Nr. 43 Ministerrat, Wien, 4. April 1849 - Retrodigitalisat (PDF)
- ℹ️ anwesend:
- RS.Reinschrift; P.Protokoll Marherr; VS.Vorsitz Schwarzenberg; BdE.Bestätigung der Einsicht und anw.anwesend Stadion, Bach 14. 4., Krauß 14. 4., Cordon 17. 4., Thinnfeld, Kulmer 16. 4.; abw.abwesend Bruck.
MRZ. 1005 – KZ. fehlt –
Protokoll der Sitzung des Ministerrates gehalten zu Wien am 4. April 1849 unter dem Vorsitze des Ministerpräsidenten, Ministers des Äußern und des Hauses, Fürsten v. Schwarzenberg.
I. Einspruch Windischgrätz‘ gegen die Ausgabe von auf Einkünfte Ungarns lautende Anweisungen
Der Finanzminister erstattete seine Äußerung über die vom Feldmarschall Fürsten v. Windischgrätz dem Ministerpräsidenten eingesandte Vorstellung gegen die vom Ministerrate unterm 8. März 1849 beschlossene Hinausgabe von auf die Einkünfte des Königreiches Ungern lautenden Kasseanweisungen1.
Die Bedenken, welche darin gegen diese Anweisungen erhoben werden, sind im wesentlichen folgende, a) daß diese Papiere nur für Ungern gelten und von der Annahme in den übrigen k.k. Ländern ausgeschlossen sein sollen, daher ihren Kredit verlieren werden, b) daß der Bestand so vielerlei Papiergelds, als der Einlösscheine, der österreichischen Banknoten, der Kossuthschen, endlich dieser Anweisungen, zu Komplikationen führen werde, sowie c) ihre Ähnlichkeit mit den Kossuthschen Banknoten, d) daß ihre Form anstößig sei, indem sie auf das Ofener königliche Kameralzahlamt lauten, mithin dem Prinzip der Zentralisation der Finanzen widerstreiten, bei einigen Sorten der k.k. Adler nicht aufgedruckt, bei andern eine Szene aus dem Leben des in Ungern nicht beliebten Kaisers Joseph II. angebracht ist, e) daß auf die Nachmachung oder Verfälschung derselben gegen alle Rechtsbegriffe die Strafe des Diebstahls gesetzt wird, daß endlich f) die in dem Kundmachungsentwurfe zugesicherte „Tilgung“ dieser Papiere das Publikum in Ungewißheit darüber lassen werde, ob darunter eine Einlösung oder etwa eine bloße Verrufung derselben gemeint sei.
Der Fürst dringt am Schlusse darauf, daß solche Papiere nicht zur Bezahlung der Truppen verwandt werden, weil durch den wegen der ad a) und b) bemerkten Umstände unvermeidlichen Wertsverlust derselben gegen die österreichischen Banknoten Unzufriedenheit im Heere und andere bedenkliche Konflikte herbeigeführt werden würden.
Der Finanzminister erinnerte, ad a) sei die Annahme der in Rede stehenden Anweisungen außer Ungern nicht ausgeschlossen, sondern, da es sich zunächst um ein Zahlungsmittel für die Bedürfnisse der Armee in Ungern handelt, dermalen nur nicht für nötig erachtet worden, die auswärtige Annahme schon gleich bei der Hinausgabe auszusprechen. Es unterliege aber keinem Anstande, deren Annahme bei allen k.k. Kassen zuzusichern. Was den Kredit dieser Papiere betreffe, so hänge derselbe überhaupt von der Menge derselben und von dem Vertrauen ab, welches man in Ungern auf die Regierung setzt. Erstere werde beschränkt sein, daher die Papiere im Verkehr mit Begierde werden aufgenommen|| S. 208 PDF || werden; das Vertrauen in die Regierung aber beruhe auf den militärischen Operationen in Ungern, also auf der Wirksamkeit des Fürsten selbst. Ad b) werde die Anzahl der Kreditpapiere in Ungern eigentlich nicht vermehrt, da die Anweisungen bestimmt sind, die Kossuthschen Banknoten aus dem Verkehre zu verdrängen. Ad c). Zur Vermeidung der bemerkten Ähnlichkeit habe der Finanzminister ursprünglich (Protokoll vom 8. März 1849) die Hinausgabe eines verzinslichen Papiers vorgeschlagen. Indessen unterliege mit Rücksicht auf den Zweck desselben auch die Unverzinslichkeit keinem Bedenken, da jede Armee ihre Bedürfnisse in einem okkupierten Lande mit derlei dem Lande selbst zur Last fallenden unverzinslichen Scheinen oder Bons zu decken pflegt. Ad d). Die Anweisungen sind vom 1. März, also vor der Konstitution datiert, mithin konnte kein andrer Titel als „königlich ungrisches Kameralzahlamt“, das übrigens noch immer besteht, gebraucht werden. Sie sind auch bloß auf die Einkünfte Ungerns gewiesen, weil die anderen Provinzen dabei nicht ins Mitleiden gezogen werden können. Der Mangel des k.k. Adlers auf einigen ist eine Folge der Eile, mit der der Druck besorgt wurde, und wohl nicht wesentlich, und das Bild vom Kaiser Joseph, welches übrigens wegen seines äußerst gelungenen Doppeldrucks ein wirksames Mittel gegen Nachmachung ist, kann, wenn es anstößig wäre, beseitigt werden, was jedoch der gefertigte Ministerpräsident durchaus nicht nötig findet. Ad e). Die Strafsanktion des Diebstahls gründet sich auf die ungrische Gesetzgebung, welche auf Fälschung etc. keine Strafe setzt, im neuen Wechselgesetze von 1844 aber dieselbe dem Diebstahl gleich achtet2. Ad f) war es nie die Absicht, diese Anweisungen anders als durch ordentliche Einlösung zu tilgen, zumal ein Teil davon selbst zur Einlösung der 5 fr. Kossuthschen Banknote bestimmt ist.
Gegen diese Einlösung der 5 fr. ungrischen Banknoten brachten der Justizminister und Baron Kulmer die Einwendung vor, daß selbe nur der Gegenpartei zugute kommen werde, welche nicht anstehen werde, fortan immer mehr derlei Zettel auszugeben. Allein, der Finanzminister behob dieses Bedenken mit der Bemerkung, daß ein Präklusivtermin festgesetzt werde, bis zu welchem die Einlösung stattfinden darf, nach dessen Verlauf sodann jede weitre Hinausgabe von neuen 5 fr. Banknoten in dieser Beziehung ganz erfolglos sein würde.
In diesem Sinne wird der Finanzminister die Erwiderung im Namen des Ministerpräsidenten an den Feldmarschall Fürsten Windischgrätz entwerfen und darin auf den unverweilten Vollzug der angefochtenen, durch die Verhältnisse des Landes und der Finanzen dringend gebotenen Maßregel dringen. Der Finanzminister kann übrigens nicht umhin zu bemerken, daß es auffalle, warum Fürst Windischgrätz seine Vorstellung gegen den Erlaß des Finanzministers nicht an diesen, sondern an den Ministerpräsidenten zu richten befunden hat3.
II. Einberufung der österreichischen Bischöfe zum Konzilium in Wien
Der Minister des Inneren verlas das Konvokationsschreiben an die Bischöfe der mit den Grundrechten dotierten Länder zu dem in Wien abzuhaltenden Konzilium der österreichischen Bischöfe4.
|| S. 209 PDF || Der gefertigte Ministerpräsident machte darauf aufmerksam, daß nicht nur die Bischöfe selbst, sondern auch in deren Verhinderung ihre Stellvertreter einzuberufen seien, und der Finanzminister , daß, nachdem nebst den Bischöfen auch die Gemeinden wenigstens bezüglich des Kirchenvermögens die kirchlichen Interessen zu vertreten haben, der im Schreiben vorkommende Ausdruck „allein berechtigte Vertreter“, soweit er bloß auf die Bischöfe bezogen werden wollte, zu modifizieren sein dürfte. Zugleich wären die Bischöfe des unterworfenen Teils Ungerns aufzufordern, ob sie sich nicht freiwillig an diesem Religionskongresse beteiligen wollen.
In dieser sowohl als auch in stilistischer Beziehung jedoch wird der Minister des Inneren auf Aufforderung des Ministerpräsidenten vorläufig noch mit dem Bischof Rauscher Rücksprache pflegen und sofort das Weitere antragen5.
Bei diesem Anlasse machte der Justizminister den Anwurf, ob nicht der Ban im Vertrauen aufzufordern wäre, sich zu äußern, inwiefern die österreichischen Grundrechte (und die infolge derselben erlassenen Gesetze: Preß- und Assoziationsgesetz) nicht auch in den seiner Leitung anvertrauten Kronländern eingeführt werden könnten6.
III. Behandlung der polnischen Emigranten in Krakau
Der Minister des Inneren brachte die Maßregeln in betreff der dermal in Krakau befindlichen polnischen Emigranten (215 an der Zahl) zur Sprache. Dieselben sollten nach Triest gebracht und von da auf Staatskosten nach Amerika geschafft werden.
Der gefertigte Ministerpräsident glaubte, bei der Gefährlichkeit dieser Leute deren sofortige Auslieferung an die russische Regierung vorschlagen zu sollen, wogegen sich jedoch der Justiz- und der Finanzminister erklärten, weil nach des letzteren Erinnern den polnischen Flüchtlingen die öffentliche Zusicherung der Nichtauslieferung an Rußland gegeben worden ist. Indessen könnte seines Erachtens die Ausweisung derselben mittelst gebundener Marschroute mit der Androhung verfügt werden, daß, wenn sie sich selber nicht unterwerfen, sie ihre Auslieferung an Rußland zu gewärtigen haben würden7.
Wien, am 5. April 1849.
Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.