Nr. 273 Ministerrat, Wien, 6. Hornung 1850 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend (Schwarzenberg 7. 2.), Krauß 7. 2. (bei I und II abw.abwesend), Bach 7. 2., Gyulai 7. 2., Schmerling, Bruck, Thinnfeld, Thun, Kulmer 7. 2.; abw.abwesend Stadion.
MRZ. 545 – KZ. 408 –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehaltenen zu Wien am 6. Hornung 1850 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses FML. Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Annahme des tunesischen Nischan-Ordens
Der Ministerpräsident brachte die Frage zur Sprache, ob dem Grafen Hadik, Kommandanten, so wie den übrigen Offizieren der jüngsten Expedition nach Tunis die Annahme und Tragung der denselben vom Bei von Tunis verliehenen Dekoration des tunesischen Nischan-Iftichar ohne Rückfrage bei der Pforte zu gestatten sei1.
Da der Bei von Tunis die türkische Oberhoheit nur dem Namen nach mehr anerkennt, mit den meisten auswärtigen Mächten in unmittelbarem diplomatischen Verkehr steht und der von ihm ausgegebene Nischan sich von jenem des Sultans wesentlich dadurch unterscheidet, daß, während im letztern der Namenszug des Sultans angebracht ist, ersterer den Namen des Beis enthält, endlich selbst fremde Souveräns, namentlich der vormalige König der Franzosen und dessen Söhne den tunesischen Orden unbedenklich angenommen haben, so erachtete der Ministerrat – übereinstimmend mit der Ansicht des Ministerpräsidenten – daß kein Anstand obwalte, den obgedachten Offizieren die Annahme jener Dekoration und deren Tragung zu gestatten2.
II. Eisenbahn zwischen Reichenberg und Görlitz, dann Reichenberg und Zittau
Der Handelsminister referierte über die Verwendung des königlich preußischen Ministers v. der Heydt in betreff einer Eisenbahnverbindung zwischen Reichenberg und Görlitz. Außer derselben wird eine solche auch zwischen Reichenberg und Zittau und zwischen Reichenberg und Pardubitz gewünscht3. Von letzterer, welche mit der Prager parallel laufen würde, kann dermal keine Rede sein. Dagegen fände der Handelsminister bei der Masse der Beziehungen Reichenbergs mit Hamburg keinen Anstand, die Herstellung einer Bahn zwischen Reichenberg und Görlitz sowie einer zweiten nach Zittau zu gestatten, wenn sich eine Privatgesellschaft darauf einlassen will, die hierzu|| S. 104 PDF || nötigen Vorerhebungen bezüglich des Terrains, Trasse etc. zu machen und sodann im ordentlichen Wege um die Konzession zur Erbauung der Bahn anzuhalten. In diesem Sinne gedächte der Handelsminister die Zuschrift des preußischen Ministers zu beantworten und adie sächsische Regierung durch den Gesandten in Beziehung auf Zittau darauf aufmerksam zu machena .
Der Ministerrat erklärte sich hiermit einverstanden4.
Der Minister v. Thinnfeld äußerte gelegentlichb den Wunsch, daßc bezüglich einer direkten Bahnverbindung mit dem überreichen Kohlenwerke von Buschtehrad etwas geschehen sollte. In letzterer Beziehung sicherte der Handelsminister die Erstattung eines Antrags zu5.
An der Beratung über die vorstehenden zwei Gegenstände hat der Finanzminister nicht teilgenommen.
III. Reorganisierungskommission der Oesterreichischen Nationalbank
Der Finanzminister brachte nunmehr die Zusammensetzung der Kommission in Vortrag, welche berufen werden soll, um der Oesterreichischen Nationalbank eine solche Einrichtung zu geben, wodurch sie der Industrie und dem Grundbesitze nützlicher werden kann, als es bis jetzt der Fall gewesen6. Letztere Rücksicht erfordert es, daß zur Kommission außer Handelsleuten und Industriellen auch in Geschäften erfahrene Güterbesitzer beigezogen werden.
Der Ministerrat vereinigte sich – über Vorschlag des Finanz- und des Handelsministers – in der Berufung folgender Personen:
Niederösterreich: Miller, Hornbostel, Eder Prälat zu Melk, und als Ersatzmann Grob; Böhmen: Riedl, Porges, Graf Deym, Ersatz: Ressner; Mähren: Herring, Graf Salm, Ersatz: Schöller; Triest: Brentano, Regelsdorf, Minerbi, Ersatz: Lutterotti; Ungern: Malvieux, Kern, Barkóczy, Graf Desewffy, Ersatzmann: Graf Péchy Emanuel; Lombardie: Gavazzi, Simonetta, Ersatzmann: Zanelli; Venedig: Reali, Zucchelli, Ersatzmann: Breganza; Innerösterreich: Rosthorn, Ersatz Moro; Krakau: Kirchmajer; Brody: Hausner; Kroatien: Tschopp. Endlich aus Tirol drei Individuen, worüber der Finanzminister dem dortigen Statthalter den Vorschlag abverlangen wird7.
Bezüglich des Zeitpunkts des Zusammentretens der Kommission bemerkte der Finanzminister, daß derselbe der nötigen Vorbereitungen wegen nicht vor dem 15. März festgesetzt werden dürfte; der Ort der Versammlung wird, da es nicht angemessen erscheint, das Bankgebäude dazu zu benützen, erst ausgemittelt werden. Die Wahl ihres Vorsitzers|| S. 105 PDF || wäre der Kommission zu überlassen; dagegen ihr ein später zu bestimmender lf. Kommissär beizugeben, um den Verkehr mit der Regierung zu vermitteln. In Betreff der Verbindung der Kommission mit der Bankdirektion selbst wäre zu bestimmen, daß die Bankdirektion durch zwei Abgeordnete sich bei den Sitzungen der Kommission vertreten und von diesen sich über die Verhandlungen referieren lassen solle. Endlich wird es erforderlich sein, der Kommission bei ihrem ersten Zusammentritte über den Zweck, die Aufgabe derselben und über den bei ihren Verhandlungen zu beobachtenden Gang von Seite der Regierung eine geeignete Vorlage zu machen, welche der Finanzminister zu entwerfen und vorzutragen sich vorbehielt8.
Wien, am 7. Hornung 1850. Schwarzenberg.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Wien, den 8. Februar 1850.