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Nr. 58 Ministerrat, Wien, 29. April 1849 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Wacek; VS. Schwarzenberg; anw. Krauß, Bach, Cordon, Thinnfeld, Kulmer; BdE. (Schwarzenberg 30. 4.), Krauß, Bach 30. 4., Cordon 30. 4., Thinnfeld, Kulmer; abw. Stadion, Bruck.

MRZ. 1308 – KZ. 1191 –

Protokoll der am 29. April 1849 in Wien abgehaltenen Ministerratssitzung unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, dann Ministers des Auswärtigen und des Hauses Fürsten Felix Schwarzenberg.

I. Stand der Friedensverhandlungen mit Sardinien

Über die von dem Ministerpräsidenten gestellte Anfrage, ob der Stand der piemontesischen Verhandlungen1 durch die Wiener Zeitung oder durch den Korrespondenten zur öffentlichen Kenntnis gebracht werden solle, wurde beschlossen, diese Angelegenheit, so wie sie in der Wahrheit ist, durch die Wiener Zeitung bekanntzumachen2.

II. Antwort des Kaisers an die kroatische Deputation

Hierauf wurde die Antwort vorgelesen und redigiert, welche Se. Majestät der übermorgen nach Olmütz abgehenden (vom Minister Baron Kulmer zu begleitenden) kroatischen Deputation erteilen werden3. Der wesentliche Sinn dieser Antwort geht dahin, daß es Se. Majestät freue, aus dem Munde der Deputation die Versicherung der Treue und Anhänglichkeit der kroatischen Nation zu vernehmen, und daß Allerhöchstdieselben überzeugt seien, die kroatische Nation werde bei ihren schon so oft erprobten Gesinnungen auch fernerhin verharren, für die Größe und Einheit der österreichischen Monarchie und die Gleichberechtigung aller Nationalitäten zu wirken und zu diesem Zwecke in den gegenwärtigen schwierigen Zeiten selbst neue Opfer zu bringen4.

III. Serbische Deputation

Der Minister Baron Kulmer bemerkte, daß eine serbische Deputation bei ihm war, welche gleichfalls den Wunsch hege, nach Olmütz zu gehen, und fragte sich an, ob es gestattet werden solle oder nicht.

|| S. 259 PDF || Daß diese Deputation nicht gleichzeitig mit der kroatischen sich nach Olmütz begeben dürfe, unterliege keinem Zweifel, allein auch später glaubt der Ministerrat diesen Gang nicht für angemessen halten zu können, weil eine serbische Deputation bereits in Olmütz war und dasselbe noch einmal zu begehren jetzt kein geeigneter Moment sei5.

IV. Waffentransport von Krakau nach Ungarn

Nach einem dem Ministerpräsidenten vom Grafen Lažanský zugekommenen Berichte soll von Krakau nach Ungarn ein bedeutender Waffentransport bewerkstelliget worden sein6. Die Mittel dazu sollen Graf Potocki, Fürst Jablonowski und andere geliefert haben, und als Gehilfen hierbei sich des Wiener Studenten Krobicki bedient haben, durch dessen Vermittlung der Waffentransport nach Ungarn gelangt sei7.

Der Justizminister Dr. Bach nahm hievon in Vertretung des Ministers des Inneren Kenntnis, und es wurden ihm zur Einleitung der nötigen Erhebungen die Namen der Beinzichtigten schriftlich mitgeteilt8.

V. Verzögerung eines Pulvertransportes auf der Nordbahn

Der Minister Baron Kulmer eröffnete, daß ihm vom Foges, Direktor der Nordbahn, mitgeteilt worden sei, daß von den Leuten der Nordbahn ein Wagen, worauf ein Pulvertransport statthaben sollte, umgeworfen und dadurch der Transport vier Stunden lang verzögert worden sei. Hierüber werden nähere Nachforschungen, ob nicht hierbei ein böser Wille unterlaufe, eingeleitet.

VI. Anleihe in Rußland

Der Finanzminister Freiherr v. Krauß brachte eine schon früher dem Ministerrate bekanntgegebene und mit seiner Genehmigung eingeleitete Verhandlung zur Sprache, welche das Anerbieten Rußlands betraf, der österreichischen Regierung 40 Millionen Francs in französischen Renten gegen einen gleichen Betrag in österreichischen 5%igen Metalliques zu überlassen9. Die aus dieser Rente gelösten Beträge sollten zu Kreditzahlungen benützt werden und jene französischen Papiere, welche in sechs Monaten nicht angebracht würden, Rußland wieder zurückgestellt werden. Hierüber habe nun der russische Finanzminister seine Ansichten geändert, gegenwärtig sei er nur bereit, 30 Millionen französischer Renten gegen dem zu überüberlassen, daß ein solcher Betrag in Metalliques dafür eingelegt werde, welcher den Wert dieser 30 Millionen Rente deckt, daß von sechs zu sechs Monaten der Wert der Metalliques und der Wechselkurs erhoben und die allenfällige Differenz sichergestellt werde, und daß nach vier Jahren Rußland die französischen Renten wieder zurückgestellt werden. Der österreichische Gesandte habe alles Mögliche getan, um das Geschäft in der ursprünglichen Art|| S. 260 PDF || zustande zu bringen, doch vergebens10. Der gegenwärtige Antrag des russischen Finanzministers ist von dem früheren gänzlich verschieden. Der frühere war für Österreich vorteilhaft, der gegenwärtige ist es keineswegs. Um die angebotenen 30 Millionen zu benützen, müßte man sie entweder verkaufen oder versetzen. Im ersteren Falle wäre man in Gefahr, nach vier Jahren, wo die Rückerstattung eintritt, einen bedeutend größeren Betrag zu ersetzen, als wir erhalten haben; im zweiten Falle müßte man das Geschäft mit Berechnung der Differenzen von drei zu drei Monaten prolongieren, was mit Weitläufigkeiten und Unannehmlichkeiten verknüpft wäre.

So herabwürdigende Bedingungen, wie sie gegenwärtig vom russischen Finanzminister gestellt werden, kann sich Österreich, in dessen Papiere dadurch ein vollkommenes Mißtrauen an den Tag gelegt wird, nach dem Erachten des Ministerrates nicht gefallen lassen, und der russische Vorschlag, wie er jetzt da steht, wäre von der Hand zu weisen11. Nachdem jedoch das Geschäft in der ursprünglichen Art für Östereich immerhin vorteilhaft wäre, so wurde beschlossen, diese Angelegenheit an den Minister des Äußern in der Beziehung zu leiten, um allenfalls durch den österreichischen Gesandten dem russischen Kaiser vorstellen zu lassen, daß sein Finanzminister von dem ursprünglichen, freundschaftlichen Anerbieten abgesprungen ist, daß Österreich den Erlös der französischen Rente zu Kreditzahlungen bestimmt habe, welcher Zweck nach dem neuen Antrage nicht erreicht werden könnte, und daß Österreich geneigt sei, das Geschäft nach dem ursprünglichen freundschaftlichen Anerbieten wieder aufzunehmen, asofern die Lage der politischen Verhältnisse überhaupt die Wiederanknüpfung der frühern Verhandlung rätlich machta .12

VII. Zentralverein für die französisch-polnische Propaganda in Belgrad

Der Minister Baron Kulmer las hierauf einen von Agram erhaltenen Brief vor, worin gemeldet wird, daß sich in Belgrad seit einiger Zeit ein Zentralverein für die französisch-polnische Propaganda gebildet habe, dessen Zweck ist, das Slawentum in Österreich und in der Türkei aufzuwiegeln. In Konstantinopel wirke als Glied des Vereines ein gewisser Czeskowski, in Agram Gaj, in Serbien der Minister Garašanin, dann ein gewisser Knesevich. Herkalović sei als Agent dieses Vereins nach Paris geschickt worden13.

|| S. 261 PDF || Es wurde beschlossen, diesen Brief dem Ban Baron Jellačić mitzuteilen, und der Minister Dr. Bach hat hievon in Vertretung des Ministers des Inneren gleichfalls Notiz genommen14.

VIII. Belohnung des mit dem Geldtransporte von Schemnitz nach Wien betraut gewesenen Individuums

Derselbe Minister (Baron Kulmer) hat auf die Angemessenheit einer Anerkennung, allenfalls mittelst einer goldenen Ehrenmedaille für das Individuum (Landerer) aufmerksam gemacht, das jüngst Geld aus Schemnitz im Betrage von 200.000 f. mit vieler Gefahr hierher brachte15. Der Minister Thinnfeld wird diesfalls Erkundigungen einziehen und diesen Gegenstand zum Vortrage bringen16.

IX. Auflösung der zweiten Kammern in Berlin und in Hannover

Die soeben angekommene preußische Staatszeitung und die gleichzeitig an den Minister des Äußern eingelangten Depeschen aus Berlin lassen entnehmen, daß der König von Preußen über den Antrag seines Ministeriums auf dem Grunde der Verfassung vom 5. Dezember 1848, § 49 etc., die zweite Kammer aufgelöst und die erste Kammer vertagt habe17. Berlin war ruhig, und die Maßregel hat keinen Widerspruch gefunden. Nun werde auch ein neues Wahlgesetz folgen. Auch die Hannoversche Kammer ist nach diesen Depeschen aufgelöst worden18. Die Haltung von Württemberg wird darin beklagt, obgleich die Annahme der deutschen Reichsverfassung nicht als unbedingt angesehen werden könne19. Der abgedankte piemontesische König Karl Albert sei in Lissabon angekommen. Aus Warschau sind mit dieser Post keine Nachrichten angekommen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Franz Joseph. Olmütz, den 3. Mai 1849.