und gelb) aufgestellt werden soll. Die Seeflagge, welche in Fiume und auf den Schiffen, welche Se. Majestät zu besteigen in den Fall kommen dürften, in Anwendung zu kommen haben wird, ist eine andere als die Landesflagge, nämlich rot-weiß. Hier und in allen Fällen, wo die Seeflagge gebraucht wird, wäre nach der Ansicht des referierenden Ministers über der Seeflagge die Reichsfahne aufzustellen, und wollte man auch die Landesflagge entfalten, so unterläge es keinem Anstande, es auf der Seite zu tun, nur könnte in solchen Fällen nicht gestattet werden, daß die Reichsfahne ober der Landesflagge aufgestellt werde, da für die Schiffe die Seeflagge bestimmt und das ist, was für das Land die Landesflaggen sind.
Der Minister wird die betreffenden Behörden beauftragen, sie hätten in gegebenen Fällen über der Seeflagge die Reichsfahne aufstellen zu lassen, und wollte man auch die Landesflagge hinzufügen, || S. 239 PDF || so könne dies ohne Anstand, aber nur seitwärts, geschehen. Von dieser Verfügung wird Sr. Majestät die au. Anzeige erstattet werden4.
III. Einführung des Schulgeldes am Polytechnischen Institut
Der Minister für Kultus und den öffentlichen Unterricht Graf Thun referierte über die Einführung des Schulgeldes am hiesigen Polytechnischen Institut. Dieses Institut, bemerkte derselbe, ist die einzige Anstalt, an welcher kein Schulgeld gezahlt wird. An den Realschulen und an den neu entstandenen technischen Instituten wird überall Schulgeld gezahlt. Ebenso wird auch im Auslande an solchen Anstalten Schulgeld, und zwar ein hohes, verlangt. Graf Thun würde demnach keinen Grund absehen, warum nicht auch an dem hiesigen Polytechnischen Institut Schulgeld gezahlt und dem Ärar eine nicht unbeträchtliche Einnahme vorenthalten werden sollte. Am Brünner Technischen Institut wird ein Schulgeld von 20 fr. jährlich entrichtet, während hier nur eine Einschreibgebühr von 4 fr. ein für allemal gezahlt wird. Nach der Ansicht des Grafen Thun wäre am hiesigen Polytechnischen Institut ein Schulgeld von 24 fr. jährlich einzuführen, und zwar sowohl für die ordentlichen als außerordentlichen Schüler dieses Instituts. Die azeitweilig als Gäste erscheinenden Hörer von Vorlesungena kommen hierbei in keinen Betracht. Befreiungen vom Unterrichtsgelde für Schüler, welche dürftig sind und gute, nicht eben vorzügliche, wie bei manchen Anstalten vorgeschrieben ist, Fortschritte machen, sowie auch halbe Befreiungen für solche, denen die Entrichtung des ganzen Schulgeldes beschwerlich fallen würde, hätten auch hier einzutreten. Die Gesuche um Schulgeldbefreiungen wären bei der Direktion der Anstalt einzureichen und von dieser der Statthalterei gutächtlich vorzulegen, welche sie definitiv und inappellabel erledigt. In diesem Sinne beabsichtigt der referierende Minister den au. Vortrag an Se. Majestät zu erstatten.
Bei der hierüber vorgenommenen Abstimmung erklärte der Minister des Inneren sich mit diesem Antrage nicht vereinigen zu können. Derselbe findet keinen rechten Titel, das großartige Denkmal des Kaisers Franz, mittelst dessen der technischen Jugend die unentgeltliche Gelegenheit sich auszubilden gewährt wurde, zu schmälern, und aus welchem die Konferenz es auf sich nehmen könnte, bei Sr. gegenwärtig regierenden Majestät anzutragen, eine von Sr. Majestät dem Kaiser Franz gewährte Huld abzustellen5. Das Bedürfnis nach guter technischer Ausbildung sei jetzt noch größer als es zur Zeit jener großen Gewährung war. Man sollte der Intelligenz und Tätigkeit die Mittel, sich gegenüber dem Kapital zu behaupten und sich ein Fortkommen zu sichern, nicht erschweren. Dieser Ansicht trat der Justizminister Freiherr v. Krauß mit der Bemerkung bei, daß die Hindernisse des Unterrichtes und der Bildung statt vermehrt vielmehr beseitigt werden sollten. Daß aber die Zahlung des Schulgeldes ein Hindernis sei, werde niemand in Abrede stellen. || S. 240 PDF || Se. Majestät Kaiser Franz haben wohl eingesehen, daß zur Hebung der Industrie und Bildung der ärmeren technischen Klassen die Zahlung des Schulgeldes nicht rätlich sei, und deshalb keine solche Zahlung am Polytechnischen Institut eingeführt. Durch die Zahlung des Schulgeldes würde es den ärmeren Volksklassen erschwert, sich ein Fortkommen zu sichern. Die dabei beabsichtigte Einnahme dürfte von keiner Bedeutung sein, während auf der anderen Seite zu berücksichtigen komme, daß Industrie und Handel produktive Beschäftigungen sind, durch deren Hebung das Staatseinkommen in anderen Wegen, selbst durch die günstige Einwirkung auf die Zölle, vermehrt wird. Der Finanz- und Handelsminister Ritter v. Baumgartner bemerkte, daß er gegen den Antrag des Grafen Thun ein Bedenken hätte, wenn ein bedeutendes Schulgeld unbedingt von jedem gefordert würde. Nun sollen aber ganze oder halbe Befreiungen stattfinden und arme Studierende mit nur gutem Fortgange sollen vom Unterrichtsgeld wie auf den Gymnasien befreit sein. Die Zahlung des Schulgeldes sei am Polytechnischen Institut eher zulässig als anderswo, weil da viele vermögliche junge Leute, Söhne reicher Fabrikanten und Kaufleute, studieren, welche das Unterrichtsgeld bezahlen können und sollen. Ferner bemerkte der Minister Ritter v. Baumgartner, daß mancherlei Bedürfnisse bezüglich des Polytechnischen Instituts auftauchen, welche werden befriedigt werden müssen, wozu aber die Kosten von den Staatskassen, wenn ihnen nicht Einnahmsquellen eröffnet werden, nur schwer beigeschafft werden könnten. Dem Unterricht, meint derselbe Minister, dürfte durch die Zahlung des Schulgeldes nicht der mindeste Abbruch geschehen, diese Zahlung auch nicht nachteilig auf Industrie und Handel wirken. In Preußen, Sachsen, Frankreich, England, wo überall Schulgeld für den technischen Unterricht gezahlt wird, haben Industrie und Handel dadurch nichts gelitten, stehen vielmehr auf einer sehr vorteilhaften Stufe. Der Kriegsminister und der vorsitzende Minister der auswärtigen Angelegenheiten vereinigten sich mit dieser letzteren Ansicht beziehungsweise mit dem Antrage des Grafen Thun, welcher hiernach per majora zum Beschlusse erwuchs6.
IV. Begnadigungsgesuch des Aurel Okrutszky
Aurel Okrutszky wurde wegen seiner Beteiligung an der ungarischen Revolution erst im April d. J. [sic 1] mit Einrechnung der Untersuchungshaft auf vier Jahre verurteilt, wobei alle für ihn sprechenden Umstände gehörig berücksichtigt worden sind7. Der Justizminister Freiherr v. Krauß erachtet, aus Anlaß des Ah. bezeichneten Gesuches des Okrutszky um Begnadigung bei Sr. Majestät den au. Antrag zu stellen, daß es gegenwärtig noch nicht an der Zeit sein dürfte, für ihn eine Ah. Gnade in Anspruch zu nehmen, womit sich die Ministerkonferenz vollkommen vereinigte8.
V. Pension für den Palatinalprotokollisten Carl v. Pfisterer
Der Minister des Inneren brachte schließlich eine Meinungsdifferenz zwischen ihm und dem Finanzminister hinsichtlich der Verleihung eines Ruhegehaltes || S. 241 PDF || für den gewesenen Protokollisten der vormaligen Palatinalkanzlei in Ungarn Carl v. Pfisterer zum Vortrage. Der Sachverhalt ist in dem von dem Minister des Inneren erstatteten au. Vortrage vom 5. September 1852, MCZ. 2812, umständlich dargestellt. Der Minister des Inneren hat aus Anlaß des Ah. bezeichneten Gesuches des Pfisterer, welcher über 31 Jahre gedient hat und der bei der kriegsrechtlichen Purifikation zwar nicht ganz vorwurfsfrei erkannt, dem aber auch keine besonders gravierende Tat, sondern nur eine liberale Färbung und Unbesonnenheit zur Last gelegt wurde, auf eine Gnadenpension mit der Hälfte seines genossenen Gehaltes von 600 fr., d. i. auf 300 fr., für denselben aus dem Kameralärar angetragen. Das Finanzministerium stimmte nicht bei, weil Pfisterer als Palatinalbeamter auf die normalmäßige Pension aus dem Staatsschatze keinen Anspruch habe und weil seine Haltung nicht als ganz tadellos befunden worden sei. Der Minister des Inneren beharrt bei seinem Antrage, weil die Palatinalbeamten zumeist aus den Statthaltereibeamten genommen und wechselseitig befördert wurden, weil sie subsidiarisch als If. Beamte galten, ihre wechselseitige Dienstzeit eingerechnet wurde, Pfisterer, dem nichts Wesentliches zur Last fällt, sich mit Familie im Notstande befindet und aus der ehemaligen Palatinaldotation keine Hilfe zu erwarten hat. Auch glaubt der Minister in der Ah. Bezeichnung des Gesuches die Ah. Geneigtheit, hier zu helfen, zu erkennen. Der Finanzminister glaubte sich wiederholt dagegen erklären zu sollen, weil Gnadengaben nur dort einzutreten haben, wo die Person derselben ganz würdig erscheint, v. Pfisterer nicht ganz gereinigt dasteht und die Ah. Bezeichnung nicht so sehr die Geneigtheit, dem Gesuche zu willfahren, als vielmehr nur den Auftrag, über den Gegenstand aufgeklärt zu werden, bedeuten dürfte.
Die übrigen Minister erklärten sich alle mit dem Antrage des Ministers des Inneren einverstanden9.
Wien, am 15. September 1852. Gr[af] Buol.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Fiume, am 12. Oktober 1852.