Nr. 304 Ministerrat, Wien, 21. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 22. 3.), Krauß 23. 3., Bach 30. 3., Schmerling 27. 3., Bruck, Thinnfeld 23. 3., Thun, Kulmer 23. 3., Degenfeld; abw.abwesend Stadion, Gyulai. Druck: Weinzierl-Fischer , Ministerrat 488–491 .
MRZ. 1121 – KZ. 1015 –
Protokoll der am 21. März 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerratssitzung.
[I.] Eingaben der im vorigen Jahr in Wien abgehaltenen Bischofsversammlung
Gegenstand der heutigen Beratung war der dem Protokolle beigeschlossene Entwurf der Erledigung, welche den in Wien 1849 versammelt gewesenen katholischen Bischöfen Österreichs über ihre an das Kultusministerium gerichteten Eingaben zu erteilen wärea .1
Der Kultusminister las den vorliegenden Entwurf samt Beilagen vollständig vor, und es wurden an demselben die nachfolgend bezeichneten Modifikationen beschlossen.
1. Die Stimmenmehrheit entschied sich, über Vorschlag des Ministers Baron Krauß [in] pagina 4 folgende Stellen wegzulassen: „Doch wenn die katholische Kirche hinsichtlich der im § 2 bezeichneten Rechte den andern gesetzlichen Religionsgesellschaften gleichgestellt ist“, weil diese Gleichstellung bereits früher ausgesprochen wird, die Wiederholung nicht nötig erscheint und dieser Passus, wenn die Erledigung in das größere Publikum kömmt, bei minder erleuchteten Katholiken üblen Eindruck machen könnte.
Baron Bruck stimmte für die ungeänderte Textierung des Entwurfes.
2. Der Finanzminister machte aufmerksam, daß folgende Stelle, Seite 5, Mitglieder anderer Konfessionen verletzen dürfte: „Im übrigen hat die Regierung Sr. Majestät niemals verkannt, daß die katholische Kirche, auf dem Glauben an ihre göttliche Einsetzung beruhend, nicht gleich anderen Gesellschaften ihre eigenen Gesetze willkürlich verändern kann.“ Denn jede Religionsgesellschaft hält auf den Glauben an ihren göttlichen Ursprung und die daraus sich ergebenden Konsequenzen.
Es wurde daher beschlossen, jeder Mißdeutung dieser Stelle durch eine veränderte Fassung zu begegnen.
3. Die Bestimmung Seite 10: „Der gerichtlichen Gewalt steht das Recht zu, jene, welche die Kirchenämter nicht der übernommenen Verpflichtung gemäß verwalten, in der durch das Kirchengesetz bestimmten Form zu suspendieren oder abzusetzen und sie der mit dem Amte verbundenen Einkünfte verlustig zu erklären.“, veranlaßte den Finanzminister, mit Beziehung auf seine bereits bei der ersten Beratung des Gegenstandes entwickelten Gründe zu erklären, er finde es nicht angezeigt, der Kirchengewalt das Recht zur einseitigen Entlassung eines Seelsorgers einzuräumen, nachdem der letztere zugleich|| S. 239 PDF || Staatsdiener ist, und somit die von der Kirche verfügte Entlassung auch in das Gebiet der Staatsgewalt hinübergreift.
4. Über Antrag des Ministers Dr. Bach wurde beschlossen, folgende Bestimmung (pagina 12) aus dem Gesetze zu streichen: „Wird ein Geistlicher von den weltlichen Gerichten wegen Verbrechen oder Vergehen verurteilt, so ist hievon, bevor die Strafe in Vollzug gebracht wird, dem Bischofe des Verurteilten die Anzeige zu machen und sind dem Bischofe auf sein Verlangen die Verhandlungsakten mitzuteilen.“ Diese Bestimmung enthält nämlich außer der zugesicherten Aktenmitteilung keine neue Anordnung; selbe kann daher füglich weggelassen und nur in der Erledigung einfach bemerkt werden, daß die Mitteilung der Akten an den Bischof keinem Anstande unterliege.
5. Seite 11 des Entwurfes erscheint folgende Bestimmung(§ 5): „Wenn ein Geistlicher seine Stellung und die ihm in derselben für kirchliche Zwecke zustehende Befugnisse zu andern Zwecken in der Art mißbraucht, daß seine Entfernung vom Amte sich der Regierung als notwendig darstellt, so haben sich die weltlichen Behörden deshalb vorerst an seinen kirchlichen Vorgesetzten zu wenden.“
Es wurde einstimmig beschlossen, statt der Schlußworte „zu wenden“ den Ausdruck zu gebrauchen „sich in das Einvernehmen zu setzen“, damit daraus nicht etwa gefolgert werden könne, die Kirchengewalt habe die Befugnis, die von der Staatsverwaltung notwendig befundene Entfernung eines Geistlichen vom Amte zu verweigern. Die politische Haltung mancher Bischöfe in verschiedenen Kronländern und der stattgefundene Mißbrauch der Kirchengewalt zur Förderung revolutionärer Zwecke haben die Notwendigkeit herausgestellt, den Einfluß der Staatsgewalt auf die Entfernung gefährlicher Priester vom Amte sorgfältig zu wahren.
6. Der § 4 lautet im Entwurfe: „Zur Durchführung des Erkenntnisses kann die Mitwirkung der Staatsbehörden in Anspruch genommen werden, wenn der ordnungsmäßige Vorgang der geistlichen Behörden durch Mitteilung der Untersuchungsakten nachgewiesen wird.“
Zur Beseitigung jedes Zweifels über die Deutung dieses Paragraphes wurde nach dem Antrage des Minister des Inneren beschlossen, nach dem Worte „wenn“ einzuschalten „denselben“.
7. Seite 12 erscheint folgender Satz: „In der Sr. Majestät zustehenden Ernennung der Bischöfe erkennen Allerhöchstdieselben ein von Ihren erlauchten Vorfahren überkommenes Recht, welches die Kirche dem katholischen Landesfürsten mit Beziehung auf das persönliche Verhältnis, in welchem derselbe zur Kirche steht, verliehen hat und für dessen Ausübung Se. Majestät Gott und der Kirche verantwortlich sind.“
Der Finanzminister, mit welchem sich die mehreren Stimmen vereinigten, fand es bedenklich, hier einen Ah. Ausspruch über die Devolution des Ernennungsrechtes von der Kirche an den Landesfürsten und über die Verantwortlichkeit Allerhöchstdesselben gegen die Kirche aufzunehmen. Es sei durchaus keine Notwendigkeit vorhanden, diese seit mehr als einem Jahrtausend streitige Frage, an welche sich die wichtigsten, zum Teil unabsehbaren Folgerungen knüpfen, hier förmlich zu entscheiden und eine Verantwortlichkeit Sr. Majestät gegen die Kirche anzuerkennen, welcher man in der Folge eine unerwartete Tragweite zu geben versuchen könnte.
8. Zur Seite 13 des Entwurfes bemerkte der Kultusminister , daß wenngleich die Frage über den Einfluß des jeweiligen Kultusministers auf die Besetzung von Bistümern,|| S. 240 PDF || als außer dem Bereich der vorliegenden Erledigung liegend, ausgeschieden wird, den Wünschen des Episkopats dermalen doch insoweit nachgegeben werden dürfte, daß in den ämtlichen Verlautbarungen Ah. Ernennungen für Bistümer nicht ausdrücklich erwähnt werde, die Ernennung sei über Antrag des Ministers erfolgt.
9. Seite 14 wurde beschlossen, den Ausdruck „Forderungen der Zeit“ durch einen angemesseneren zu ersetzen.
10. Der Justizminister sprach die Besorgnis aus, daß infolge der über die theologischen Studien in den Seminarien zu erlassenden Bestimmungen dieses hochwichtige Studium an den Universitäten vernachlässigt werden und in Verfall geraten werde. Den Bischöfen wurde auch über die theologischen Professoren eine Macht eingeräumt, welche zu einseitigen, der wahren Wissenschaft widersprechenden Bestrebungen führen kann.
Der Finanzminister äußerte, der Staat könne die so wichtigen Bildungsanstalten für die Geistlichkeit nicht ganz in den Händen der kirchlichen Oberen lassen. Staat und Kirche müssen dabei einträchtig, mit Hinblick auf ihre Zwecke wirken. Dies wäre hier am rechten Orte auszusprechen2.
Wien, 22. März 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 28. März 1850.