Nr. 292 Ministerrat, Wien, 2. März 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Ransonnet; VS.Vorsitz Kaiser (I – III), Schwarzenberg (IV – VI); BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 4. 3.), Krauß 6. 3., Bach 6. 3., Gyulai 6. 3., Schmerling 4. 3., Bruck, Thinnfeld 4. 3., Thun, Kulmer 4. 3.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 876 – KZ. 741 –
Protokoll der am 2. März 1850 zu Wien in Ah. Anwesenheit Sr. Majestät abgehaltenen Ministerratssitzung.
I. Gemeindeordnung für Wien
Se. Majestät geruhten den Minister des Inneren anzuweisen, mehrere Bestimmungen der vorgeschlagenen Gemeindeordnung für Wien näher zu motivieren1.
Infolge der von dem Minister hiernach gegebenen Aufklärungen wurden nach gepflogener Beratung über Anregung Sr. Majestät folgende Beschlüsse gefaßt: a) in reifliche Überlegung zu nehmen, ob nicht die förmliche Aufnahme als Gemeindebürger von dem Magistrate auszugehen habe, damit der Gemeinderat nicht etwa einseitig allzu ausgedehnte Verleihungen des Bürgerrechts vornehme; b) festzusetzen, daß die Wahlen der Bezirksvorsteher nicht bloß der Bestätigung des Gemeinderates, sondern auch jener des Statthalters zu unterziehen seien, weil es bei dem großen Einflusse dieser Funktionäre auf das Wohl und Weh der Bezirke sehr wichtig ist, daß hiezu nur völlig taugliche, vertrauenswürdige Männer gewählt werden; c) wurde beschlossen, die Zurücklegung des dreißigsten Lebensjahres, gleich wie für die passive Wählbarkeit in den Gemeinderat der Stadt Wien (§ 25), auch für die übrigen Gemeinden als Bedingung festzusetzen2.
II. Prämien für Semmeringlokomotive
Der Handelsminister berichtete, die Beratungen über die Preisausschreibung für den Lokomotivbau zur Überschreitung des Semmering seien beendigt und man habe sich schließlich dahin vereinigt, die Prämien nicht in dem mancherlei Schwankungen ausgesetzten Papiergelde, sondern in Gold auszusetzen, wodurch der in- und ausländische Konkurrent weit mehr aufgemuntert werden würde3. Die Preise wären in nachfolgender Weise festzustellen: 1. Preis 20.000 Stück k.k. Dukaten, 2. Preis 10.000 Stück k.k. Dukaten, 3. Preis 9000 Stück k.k. Dukaten, 4. Preis 8000 Stück k.k. Dukaten, 5. Preis 7000 Stück k.k. Dukaten, 6. Preis 6000 Stück k.k. Dukaten.|| S. 184 PDF ||
Gegen diesen Antrag, womit sich der Finanzminister einverstanden erklärte, ergab sich keine Erinnerung4.
III. Staatsprüfung der technischen Baubeamten
Schließlich erwähnte der Minister für öffentliche Bauten , er beabsichtige Sr. Majestät ein Reglement für die Staatsprüfung der technischen Baubeamten au. vorzulegen, nachdem die baldige Erlassung einer solchen Vorschrift im Interesse der Staatsverwaltung sowohl als der Bewerber um Anstellungen im Baufache gelegen sei5.
Die sämtlichen Minister mit Einschluß des Kultusministers vereinigten sich, nachdem Se. Majestät die Sitzung aufgehoben hatten, zu einer Beratung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten.
IV. Reorganisierung des Deutschen Bundes
Der Ministerpräsident las die am 27. Februar von den drei königlichen Regierungen Bayern, Sachsen und Württemberg an Preußen und Österreich erlassene Einladung zur Reorganisierung des Deutschen Bundes samt dem beigeschlossenen Verfassungsentwurfe6.
V. Abreise der magyarischen Emigranten von Schumla
Der Ministerpräsident teilte hierauf dem Rate den Inhalt einer soeben von dem österreichischen Konsul v. Rößler erhaltenen Berichts mit, worin die näheren Umstände der Abreise der magyarischen Emigranten von Schumla geschildert werden7.
VI. Verhalten der Honvéds in Venedig
Der Minister des Inneren las einen ihm von sehr verläßlicher Hand zugekommenen Bericht aus Venedig, wonach die den dortigen ungarischen Bataillons zugeteilten ehemaligen Honvéds, namentlich die Exoffiziere, die gemeine Mannschaft mit leider nur zu großem Erfolge bearbeiten, ihr den Hass gegen die österreichische Regierung und die schlimmsten revolutionären Doktrinen einimpfen, sodaß bei einem eintretenden Aufstande die Haltung dieser Truppen sehr zweifelhaft sein dürfte8. Die Gefahr wird als dringend geschildert, zumal hier italienische und magyarische Revolutionsmänner sich die Hand bieten, um die österreichische Regierung zu untergraben. Die Fäden|| S. 185 PDF || des Komplottes sollen sich bei einem gewissen Überbacher und dessen ehemaligen Oberleutnant, der sich bei dem III. Bataillon als Gemeiner befindet, konzentrieren9.
Wien, 4. März 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Wissenschaft genommen. Franz Joseph. Wien, den 8. März 1850.