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Nr. 38 Ministerkonferenz, Wien, 13. August 1852 - Retrodigitalisat (PDF)

  • ℹ️ anwesend:
  • RS.; P. Marherr; VS. Buol-Schauenstein; BdE. und anw. (Buol 13. 8.), Bach 16. 8., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw. Stadion.

MRZ. – KZ. 3246 – [Prot. Nr. 35ᵃ /1852] –

Protokoll der am 13. August 1852 zu Wien abgehaltenen Ministerkonferenz unter dem Vorsitze des Ministers des Äußern und des kaiserlichen Hauses Grafen v. Buol-Schauenstein.

I. Subventionierung der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher

Der Kultus- und Unterrichtsminister referierte über die Verhältnisse der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher1. Diese im Jahre 1652 gegründete Akademie hat infolge der von den römischen Kaisern Leopold I. und Karl VII. erhaltenen Privilegien als kaiserliches Institut seine Wirksamkeit über ganz Deutschland verbreitet und zur Beförderung der Naturwissenschaften wesentlich beigetragen. Im Jahre 1791, infolge der französischen Kriege unterbrochen, lebte die Akademie nach wiederhergestelltem Weltfrieden wieder auf2, wechselte aber ihren Sitz nach dem Wohnorte ihres jeweiligen Präsidenten und genießt dermalen als unter ihrem jetzigen Präsidenten Professor Nees v. Esenbeck in Breslau bestehend den Schutz der preußischen Regierung und von derselben eine Subvention von 1200 Talern jährlich, jedoch nur auf so lange, als sie sich in den preußischen Landen befinden wird. Über die Frage, in welche Stellung sie zu dem gesamten Deutschland nach Aufhebung des vormaligen Reichsverbandes zu treten habe, sind bereits Verhandlungen beim Deutschen Bunde gepflogen worden, ohne bisher zu einem Resultate geführt zu haben3. Es handelt sich aber gegenwärtig auch darum, den wegen seiner demokratischen Gesinnungen berüchtigten Präsidenten Nees zur Resignation auf die Vorstandsstelle zu bewegen, die Wahl des Professors Martius in München zum Präsidenten bei der nächstens stattfindenden Versammlung der Mitglieder der Akademie durchzusetzen und auf diese Weise die Akademie dem bisherigen ausschließlichen Einflusse Preußens zu entziehen, bis über die vorerwähnte Verhandlung beim Deutschen Bunde ein Beschluß gefaßt worden sein wird. Österreichischerseits gedenken die Mitglieder der Akademie Dr. Fenzl und Haidinger an der Versammlung teilzunehmen. || S. 213 PDF || Ersterer ist bereits abgereist und hat dem vortragenden Minister gemeldet, daß Aussicht vorhanden wäre, Nees zu entfernen und Martius zu wählen, wenn die Akademie über die Fortdauer der Subvention von jährlich 1200 Talern, welche mit der Übertragung des Sitzes nach München von Seite Preußens eingezogen wird, eine beruhigende Zusicherung erhielte. Der Unterrichtsminister war sonach der Meinung, daß in Berücksichtigung des gemeinnützigen Zweckes der Akademie und der Erwünschlichkeit, die Akademie dem ausschließlichen Einflusse Preußens zu entziehen, ihr die Zusicherung gegeben werde, daß ihr die fragliche Subvention nach dem Aufhören der preußischen vorderhand aus dem österreichischen Ärar werde erfolgt werden.

Der Finanzminister erklärte sich mit diesem Antrage vollkommen einverstanden, indem die an sich unbedeutende Auslage gegenüber dem daraus resultierenden Vorteile, der österreichischen Regierung größeren Einfluß auf dieses weitverbreitete Institut zu verschaffen, nicht in Anschlag gebracht werden kann. Auch die übrigen Votanten traten dieser Ansicht bei, der vorsitzende Minister des Äußern übrigens mit dem Beisatze, daß der königlich bayerischen Regierung, falls Martius gewählt und der Sitz der Akademie nach München verlegt würde, bezüglich einer etwa ihrerseits der Akademie zu gewährenden Unterstützung nicht vorgegriffen werden dürfte.

Der einstimmigen Ansicht der Konferenz gemäß wird der Unterrichtsminister dem Dr. Fenzl und dem Bergrat Haidinger die nötige Eröffnung machen, inzwischen aber die ihm vom Minister des Äußern mitzuteilenden Verhandlungsakten über die beim Deutschen Bunde der Akademie wegen anhängig gemachten Frage durchsehen und mit seinem weiteren Gutachten zurückleiten4.

II. Begnadigungsgesuch für Paul Nyáry

Begnadigungsgesuch für Paul v. Nyáry, gewesener Gutsbesitzer, erster Vizegespan und Deputierter beim ungrischen Landtage, verurteilt zu sechsjährigem Festungsarrest mit Einrechnung des ein Jahr und sechs Tage betragenden Untersuchungsarrests5. Nyáry hat sich – früher schon ein heftiger Oppositionsmann – seit 1848 an allen Akten des ungrischen Landtags bis zu dessen Auflösung beteiligt. Dennoch wird vieles zu seinen Gunsten als mildernd angeführt, insbesondere daß er anfangs 1848 zur Aufrechthaltung der Ordnung tätig gewesen und manchen Exzeß verhindert, dann daß er am 13. April 1849, als die Entthronung der Ah. Dynastie in Verhandlung war, derjenige war, der diese Maßregel als nicht zeitgemäß bestritt, auch sonst in vielen Dingen dem Agitator mit Energie entgegentrat.

Vorzüglich aus dieser Rücksicht erachtete der Justizminister auf die Herabsetzung der Strafdauer Nyárys auf vier Jahre antragen zu sollen, welchem Antrage die Minister des Inneren, || S. 214 PDF || der Minister der Finanzen und der vorsitzende Minister des Äußern beitraten. Die Minister für Landeskultur, Unterricht und Kriegswesen fanden dagegen keinen hinlänglichen Anhaltspunkt, um auf eine Strafmilderung einzuraten, weil Nyáry bekanntermaßen ein sehr tätiger Beförderer aller die Revolution vorbereitenden Maßregeln gewesen ist und sich an allen ihren Akten selbst, insbesondere an der Einrichtung der Blutgerichte, beteiligt hat6.

III. Begnadigungsgesuch für Stephan Pajor

Gnadengesuch für Stephan v. Pajor, gewesener Advokat, verurteilt zu vierjährigem Festungsarreste7.

Da derselbe als öffentlicher Ankläger beim Blutgerichte fungiert und gegen zwei Gutgesinnte das sofort auch vollzogene Todesurteil beantragt hat, so erkannte die Konferenz einhellig, daß Pajor - ungeachtet [daß] durch seine Vermittlung drei k. k. Offiziere vom Blutgerichte freigesprochen wurden - nicht zu hart bestraft und einer weiteren Berücksichtigung nicht würdig sei.

IV. Begnadigungsgesuch für Zsigmond Csuthÿ

Gnadengesuch für Zsigmond Csuthÿ, gewesener reformierter Pfarrer, verurteilt zu sechsjährigem Festungsarreste8. Ihm fällt die Verkündigung der Proklamationen der Rebellen von der Kanzel und die Abhaltung einer Haß und Verachtung der rechtmäßigen Regierung atmenden Predigt zur Last. Freilich will er dazu vom Rebellengeneral Kmety, der Csuthÿs Manuskript vernichtete und ihm ein anderes zum Vortrage übergab, gezwungen worden sein, und mehrere Zeugen bestätigten, daß Csuthÿ dies öffentlich, sowohl auf der Kanzel als sonst an anderen Orten, erklärt habe. Aber es ist erwiesen, daß er eben diese Rede, mit seiner Unterschrift versehen, selbst in die Druckerei gebracht und mehrere hundert Abdrücke davon bestellt, auch die Druckkosten sogleich erlegt hat, ohne daß hierbei irgendeine zwangsweise Einwirkung anderer Personen ersichtlich gewesen wäre.

Unter diesen Verhältnissen erklärte sich der Kultusminister gegen den Antrag des Justizministers auf Herabsetzung der Strafe Csuthÿs auf vier Jahre. Die übrigen Votanten aber traten diesem letzteren Antrage bei, vornehmlich in der Rücksicht, weil, wenn Nyáry (oben sub II) mit vier Jahren davonkäme, Csuthÿ wenigstens nicht härter als jener zu bestrafen sein dürfte9.

V. Naturalwohnungen für die Provinzialdelegaten in Lombardo-Venetien

Der Minister des Inneren referierte über die hinsichtlich seines Antrags vom 6. August 1852, KZ. 3094, MCZ. 2458, wegen fernerer Belassung der Naturalwohnungen || S. 215 PDF || für die Provinzialdelegaten des lombardisch-venezianischen Königreichs zwischen ihm und dem Finanzministerium obwaltende Meinungsverschiedenheit, welche sich durch den Beitritt des Finanzministers zu dem Antrage des Ministers des Inneren behob, nachdem bemerkt worden war, daß bei den Anträgen der auf Ah. Befehl bestellten Organisierungskommission allenthalben für die Chefs der politischen Verwaltung in den Kreisen etc. die Zugestehung einer freien Wohnung in Anspruch genommen worden ist.

Ah. E. Ich nehme den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis. Franz Joseph. Ischl, 26. August 1852.