Nr. 573 Ministerrat, Wien, 22. Oktober 1851 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Wacek; VS.Vorsitz Angabe fehlt; BdE.Bestätigung der Einsicht (Schwarzenberg 23. 10.); BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend P. Krauß 24. 10., Bach 24. 10., Thinnfeld, Thun, Csorich, K. Krauß, Baumgartner; abw.abwesend Schwarzenberg, Stadion, Kulmer.
MRZ. 3580 – KZ. 3793 –
Protokoll der am 22. Oktober 1851 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung.
I. Übereinkommen mit Bayern wegen Lastwägen mit breiten Radfelgen
Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Bauten Ritter v. Baumgartner brachte zur Kenntnis des Ministerrates, daß mit Bayern Verhandlungen gepflogen worden sind zum Behufe eines Übereinkommens wegen gegenseitiger Gestattung der Lastwägen mit Felgen von bestimmter Breite im Grenzverkehre.
Er bemerkte, daß Österreich sowohl als Bayern eigene Gesetze erlassen haben, worin die Felgenbreite für jede Belastung, dann die Ladungsbreite für Lastwägen bestimmt werden. Diese beiden gesetzlichen Bestimmungen weichen jedoch voneinander ab.
Was die Ladungsbreite anbelangt, stimmen beide im Prinzipe darin überein, daß die Ladungsbreite eine gewisse Grenze (9 Fuß) nicht überschreiten darf, nur werden die Fuß in Bayern nach dem rheinischen, in Österreich nach dem österreichischen Maße bestimmt. Die Differenz beträgt bei einem Schuh einen halben Zoll, ist daher von keinem besonderen Belange und gab zu keiner neuen Bestimmung Anlaß.
Ein anderer Punkt ist die Felgenbreite. Diese richtet sich beiderseits nach der Belastung, nur wird diese in Bayern und bei uns verschieden bestimmt. Während man hierbei in Bayern lediglich auf die Anzahl der Pferde sieht, wird sie bei uns ganz unabhängig von der Bespannung bloß nach dem Gewichte bestimmt.
Der Minister Ritter v. Baumgartner führte hierauf an, bei welcher Anzahl von Pferden in Bayern zweizöllige, zweieinhalbzöllige, vierzöllige und bei welcher sechszöllige Felgen gebraucht werden müssen, und bemerkte, daß bei dem gewerbsmäßigen Fuhrwerk (Stellwägen und Gesellschaftswägen) in Bayern, welche mit drei und mehr Pferden bespannt sind, die Felgenbreite nicht geringer als zweieinhalb Zoll sein darf.
Um den Grenzverkehr nicht zu hemmen und zu beirren, wurden beiderseits Konzessionen gemacht, nämlich, wenn Wägen aus Bayern zu uns kommen und die Belastung ist nach der Anzahl der Pferde über 60 Zentner, so brauchen sie nicht sechszöllige Felgen zu haben, was bei uns sein muß, dagegen kann unser gewerbsmäßiges Fuhrwerk, wenn es mit drei [oder] mehra Pferden bespannt ist, nicht zweieinhalbzöllige Felgen haben (was in Bayern vorgeschrieben ist), nur dürfen diese nicht unter zwei Zoll sein.
Mit diesen Konzessionen erklärte man sich beiderseits einverstanden.
Der Minister Ritter v. Baumgartner berührte diesen Sachverhalt lediglich in der Absicht, um über die Frage, durch wen die Kundmachung der erwähnten Verabredung zu geschehen habe, mit genauer Sachkenntnis entscheiden zu können.|| S. 299 PDF ||
Er bemerkte, daß die Kundmachung der früheren österreichischen Bestimmungen (vom Jahre 1840)1 über diesen Gegenstand von der damaligen vereinten Hofkanzlei geschehen sei, welche zu seiner Zeit auch das Bauwesen zu verwalten hatte, und weil damals von der obersten politischen Behörde alle Kundmachungen ausgingen.
Bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge, meinte der Minister, wäre aber die Kundmachung des Übereinkommens von dem Handelsministerium zu veranlassen, weil dieses alle öffentlichen Bauten, somit auch die Straßenbauten leitet, welche der berührte Gegenstand zunächst angeht, und weil es sich hier mehr um gewerbliche als Polizei- und Sicherheitsangelegenheiten handelt.
Dieser Ansicht stimmte der Ministerrat mit der Bemerkung bei, daß, solange die oberste politische Behörde nicht als die alleinige und allgemeine Kundmachungsbehörde aufgestellt ist, es keinem Anstande unterliegen könne, diese Kundmachung von dem Handelsministerium ausgehen zu lassen2.
II. Auszeichnung für Joseph Weinhofer
Gegen den Antrag des Kultus- und Unterrichtsministers Grafen Leo Thun , für den Pfarrer zu Pinkafeld in Ungarn (an der steiermärkischen Grenze) J. Weinhofer, einen um die Seelsorge und die Schule gleich hochverdienten und in jeder Beziehung ausgezeichneten Mann, welcher nächstens sein 50jähriges Priesterjubiläum begeht und aus diesem Anlasse von allen vorgesetzten Behörden zu einer Ah. Auszeichnung angetragen wird, von der Ah. Gnade Sr. Majestät die taxfreie Verleihung des österreichischen kaiserlichen Leopoldordens-Ritterkreuzes zu erbitten, ergab sich keine Erinnerung3.
III. Strafprozeßordnung für Kronländer ohne Schwurgerichte (3. Beratung)
Der Justizminister Ritter v. Krauß setzte hierauf seinen Vortrag über die Strafprozeßordnung für jene Kronländer fort, in denen keine Schwurgerichte werden eingeführt werden4.
Bei der heutigen Beratung wurde von dem § 102 bis zu dem § 141 vorgeschritten, wobei sich nur folgende wenige Bemerkungen und Änderungen ergaben.
§ 103. Am Schlusse dieses Paragraphes soll es statt „findet keine Beschwerdeführung statt“, richtiger heißen „findet eine Beschwerdeführung nicht statt“.
Der Eingang des Paragraphes 108 soll in folgender Art lauten: „Wer in dem anhängigen Untersuchungsfalle als Zeuge nicht vernommen oder beeidet werden kann, ist bei sonstiger Nichtigkeit des Aktes als Sachverständiger nicht beizuziehen“; und in der vierten Zeile von unten ist statt „wenn sie usw.“ zu setzen „wenn einer oder der andere erhebliche Einwendungen gegen dieselben vorbringt, usw.“
Im 3. Punkte des § 120, dritte Zeile, ist statt „tödliche Verletzung“ „Tödlichkeit der Verletzung“ und in dem Zusatze statt des letzten Wortes „vorzulegen“ das Wort „zu stellen“ zu setzen.|| S. 300 PDF ||
Im § 122 sind nach den Worten „in einer Apotheke“ noch die Worte „oder in einem chemischen Laboratorium“ hinzuzufügen.
§ 125, Zeile 7, sind statt der Worte „die Gerichtsärzte haben sohin“ die Worte zu setzen „sie haben usw.“
§ 133, Zeile 1 und 2, ist nach dem Worte „Gasthäusern“ der Satz „soweit sie nicht an Privatpersonen vermietet sind“ wegzulassen und dafür der Satz zu wählen „soweit sie als solche benützt werden“.
§ 136, zweiter Absatz, Zeile 6, sind statt der Worte „können Gendarmen oder andere Diener der öffentlichen Gewalt“ die Worte zu setzen „können Beamte oder Diener der öffentlichen Gewalt“.
Bei dem hierauf zur Erörterung gekommenen § 141, welcher von Durchsuchung von Papieren handelt, bemerkte der Minister des Inneren , daß es schwer sei, die zwei Akte, die Haussuchung und die Beschlagnahme der Papiere, voneinander zu trennen, und daß es ihm sonach wünschenswert schiene, diese zwei Akte miteinander zu verbinden und die diesfällige Kompetenz der Personen auch hier auszusprechen. Er bemerkte, daß, wenn die Haussuchung früher und ohne Durchsuchung der Papiere vorgenommen wird, die Papiere nach einer Haussuchung gewiß beseitiget sein werden, und daß die gegenwärtigen Verhältnisse es ratsam machen, den Behörden in der Durchsuchung der Papiere freiere Hand zu lassen.
Der Finanzminister Freiherr v. Krauß bemerkte, daß die Haussuchung entweder von Amts wegen oder auf Auftrag des Gerichtes geschehe. Im ersten Falle, wenn eine Haussuchung wegen Anzeigen eines Verbrechens oder Vergehens vorgenommen wird, könne hierbei auch die Durchsuchung der Papiere vorgenommen werden; im zweiten Falle soll die Durchsuchung der Papiere zu einem Bestandteile der Haussuchung gemacht werden.
Der Justizminister erinnerte, daß hinsichtlich der Kompetenz der Personen, welche eine Haussuchung vorzunehmen haben, der § 136 genaue Bestimmungen enthalte. Der § 139 und die folgenden sprechen nicht mehr von Personen, sondern nur davon, wann und wie die Durchsuchung der Papiere und Urkunden zu geschehen habe.
Ein Beschluß über diesen Paragraph wurde jedoch heute nicht gefaßt, und die weitere Besprechung darüber einer künftigen Sitzung vorbehalten5.
Wien, am 23. Oktober 1851. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Sambor, 31. Oktober 1851.